Dämonische Kreaturen: Zwei Horror-Romane (eBook)
240 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-0580-9 (ISBN)
1
Nacht.
Nebel hing über der San Francisco Bay und kroch vom Hafen her in die Stadt herein, quoll durch die engen Straßenschluchten wie die Tentakel eines vielarmigen Monstrums, dass es sich zum Ziel gemacht hatte, die Stadt auf seine Weise zu erobern.
Murphy hatte sich vom Taxi in der Pell Road absetzen lassen.
Dort gab es eine Latino-Bar mit dem nicht gerade fantasievollen Namen BUENA SUERTE.
Murphy sah die Neonreklame des Ladens bereits blinken.
Eine kleine Bar, in der ab und zu ein paar Schöne der Nacht nackte Tatsachen präsentierten.
Murphy erreichte das Lokal, zog sich die Jacke zu, weil es jetzt empfindlich kühl wurde. In der Seitentasche ruhte seine Hand. Normalerweise hatte er dort eine SIG Sauer P226 stecken, die sich inzwischen als Standardmodell bei den meisten amerikanischen Polizeibehörden durchgesetzt hatte. Dann war man wenigstens mit seinen potentiellen Gegnern auf gleicher Ebene, was die Feuerkraft anging!, hatte Murphy immer gedacht.
Aber jetzt hatte er die Waffe nicht bei sich.
War zu riskant, bei dem, was er vorhatte. Und außerdem brauchte er sie jetzt eigentlich auch nicht mehr. Nicht, seitdem er jenes geheimnisvolle Amulett der Dunkeldämonen besaß, dass ihm unheimliche Kräfte verlieh... Jenes Amulett mit der Seele eines Mörders. Es passt zu dir!, dachte Murphy. Du bist ja auch ein Mörder. Ein Killer, der für Lohn jeden ausknipst, von dem irgendein großer Hai glaubt, dass er es verdient hat. Hitman, so war die gängige Bezeichnung für einen wie ihn.
Nein, erinnerte sich Murphy. Das war in einem früheren Leben. Und das buchstäblich.
Aber das war ein Thema, über das er im Moment nicht näher nachdenken wollte.
Murphy betrat das BUENA SURTE, ließ sich dabei vom Türsteher geduldig filzen. Schon deswegen war es besser gewesen, keine Waffe dabei zu haben. Jaime Fernandez, der Besitzer, war in diesen Dingen nämlich ziemlich empfindlich, seit ihm vor drei Jahren der Laden von Unbekannten angezündet worden war.
Murphy betrat einen Raum im Dämmerlicht. Auf der Bühne tanzte eine barbusige Schönheit, schaukelte ihre Brüste hin und her und ließ sich von den Gästen Scheine hinter die Bänder ihres String-Tangas stecken. Die Musik war gedämpft und kam von einem ausgeleierten Band. Latino-Pop natürlich. Jaime Fernandez wusste, was er seiner Kundschaft schuldig war.
Murphy ging zur Bar.
Der Keeper war groß, bullig und wog mindestens zweihundert Kilo. Der Schnauzbart verdeckte den Mund. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Seehund.
"Einen Tequila", sagte Murphy.
"Muy bien. Wenn's weiter nichts ist!"
"Ist der Boss noch im Laden?"
"Que quieres? Was willst du von ihm?"
"Ihm ein Geschäft vorschlagen."
Der Seehund blickte zur Seite. An einem Nebenausgang stand ein schmächtiger Kerl im grauen Anzug, dessen Haar mit Pomade an den Kopf geklebt war. "Dónde está el jefe?", fragte der Seehund.
"El jefe no está allí!"
Murphys Blick wurde schmal.
Er langte über die Theke, griff nach dem Hemdkragen des Seehunds und zog ihn zu sich heran.
"Hör zu, es ist mir egal, wo Fernandez jetzt steckt, ich will, das er hier aufkreuzt und sich anhört, was ich ihm zu sagen habe! Er ist mir nämlich einen Gefallen schuldig!"
"Eres tonto!"
"Du bist tonto, wenn du nicht machst, was ich sage! Dann wird nämlich dein eigener Boss dir die Fresse so polieren, dass du nie wieder einen Zahnarzt brauchst!"
Murphy ließ ihn los.
Der Seehund rieb sich den Hals.
Der Schmächtige kam herbei.
"Hay problemas?"
"De nada!", murmelte der Seehund.
Murphy wandte sich an den Schmächtigen. "Sag Mr. Fernandez, dass Murphy hier ist. Dann wird er seinen Arsch schon hochkriegen. Comprendido?"
Der Seehund nickte dem Schmächtigen zu, unter dessen Jackett sich deutlich eine Waffe unter der Achsel abzeichnete. Wenn man wollte, dass so ein Schießeisen nicht auffiel, musste man eine Nummer größer tragen. Murphy wusste das aus seiner langjährigen Hitman-Erfahrung. Dieser Mini- Rambo offenbar nicht.
"Warten Sie hier!", sagte der Schmächtige und verschwand durch einen Nebeneingang.
Wenig später kehrte er zurück.
"Venga!"
"Wenn das heißen soll, dass Sie mich zu Fernandez führen..."
Der Schmächtige brachte Murphy in einen schmalen Korridor. Murphy kannte sich aus. Er war schon des Öfteren hier gewesen, wenn er neue Papiere brauchte. Das BUENA SUERTE diente nur der Tarnung und der Geldwäsche für Einnahmen aus dem illegalen Sektor. Fernandez' eigentliches Geschäft war nämlich das Fälschen von Dokumenten aller Art. In erster Linie natürlich Pässe, Führerscheine und Sozialversicherungskarten. Fernandez war perfekt darin, einer der Besten. Er konnte einem eine regelrechte Identität besorgen, mit der man unbehelligt existieren konnte. Immer wieder hatte Murphy in seiner Eigenschaft als Lohnkiller die Dienste dieses Mannes in Anspruch nehmen müssen.
