Sturmherz (eBook)

Roman | Eine tragische Mutter-Tochter-Geschichte vor dem dramatischen Hintergrund der Hamburger Sturmflutkatastrophe
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2017 | 1. Auflage
528 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1395-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sturmherz -  Corina Bomann
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Alexa Petri hat schon seit vielen Jahren ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter Cornelia. Doch nun liegt Cornelia im Koma, und Alexa muss ihre Vormundschaft übernehmen. Sie findet einen Brief, der Cornelia in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt: als leidenschaftliche junge Frau im Hamburg der frühen sechziger Jahre. Und als Opfer der schweren Sturmflutkatastrophe. Alexa beginnt zu ahnen, wer ihre Mutter wirklich ist. Als ein alter Freund von Cornelia auftaucht, ergreift Alexa die Chance, sich von der Frau erzählen zu lassen, die sie schließlich auch verstehen und lieben lernt.

Corina Bomann ist in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen und hat schon immer geschrieben. Mittlerweile ist sie eine der erfolgreichsten deutschen Autorinnen. Immer wieder begeistert sie ihre Leserinnen mit großen dramatischen Romanen und Heldinnen, die etwas Besonderes erreichen. Ihre Romane werden in zahlreiche Sprachen übersetzt und sind internationale Bestseller. Sie wohnt in Berlin.

Corina Bomann ist in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen und lebt mittlerweile in Berlin. Sie hat bereits erfolgreich Jugendbücher und historische Roman geschrieben, bevor ihr mit Die Schmetterlingsinsel der absolute Durchbruch gelang. Seither gehört sie zur ersten Garde der deutschen Unterhaltungsschriftstellerinnen.

Prolog

1962

Ein heftiger Windstoß traf das Fenster und übertönte die Musik aus dem Küchenradio.

Die junge Frau sah erschrocken von ihrem Koffer auf. Das Knarren klang warnend.

Vom Unwetter war in der Dunkelheit sonst nichts zu erkennen. Die Fensterscheibe zeigte lediglich ihr Spiegelbild: eine Achtzehnjährige mit rotblondem Haar und grünen Augen.

Angst lag auf ihren Zügen und wühlte in ihrem Innern. Wenn ihr Vorhaben misslang, würde sie niemals aus diesem von Schicksalsschlägen und Ungerechtigkeiten geprägten Leben herauskommen.

Noch vor Monaten hätte sie nicht erwartet, dass sich jemals etwas ändern würde. Dann war ein Hoffnungsschimmer erschienen, ein Mann, der das Tor zu einer anderen Welt geöffnet hatte. Einer Welt, in die sie heute Abend fliehen wollte.

Allerdings hätte sie sich besseres Wetter für ihren Ausbruch aus der elterlichen Wohnung gewünscht.

Schon seit Wochen war der graue Wolkenteppich über Hamburg nicht mehr aufgerissen. Heftige Regenschauer prasselten auf die Häuser, Windböen zerrten an den Passanten. Noch vor wenigen Tagen hatten die Meteorologen von einem leichten Tief gesprochen, doch mittlerweile glaubte ihnen niemand mehr.

Ein Schauer lief über ihren Nacken, als der Sturm das Fenster weiter attackierte. Dann rang sie ihre Angst nieder.

Es ist nur noch ein Gang durch die Straßen, sagte sie sich. Zur S-Bahn-Station und dann weiter nach St. Georg. Wenn ich erst mal bei ihm bin, brauche ich mich nicht mehr zu fürchten.

Sie wandte sich wieder ihrem Koffer zu. Viel hatte sie nicht eingepackt. Lediglich ein paar Kleidungsstücke, ein wenig Kosmetik und ihre beiden liebsten Bücher: Onkel Toms Hütte und Sturmhöhe.

In ihrem Elternhaus waren Bücher nicht gern gesehen. Ihr Vater hielt es für Geldverschwendung, welche anzuschaffen. Die beiden, die sie besaß, hatte sie sorgfältig vor ihm versteckt, denn er hatte sie ihr geschenkt.

Ein liebevolles Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sich sein Bild vor Augen rief: blondes Haar, leuchtend blaue Augen, athletisch trotz seiner Liebe zu Büchern und zum Studieren. Rick. Der Name brachte ihre Sinne zum Klingen.

