Sturmläuten (eBook)

Spiegel-Bestseller
Nordsee-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
510 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-3059-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sturmläuten -  Nina Ohlandt
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Von Holnis nach Amrum und zur sturmumtosten Hallig Hooge - John Benthien ermittelt in seinem persönlichsten Fall

Schleswig-Holstein, kurz vor Weihnachten. Auf der Halbinsel Holnis wird in einem hohlen Baumstamm eine verweste Frauenleiche gefunden. Für Hauptkommissar John Benthien, den ermittelnden Beamten, ist dieser Fall besonders, denn der Baum mit der Leiche steht im Garten der Eltern seiner Exfreundin Karin. Und es kommt noch schlimmer: Ein paar Tage später wird Karin im selben Garten erschlagen, und alle Hinweise deuten ausgerechnet auf Benthien als Täter. Für den Kommissar stehen zwei Dinge fest. Erstens: Er ist unschuldig. Zweitens: Er wird den wahren Mörder finden.




Nina Ohlandt wurde in Wuppertal geboren, wuchs in Karlsruhe auf und machte in Paris eine Ausbildung zur Sprachlehrerin, daneben schrieb sie ihr erstes Kinderbuch. Später arbeitete sie als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Marktforscherin, bis sie zu ihrer wahren Berufung zurückfand: dem Krimischreiben im Land zwischen den Meeren, dem Land ihrer Vorfahren. Sturmläuten ist Nina Ohlandts vierter Kriminalroman um Kommissar John Benthien von der Flensburger Kripo.

Kapitel 1


»Sagst du mir, wohin wir fahren?«

Er fuhr sich durch seine üppigen Locken. »Wart’s ab! Es wird dir garantiert gefallen.«

Sie lächelte ihn an. »Ich liebe dich.«

Vergeblich wartete sie darauf, dass er sagte: »Ich liebe dich auch.« Sie betrachtete die Landschaft, die viel zu schnell am Autofenster vorüberzog: Wiesen, Schafe, Windräder. Hin und wieder ein Haus. Nur wenige Menschen waren zu sehen. Der Abend verwischte bereits die Farben, verdunkelte die leeren Felder. Sie seufzte leise. Das Leben war so eintönig, so langweilig, so gloomy gewesen, bis sie ihn getroffen hatte.

»Sind wir bald da?«

Er antwortete nicht. Sie spürte ein Ziehen im Bauch, zwischen den Beinen bis hinauf in den Magen. Ein verlockendes, verheißungsvolles Kribbeln. Es war, als wenn man ihr eine spannende Abenteuergeschichte versprochen hätte, wenn sie brav zu Bett gehen würde. Damals, als sie ein Kind war, hatte Oma am Bettrand gesessen, das dicke Buch aufgeschlagen, mit den Seiten geraschelt und angefangen, mit ihrer ruhigen, dunklen Stimme von Menschenfressern, Hexen, Prinzessinnen und Feen zu erzählen, und von jungen Burschen, die frohgemut in die Welt hinausgezogen waren, um ihr Glück zu suchen. Mit glühenden Ohren hatte sie zugehört, hatte an der Pfote ihres Schlafhasen genuckelt und war irgendwann eingeschlafen, die Kuscheldecke fest an sich gedrückt. Ein bisschen wie damals empfand sie auch jetzt.

Verheißung.

Vorfreude.

Ein Hauch von Glück.

»Woran denkst du gerade?«

Sie wusste, sie sollte solche Fragen nicht stellen. Er mochte das nicht. Vielleicht sollte sie einfach besser den Mund halten.

Aber er lächelte und bog in eine Einfahrt ein. Es war ein staubtrockener, unbefestigter Weg, der unter hohen alten Buchen ins Nirgendwo führte. Doch am Ende erwartete sie ein kleines Haus aus bröckelndem Backstein und einem Strohdach, auf dem Moos und gelbe Blumen wuchsen. Ein verlassener, verwunschener Ort inmitten wuchernden Gestrüpps. Ein Ort, der nach Einsamkeit roch, nach Romantik und düsteren Geheimnissen. Ein Ort für zwei. Ein Ort für die Liebe.

Innen war das Haus so gut wie leer. Eine altmodische Tapete mit Blümchenmuster hing in Fetzen von den Wänden, die ehemals weißen Fensterrahmen waren vergilbt und blätterten ab. Eine Matratze lag auf dem Boden, und zu ihrer Verwunderung entdeckte sie einen langen Tisch aus glänzendem Edelstahl, außerdem ein Regal und einige Geräte, meist aus Holz, deren Funktion sich ihr nicht erschloss. In einer dunklen Ecke lagen Gewichte mit Seilen daran. Erstaunlicherweise war nirgendwo Staub zu sehen. Ein großer silberner Leuchter mit fünf schwarzen Kerzen auf dem Edelstahltisch schien nur darauf zu warten, die Beleuchtung für ein romantisches Candlelight-Dinner zu geben.

