Schwarzes Netz (eBook)
464 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44017-9 (ISBN)
Val McDermid ist eine internationale Nr. 1-Bestsellerautorin, deren Bücher in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurden. Ihre mehrfach preisgekrönten Thrillerserien und Einzelromane wurden für Fernsehen und Rundfunk adaptiert - etwa die Serie Hautnah - Die Methode Hill mit dem Profiler Dr. Tony Hill und DCI Carol Jordan. Die TV-Serie um die schottische Cold Case-Ermittlerin Karen Pirie ist international mit großem Erfolg gestartet. Val McDermid war 2017 Vorsitzende des Wellcome Book Prize und Jurorin für den Women's Prize for Fiction und den Man Booker Prize 2018. Sie ist Trägerin von sechs Ehrendoktorwürden, außerdem Honorary Fellow des St Hilda's College in Oxford. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen gehören der CWA Diamond Dagger für ihr Lebenswerk und der Theakstons Old Peculier Award für 'Outstanding Contribution to Crime Writing'. Val ist außerdem eine erfahrene Rundfunksprecherin und gefragte Kolumnistin und Kommentatorin in Printmedien. Mehr über die Autorin unter www.val-mcdermid.de
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 07/2017) — Platz 17
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 06/2017) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 05/2017) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 04/2017) — Platz 10
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 03/2017) — Platz 10
Val McDermid ist eine internationale Nr. 1-Bestsellerautorin, deren Bücher in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurden. Ihre mehrfach preisgekrönten Thrillerserien und Einzelromane wurden für Fernsehen und Rundfunk adaptiert - etwa die Serie Hautnah - Die Methode Hill mit dem Profiler Dr. Tony Hill und DCI Carol Jordan. Die TV-Serie um die schottische Cold Case-Ermittlerin Karen Pirie ist international mit großem Erfolg gestartet. Val McDermid war 2017 Vorsitzende des Wellcome Book Prize und Jurorin für den Women's Prize for Fiction und den Man Booker Prize 2018. Sie ist Trägerin von sechs Ehrendoktorwürden, außerdem Honorary Fellow des St Hilda's College in Oxford. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen gehören der CWA Diamond Dagger für ihr Lebenswerk und der Theakstons Old Peculier Award für "Outstanding Contribution to Crime Writing". Val ist außerdem eine erfahrene Rundfunksprecherin und gefragte Kolumnistin und Kommentatorin in Printmedien. Mehr über die Autorin unter www.val-mcdermid.de
2
Carol Jordan schwenkte den letzten Rest Portwein in ihrem Glas und dachte fast sehnsüchtig an Mord. Für einen flüchtigen Beobachter, so hoffte sie, würde es aussehen, als spiele sie einfach herum. Tatsächlich hielt sie ihr Glas so krampfhaft fest, dass sie befürchtete, es könne ihr zwischen den Fingern zerbrechen. Der Mann zu ihrer Linken, der nicht aussah wie jemand, dem man gern eine reinhauen würde, beugte sich vor, um seine Ansicht entschiedener vorzubringen.
»Es ist absolut nicht schwer, kapitalkräftige Personen zu finden, wenn man seine Suche sorgfältig und zielgenau ausrichtet«, erklärte er.
Und wieder, ganz automatisch, hätte sie seinem schmalen, selbstgefälligen Gesicht am liebsten einen Schlag versetzt, um zu spüren, wie diese spitze Nase unter ihrer Faust knirschte, und zu sehen, wie er nach diesem Schock seine kleinen Schweinsäuglein aufriss.
Aber stattdessen trank sie den letzten Schluck und schob ihr leeres Glas ihrem generösen Gastgeber entgegen, der beiläufig einen weiteren großzügigen Schluck des Dow’s von 2007 eingoss.
Der Mann zu ihrer Linken hatte schon verkündet, es sei »wahrscheinlich der beste Port, der jemals von Dow hergestellt wurde«, nachdem er ein weiteres Stück Stilton damit runtergespült hatte. Sie wusste nicht genug über Port, um sich zu streiten, aber sie hätte es wahnsinnig gern getan.
»Sicher haben Sie recht«, murmelte Carol wieder und strengte sich an, nicht unhöflich und eigensinnig zu klingen. Sie konnte sich gar nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal bei einem so konventionellen Dinner gewesen war, aber sie hatte nicht vergessen, welche Verpflichtungen sich daraus ergaben, wenn man die Einladung zu einem gemeinsamen Essen angenommen hatte. Solche Dinge waren ihr am Tisch ihrer Mutter eingebleut worden. Lächeln, nicken, zustimmen, nicht über Politik reden und niemals einen Streit anfangen.
