Die Sehnsuchtsfalle (eBook)
432 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-19869-5 (ISBN)
Hera Lind studierte Germanistik, Musik und Theologie und war Sängerin, bevor sie mit zahlreichen Romanen sensationellen Erfolg hatte. Seit einigen Jahren schreibt sie ausschließlich Tatsachenromane, ein Genre, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Mit diesen Romanen erobert sie immer wieder die SPIEGEL-Bestsellerliste. Hera Lind lebt mit ihrem Mann in Salzburg, wo sie auch gemeinsam Schreibseminare geben.
2
Sechs Wochen zuvor
Torremolinos, Spanien, März 2005
»Tony, fahr vorsichtig, ich liebe dich!«
»Baby, es war wunderschön mit dir. Du bist meine absolute Traumfrau.«
»Ich freu mich so, wenn wir Benni nach den Osterferien abholen! Er wird Augen machen, wenn er seinen wirklichen Vater endlich kennenlernt!«
»Alles wird gut, Baby. Heute Nachmittag bin ich zurück, und dann helfe ich dir in der Bar.«
An diesem Morgen war ich wunschlos glücklich, im siebten Himmel, als ich meiner großen Liebe Tony nachwinkte. Er fuhr mit seinem Jaguar-Cabrio nach Málaga, wo er als Ingenieur arbeitete. Ich zog meinen Morgenmantel enger um die Schultern, denn zu dieser frühen Stunde war es noch frisch. Ich spürte ihn noch in mir, seine Hände auf mir, seine Küsse, hörte seine heiser geflüsterten Worte: »Call my name, Baby, call my name!«
Hoffentlich rast er nicht wieder so schnell. Ich hätte ihn heute Nacht schlafen lassen müssen!, dachte ich ein wenig schuldbewusst.
Ich duschte, zog mich an und machte meinen morgendlichen Strandspaziergang mit Max. Die Sonne ging gerade auf, und die Wellen spiegelten das grandiose Naturschauspiel in Zartrosa bis Blutrot.
Überwältigt blieb ich stehen und atmete tief durch. Gott, war ich verliebt!
»Max, so kann es immer bleiben. Nie hätte ich gedacht, dass ich noch mal so glücklich werde!«
Max wedelte mit dem Schwanz und wollte, dass ich ihm ein Stöckchen warf. Mein Glücksrausch interessierte ihn wenig.
»Jetzt müssen wir nur noch Benni zurückkriegen!« Ich kraulte meinen kleinen Hund zwischen den Ohren. Meine Lippen wurden schmal. »Dass die mir meinen Sohn wegnehmen wollen, Max! Meine eigenen Eltern! Und meine eigene Schwester! Haben meinen Jungen einfach in Höxter in der Gesamtschule angemeldet, nur weil er sich hier im Winter gelangweilt hat! Kindesentführung ist das!«
Max hechelte erwartungsvoll. Er hopste rückwärts, fixierte mit seinen schwarzen Knopfaugen das Stöckchen und kläffte ungeduldig: Rede nicht, Frau. Wirf!
Voller Wut auf meine Eltern und meine Schwester Tanja warf ich das Stöckchen ins Meer. Max sauste mit wehenden Ohren hinterher, warf sich in die Fluten und kämpfte knurrend mit den Wellen. Die Lektion, dass man Salzwasser nicht trinken kann, hatte er inzwischen gelernt.
Er warf mir das nasse Stöckchen vor die Füße, aber als ich mich danach bückte, kaute er besitzergreifend darauf herum. Dabei sah er mich herausfordernd an.
»Aber jetzt wo der nasskalte Winter vorbei ist, wird Benni bestimmt zurückwollen«, teilte ich dem Hund meine Hoffnungen mit. »Der Junge wird Augen machen, wenn er Tony sieht!« Jetzt strahlte ich wieder übers ganze Gesicht. »Sein Vater ist wieder da! Den er noch nie kennengelernt hat! Jetzt wird alles gut, Max.«
Glücklich und zufrieden trabten wir weiter, mein kleiner Hund und ich.
