Katzendorfer Tagebuch - Jürgen Israel

Katzendorfer Tagebuch

Mit einem Vorwort von Dr. Bernd Fabritius und einem Nachwort von Frieder Schuller

(Autor)

Buch | Softcover
194 Seiten
2016
Pop, Traian (Verlag)
978-3-86356-132-1 (ISBN)
16,50 inkl. MwSt
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nstatt einem Nachwort:Der Dorfschreiberpreis von KatzendorfIn den Pfarrhäusern im siebenbürgischen Hügelland wurden viele Bücher geschrieben. Die Pfarrherren kamen nach ihrem Studium in Deutschland in die Heimat zurück, waren oft Lehrer in der Stadt oder auf dem Land, bis sie es in reiferen Jahren schafften, eine vakante Pfarrstelle in einer Gemeinde der evangelisch-deutschen Landeskirche AB (Augsburger Bekenntnis) in Rumänien als Ruhepol zu beziehen. Hier konnten sie neben den vertrauten spärlichen Gotteshandlungen Rosen ziehen, Bienen betreuen und Bücher schreiben. Es wurde viel zu Papier gebracht in Transsilvanien, an lauen Nachmittagen oder in langen Abendstunden. Briefe zockelten in Postkutschen oder mit der k.u.k. Eisenbahn an ferne Adressaten, wobei auch die Brüder Grimm einmal zu diesen zählten. Allerdings brachte es keine Geschichte aus dieses Land zu Weltruhm, dies war einer Geschichte über dies Land beschieden, und der Ire Bram Stoker war ihr Weltmeister.Nach dem zweiten Weltkrieg wanderten erst die treuen Kirchenbesucher in den Westen aus, dann folgten ihnen auch die vereinsamten Pfarrer. Die Pfarrhäuser, oft an die Mauer einer Kirchenburg gelehnt, versanken in einen kalten Schlaf, Tinte und Papier waren verschwunden. Heute übt sich Rumänien in der Demokratie, Leute kommen und gehen, schauen in die verriegelten Kirchen und finden die einsamen Pfarrhäuser mit ihren verwilderten Gärten als Landsitz nicht unattraktiv. Das Pfarrhaus von Katzendorf, rumänisch Cata, machte einen Anfang. In diesem Hause wurde ich einst als Pfarrersohn geboren, kam wie viele andere nach Deutschland, kehrte allein und mit Filmteam immer wieder zurück, und 1990 war es endlich soweit. Ich übernahm das baufällige Anwesen und gestaltete hier in jahrelanger Verbundenheit und Arbeit ein Refugium für Freunde und bald für Gäste aus aller Welt. Das Tintenfass wurde durch den Laptop ersetzt, und der Gedanke lag nahe, dass sich in der ehemaligen Sommerküche unter dem uralten Turm ein Dichter häuslich einrichten könnte. Es entstand der "Dorfschreiberpreis von Katzendorf". Seit 2011 vergibt eine Jury diesen Preis an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die hier nach Schaffenslust bis zu einem Jahr wohnen und träumen können. Das tägliche Brot und ein geheizter Kachelofen im Winter sind das Preisgeld.Elmar Schenkel, der bewanderte Anglist aus Leipzig, war 2011 der erste Preisträger und in seinem Buch "Mein Jahr hinter den Wäldern" begegnet eine wachsende Leserschar dem erzählten Katzednorf. Ihm folgte Jürgen Israel, der mit dem Fahrrad und zu Fuß die Landschaft und seine Hirten erkundete. 2014 kam Carmen Francesca Banciu, die einst aus Rumänien wegging und jetzt mit Originalaufnahmen aus Katzendorf im Deutschlandfunk ihre alte Heimat wieder aufleben ließ. Seit Frühjahr 2016 verfügt die Berlinerin Tanja Dückers über die Dichterklause unter dem Turm, und die noch ungeschriebenen Worte klopfen an die Tür. Natürlich ist es wünschenswert, wenn nach dem Weggang des jeweiligen Dorfschreibers die Krähen auf dem Turm von einem Manuskript verkünden, das wie ein frischgebackenes Brot auf dem Tisch liegt. Denn die Bewohner der Dichterklause sollen erzählen und berichten. Vielleicht auch von einem Pfarrer in den Jahren um 1940, der neben seinen Bienen, Pferden und seiner Geige die Gottespflicht nicht vergaß, sich den Nazihäschern widersetzte, Kopf und Kragen riskierte, seine Gemeinde auf der Flucht 1944 mit der Kutsche bis vor Wien anführte, die Dorfbewohner ein Jahr darauf nach Katzendorf zurück brachte und weiterhin an seinen siebenbürgischen Predigten zimmerte. Auch von diesem Andenken lebt der Dorfschreiberpreis von Katzendorf.Frieder Schuller, 22 November 2016, Berlin