Zum Glück für den Rest der Gäste hatten ihre Jahre im gehobenen Dienst der Polizei die Warnungen ihrer Mutter vor Politik beim Dinner noch verstärkt. Wenn die Geldmittel und sogar die Existenz des eigenen Teams von der Großzügigkeit der Politiker abhingen, lernte man schnell, eine Meinung für sich zu behalten, die sich mit der Menschenfreundlichkeit eines Vampirs gegen einen wenden konnte. Im Lauf der Jahre hatte Carol sich sorgsam die Kunst angeeignet, keine kontroversen Ansichten zu haben, damit ihr nicht im falschen Moment etwas herausrutschte. Sie überließ das den nachrangigen Mitgliedern ihres Teams, die ihre Zurückhaltung mehr als ausglichen.
Nicht dass es während ihrer Karriere als Leiterin einer Elite-Mordkommission viele Gelegenheiten wie diese gegeben hätte. Die Beanspruchung durch die Arbeit hatte sie ausgelaugt und ihr viel mehr als die vierzig Wochenstunden abverlangt, die sie laut Vertrag abzuleisten hatte. Carol sparte sich die restliche Zeit für Dinge auf, die sie tun wollte. Wie zum Beispiel schlafen. Statt endlose Stunden an einem fremden Tisch zu verbringen und sich die unausstehlichen reichen Idioten anzuhören, die sich über die Ungerechtigkeiten derer verbreiteten, die ihrer Meinung nach zwischen ihnen und ihrer nächsten Million standen.
Aber jetzt hatte sie nichts außer viel Zeit. Die Karriere, über die sie sich definiert hatte, war vorbei. In solchen Augenblicken wie jetzt musste sie sich vor Augen halten, dass sie selbst die Entscheidung getroffen hatte. Sie hätte weiterhin Detective Chief Inspector Carol Jordan sein können. Aber sie hatte sich dafür entschieden, einfach Carol Jordan zu sein, einfach eine weitere Zugezogene in einem ländlichen Tal in Yorkshire.
Eine Gegend, die erbarmungslos überrannt war von Menschen ohne jede Beziehung zu ihrer Landschaft; diese Gegend gefiel ihnen lediglich besser als die Vorstädte, die sie hinter sich gelassen hatten.
Ihr Gastgeber, George Nicholas, war eine Ausnahme. Seine Familie hatte am Eingang des Tals den großen Landsitz im georgianischen Stil gebaut und wohnte dort ohne Unterbrechung schon seit etwas mehr als zweihundert Jahren. Er stammte aus jenen angenehmen und auskömmlichen Verhältnissen, die Carol eher mit Verachtung betrachtete. Als sie ihn zum ersten Mal traf, hatte sie nach einem Blick auf seine saubere, gerötete Haut, sein klassisches Oberschichtsprofil und seine Montur, die direkt aus einem Ausstattungskatalog für den perfekten Landedelmann zu stammen schien, beschlossen, ihm weder zu trauen noch ihn zu mögen. Aber schließlich war sie von seinem unerschütterlichen Charme besiegt worden, der sich ihrer Feindseligkeit entgegenstellte und diese einfach ignorierte. Das und die verdammten Hunde waren es gewesen.
Später hatte sie erfahren, warum er glaubte, er werde als Letzter seiner Familie diesen Landsitz bewohnen. Drei Jahre zuvor war er Witwer geworden, als seine Frau bei einem Verkehrsunfall gestorben war. Er zeigte seinen Kummer nicht allzu offensichtlich, aber für jemanden, der im Umgang mit Traumata so geschult war wie Carol, war sein Schmerz deutlich und gegenwärtig.
Carol räusperte sich und schob ihren Stuhl zurück. »Ich muss jetzt gehen, George«, sagte sie. Weder ein Zögern noch ein Nuscheln, das verraten hätte, wie viel sie getrunken hatte.
Die Lachfalten um seine Augen verschwanden zusammen mit dem Lächeln, das die ironische Bemerkung einer Frau neben ihm hervorgerufen hatte. »Musst du schon?« Er klang enttäuscht. Das konnte sie ihm nicht verdenken. Schließlich hatte er wochenlang versucht, sie zu überreden, auf ein Essen herüberzukommen. Und jetzt machte sie sich bei der ersten Gelegenheit davon. »Wir haben ja noch nicht mal Kaffee getrunken.«
Carol bemühte sich um einen bedauernden Ausdruck. »Flash ist noch ein bisschen zu jung, um sie allzu lange allein zu lassen.«
Er reagierte mit einem Senken der Mundwinkel. »In meiner eigenen Schlinge verfangen.«
»Wer ist Flash?« Die Frage kam von einem älteren Mann, der weiter unten am Tisch saß und dessen fleischiges rotes Gesicht mit mehr als einem Doppelkinn ihn aussehen ließ wie eine der eher heiteren bildlichen Darstellungen aus einem Roman von Dickens.
