Der Großbauer -  Friedrich Meister

Der Großbauer (eBook)

Historischer Kriminalroman von Friedrich Meister

(Autor)

Peter M. Frey (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2017 | 2. Auflage
376 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7431-5728-6 (ISBN)
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Historischer Kriminalroman von der Nordseeküste. Mit Spürsinn, Mut und Hartnäckigkeit macht sich die Fischerstochter Bertha Linnewehrt auf die Suche nach dem wahren Mörder des jungen Mannes, der nach einer furchtbaren Unwetternacht - völlig entstellt - aus dem Wasser gezogen wird. Dabei deckt sie ungeheuerliche Intrigen auf. Der Großbauer ist der siebte Band aus der Reihe der neu gefassten Erzählungen von Friedrich Meister. In der Neufassung nimmt Peter M. Frey leichte Veränderungen am Originaltext vor, die der Lesbarkeit und der Übertragung in die heutige Zeit geschuldet sind. Ziel ist es, den Charakter des Originals so weit wie möglich zu erhalten.

Friedrich Meister wurde 1848 in Baruth in Brandenburg geboren und starb 1918 in Berlin. Er war ursprünglich ein Seefahrer der alten Schule. Zu seiner Zeit wurde der überseeische Handelsverkehr zum größten Teil noch durch Segelschiffe besorgt. Auf solchen Segelschiffen fuhr Friedrich Meister zehn Jahre lang durch alle Meere - die Polarmeere ausgenommen - und bei Sonnenschein und Sturm erlebte er manches Abenteuer. Dabei lernte er fremde Länder und Völker kennen. Er bereiste China, Siam, Japan und den Südsee-Archipel bis zur Küste von Neu-Guinea und nördlich davon, die Philippinen. Er war in Westindien, Nord- und Südamerika, England, Italien und Griechenland. Er sah die "Sultanstadt am Goldenen Horn", das heutige Istanbul, und die Westküsten des Schwarzen Meeres. In Japan erkrankte er an einem Augenleiden, das ihn schließlich dazu zwang, den Seemannsberuf aufzugeben. An Land wusste er zunächst nicht, wovon er leben sollte. Er versuchte dies und das und gelangte schließlich zur Schriftstellerei. Friedrich Meister ist Autor zahlreicher Jugendbücher. Aus dem Vorwort von "Burenblut".

Erstes Kapitel


Nikolas Quense, der reiche Grundbesitzer und Schiffsreeder, saß in seinem niedrigen, altfränkischen Wohnzimmer im Lehnstuhl. Seine Rechte hielt die silberne Schnupftabakdose, die Linke verharrte, die Prise auf dem Daumen, halbwegs zwischen Dose und Nase unbeweglich in der Luft.

Seine Augen waren mit einem halb lauernd, halb zornig forschenden Blick auf das offene, gutmütige Antlitz eines jungen Mannes gerichtet, der in einiger Entfernung von ihm vor dem weiten Kamin stand. Seine Erregung aber verflog sehr bald. Er führte die Linke an die Nase und schnupfte energisch, geräuschvoll und mit offenbarem Hochgenuss. Dann ließ er die Dose schallend zuschnappen.

Es war kein leichtes Stück Arbeit, den alten Nikolas Quense in Erregung oder gar Zorn zu versetzen. Pflegte derselbe sich doch zu rühmen, dass ihn nichts aus seinem inneren Gleichgewicht bringen könnte. Noch ungewöhnlicher aber war es, die etwa vorhandene Beunruhigung auf seinem Gesicht zu lesen, denn unter den Bewohnern von Abbehauserfleth galt die Rede: man könne von Quenses Gesicht ebenso wenig auf seine Gedanken, wie aus seinen Reden auf seine Absichten schließen.

Quenses Gesicht aber war kein angenehmes. Fahlgelb, von dünnem, sandfarbigem Bart und Haar umgeben, glich es mit seinen schmalgeschlitzten, blinkenden Augen und dem immerwährend schwach lächelnden Zug um die spitze Nase und den eingekniffenen Mund, dem Gesicht eines Fuchses.

Mit diesem Gesicht jedoch, und dazu mit einem dürren, gebrechlichen Leib und einem lahmen Bein, hatte er seinen Weg in der Welt gemacht und nicht nur Reichtümer, sondern auch den Respekt seiner Mitbürger erworben, jenen Respekt wenigstens, der allenthalben mit dem Erfolg verbunden zu sein pflegt.

