Gefährliche Empfehlungen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffer ermittelt

****

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2017 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31598-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gefährliche Empfehlungen -  Tom Hillenbrand
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»Xavier Kieffer ist der beste Kochtopf-Detektiv der Geschichte.« Die Welt Frankreichs legendärer Gastroführer »Guide Gabin« lädt zu einem rauschenden Fest in seinem neuen Firmenmuseum in Paris, und der Luxemburger Koch Xavier Kieffer ist mittendrin. Während der Feier verschwindet eines der Exponate - die extrem seltene Ausgabe des »Guide Bleu« von 1939, von der nur wenige Exemplare existieren. Kieffer beginnt, Nachforschungen anzustellen. Bald erfährt er, dass wegen der Sternebibel bereits mehrere Menschen sterben mussten. Aber was ist so gefährlich an einem über siebzig Jahre alten Restaurantführer? Was ist das Geheimnis des blauen Buchs? »Diese kulinarischen Krimis sind so gut, dass es schwerfällt, lange auf Nachschlag zu warten.« Radiolounge

Tom Hillenbrand, studierte Europapolitik, volontierte an der Holtzbrinck-Journalistenschule und war Redakteur bei SPIEGEL ONLINE. Seine Bücher erscheinen in vielen Sprache, wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und stehen regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Tom Hillenbrand, studierte Europapolitik, volontierte an der Holtzbrinck-Journalistenschule und war Redakteur bei SPIEGEL ONLINE. Seine Bücher erscheinen in vielen Sprache, wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und stehen regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Inhaltsverzeichnis

4


Wieder stand Kieffer auf der Balustrade und blickte hinunter in den großen Saal. Gäste drängten sich um Stehtische und aßen Canapés au foie gras oder Austern; sie standen in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten sich. Die Gabin-Party war ein großes Schaulaufen, alles was in der internationalen Küchenszene Rang und Namen hatte, war an diesem Abend hier versammelt. Er erkannte Elon Guerrier, den Chef des Pariser Dreisternerestaurants »L’Appel de la Pieuvre«, den berühmten spanischen Molekularkoch Loyola Cazarez und Matthieu Zettler – den Menschen mit den wohl meisten Sternen der Welt. Zettler betrieb insgesamt acht Restaurants. Zusammen besaßen sie sechzehn Sterne. Kieffer sah außerdem Jacques Perigot, den Food-Kolumnisten von »Le Monde«, mehrere Minister, Filmstars, sogar ein Ex-Präsident war gekommen. Nur vom aktuellen Amtsinhaber fehlte bislang jede Spur.

Der Saal unter ihm war nicht nur voller Menschen, sondern auch voller Gastronomiegeschichte. An den Wänden hingen große Emailletafeln, auf denen Georges, der kleine Koch, in verschiedenen Posen zu sehen war. Es handelte sich um Werbeschilder aus der Vorkriegszeit. Auf einem lugte Georges, auf den Zehenspitzen stehend, in einen riesigen Kochtopf. Darüber stand: »Vertrauen Sie nur dem Gabin!« Ein weiteres zeigte die Cartoonfigur in einem Kaftan, neben einem Kamel: »Entdecken Sie die Küche der Kolonien!«

Außerdem gab es auf Poster gezogene Fotos aller bisherigen Gabin-Chefredakteure, Aufnahmen alter Sternerestaurants und natürlich die Guides, die hinter ihm in den Regalen standen. Kieffer ging zu der Vitrine, in der die besonders seltenen Ausgaben verwahrt wurden. Dort, wo gestern noch einige Bände gefehlt hatten, sah er nun ein halbes Dutzend alt aussehender Bücher. Neben dem Regal stand ein Wachmann. Kieffer deutete auf die Vitrine. »Darf ich mir die mal genauer ansehen?«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Bedaure, Monsieur, ich besitze keinen Schlüssel. Sie müssten jemanden vom Gabin fragen.«

Crevet würde ihm die Vitrine sicher aufschließen, aber sie hatte zurzeit vermutlich Besseres zu tun. Und so blieb Kieffer nur, durch die Glasscheibe zu starren. Er sah zwei sehr zerschlissene Gabins von 1921 und 1923, einen aufgeschlagenen, unbekannten Jahrgang sowie einen, auf dessen Rücken »1939« stand. Das blaue Leder des Einbands war voller Flecken und Kratzer. Er musterte die Seiten des aufgeschlagenen Bands. Selbst vor über siebzig Jahren hatte man den Guide bereits zweifarbig gedruckt. Es gab äußerst detaillierte Karten in Schwarz-Weiß, mit roten Markierungen für wichtige Gebäude oder Nationalstraßen.