Frieder Schuller, *1942 in Katzendorf (Caţa), Sieben- bürgen (Rumänien). Studium der Theologie und Germanistik; lebt in Berlin und Caţa. Autor (Lyrik, Prosa, Drehbücher), Initiator und Leiter des mehrsprachigen Kulturtreffens von Katzendorf in Siebenbürgen. Veröffentlichungen u.a. „Die Angst der Parkbank vor dem Abendrot“(Lyrik), „Ossis Stein oder wer werfe das erste Buch“ (Theaterstück). Auszeichnungen: u.a. Andreas-Gryphius-Preis, Filmprämie des Bundesministeriums; seit 2012 Mitglied im Exil-P.E.N..

Vorwort Katzendorf, um 1400 erstmalig als Siedlung urkundlich erwähnt, wurde von den Siebenbürger Sachsen gegründet. Es steht heute, als kleines Dorf im östlichen Siebenbürgen mit vielen anderen Dörfern, die das gleiche Schicksal teilen, mit seiner Geschichte exemplarisch da – für fast alle ehemals siebenbürgisch-sächsisch geprägten Ortschaften im rumänischen Siebenbürgen. Siebenbürgen, eine über 800 Jahre von deutschen Auswanderern geprägte Kulturlandschaft, durchläuft seit der Mitte des 20. Jahrhunderts starke Wandlungsprozesse, die mit der Massenauswanderung seiner siebenbürgisch-sächsischen, also deutschen Bevölkerung seit Zusammenbruch des kommunistischen Regimes 1989 noch einmal gravierend an Fahrt aufgenommen haben. Die wechselvolle Geschichte Katzendorfs durchweht auch Jürgen Israels „Tagebuch“. Alle im Buch erwähnten Ortschaften trugen und tragen noch bis heute seit Jahrhunderten eine deutsche Bezeichnung. Dort, wo der Autor beide Ortsnamen (rumänisch, deutsch) nebeneinanderstellt, ist es sogleich offensichtlich. An anderer Stelle, wo dies nicht geschieht, bleibt es dem Leser überlassen, auf eigene Faust vorzudringen, sich außerhalb des „Tagebuchs“ mit frisch geweckter Neugier in die Historie der Städte und Dörfer dieses faszinierenden Landstrichs in Mitteleuropa vorzutasten. Dem interessierten Leser bieten sich immer wieder passable Einstiegspunkte, um sich über Siebenbürgen, über seine deutsche Minderheit und seine zwischen Exodus und Aufbruch schwankende Stimmung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu informieren. Episodische Rückblenden in die Geschichte des Dorfes realisiert Jürgen Israel geschickt und ohne Anspruch auf Vollkommenheit mittels der Menschen, deren Erzähltes er in seine Chronistenaufgabe einfließen lässt. Der Leser erhält schlaglichtartige Einblicke in die Vorkriegszeit, in die tragischen Momente der Deportation der deutschen Einwohner Anfang 1946, aber auch in die langen, mühsamen Jahrzehnte kommunistischer Diktatur bis 1989. Geschickt und einer zwingenden Logik folgend, verknüpft der Autor die heutigen Bewohner Katzendorfs mit der geschichtlichen Entwicklung ihres Dorfes – so dass in seinem „Tagebuch“ Menschen auch immer als Produkt ihrer Umgebung und ihrer Lebensumstände, ihrer Geschichte und ihrer Lebenseinstellung zum Vorschein kommen. Der Roma Gheorghe, einer der Dorfhirten, wird zum menschlichen Mittelpunkt des Dorfschreibers. Mit ihm verbringt er die meiste Zeit, so dass Gheorghes naturverbundene Weltsicht für die Wahrnehmung des Dorfgeschehens prägend wirkt. Die pensionierte rumänische Lehrerin hingegen, die nachmittags im unmittelbar benachbarten Haus Nachhilfeunterricht gibt, wird nicht zum Kosmos der zentralen Personen des Tagebuchs gehören. Erzählt wird auch von einem Treffen mit dem Roma-König Cioabă in Hermannstadt, der Stadt, in welcher der deutsche Bischof