Und jetzt brauchte er sie dringender denn je.
Schließlich war Murphy offiziell tot.
Hingerichtet mit der Giftspritze. Es gab einen Totenschein und Dutzende von Medienberichten, in denen über die Hinrichtung informiert worden war. Eine Mafia-Bestie vor dem großen Richter im Himmel... Da ließ sich eine Story draus machen.
Und wenn so jemand wieder auftauchte, machte das Aufsehen.
Es war unter diesen Umständen nicht daran zu denken, eine Wohnung zu mieten, ein Hotelzimmer zu beziehen, einen Wagen zu leihen, sich eine Waffe zu besorgen... Jedenfalls nicht ohne dass jemand Fragen stellte und versuchte, der Sache auf den Grund zu gehen.
Murphy brauchte eine Tarnung.
Und Fernandez sollte sie ihm geben.
Der Besitzer des BUENA SUERTE war auch noch aus einem anderen Grund wie prädestiniert für dieses Geschäft. Er war nämlich von der Mafia-Größe Rico Altobelli vor Jahren übel maltraitiert worden. Der Brand im BUENA SUERTE war wahrscheinlich von Altobellis Leuten gelegt worden. Das hatte erst aufgehört, als Fernandez sich vom Syndikat der Puertoricaner hatte schützen lassen.
Murphy betrat das Büro.
Es sah chaotisch dort aus. Bierdosen standen überall herum. Es roch nach Pizza. Ein halbes Dutzend Schachteln türmte sich auf dem Schreibtisch. Ein Fernseher lief.
Fernandez saß dahinter, die Füße auf dem Tisch.
Er blätterte einen Ordner mit Kontoauszügen durch, zuckte dann zusammen als er Murphy sah.
Murphy grinste.
"Du hast wohl nicht damit gerechnet, mich nochmal zu sehen, was?"
"Madre de Dios!", stieß Fernandez hervor.
"Ich wusste gar nicht, dass du religiös bist!"
"Wenn man dich so sieht, Murphy, dann wird man's wieder!!" Er blickte kurz zum Fernseher, starrte dann wieder Murphy an. "Schließlich hieß es doch ziemlich laut und vernehmlich, dass man dich für deine Schandtaten über den Jordan geschickt hat!"
"Totgesagte leben länger!"
"Hey, Hombre! Das musst du mir erklären! No puedo creerlo!"
"Ich muss gar nichts!"
"Ich kann das nicht glauben, Murphy! Du bist mit Gift vollgepumpt und von mehreren Ärzten für tot erklärt worden und stehst jetzt vor mir! Jesús! No es possible!"
Murphy dachte nicht im Traum daran, auch nur eine Silbe über das zu verlieren, was geschehen war. Kein Wort über das Eingreifen der Dunkeldämonen, die ihn auf ihre dem Untergang geeweihte Welt Lykoor geholt hatten. Kein Wort darüber, dass der Killer Murphy jetzt im Auftrag dieser fremden Wesenheiten agierte, die die Erde als ihren neue Heimat zu erobern trachteten. Diese Geschichte war so fantastisch, dass Murphy manchmal selbst Zweifel daran hatte, ob es sich um die Wirklichkeit handelte, was er erlebt hatte. Oder nur um einen eigenartigen Traum.
"Ich brauche Papiere", sagte Murphy sachlich. Seine Stimme klirrte wie Eis.
Fernandez wandte einen Blick zu dem Schmächtigen, der sich neben der Tür postiert hatte.
"Vaya!"
"Sí, Señor Fernandez!"
Der Schmächtige verließ den Raum, bedachte Murphy zuvor noch mit einem halb ungläubigen, halb misstrauischen Blick.
Fernandez lehnte sich zurück.
Murphy deutete auf die Pizza-Packungen.
"Wissen die Puertoricaner eigentlich, dass du den Fraß der Konkurrenz zu dir nimmst!"
"Mierde! Lass uns Klartext reden, Murphy!"
"Da bin ich auch immer für!"
"Also, was willst du? Que quisiera?"
"Papiere."
"Das sagtest du bereits."
"Mehrere Sätze natürlich."
"Du willst endgültig abtauchen!"
"Nein, ich habe einen Job."
Murphy genoss das Erstaunen in Fernandez' Gesicht.
"Wer dich unter diesen Umständen anheuert, muss verrückt sein!"
"Ich werde Altobelli töten. Und wenn du das herumerzählst, habe ich nichts dagegen. Er soll ruhig etwas ins Grübeln kommen..."
"Cooles Amulett hast du da am Hals..."
"Weich mir nicht aus, Fernandez!"
"Tu ich das?"
"Sag mir lieber, wann ich die Papiere bekomme!"
Fernandez schwieg.
Er starrte zum TV. Seine Augen wurden schmal. Er drehte lauter. Eine brünette Reporterin stand vor dem Bildschirm.
"...die Polizei steht vor einem Rätsel. Ich stehe hier in der Ecke Delaware/Dolores...
Erscheint lt. Verlag | 11.7.2019 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
ISBN-10 | 3-7389-0580-4 / 3738905804 |
ISBN-13 | 978-3-7389-0580-9 / 9783738905809 |
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Größe: 435 KB
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