„Du willst also behaupten, Radbod“, sagte der Reeder langsam lächelnd, während seine knochigen Finger den Deckel der Schnupftabaksdose klopften, „du willst also behaupten, ich könnte Handlungen begehen, die nicht ganz ehrenhaft wären, und somit gegen die Landesgesetze verstießen?“

„Ich behaupte und sage nichts, wenn Sie mich nicht dazu reizen, Herr Quense“, entgegnete der junge Mann, „und auch dann nur unter vier Augen. Denn ich bin kein Gendarm, auch kein Angeber, und Sie sind doch bis jetzt noch immer mein Freund gewesen, sozusagen.“

Der Sprecher, Radbod Falk, war ein hübscher, kräftiger Mensch mit blondem Kraushaar und wohlgebildetem, wettergerötetem Gesicht. Seine Kleidung war ein Mittelding zwischen der eines Seefahrers oder Fischers und der eines Ackermannes.

„Also nur unter vier Augen, soso!“, nickte der Reeder. „Du denkst also, mir zu drohen und mich dadurch zu zwingen, nach deinem Begehr zu tun. So ist es doch, nicht wahr?“

Der junge Mann lachte laut auf.

„Drohen will ich nicht“, sagte er, „das würde nicht viel nützen. Sie brauchen meine Worte nicht umzudrehen. Ich habe Ihnen gesagt, ich hätte mich entschlossen und wollte nun heiraten, und Sie hatten ja auch nichts dagegen. Darauf erinnerte ich Sie daran, dass Sie mir den Huderhof versprochen haben ...“

„Das Versprechen werde ich auch halten“, bestätigte der Reeder mit mildem Nachdruck und wohlwollendem Kopfnicken. „Ich breche niemals mein Wort.“

„Ich sagte Ihnen aber, ich brauchte den Hof jetzt gleich, und da fragten Sie, ob ich auch Geld hätte, die Wirtschaft einzurichten. Sie wissen jedoch ganz gut, dass ich keinen roten Heller besitze. Sie haben mir niemals Lohn für meine Arbeit gegeben, meine Tasche weiß gar nicht, wie Geld klimpert. Wie ich Ihnen das nun aber sage, da stellen Sie sich erstaunt und heben die Hände hoch und halten mir eine Predigt über Verschwendungssucht und leichtsinnigen Lebenswandel.“

„Dazu war ich berechtigt. Das ist meine Pflicht als Kirchenältester und als dein väterlicher Freund.“

Wieder lachte Radbod laut auf, diesmal aber lag es dabei wie Hohn auf seinem ehrlichen Gesicht.

„Dagegen will ich nicht streiten, Herr Quense. Als Kirchenältester mögen Sie ja wohl auch die Pflicht haben, als mein Freund aber mussten Sie wissen, dass ich kein leichtsinniger Verschwender bin, dass ich das gar nicht sein konnte, selbst wenn ich es gewollt hätte. Der Huderhof hat Ihnen unter meiner Bewirtschaftung während der letzten fünf Jahre mehr eingebracht, als das voraussichtlich jemals wieder der Fall sein wird. Ich habe ohne Lohn, aber auch ohne Murren für Sie gearbeitet. Als Entgelt dafür bitte ich Sie nun um den Hof als Pachtung und um zwei Jahre Kredit für die Ausstattung.“

„Was deiner Meinung nach eine sehr bescheidene Forderung ist“, entgegnete Quense, auf die Dose klopfend.

„Das ist es auch, wenn man annimmt, dass ich stets für drei geschafft habe und dabei nicht einmal den Lohn für einen gekriegt habe, und dass ich Ihnen hunderte von Talern verdiente, die sie ohne mich nicht im Kasten hätten. Ich fordere nichts von Ihnen, was ich Ihnen nicht so hoch, als Sie nur wollen, bezahlen könnte. Aber das genügt Ihnen nicht, weil Sie unter den alten Verhältnissen noch mehr aus mir herausgeschunden haben. Das hat Ihnen gefallen, und Sie möchten, dass das so weiterginge. Aber die alten Verhältnisse haben jetzt ein Ende. Ich will mich verheiraten und muss die Mittel haben, meine Frau zu erhalten.“

„Ein sehr verständiger Entschluss, Radbod. Ich muss deine Fürsorge loben. Zuerst sorgt man natürlich für die Mahlzeit, ehe man hungrige Mäuler zu Tisch führt. Darin liegt Sinn.“

