Winterblut (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016
448 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-16382-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Winterblut - Giles Kristian
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Norwegen, A. D. 785: Der Krieger Sigurd Haraldarson hat blutige Rache geschworen, doch König Gorm, der einst seinen Vater verriet, lebt immer noch. Und solange ein Atemhauch in ihm ist, so lange ist der Blutdurst Sigurds nicht befriedigt. Aber Sigurd und seine Mannen brauchen mehr Waffen und mehr Silber, um ihre Aufgabe vollbringen zu können. Die Waffenbrüder machen sich auf nach Schweden, um Schlachtenruhm und Söldner für ihre Sache zu gewinnen. Im Angesicht Walhallas geraten sie in ein Inferno aus Eis und Blut ...

Seine norwegische Herkunft und die Werke von Bernard Cornwell inspirierten Giles Kristian dazu, historische Romane zu schreiben. Um seine ersten Bücher finanzieren zu können, arbeitete er unter anderem als Werbetexter, Sänger und Schauspieler. Doch Kristians Herz schlägt für die Welt der Wikinger, die er in Götter der Rache zum Leben erweckt. Mittlerweile ist Giles Kristian Bestseller-Autor und kann sich ganz dem Schreiben widmen.

1

Die Spuren in dem alten Schnee waren frisch, und sie waren tief. Deshalb konnte man nicht erkennen, wie viele Tiere dort gelaufen waren, denn jedes war genau in die Spur des vor ihm Gehenden getreten. Die Fährte, die sie zwischen den Kiefern hinterlassen hatten, war schmal und gradlinig. So gerade, wie das in einem Wald möglich war.

»Wölfe verschwenden keine Energie, wenn sie jagen. Nicht wie Hunde«, hatte Olaf ihnen erklärt, als sie in der Nacht bewaffnet mit ihren Speeren und den Bäuchen voller Bier aufgebrochen waren.

»Stimmt, aber ein Hund würde auch kein nettes, warmes Feuer verschmähen.« Svein hatte sich in der Kälte geschüttelt, sich einen dicken Finger an ein Nasenloch gehalten und einen rauchgeschwärzten Schleimklumpen in den Schnee geschnaubt. »Deshalb sind Hunde vielleicht doch schlauer als Wölfe.« Er warf einen Blick zurück zur Halle, als bereute er seine Entscheidung bereits, mit Olaf und Sigurd hinauszugehen. »Und klüger als wir sind sie auch«, setzte er hinzu, schnaubte das andere Nasenloch frei und zog dann das Wolltuch wieder über das Gesicht. Mit vom Rauch brennenden Augen blinzelte er in der kalten Luft.

Sie hatten auch um die Beine und Hände Wolltücher gewickelt und trugen Kappen aus Schafswolle, Pelz oder Leder, die sie aufgesetzt hatten, als der Schneefall begonnen hatte. Seitdem hatten sie sie kaum abgesetzt, nicht einmal in Jarl Hakon Brenners alter Halle. Denn sie war riesengroß, und es hielten sich nie genug Menschen darin auf, um auch die letzten Ecken zu erwärmen, obwohl beide Herde Tag und Nacht brannten.

»Im Vergleich zu Wölfen laufen Hunde, als wären sie besoffen.« Olaf hatte einfach weitergeredet und seinen Umhang am Hals fest zusammengezogen. »Außerdem schleifen sie gern mit ihren Pfoten über den Boden, während die Spur von Wölfen deutlicher ist. Seht ihr, sie hinterlassen eine ordentliche Fährte.«

Damit hat er recht gehabt, dachte Sigurd jetzt, als ein Strahl Mondlicht zwischen die Bäume fiel und die Spur vor ihnen erhellte. Der spröde Schnee funkelte silbrig wie Tauschierungen in einer Klinge. Die linken und rechten Pfotenabdrücke wichen kaum von einer geraden Linie ab, und es war klar, dass die Wölfe erheblich leichter vorankamen als Sigurd und seine Freunde. Vor ihnen hatte der Leitwolf mit seinem Körper eine Bahn durch den Schnee gebrochen, wie der schlanke Bug eines Karvi durch schwere See. Im Gegensatz dazu mühten sie sich keuchend ab und schwitzten trotz der Kälte. Denn auch der Baldachin aus Kiefernzweigen über ihnen hatte nicht verhindern können, dass sich der Schnee an manchen Orten auftürmte, ebenso wenig wie er den vorherrschenden Südwestwind davon abhalten konnte, Schneewehen an den Baumstämmen anzuhäufen, was das Vorankommen ebenfalls erschwerte.

»Scheiße, aber der Junge keucht wie Vølunds Blasebalg!«, sagte Olaf eine Weile später. Er zog den wollenen Schal unter sein Kinn und pflanzte den Schaft seines Speers in den Schnee, bevor er sich mit Sigurd nach Svein umdrehte, der ein Stück zurückgefallen war. »Die Viecher werden seinen Met-Atem fünf Rast weit wittern, und wir werden sie nicht mal zu Gesicht bekommen.«

Olaf war der engste Freund von Sigurds Vater gewesen und behandelte sie jetzt alle wie ein Mann, der glaubte, mit ein paar Jahren mehr auf dem Buckel besäße man auch doppelt so viel Verstand. Vielleicht stimmte das ja sogar. Aber Sigurd wusste auch, dass Olaf sich ohne zu zögern für ihn einen Speer in den Wanst rammen oder einen Pfeil in die Kehle schießen lassen würde, und was war daran klug? Olaf würde behaupten, er schuldete es Sigurds Vater Harald – was man nur schwerlich bestreiten konnte. Denn die Herdkarls des toten Jarls, die noch am Leben waren, konnte man heute an einer Hand abzählen. Genau genommen genügten drei Finger.

