Das Gold der Raben (eBook)
384 Seiten
Blanvalet Verlag
978-3-641-13663-5 (ISBN)
Andrea Schacht (1956 - 2017) war lange Jahre als Wirtschaftsingenieurin und Unternehmensberaterin tätig, hat dann jedoch ihren seit Jugendtagen gehegten Traum verwirklicht, Schriftstellerin zu werden. Ihre historischen Romane um die scharfzüngige Kölner Begine Almut Bossart gewannen auf Anhieb die Herzen von Lesern und Buchhändlern. Mit »Die elfte Jungfrau« kletterte Andrea Schacht erstmals auf die SPIEGEL-Bestsellerliste, die sie auch danach mit vielen weiteren Romanen eroberte.
2. Kapitel
Myntha brachte ihrem Vater einen heißen Most in die Werkstatt. Es war ein kalter Novembertag, und ein unangenehmer Wind durchdrang die Ritzen und Spalten der hölzernen Wände. Reemt legte den Hobel zur Seite, mit dem er dem Nachen den letzten Feinschliff verpasst hatte, und rieb sich die Hände.
»Gutes Kind. Genau das brauche ich jetzt«, sagte er und umfasste den heißen Becher.
»Sieht vortrefflich aus, der Nachen.«
Reemt schlürfte den Most und strich mit der Hand über die glatten Planken.
»Er hat viele Schwierigkeiten gemacht. Erst dieser verdammte Brand, der den ersten zu Asche hat werden lassen, dann dieser unselige Unfall, durch den die Holzlieferung vernichtet wurde, und dann dieser grässliche Holzhändler, der mir das Doppelte für seine jämmerlichen Stämme berechnen wollte. Aber sei’s drum, jetzt ist der Nachen fertig und wird nächste Woche seinen Dienst aufnehmen. Wenigstens etwas, das ich in der letzten Zeit fertiggebracht habe.«
Myntha strich ebenfalls über das glatt gehobelte Holz. Ihr Vater war noch immer verbittert, dass es mit dem Bewerber um ihre Hand noch immer keine Einigung über den Ehevertrag gegeben hatte. Ihr selbst war es nicht so dringend mit der Verlobung. Die Vorstellung, dass die geschäftstüchtige ältere Schwester des Mühleneigners sich ständig in die Verhandlungen einmischte, ging ihr herzlich auf den Geist.
»Es ist ein gutes Handwerk, und die Brüder von der Abtei Altenberg werden es Euch ordentlich vergüten.«
Diese Vorstellung ließ in Reemts Gesicht noch mehr Falten erscheinen.
»Keine Sorge, Herr Vater, ich habe bereits die Kosten zusammengestellt und kann eine redliche Rechnung vorlegen und begründen.«
»Aber sie werden verhandeln wollen.«
Derartige Gespräche verabscheute Reemt.
»Ich habe eine Position für Verhandlungen mit eingerechnet. Lasst mich nur machen.«
»Mrrpf.«
Seiner Tochter das Feilschen zu überlassen behagte dem Fährmeister auch nicht besonders, aber er war sich durchaus bewusst, dass sie dieses Geschäft weit besser beherrschte als er selbst.
»Ich lasse Euch jetzt weiterwerkeln. Ich muss mit Großmutter Enna, Agnes und Lore Haros Hochzeit planen.«
»Tu das, Myntha. Und denk daran, dir ein neues Gewand anfertigen zu lassen.«
»Und eines für Großmutter, Agnes und Lore ebenfalls.«
»Du wirst mich ruinieren«, seufzte Reemt.
»Ach nein, wir nehmen einfaches Sackleinen«, sagte Myntha und schlüpfte grinsend aus der Werkstatt.
Es reichte dann aber noch für feines Leinen, glänzende Seide und etwas Pelzbesatz. Das Fährgeschäft lief gut, und in der Truhe hatte sich einiges an Münzen angesammelt. Da Myntha die Bücher führte, wusste sie auch, dass nach Bezahlen der Pacht und Abgaben ein anständiger Gewinn übrig bleiben würde.