„Danke für die Anerkennung. Vorhin aber haben Sie mir über Eigennutz und Undankbarkeit und sonst noch allerlei den Text gelesen, während Ihnen bloß darum zu tun war, nach wie vor den größten Nutzen aus mir zu ziehen. Da konnte ich mir nicht helfen, ich musste Ihnen zu verstehen geben, dass ich ganz gut weiß, wo ein Teil Ihres Reichtums herstammt und wie Sie dazu gekommen sind.“

„Du willst sagen, dass du mir deinen ungerechten Verdacht zu verstehen gegeben hast, der aber vor Gericht keinen Pfifferling gilt. Wenn ich ein wenig darüber erschrak, so war das ganz natürlich und selbstverständlich. Ein Mann in meiner Stellung, von meinem Ansehen und meinem Ruf, darf mit Recht verwundert und schmerzlich berührt sein, wenn man ihn beschuldigt, mit dem Vermögen eines Freundes, und noch dazu eines unglücklichen Freundes, nicht nach Ehre und Gewissen verfahren zu sein. Lassen wir das aber jetzt beiseite und beschäftigen wir uns mit deinen persönlichen Angelegenheiten.“

„Das ist auch mir weit lieber.“

„Nun gut, du hast von deinem Standpunkt aus geredet, und ich darf sagen, der Advokat Fortkamp selbst hätte es nicht besser gekonnt. Jetzt will ich dir meinen Standpunkt darlegen.“

„Ich bin neugierig.“

„Merk auf. Schau um dich. Du siehst hier ein wohnliches, behagliches Zimmer in einem Haus, an dem selbst der Neid nichts Erhebliches zu tadeln finden kann. Zum wenigsten gibt es darin reichlich und gut zu essen und zu trinken, ein Segen, dessen nicht jedermann sich zu erfreuen hat. Das alles stand dir zu Gebot, fünfzehn Jahre lang hat es dir hier nie an des Leibes Nahrung und Notdurft gefehlt. Du bist hier gehalten worden wie ein Sohn des Hauses, und es hätte sich wohl auch gefügt, dass du reichlich bedacht worden wärest, wenn nach meinem Ableben meine Ersparnisse zur Verteilung kommen. Du aber konntest diese Zeit nicht erwarten. Du musstest kommen und mit einer Forderung vor mich treten, gerade als ob du das größte Recht dazu hättest. Du hast vergessen, dass du mich im Grund gar nichts angehst, dass ich keinerlei Verpflichtungen gegen dich habe.“

Radbods Gesicht war düster geworden.

„Nein, Herr Quense“, versetzte er, „ich habe nichts vergessen.“

„So. Nun, immerhin schadet es nichts, wenn ich dich daran erinnere, wie vor fünfzehn Jahren eine arme Frau mit ihrem sechsjährigen Buben in dieses Haus gekommen ist. Sie war krank und hungrig und ich erbarmte mich ihrer. Die Leute meinten, ich solle sie ins Armenhaus bringen lassen, aber ich nahm sie auf und pflegte sie, bis sie nach drei Tagen starb.“

„Ja, die Leute sagten aber auch, Sie hätten die Frau nicht aus Mitleid, sondern aus ganz anderen Gründen hier behalten, wo niemand erlauschen konnte, was sie von sich selbst und von ihrem Kind auszusagen hatte“, warf Radbod mit zornigem Erröten ein.

Quenses weißbewimperte Augenlieder senkten sich. Er lächelte, als bedaure er des jungen Mannes Unwissenheit und Voreingenommenheit. Dann nahm er wieder einer Prise, schnappte die Dose zu und fuhr fort:

„Wie gesagt, die arme Frau starb hier und ich ließ sie auf meine Kosten begraben. Das Grab kennst du ja.“

Radbod brachte den Ärmel seiner Jacke an die Augen. Er antwortete nicht. Er dachte daran, wie oft er vor dem Grabstein gestanden hatte, der der Mutter Grab bezeichnete, wie kalt und stumm derselbe gegenüber Fragen seines Herzens immer geblieben war, den Fragen nach dem unglücklichen Weib, deren Bild ihm nur noch schattenhaft vorschwebte, deren Liebe er aber noch immer zu verspüren meinte.

„Und...

Erscheint lt. Verlag 7.4.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7431-5728-4 / 3743157284
ISBN-13 978-3-7431-5728-6 / 9783743157286
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