Später fuhr ich in meine Bar und stellte die Sonnenschirme auf die Promenade. Die ersten Gäste strömten bereits herbei. Am Strand spielten ein paar Jungs Fußball. Wie schade, dass Benni jetzt nicht hier war! Er saß im verregneten Höxter. Selber schuld!
»Wie immer café con leche?«, begrüßte ich eine Gruppe Deutscher, die hier jeden Tag saßen und Karten spielten.
»Kann auch ruhig schon ein Bier sein, Rita!«
»Für mich wie immer vino tinto. Bring was von diesen Knabbernüssen, bitte.«
»Gibt es schon Tapas?«
»Marta kommt später mit ihren selbst gemachten. Jetzt kann ich euch nur Oliven anbieten.«
Lachend und plaudernd bediente ich meine Stammgäste.
»Rita, bist du verliebt?«
»Und wie!« Schwungvoll ließ ich mich zu meinen Rentnern auf die Bank fallen.
»In das Leben! Ihr etwa nicht?«
»Doch«, beteuerten sie laut. »Nur so jung sein wie du müsste man noch mal!«
»Man müsste noch mal zwanzig sein«, pflichteten ihnen ein paar ältere Frauen bei, und ich lachte: »Mädels, ich bin fünfunddreißig!«
Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel den baumlangen Schwarzen Raymond, der an seinem Auto lehnte und mit dem Schlüssel spielte. Sein komischer Kompagnon Friday war leider auch dabei. Was wollten die denn jetzt schon hier? Normalerweise kam Raymond nachts in meine Bar und gab seine berühmten Whiskey-Runden aus.
Spontan drehte ich mich weg. Auf Raymond und seine Bagage hatte ich echt noch keine Lust.
»Café con leche?« Ich schob dem einheimischen Gast seine Tasse hin. Die Spanier liebten es auch und gerade am helllichten Tag, drinnen zu sitzen und auf den Fernseher zu starren, während die Deutschen grundsätzlich draußen in der Sonne saßen. In diesem Moment klingelte das Telefon.
»Dígame?«, schnarrte ich auf Spanisch hinein.
Es war ein Mann von einem Polizeirevier in Málaga. Mir wurde ganz mulmig, als dieser Typ fragte, ob ich Rita sei und etwas von einem accidente erzählte.
»Ja. Ich bin Rita.«
Der Mann ratterte in machinengewehrschnellem Amtsspanisch weiter, und mir wurden die Knie weich, als ich den Namen Tony Kwabena heraushörte.
»Conoce usted a Tony Kwabena? Ihre Nummer war in seinem Handy eingespeichert, unter ›Baby‹.«
»Was ist mit Tony?« Ich fasste mir an die Stirn, auf der kalter Schweiß stand. »Tony hatte einen Unfall? Wie … Wie geht es ihm? Kann ich ihn sehen?«
»Lo siento mucho. Está lastimosamente muerto.«
Tony. Tot. Leider.
Der Spanier an der Theke konnte mich gerade noch auffangen, als ich zusammenbrach.
Plötzlich spritzte Kaffee über die Bar, Tassen klirrten, ein schriller Schrei gellte durch den Raum. War ich das, die so schrie? Mehrere hilfreiche Hände versuchten, mich zu stützen, aber ich schlug nach ihnen.
»Sagt, dass das nicht wahr ist«, schrie ich verzweifelt. »Sagt, dass das ein Irrtum ist! Tony kann nicht tot sein! Tony kommt gleich wieder!«
Ich schrie und schluchzte mir die Seele aus dem Leib: »Tony! Tony, komm zurück, ich liebe dich! Du hast es mir heute Morgen versprochen!«
Betroffen und verstört umringten mich meine Gäste. Mehrere Frauen tätschelten mir die Hand, jemand flößte mir Whiskey ein: »Beruhige dich, Rita. Du musst dich beruhigen!«
Unaufhaltsam wimmerte ich wie ein waidwundes Tier und rief immer wieder Tonys Namen.