Und die Hochzeit ihres Bruders mit ihrer Freundin Bilke könnte jetzt gebührend gefeiert werden. Myntha war glücklich, dass Haro, der in Gegenwart von Frauen nur sehr schwer den Mund aufbekam, endlich die erlösenden Worte gefunden hatte. Erst vor Bilke, dann auch noch vor ihrem Vater, dem Ritter Arnold von Lunerke. Auch wenn er dazu den tatkräftigen Beistand des Rabenmeisters benötigt hatte.
Die Planung der Hochzeit war eigentlich nicht so sehr ihre Aufgabe als die der Familie der Braut. Das Fest der Vermählung würde auf der Burg derer von Lunerke stattfinden, aber Haro, der schon wieder völlig verängstigt war, musste Gräten eingezogen bekommen und dazu überredet werden, sich ein dem Anlass entsprechendes Gewand anmessen zu lassen.
Mynthas beide Brüder waren große, starke Männer, die ihre gutmütigen Gesichter hinter Vollbärten versteckten. Sie waren beide zu Fährmeistern ernannt worden und bedienten tagaus, tagein die Fähre zwischen Mülheim und Köln. Witold würde, wenn Reemt das Amt des Pächters niederlegte, dessen Aufgabe übernehmen, die ihm das Hoheitsrecht über ein beachtliches Stück des Fährverkehrs auf der rechten Rheinseite verlieh. Haro hatte vor, ein Fährhaus mit Gastwirtschaft an der Anlegestelle am anderen Rheinufer zu bauen und hatte auch die Genehmigung dazu schon erhalten. Dabei würde Bilke ihm als Wirtin zur Seite stehen. Das mochte der Tochter eines Ritters vielleicht nicht würdig sein, aber Mynthas Freundin war glücklich über diese Möglichkeit. Ihr Vater hatte zuvor beschlossen, dass sie Nonne werden sollte, aber Myntha war es gelungen, sie von diesem Los zu befreien und ihr einen Platz bei den Beginen am Eigelstein zu verschaffen. Hier genoss Bilke weit größere Freiheiten – unter anderem auch die zu heiraten.
Agnes, die Pilgerin aus dem fernen Frankenland, die Obdach im Fährhaus gefunden hatte, verstand sich auf feine Handarbeiten, und sie war es, die in Mynthas Kammer saß und fleißig mit Nadel und Goldfaden die Säume der neuen Gewänder verzierte.
Auch ihr brachte Myntha einen Becher angewärmten Most und ein Körbchen voll Mandelküchlein, die sie Lore in der Küche noch heiß vom Blech stibitzt hatte.
»Die duften köstlich«, sagte Agnes und verbrannte sich fast die Finger, als sie in den Korb langte.
»Eines von Lores besonderen Rezepten. Sie hat sie zubereitet, um den neuen Pfarrer zu beeindrucken. Der hat nämlich seinen Besuch angekündigt. Willst du ihn auch kennenlernen?«
»Wenn er von besserem Charakter und Geruch ist als dieser vermaledeite Volmarus.«
»Das gilt es herauszufinden.«
»Dann komme ich mit.«
»Wir treffen uns im Kontor. Dort ist es warm. Ich habe vorhin die Abrechnungen erledigt.«
Sorgsam faltete Agnes ihre Handarbeit zusammen und zupfte an ihrer Haube. Sie war eine Frau in den mittleren Jahren, schlank, fast hager, aber wenn es ihr angemessen erschien, konnte sie eine geradezu königliche Haltung zeigen. Sie war im Frühjahr in den Haushalt gekommen und hatte demütig die Dienste einer Magd angenommen. Aber nach und nach hatte Myntha herausgefunden, dass sie in ihrer Heimat eine hochgestellte Dame gewesen war, deren Gatte in den Wirren der englisch-französischen Kriege in Gefangenschaft geraten war und die nun darauf wartete – wo auch immer –, dass man ein Lösegeld für ihn zahlte. Dennoch blieb Agnes bescheiden und war bereit, jede Arbeit auszuführen, die man ihr auftrug. Einige Male allerdings hatte sie schon für heftigen Streit gesorgt, und Myntha war nahe daran gewesen, sie aus dem Haus zu jagen. Dennoch – Agnes gab immer wieder klein bei, denn sie hing weiter dem Glauben an, dass im Rhein, gerade hier an der Fährstelle, Gold liegen müsse. Die bildhaften Schilderungen von Goldschätzen, die von den Rheinnixen bewacht wurden, wie sie Reemt an den Abenden gerne von sich gab, nährten diesen Glauben weiter, auch wenn Myntha immer wieder versuchte, sie davon abzubringen.