»Carol war so nett und hat eins von Jess’ Jungen genommen«, erklärte George, jetzt wieder der gut aufgelegte Gastgeber. »Eins, das Angst vor Schafen hat.«
»Angst vor Schafen?« Der Fragesteller, der an die Pickwickier erinnerte, schien so ungläubig, wie er klang.
»Das kommt von Zeit zu Zeit vor«, sagte George gutmütig. »Ein Mutterschaf braucht nur zu blöken, da zieht Flash schon den Schwanz ein und rennt weg. Carol hat den Hund vor der Arbeitslosigkeit gerettet.«
»Und sie ist eine großartige Gefährtin«, sagte Carol. »Allerdings ist sie fast noch ein Welpe. Und wie alle Collies will sie nicht lang allein sein. Deshalb sollte ich gehen.«
Der Mann, dem sie gern eine reingehauen hätte, schnaubte: »Ihr Hund hört sich ja tyrannischer an als unser Babysitter. Und das will was heißen.«
»Nein, überhaupt nicht, Charlie«, meinte George. »Carol hat ganz recht. Wenn man einen Welpen vernünftig behandelt, wird man später mal einen erstklassigen Hund haben.« Er lächelte, seine dunklen Augen leuchteten freundlich. »Ich werde Jackie bitten, dich nach Haus zu fahren. Du kannst den Wagen abholen, wenn du morgen früh mit Flash unterwegs bist.«
Carol runzelte die Stirn. Er hatte also darauf geachtet, wie viel sie getrunken hatte. Der Gedanke ärgerte sie. Wie viel sie trank, war ihre Sache. Man konnte von niemandem erwarten, das ohne irgendeine Art von Rückhalt durchzustehen, was sie hinter sich hatte. Sie wusste, dass sie das Trinken unter Kontrolle hatte, nicht andersherum, egal was andere darüber denken mochten. Oder eine bestimmte Person.
Sie verdrängte diesen Gedanken und zwang sich beiläufig zu klingen. »Ist nicht nötig. Jackie hat doch genug zu tun in der Küche. Ich kann noch fahren.«
Der Mann zu ihrer Linken stieß einen leicht spöttischen Laut aus. »Ich sage meinem Fahrer, er soll Sie hinbringen«, schlug er mit einem herablassenden Tätscheln ihrer Hand vor.
Carol stand auf und schwankte kein bisschen. »Sehr nett von Ihnen, aber es ist nicht nötig. Es sind ja nur ein paar Meilen von hier. Und so spätabends ist es hier still wie auf einem Friedhof.« Sie sprach mit der Sicherheit einer Frau, die es gewohnt ist, dass man sich ihr fügt.
George stand hastig auf, die Lippen zusammengepresst. »Ich bringe dich zum Wagen«, sagte er dann mit seiner unerschütterlichen Höflichkeit.
»Hat mich gefreut, Sie alle kennenzulernen«, log Carol und lächelte rund um den Tisch, auf dem das Chaos eines späten Abends mit Kristallgläsern und Silberbesteck, Porzellantassen und Käseplatte herrschte. Acht Menschen, die sie nie wieder würde sehen müssen, wenn sie Glück hatte. Acht Menschen, die wahrscheinlich erleichtert aufseufzten, dass die Person, die hier völlig fehl am Platz war, sich verabschiedete.
George öffnete die Tür des Esszimmers und trat zurück, um sie in die geflieste Diele vorausgehen zu lassen. Dank der unaufdringlichen Beleuchtung prunkten die alten Teppiche in satten Farben. Oder vielleicht war das nur der Wein, dachte Carol, als sie zu der breiten Haustür schritt.
George blieb in der Vorhalle stehen und betrachtete die Mäntel, die am Kleiderständer für Gäste hingen. Er streckte eine Hand aus nach einem langen schwarzen Kaschmirmantel, hielt dann aber inne und warf ihr über die Schulter ein Lächeln zu. »Die Barbourjacke, oder?«
Carol war nun etwas verlegen. Absichtlich hatte sie die Jacke angezogen, die sie zum Gassigehen mit dem Hund trug, genauso, wie sie sich trotzig geweigert hatte, sich rundum passend anzuziehen für eine Einladung, zu der sie nur ungern ging. Jetzt kam ihr das wie eine...
Erscheint lt. Verlag | 6.1.2017 |
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Reihe/Serie | Carol Jordan und Tony Hill | Carol Jordan und Tony Hill |
Übersetzer | Doris Styron |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Carol Jordan • Ermittlung • Profiler • Selbstmord • Tony Hill |
ISBN-10 | 3-426-44017-2 / 3426440172 |
ISBN-13 | 978-3-426-44017-9 / 9783426440179 |
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