Er lächelte sein herzzerreißendes Lächeln unter einer Locke, die in die Stirn fiel. »Zündest du schon mal die Kerzen an?«

Gespannt fragte sie: »Was hast du vor? Bleiben wir heute Nacht hier?«

»Ich weiß nicht. Wenn du magst …«

Er holte seinen schweren Koffer aus dem Auto, während sie den Picknickkorb ausräumte, die Platzsets, die Gläser und das Geschirr verteilte und die beiden Weinflaschen auf den Tisch stellte.

»Wozu brauchst du den Koffer? Was ist da drin?«, fragte sie, neugierig wie ein kleines Kind, als er zurückkam.

Er fuhr sich durch sein volles Haar. »Frag nicht. Dann ist es keine Überraschung mehr.«

Wieder lief ein angenehmer Kälteschauer über ihre Haut. Sie ging zu dem seltsamen Gestell mit dem spitz zulaufenden Zapfen in der Mitte und strich über das glänzende Holz. »Verrätst du mir, was das ist?«

»Lass uns erst essen, Süße. Ich komme um vor Hunger.«

Erst jetzt fiel ihr auf, dass im zweiten, völlig leeren Zimmer ein Spruch beinahe die gesamte Wand bedeckte:

Ich habe den Teufel im Blut, den Engel im Herzen und den Wahnsinn im Kopf.

Die Schrift glänzte, sie war noch nicht ganz getrocknet. Ihr wurde unheimlich zumute.

Draußen brach die Dunkelheit herein.

Paddy hüpfte über die Straße, wobei er eine verbeulte Cola-Dose über das Pflaster scheppern ließ. Ihm gefiel der Lärm, und die missbilligenden Blicke, die ihm ein älteres, schlecht gelaunt wirkendes Ehepaar zuwarf, spornten ihn erst recht an. Schließlich war in dieser Siedlung so gut wie nie etwas los, schon gar nicht jetzt, im Dezember, an einem grauen Sonntagnachmittag, an dem der Nebel tief über der Flensburger Förde hing und es von allen Bäumen tropfte.

Während er mit der Dose dribbelte, beobachtete er die beiden älteren Leute verstohlen. Er kannte sie nicht, offenbar waren es die ersten Weihnachtsgäste hier im kleinen Örtchen Schausende.

Paddy seufzte abgrundtief. Dieser Sonntag war einfach zum Erbrechen langweilig! Außerdem hatte er zu Hause Ärger, weil er einen Streifen Butterkuchen für den Besuch am Nachmittag aus der Küche gemopst und gegessen hatte. Seine Mutter hatte sich fürchterlich aufgeregt und dabei übersehen, dass auch sein Bruder bereits vom Kuchen genascht hatte.

Da hatte es Paddy gereicht. Er hatte noch zwei weitere Kuchenstreifen in seinen Rucksack gepackt und war abgehauen. Und er würde bis zum Abendessen wegbleiben, mindestens. Vielleicht fragten sich seine Eltern dann, wo er steckte, und würden sich Sorgen machen.

Während er weiter die Straße entlanglief, fiel ihm ein, dass Anna-Lena, die er drüben, auf der anderen Seite der Bucht in der Nähe des Kliffs, besuchen wollte, wahrscheinlich gar nicht daheim war. Bestimmt musste sie wieder mit ihren Großeltern spazieren gehen. Paddy bedauerte Anna-Lena sehr. Gab es etwas Schlimmeres, als an einem kalten, windigen Sonntag mit alten Leuten durch die Gegend zu laufen? Eine Gegend, die man in- und auswendig kannte, weil man ja dort wohnte? Sicher, der Strand, die Steilküste, die Förde, die ein beliebtes Segelrevier war, das war alles sehr schön. Sie hatten schon so manches Abenteuer hier erlebt, etwa als sie die jungen Fuchswelpen entdeckt hatten, die in einem der Knicks lebten und fröhlich über die Wiese tollten. Aber jetzt?

Er war allein, es war Winter und ziemlich kalt draußen. Kein Boot war auf der Innenförde zu sehen und kein Kind auf der Straße. Während Paddy die menschenleere Wohnstraße entlangsprang und so tat, als wäre er Thomas Müller in einem wichtigen Länderspiel – die Cola-Dose musste unbedingt ins Tor, nämlich in das offenstehende Gartentor, an dem er gleich vorbeikommen würde –, kam seinem nach Abenteuern lechzenden Hirn die Schokoladenfrau in den Sinn.