Die Glut in der Kohleschale im Kontor verbreitete eine angenehme Wärme, und Reemt legte seine dicke Lammfelljacke ab, als er den Raum betrat. Der Pfarrer, hochgewachsen und ein klein wenig füllig um die Mitte, hatte ebenfalls seinen Umhang abgelegt, der, wie Myntha feststellte, mit einem edlen Fell gefüttert war. Auch der schwarze Talar war aus feinstem Wolltuch gearbeitet, das einen leichten Hauch von Ambra und Myrrhe verströmte.
Das war ein erfreulicher Unterschied zu seinem Vorgänger, der Wasser nur als Getränk geschätzt und einen entsprechend herben Geruch verströmt hatte.
Allerdings verdichtete sich Mynthas Verdacht, dass Julius vamme Creutz ein wenig dem Laster der Eitelkeit zu frönen neigte. An einer dünnen Kette hing ein goldenes Kreuz, auf dem kleine rote Steine funkelten, ein breiter Goldring schmückte seine rechte Hand, und als er sich setzte, erspähte Myntha violette Seidenstrümpfe an seinen Beinen.
Enna, die an ihrem Stock hereingehumpelt kam, war sichtlich von dem Mann beeindruckt. Agnes zeigte weniger Überschwang. Sie hielt sich sittsam im Hintergrund. Auch Myntha überließ es zunächst ihrem Vater, mit dem Pfarrer zu sprechen. Julius vamme Creutz begann mit einem Lob.
»Ihr habt ein schönes Fährhaus, Meister Reemt. Eine Pacht der Altenberger, nicht wahr?«
»Seit zwei Generationen in unserer Hand. Mein Großvater erhielt die Gerechtsame von den Mönchen.«
»Und Ihr seid verantwortlich für einen beträchtlichen Fährbereich. Das wird Euch einige Sorgen bereiten.«
»Einiges an Arbeit, ehrwürdiger Herr, doch zum Glück wenig Sorgen. Es ist ein von redlichen Fährleuten geführtes Gebiet. Wir haben selten Schwierigkeiten.«
»So hörte ich von Abt Heinrich. Und auch die Abgaben an die Kirche zahlt Ihr pünktlich.«
»Der Fährbetrieb wirft seinen Gewinn ab, und auch die Güter tragen ihr Scherflein bei«, sagte Myntha. »Den Bauer Egbert habt Ihr sicher auch schon aufgesucht?«
Der Pfarrer blickte leicht irritiert zu ihr hin. Offensichtlich war er es nicht gewöhnt, dass ein junges Weib sich in ein Gespräch einmischte.
»Myntha hilft in der Wirtschaft und weiß auch die Bücher zu führen«, erklärte Reemt. »Und ja, Bauer Egbert bearbeitet unsere Felder. Besucht ihn und bittet ihn, Euch gelegentlich ein paar seiner Forellen ins Pfarrhaus zu schicken.«
»Ah, und bittet auch Lore, Eurer Haushälterin das Rezept für die Forellen in Mandelteig zu geben.«
Myntha erkannte an seinem gierigen Blick, dass der neue Pfarrer auch dem guten Essen zugeneigt war.
»Noch habe ich die Stadtgrenze nicht überschritten, aber ich werde Eurem Rat folgen«, sagte er.
»Wir hörten, dass Ihr die alte Marga aus Euren Diensten entlassen habt«, kam es von Lore, was den Pfarrer schon wieder zu irritieren...
Erscheint lt. Verlag | 20.2.2017 |
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Reihe/Serie | Myntha, die Fährmannstochter | Myntha, die Fährmannstochter |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Schlagworte | eBooks • fährmannstochter • Heimatkrimi • Historische Kriminalromane • Historische Romane • Köln • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mittelalter Romane • myntha • Rhein |
ISBN-10 | 3-641-13663-6 / 3641136636 |
ISBN-13 | 978-3-641-13663-5 / 9783641136635 |
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