Reinhard Guib seinen Amtssitz hat. Letzteres muss der Leser sich dann allerdings selbst erschließen. Es bedarf schon des fremden Blickes, der niemals mit der Erde Siebenbürgens verwurzelt war, der globalisiert denkt und von willkürlichen Enteignungen in Büchern gelesen hat, um das heutige Sozialgefüge in Katzendorf unvoreingenommen beschreiben zu können, so wie es Jürgen Israel punktuell vortrefflich gelingt. Unvoreingenommenheit, deren Abgrenzung zu Unbedarftheit und Gutgläubigkeit manchmal stark verschwimmen, ist in vorliegendem Buch der Schlüssel des Autors zu einer Dorfgemeinschaft, die vom Zusammenleben verschiedener Nationalitäten geprägt ist. Es entbehrt nicht einer deftigen Situationskomik, wie der Autor auf einer Feier der Roma deren lockere Sitten im wahrsten Sinne des Wortes zu spüren bekommt – ohne sich überhaupt dessen bewusst zu sein, dass er auf einer Roma-Feier ist. Es entzieht sich offensichtlich seiner Kenntnis, dass die unterschiedlichen Ethnien im Dorf bei ihren Veranstaltungen traditionell unter ihresgleichen bleiben. Ein Einheimischer hingegen, ob nun Rumäne, Ungar oder Siebenbürger Sachse, würde jederzeit fünf Meilen gegen den Wind feststellen können, dass es eine Roma-Feier ist (…) Überhaupt arbeitet sich Jürgen Israel immer wieder an der Multiethnizität „seines“ Dorfes ab. Seine westeuropäisch geprägte Political Correctness, moralischer Kompass seines Denkens und Handels, wird bereits früh einer Stressprobe unterzogen: nicht nur, dass die große Anzahl von Roma im Dorf von den Bewohnern als „Zigeuner“ bezeichnet werden – nein, sie nennen sich selbst so! Das will erst einmal ver-daut werden. Seine schriftstellerischen Bemühungen, diese aus Sicht des Autors vermeintlich inakzeptable Tatsache historisch-soziologisch, ja psychologisch vom rumänischen Kopf auf korrekte europäisch-moderne Füße zu stellen, sind lesenswert. Und unterhaltsam. Das „Katzendorfer Tagebuch“ ist eine nah an der Realität geschriebene, dadurch beinahe dokumentarische Momentaufnahme einer Dorfgesellschaft im ländlich geprägten Osten Siebenbürgens. Hier, am Fuße der Ostkarpaten, ticken die Uhren heute noch anders. Der Blick des Dorfschreibers in ein Dorfgefüge hinein, das sich über Jahrhunderte entwickelt hat, lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers recht unvermittelt in eine zum Teil immer noch archaisch, „überholt“ wirkende Gesellschaft: Das Clanoberhaupt der Roma verfügt, dass die Roma-Kinder trotz wochenlanger Proben am Tag des Auftritts nicht teilnehmen dürfen; ausländische Fremde aus Westeuropa sind immer reich und werden grundsätzlich angebettelt; die Kuhherde zieht morgens und abends wie seit Jahrhunderten noch durch die Dorfstraße; das Schwein wird auf der Straße geschlachtet – wenn auch nur im Roma-Viertel. Bemerkenswert am „Katzendorfer Tagebuch“ ist die Spannung zwischen einerseits objektiver Beobachtung, andererseits subjektiver Deutung des Beobachteten. Die für viele der Siebenbürger Sachsen, die dort gelebt haben, vielleicht befremdlich anmutende Schilderung ist somit gleichzeitig ein (paradox!) objektiv-subjektives Ausleuchten einer Dorfstruktur, wie sie tatsächlich nur in einem ehemals deutschen Dorf im ungarisch geprägten Ostsiebenbürgen und nur zu Beginn dieses 21. Jahrhunderts vorzufinden ist. Dr. Bernd Fabritius MdB Präsident des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