Dort könnte er hingehen, falls Anna-Lena nicht da sein sollte!

Die Schokoladenfrau war reich und alt und lebte in einem großen Anwesen auf einem Hügel in der Nähe des Kliffs, zwanzig Fußminuten von hier entfernt. Unten, am Fuß des Hügels, fast direkt am Wasser, standen zwei kleinere Häuser, und in einem davon wohnte Anna-Lena bei ihren Großeltern. Falls sie nicht da war, wäre die Schokoladenfrau jedenfalls eine gute Alternative. Zu ihrem Anwesen gehörte ein großes Grundstück, auf dem sich in einer Senke angeblich ein supercooler Spielplatz befand. Paddys Vater hatte ihm davon erzählt, denn früher, als Kind, hatte er dort mit dem Sohn der Schokoladenfrau gespielt. Da gab es eine Ritterburg aus Holz und ein Piratenschiff, auf dem man bis in den hohen Mast klettern konnte. Ob er einfach hingehen sollte? Schließlich wohnte in dem großen Haus nur die alte Frau, deren Sohn längst ausgezogen war, und mehr als ein bisschen schimpfen konnte sie nicht. Dennoch wollte er vorsichtig sein. Am Fuß des Hangs, nicht weit entfernt von Anna-Lenas Haus, stand ein kleineres Haus mit einem großen Garten, der an denjenigen der Schokoladenfrau grenzte. Wenn er sich auf diesem Wege näherte, würde sie es garantiert nicht merken.

Er kickte die Dose ins Garagentor und überlegte seinen nächsten strategischen Schritt. Ihm fiel erst jetzt ein, dass ein Fahrrad ganz nützlich wäre, sonst müsste er ja den ganzen Weg von Schausende rund um die Bucht bis zum Kliff laufen. So ein Mist! Er hätte früher daran denken sollen. Was also tun? Da fiel ihm Lukas’ Rad ein. Der wohnte in einem der großen Hochhäuser, er war zurzeit krank und würde sein altes Rad so bald nicht brauchen. Wahrscheinlich stand es irgendwo auf dem Parkplatz, unverschlossen, denn hier, auf der Halbinsel Holnis, nördlich vom größeren Glücksburg und dem noch viel größeren Flensburg, hier, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten, wurde nie etwas geklaut – sonst wäre das Leben ja auch ein bisschen aufregender gewesen!

Auf dem Parkplatz entdeckte Paddy Lukas’ Rad sofort; er hatte es wie üblich in die Hecke geworfen, die den Parkplatz zur Förde hin abgrenzte. Er schnappte es sich und bretterte in rasendem Tempo den grasnarbigen Weg hinunter, der am Wasser entlangführte. Er fuhr um die Bucht, in der ein paar Möwen lärmten, hinein in den Dunst, der das Kliff und den gegenüberliegenden Hang mit den drei Häusern einhüllte.

Während er auf das kleine rote Backsteinhaus am Fuß des Hügels zuradelte, bemerkte er, wie sich dort die Türe öffnete und ein Mann und eine Frau herauskamen. Beide waren alt und gingen sehr langsam. Das lag vor allem an der alten Frau, die so ein Rolldings vor sich herschob. Paddy begriff nicht, warum Erwachsene so wild waren aufs Spazierengehen. Aber immerhin gingen sie weg. Gleich würde ihn niemand mehr beobachten. Das nächste Haus, ein Stück entfernt, war das, in dem Anna-Lena wohnte, und dort brannte kein Licht. Sonst gab es in Sichtweite nur noch eine...

Erscheint lt. Verlag 16.2.2017
Reihe/Serie Hauptkommissar John Benthien
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Bestseller • Cops • Dedektiv • Detektiv • Deutsche Krimis • Deutschland • Dorfpolizist • Ermittler • Ferienwohnung • Flensburg • Friesland • Hallig Hooge • Kindle • Komissar • Kommisar • Kommissar • Kommissarin • Krimi • Krimi Bestseller • Kriminalbeamter • Kriminalpolizei • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimis • Küstenkrimi • Leiche • Mord • Mörder • Mordkommission • Nordee • Nordsee • Ostfriesland • Polizei • Polizist • Polizistin • Privatdetektiv • Psychothriller • Regionalkrimi • Serienkiller • Serienkrimi (Serienermittler) • Serienmörder • Spannung • Spannungsroman • Sylt • Tatort • Thriller • Verbrechen • Weihnachten • Weihnachtsmarkt
ISBN-10 3-7325-3059-0 / 3732530590
ISBN-13 978-3-7325-3059-5 / 9783732530595
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