Noch einmal strich sie über die beiden Buchdeckel, dann breitete sie ein Tuch über sie und schloss den Koffer. Sie hob ihn vom Bett und lauschte. Die Musik dudelte. Von ihrem Vater war nichts zu hören. Wahrscheinlich schlief er noch immer auf dem Sofa. Es war Zeit zu gehen.

Sie zog ihren Wollmantel über, das beste Stück, das sie ­besaß. Um ihren Kopf band sie ein dunkles Tuch, das auch einen Teil ihres Gesichts verhüllte. So würden die Nachbarn hoffentlich nicht merken, wer da mit einem Koffer in der Hand die Straße hinunterging.

Auf Zehenspitzen verließ sie ihr Zimmer. Auf dem Weg zur Haustür musste sie an ihrem Vater vorbei. Wenn sie ihn dabei weckte, war ihr Fluchtplan passé.

Glücklicherweise dämpfte der alte Teppich ihre Schritte. Sie hatte das Muster immer gehasst, doch er war billig gewesen, und nachdem ihre Mutter gestorben war, hatte auch der Sinn für Schönes die Wohnung verlassen.

Die junge Frau warf einen Blick auf ihren Vater, der etwas verdreht auf dem Sofa lag und schnarchte. Die Schnapsflasche neben ihm war umgefallen, doch sie war ohnehin leer gewesen und hatte keinen Schaden angerichtet.

Unter der Woche hielt er sich zurück, aber am Freitag kam er immer schon betrunken nach Hause – und trank weiter, nachdem er sich lautstark über seine Kollegen und manchmal auch über die Fehler seiner Tochter beschwert hatte. Mittlerweile hatte er noch viel mehr an ihr auszusetzen als früher. Manchmal verprügelte er sie.

Doch damit war nun Schluss.

Sie hatte überlegt, ob sie ihm eine Nachricht hinterlassen sollte, sich dann aber dagegen entschieden. Ihr Vater brauchte nicht zu wissen, wo sie steckte. Sie wurde zwar erst in drei Jahren volljährig und damit offiziell unabhängig von ihm, aber so lange wollte sie nicht warten.

Ihre Hand, die den Koffer hielt, war schweißnass. Sie sollte gehen, doch sie konnte sich nicht vom Anblick ihres Vaters lösen.

Der Schlafende gab einen Grunzlaut von sich und wälzte sich herum.

Seine Tochter zuckte zusammen. Bitte nicht, flehte sie still. Schlaf weiter. Schlaf weiter.

Kurz stockte sein Atem, dann schnarchte er wieder.

Die junge Frau unterdrückte ein erleichtertes Aufseufzen.

Im Flur warf sie noch einen Blick auf das Bild ihrer Mutter, das an der Wand hing. Hätte sie verstanden, was sie hier tat?

Sie hatte nie die Gelegenheit gehabt, mit ihr darüber zu sprechen, wie es war, eine erwachsene Frau zu sein, sich zu verlieben, sich für einen Mann zu entscheiden. Doch sie hörte auf ihr Herz, das ihr sagte, dass sie das Richtige tat.

Leise zog sie die Wohnungstür hinter sich ins Schloss. Einen Schlüssel nahm sie nicht mit, denn sie hatte nicht vor ­zurückzukehren.

Als sie das Haus verließ, traf der Sturm ihr Gesicht. Die harten Regentropfen fühlten sich an wie Nadeln auf ihrer Haut. In den Wasserpfützen auf der Harburger Chaussee spiegelten sich die Straßenlampen. Der Deich zu ihrer Linken verschmolz ebenso wie der kleine Graben davor beinahe ganz mit der Dunkelheit.

Die junge Frau raffte den Kragen des Mantels zusammen und stemmte sich gegen den Wind. Es war Freitagabend, die meisten Leute waren bereits zu Hause. Ihre Wagen reihten sich vor den dunkelroten Wohnblöcken auf. In den Fenstern brannte Licht. Glücklicherweise war es ihren Nachbarn wohl zu ungemütlich, um noch mal rauszugehen.

Sie lief die Straße hinunter, an den Häusern vorbei in Richtung der S-Bahn-Station Veddel. Niemand kam ihr entgegen. Auch nicht, als sie die Treppe zum Bahnsteig hinaufging. Im Schein der Lampen sah sie einen Mann zusammengesunken auf einer der Wartebänke. Die Anzeigetafeln schaukelten im Wind.