Kieffer nippte an seinem Champagner. Es musste etwa zwanzig vor neun sein. Gegen neun Uhr würde Valerie die Veranstaltung offiziell eröffnen und einige Worte an die Gäste richten, um danach an den Festredner zu übergeben, der im Programm als »Überraschungsgast« angekündigt war. Kieffer schaute zur gegenüberliegenden Balustrade. Alle fünf Meter stand ein Anzugträger mit Knopf im Ohr. Und vorhin, da war er sich sicher, hatte er einen Schatten über eine Ecke des großen Oberlichts huschen sehen. Vermutlich waren die Kerle auch auf dem Dach.

Er nahm noch einen Schluck und ging dann in Richtung der Balkontür, um draußen eine Zigarette zu rauchen. Er war nicht der Einzige, der vor der Rede seinen Nikotinspiegel hochfahren wollte. Auf dem Balkon im ersten Stock tummelten sich bereits an die dreißig Personen. Kieffer zwängte sich durch die Menschentraube und postierte sich am Geländer. Vom Balkon aus konnte man die Avenue Kléber entlangschauen, bis zum Arc de Triomphe. Während er rauchte, fielen ihm zwei Köche auf, die hinter ihm standen, jeder eine Zigarre in der Hand. Den einen meinte er in Brüssel verorten zu können. Der andere war Vernon Hanschuh, ein Elsässer, der in New York ein Restaurant mit drei Sternen besaß und dort gerade noch zwei weitere eröffnet hatte. Kieffer war es schleierhaft, warum jemand sich so etwas antat. Schon die Arbeit als Souschef eines Zweisterners hatte ihn nervlich und körperlich beinahe ruiniert. Doch selbst wenn man den Druck aushielt und das notwendige Talent besaß: Warum hörte man nicht spätestens dann auf, wenn man drei Sterne ergattert hatte? Warum eröffnete jemand wie Hanschuh weitere Restaurants, Bistros und Bars? Vermutlich handelte es sich um eine Form von Geisteskrankheit.

»Die jungen Leute«, klagte Hanschuh gerade seinem Gegenüber, »arbeiten einfach nicht mehr mit der notwendigen Präzision.«

»Ja, das ist leider so«, sekundierte ihm der Belgier. »Keine Achtung mehr vor dem Handwerk.«

»Aber weißt du: Ich lasse sie jetzt immer erst mal ein Spiegelei machen. Es gibt ja meiner Meinung nach nur eine Art, das richtig zu tun.«

»Die Point-Methode.«

»Exakt. Und wenn sie nicht mal das hinkriegen, fliegen sie sofort wieder achtkantig raus.«

Die Point-Methode – Kieffer musste lächeln. Es war bereits fünfzehn Jahre her, dass er den Sternezirkus hinter sich gelassen hatte. Deshalb vergaß er mitunter, wie durchgeknallt diese Kerle alle waren. Selbst ein schnödes Spiegelei erhoben sie zum Kunstwerk. Um es zu braten – oder besser gesagt, um genau dies zu vermeiden –, gab es nur eine richtige Herangehensweise, und zwar die von der Küchenlegende Fernand Point vor über einem halben Jahrhundert festgelegte. Man ließ Butter in einer Pfanne zergehen, ohne dass sie brutzelte. Dann gab man ein frisches Ei vorsichtig auf einen kleinen Teller und ließ es in die Pfanne gleiten. Das Weiße musste stocken, aber nur so gerade eben, es sollte noch cremig sein. Danach transferierte man das Spiegelei auf einen vorgewärmten Teller, salzte, pfefferte und übergoss es zum Schluss mit warmer Butter – aber auf keinen Fall mit der aus der Eipfanne, sondern mit in einer weiteren Pfanne frisch zerlassener. Nun konnte man das perfekte Spiegelei genießen – so man nicht bereits verhungert war.

Kieffer ließ seine Zigarette fallen und trat sie aus. Er wollte sich gerade wieder hineinbegeben, als eine ihm nur zu gut vertraute Stimme sagte: »Hast du noch eine für mich, ché?«

Er drehte sich um und blickte in das Gesicht von Leonardo Jesús María Gutiérrez Esteban. Vor vielen Jahren hatten sie beide als Lehrlinge im Sternerestaurant »Renard Noir« geschuftet. Nun waren sie beide Köche – sehr unterschiedliche Köche.

»Hallo, Leo«, sagte Kieffer und hielt dem Argentinier seine Ducal-Schachtel hin. Der zog die Augenbrauen hoch, nahm sich eine Zigarette und entzündete sie.