VorwortKatzendorf, um 1400 erstmalig als Siedlung urkundlich erwähnt, wurde von den Siebenbürger Sachsen gegründet. Es steht heute, als kleines Dorf im östlichen Siebenbürgen mit vielen anderen Dörfern, die das gleiche Schicksal teilen, mit seiner Geschichte exemplarisch da - für fast alle ehemals siebenbürgisch-sächsisch geprägten Ortschaften im rumänischen Siebenbürgen. Siebenbürgen, eine über 800 Jahre von deutschen Auswanderern geprägte Kulturlandschaft, durchläuft seit der Mitte des 20. Jahrhunderts starke Wandlungsprozesse, die mit der Massenauswanderung seiner siebenbürgisch-sächsischen, also deutschen Bevölkerung seit Zusammenbruch des kommunistischen Regimes 1989 noch einmal gravierend an Fahrt aufgenommen haben.Die wechselvolle Geschichte Katzendorfs durchweht auch Jürgen Israels "Tagebuch". Alle im Buch erwähnten Ortschaften trugen und tragen noch bis heute seit Jahrhunderten eine deutsche Bezeichnung. Dort, wo der Autor beide Ortsnamen (rumänisch, deutsch) nebeneinanderstellt, ist es sogleich offensichtlich. An anderer Stelle, wo dies nicht geschieht, bleibt es dem Leser überlassen, auf eigene Faust vorzudringen, sich außerhalb des "Tagebuchs" mit frisch geweckter Neugier in die Historie der Städte und Dörfer dieses faszinierenden Landstrichs in Mitteleuropa vorzutasten. Dem interessierten Leser bieten sich immer wieder passable Einstiegspunkte, um sich über Siebenbürgen, über seine deutsche Minderheit und seine zwischen Exodus und Aufbruch schwankende Stimmung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu informieren.Episodische Rückblenden in die Geschichte des Dorfes realisiert Jürgen Israel geschickt und ohne Anspruch auf Vollkommenheit mittels der Menschen, deren Erzähltes er in seine Chronistenaufgabe einfließen lässt. Der Leser erhält schlaglichtartige Einblicke in die Vorkriegszeit, in die tragischen Momente der Deportation der deutschen Einwohner Anfang 1946, aber auch in die langen, mühsamen Jahrzehnte kommunistischer Diktatur bis 1989. Geschickt und einer zwingenden Logik folgend, verknüpft der Autor die heutigen Bewohner Katzendorfs mit der geschichtlichen Entwicklung ihres Dorfes - so dass in seinem "Tagebuch" Menschen auch immer als Produkt ihrer Umgebung und ihrer Lebensumstände, ihrer Geschichte und ihrer Lebenseinstellung zum Vorschein kommen. Der Roma Gheorghe, einer der Dorfhirten, wird zum menschlichen Mittelpunkt des Dorfschreibers. Mit ihm verbringt er die meiste Zeit, so dass Gheorghes naturverbundene Weltsicht für die Wahrnehmung des Dorfgeschehens prägend wirkt. Die pensionierte rumänische Lehrerin hingegen, die nachmittags im unmittelbar benachbarten Haus Nachhilfeunterricht gibt, wird nicht zum Kosmos der zentralen Personen des Tagebuchs gehören. Erzählt wird auch von einem Treffen mit dem Roma-König Cioaba in Hermannstadt, der Stadt, in welcher der deutsche Bischof Reinhard Guib seinen Amtssitz hat. Letzteres muss der Leser sich dann allerdings selbst erschließen.Es bedarf schon des fremden Blickes, der niemals mit der Erde Siebenbürgens verwurzelt war, der globalisiert denkt und von willkürlichen Enteignungen in Büchern gelesen hat, um das heutige Sozialgefüge in Katzendorf unvoreingenommen beschreiben zu können, so wie es Jürgen Israel punktuell vortrefflich gelingt. Unvoreingenommenheit, deren Abgrenzung zu Unbedarftheit und Gutgläubigkeit manchmal stark verschwimmen, ist in vorliegendem Buch der Schlüssel des Autors zu einer Dorfgemeinschaft, die vom Zusammenleben verschiedener Nationalitäten geprägt ist. Es entbehrt nicht einer deftigen Situationskomik, wie der Autor auf einer Feier der Roma deren lockere Sitten im wahrsten Sinne des Wortes zu spüren bekommt - ohne sich überhaupt dessen bewusst zu sein, dass er auf einer Roma-Feier ist. Es entzieht sich offensichtlich seiner Kenntnis, dass die unterschiedlichen Ethnien im Dorf bei ihren Veranstaltungen traditionell unter ihresgleichen bleiben. Ein Einheimischer hingegen, ob nun Rumäne, Ungar oder Siebenbürger Sachse, würde jederz

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Fragmentarium
Nachwort Frieder Schuller
Vorwort Bernd Fabritius
Zusatzinfo Umschlagbild: Agathe IsraelAutorenfoto: Björn Reißmann
Verlagsort Ludwigsburg
Sprache deutsch
Maße 145 x 200 mm
Gewicht 331 g
Einbandart kartoniert
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Schlagworte Belletristik und verwandte Gebiete • Katzendorf • Roma • Rumänien • Rumänien; Berichte/Erinnerungen • Siebenbürgen • Tagebuch
ISBN-10 3-86356-132-5 / 3863561325
ISBN-13 978-3-86356-132-1 / 9783863561321
Zustand Neuware
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