»Call my name, Baby, call my name …«
Irgendwo zwischen den bestürzten Gesichtern, die ich nur als verzerrte Fratzen wahrnahm, glaubte ich, auch Raymond zu erkennen. War er gestern auch hier gewesen, als ich mit Tony in der Bar getanzt hatte? Zu sinnlicher Soul Music, eng aneinandergeschmiegt? Als wir uns geküsst und gestreichelt hatten, bevor wir …
Hatte Raymond etwas mit dem Unfall zu tun? Ich war kurz davor, wahnsinnig zu werden.
Draußen ertönte das spanische Tatütata. Ein Wagen hielt auf der Promenade, zwei Polizisten betraten das Lokal.
Ich hockte innerlich wie tot in einer Ecke, vor mir ein zweiter Whiskey, und starrte ins Leere.
»Der Unfall hat sich in den frühen Morgenstunden ereignet, auf der Autobahn in Höhe von Arroyo de la Miel. Der Jaguar ist offenbar von der Fahrbahn abgekommen und einen der steilen Abhänge hinuntergestürzt. Er hat sich mehrfach überschlagen und ist achtzig Meter tiefer auf eine Felsplatte geknallt. Auf der Straße konnten keinerlei Bremsspuren gefunden werden. Señor Kwabena war auf der Stelle tot.«
Ich holte tief Luft und schrie wie ein angeschossenes Tier: »NOOOOOOOO! Tony ist nicht TOOOOOOOOT! Noch heute Morgen hat er mir geschworen, dass er mich immer lieben wird! Er kommt gleich zurück. Ihr müsst euch irren! Das muss eine Verwechslung sein. Nicht mein Tony!«
Jemand füllte mein Glas zum dritten Mal und führte es mir an die Lippen:
»Trink!«
Es dauerte nicht lange, bis der Whiskey seine Wirkung tat. Ich fühlte mich wie in einem schlechten Film, als der spanische Polizist weiterschnarrte:
»Die Kollegen haben einen Führerschein und einen Personalausweis gefunden, beide ausgestellt auf einen Tony Kwabena Okoruego, wohnhaft in Accra, Ghana. Außerdem ein funktionsfähiges Handy. Gleich unter drei verschiedenen Nummern stand »Baby« ganz oben auf der Anrufliste, sodass wir auf Sie gekommen sind.«
Ich starrte stumm vor mich hin und malte mit den Whiskey- und Kaffeeresten Muster auf der Tischplatte.
»Tony ist nicht tot«, wiederholte ich stur. »Er kommt gleich. Er hat es mir versprochen.« Zitternd griff ich nach meinem Whiskey.
»Alkohol wurde nicht im Blut festgestellt, trotzdem müssen wir davon ausgehen, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist und durch den Wind oder eine andere Ursache die Kontrolle über den Wagen verloren hat. Ob es Fremdeinwirkungen gegeben hat, können wir leider nicht mehr feststellen, da die Fahrzeugteile bis zu fünfhundert Meter weit verstreut liegen.«
Fremdeinwirkung!, dröhnte es in meinem Kopf. Aber wer sollte, bitte schön, Tonys Wagen manipulieren? Und warum?
»Immer wieder habe ich ihn angefleht, langsamer zu fahren, sogar heute Morgen noch!«, schrie ich verzweifelt. Meine Faust krachte auf den Tisch, dass das Glas wackelte.
»Ich wusste gar nicht, dass ihr euch so nahegestanden seid, Rita«, murmelte John, der fliegende Händler, der auf der Strandpromenade gefakte Handtaschen, Sonnenbrillen und Uhren verkaufte. Er war ein guter Freund von mir und gleich herbeigeeilt. Dass er...
Erscheint lt. Verlag | 14.11.2016 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Afrika • Drogenkurier • eBooks • Eine wahre Geschichte • Frauengefängnis • Liebesromane • Liebe zwischen weiß und schwarz • Neuanfang • Spanien • Unschuldig im Gefängnis • Verbotene Liebe • vor dem Nichts • wahre Begebenheiten |
ISBN-10 | 3-641-19869-0 / 3641198690 |
ISBN-13 | 978-3-641-19869-5 / 9783641198695 |
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