»Dass du immer noch dieses Kraut rauchst, ché!?« Er zeigte mit seiner Linken auf die Gäste um sie herum. »Alle sind da, verdad? La fiesta del año.«

»Vermutlich. Bist du nur deswegen hergekommen?«

»No, ché gordo. Ich habe morgen noch einen Fernsehdreh. Wir machen PR für meine neuen Restaurants.«

»Wie? Gleich mehrere?«, erwiderte Kieffer. Esteban hatte ein nicht besonders gutes, aber sehr trendiges Restaurant in einem deutschen Nobelhotel besessen, bevor ihm das Geschäft sowie seine Ehe mit einer reichen Brauereierbin um die Ohren geflogen waren. Danach hatte sich der »Küchen-Leonardo«, wie die Presse den äußerst gut aussehenden Argentinier nannte, auf seine diversen Fernsehshows konzentriert.

»Ist eine Kette, ché. Einzelne Restaurants, das macht nix mehr her.«

Kieffer musterte Esteban zweifelnd. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Fernsehkoch ein etwas wunderliches Outfit anhatte. Er trug eine in den französischen Nationalfarben gehaltene Küchenuniform. Seine Kopfbedeckung war einem Béret nachempfunden; um seinen Hals hatte er ein rotes Tuch geknotet. Kurzum, er sah aus wie die schlechte Kopie eines Franzosen aus einem Werbekatalog. Als Esteban Kieffers Blick bemerkte, sagte er: »Nuestro uniforme. Gehört zum Konzept von ›La Bastille‹.«

»Das … was? La Bastille wie das Gefängnis?«

Esteban richtete sich auf und deklamierte: »Die Bastille. Der Ort, wo alles begann: die Französische Revolution, die Geburt der Republik. Der Beginn der aufregenden Geschichte einer Nation. Der Beginn des größten kulinarischen Abenteuers aller Zeiten!«

Der Argentinier grinste und klopfte dem verdutzten Kieffer auf die Schulter. »Gut, was? Hat sich meine Werbeagentur ausgedacht. Das wird ein Riesending, french fast casual.«

Kieffer nahm Esteban die Zigarettenschachtel weg, die dieser immer noch in der Hand hielt, und steckte sich eine weitere Ducal an. Wenn es stimmte, was er ahnte, hatte er sie dringend nötig.

»Noch mal ganz langsam. Du machst eine Restaurantkette auf, die Bastille heißt.«

»Sí.«

»Und die serviert französisches fast casual? Was auch immer genau das sein soll.«

»Exactamente. Kennst du ›Dolce Città‹? Das ist eine Kette von italienischen Restaurants.«

Kieffer kannte die Läden. Es gab sie inzwischen überall, und sie galten als Pizzerias der Zukunft. Im »Dolce Città« musste man sich sein Essen selbst holen. Die Speisen wurden vor den Augen der Gäste an Küchenstationen zubereitet. Das Konzept ließ sich folgendermaßen zusammenfassen: Tolle Inneneinrichtung, mittelmäßiges Essen, keinerlei Service.

»Und das«, fuhr Esteban fort, »mach ich jetzt auf Französisch. Ein modernes Bistro. Das wird riesengroß, ché, du solltest mal vorbeikommen.«

Esteban reckte den Hals, so als suche er etwas.

»Wo ist denn der erste Laden?«, fragte Kieffer. »Doch nicht hier in Paris?«

»Nein, Berlin. Mitte.«

»Ja, das leuchtet ein«, erwiderte Kieffer, aber Esteban hörte ihm nicht mehr zu. Sein Blick war an...

Erscheint lt. Verlag 12.1.2017
Reihe/Serie Die Xavier-Kieffer-Krimis
Die Xavier-Kieffer-Krimis
Die Xavier-Kieffer-Krimis
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 5. Fall • bittere Schokolade • Ermittler Koch • Frankreich • Frankreich Krimis • Gastroführer Guide Bleu • Gastrokritikerin • Gault Millau • Goldenes Gift • Julie Dubois • Kieffer Krimis • Kriminal-Roman • Krimireihe • Krimi-Reihe • Krimis für den Urlaub • Krimis über Essen • Kulinarisch • Kulinarische Krimis • Letzte Ernte • Luxemburg • Luxemburg Krimis • Michelin • Nicole de Vert • Regionalkrimi • Rotes Gold • Schlemmerparadies • SPIEGEL-Bestseller • Sterne-Koch • Teufelsfrucht • Tödliche Oliven • Urlaubs-Krimis • Urlaubs-Lektüre • Ville de Luxembourg • Xavier Kieffer • Xavier Kieffer 5 • Xavier Kieffer Band 5 • Xavier Kieffer Reihe • Xavier Kieffers fünfter Fall • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-462-31598-6 / 3462315986
ISBN-13 978-3-462-31598-1 / 9783462315981
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