Beklommen schritt die junge Frau den Bahnsteig entlang. Bis zum nächsten Zug dauerte es noch gut zwanzig Minuten. Wenn ihr Vater aufwachte, würde er sicher hier zuerst ­suchen. Damit war angesichts seiner Trunkenheit nicht zu rechnen, aber sie wollte es nicht ausschließen.

»Absaufen werden sie«, brummte es neben ihr.

Die junge Frau zuckte zusammen. Die Worte kamen von dem Mann auf der Bank. Er hatte das Gesicht tief in seinen Mantel vergraben und schien zu träumen.

Sollte sie ihn ansprechen?

»Die Ratten sind schon lange wech«, fuhr der Mann fort. »Wir hätten auch gehen sollen … Aber nein, wir bleiben. Wir bleiben.«

So, wie er redete, klang ihr Vater manchmal auch, wenn der Schnaps ihn melancholisch machte. Der Mann schien stockbetrunken zu sein, vielleicht war es einer der Obdachlosen, die sich in der Gegend herumtrieben. Oder er lebte in einem Behelfsheim.

Die junge Frau kannte die Behausungen am Vogelhüttendeich nur zu gut. Sie hatte sich mit einer Familie dort angefreundet, die aus Ostdeutschland geflohen war, um in Hamburg ein neues Leben anzufangen. Anna Berger, die Mutter zweier Kinder, war ihr in den vergangenen Monaten eine Freundin, ja beinahe Ersatzmutter geworden. Die junge Frau wagte nicht, mit ihr über die Probleme mit ihrem Vater zu sprechen, aber ansonsten schätzte sie ihren Rat. Sie war ­sicher, dass Anna verstehen würde, was sie hier tat. Wenn die Umstände zu schlimm wurden, war manchmal Flucht das einzige Mittel.

Doch neben den Bergers, die sich eine neue Existenz aufbauen wollten, lebten auch andere dort am Deich. Menschen, die aufgegeben hatten. Menschen, denen es nicht gelang, ihr Leben neu zu ordnen. Ihr Vater gehörte ebenfalls zu diesen Hoffnungslosen, nur dass er dank ihrer Mutter in ­einer guten Wohnung lebte. Sie wollte nicht dazugehören. Sie wollte ein Leben jenseits von Wilhelmsburg, wo das Elend so nahe war.

Vielleicht war es doch besser, ein Taxi zu nehmen?

Als der offensichtlich betrunkene Mann erneut etwas Unverständliches lallte, wurde es ihr zu viel. Sie umklammerte ihren Koffer fester, ging die Treppe hinunter und strebte dem Ausgang zu.

Der Taxistand vor dem Bahnhof war leer. Offenbar war es den Fahrern zu windig – oder sie waren alle unterwegs. Immerhin war es Freitagabend, die Leute wollten sich vergnügen nach der harten Arbeitswoche.

Sie wollte sich schon wieder der Treppe zum Bahnsteig zuwenden, als Motorengeräusch hinter ihr ertönte und Scheinwerferlicht sie streifte.

Instinktiv wirbelte sie herum und hob den Arm.

Der Fahrer machte neben ihr halt und kurbelte das Seitenfenster herunter.

»Guten Abend, junges Fräulein, wohin wollen Sie denn in dieser stürmischen Nacht?«

»Nach Sankt Georg bitte, in die Rautenbergstraße.«

»Dann steigen Sie mal ein.«

Die junge Frau ließ sich auf den Beifahrersitz sinken. Durch das Prasseln des Regens erkannte sie kaum die Straße vor sich. Ihre Wangen pulsierten, und nun spürte sie, wie die Kälte auch unter ihren Mantel kroch.

Sie würde das Geld fürs Taxi später sicher vermissen. Das war allerdings besser, als bei diesem Wetter auf einem Bahnhof zu stehen, mit einem unheimlichen betrunkenen Mann als Gesellschaft, der irgendwelchen Unsinn redete.

»Ist ziemlich gefährlich, jetzt unterwegs zu sein«, sagte der Fahrer, während er das Radio etwas leiser drehte. »Sie müssen einen wirklich guten Grund haben. Von überall regnet es Dachziegel, ich hätte vorhin beinahe auch einen abgekriegt.«

»Das tut mir leid«, gab sie zurück und legte die Arme über den Koffer. Sie hatte keine Lust, dem Taxifahrer alle Details ihrer Reise darzulegen. Doch der...

Erscheint lt. Verlag 10.2.2017
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-8437-1395-2 / 3843713952
ISBN-13 978-3-8437-1395-5 / 9783843713955
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