Jetzt jedoch bildete Olafs eigener Met-Atem eine so dichte Wolke um sein Gesicht, als würde sein Bart brennen. Sigurd vermutete, dass er vor allem deshalb stehen geblieben war und sich über Svein beklagte, weil er seinen eigenen Geruch wahrgenommen hatte, und nicht wegen ihres hünenhaften Freundes. Sigurd lächelte unwillkürlich. Er war noch sehr weit von Olafs Alter entfernt, und auch wenn er möglicherweise im Vergleich zu ihrer Beute ein bisschen ungeschickt war, fühlte er dennoch die Ausdauer eines Wolfes in seinem Blut, spürte die Lebenskraft dieser Tiere in seinem Körper und glaubte, dass er diese Geschwindigkeit die ganze Nacht durchhalten konnte, falls nötig.

»Besser hier draußen in der Stille, als da drin mit den Ohren voller Krähen-Lieder«, erwiderte Sigurd.

»Wohl wahr«, stimmte Olaf ihm zu. »Wenn er endlich die Geschichte, wie du diesen hinterhältigen und anmaßenden Krabbenköder Jarl Randver getötet hast, in dein Heldenlied eingewoben hat, bist du darin wahrscheinlich mit dem Allvater selbst verwandt, und aus mir wird ein Trolltöter mit einem Schwert, das von Zwergen geschmiedet wurde.« Er hob eine Braue, die sich bog wie Bifrøst, die Regenbogenbrücke, die die Welt der Asen und Menschen verband. »Scheiß Skalden!«

Sigurd fühlte die Kälte auf seinen Zähnen, als er lächelte. »Er sagt immer, die Wahrheit ist in einem guten Heldenlied ebenso willkommen wie ein Furz unter den Bettfellen.«

Sie hätten erst am nächsten Morgen aufbrechen können, aber Asgot hatte frischen Schnee in der Luft gerochen oder ihn vielleicht in seinen Runen gesehen. Sigurd wollte nicht riskieren, dass Neuschnee die Spuren verdeckte. Außerdem war ihm jeder Vorwand recht, aus Hakon Brenners Halle herauszukommen.

Beim ersten Mal waren sie noch mit der Hoffnung nach Osøyro gekommen, dass Jarl Hakon Brandingi ihnen vielleicht beim Kampf gegen den eidbrüchigen König Gorm helfen würde. Immerhin hatte sich der Jarl seinen Ruf als Brandschatzer von Methallen mehr als verdient. Aber als sie in Brandingis Halle ankamen, war der Jarl mehr tot als lebend gewesen und sein Sohn Thengil hatte jetzt stattdessen das Sagen. Thengil war ein verweichlichter, schleimiger Neiding gewesen, und vielleicht war das am Ende auch gut so, weil er vollgepisst am Deckenbalken hängend gestorben war. Die letzten Herdkarls des toten Jarls, allesamt wackere Krieger, hatten in Sigurd ihre letzte Chance gesehen, zu leben und zu sterben wie echte Männer. Sie hatten ihm Treue geschworen – was keine Kleinigkeit war. Immerhin waren sie Krieger, die schon viele Kämpfe überstanden hatten, und Sigurd war im Vergleich zu ihnen ein wahrer Flaumbart.

Er sah in seiner Erinnerung diese Graubärte immer noch, wie sie sich in ihrem letzten Schildwall an Jarl Randvers Halle in Hinderå den Kriegern des Jarls stellten, die an diesem Tag eine Lektion erteilt bekamen, obwohl sie jünger und zweifellos auch stärker waren. Denn die alten Kämpen hatten standgehalten, sodass Sigurd und die anderen zur Bucht laufen und mit einem Schiff entkommen konnten. Allerdings hätten die Beine die alten Graubärte ohnehin nicht schnell genug dorthin bringen können, selbst wenn sie hätten weiterleben wollen.

Nach diesem Eisensturm auf dem Nilsavika-Festland hatte Sigurd Jarl Randver getötet, dessen Knochen jetzt in der kalten Dunkelheit auf dem Grund des Fjords lagen. Danach waren sie nach Osøyro zurückgesegelt, zu Jarl Hakon Brandingis alter Halle. Die alten Frauen dort hatten ihnen mit ihren Flüchen in den Ohren gelegen, weil sie Sigurd die Schuld daran gaben, dass ihre Männer jetzt ohne sie im Nachleben waren. Sigurd blieb nichts anderes übrig, als jeder von ihnen eine Handvoll Silber zu geben. Die Frauen nahmen es und verschwanden, um den Rest ihres Lebens in irgendeinem Dorf oder einer Siedlung zu verbringen, weil sie weder bei den Geistern ihrer Männer noch zusammen mit Sigurds Karls leben wollten.

Doch auch wenn Randver tot war, hatte er doch noch lebende Söhne. Der älteste von ihnen, Hrani, hatte Schiffe und Männer und dürstete nach Vergeltung. Dann waren da noch König Gorm und all die Schwertkämpfer, die er um sich scharen konnte. Der Eidbrecher würde niemals eine bessere Möglichkeit bekommen, sich Sigurd vom Hals zu schaffen. Also hatte sich Sigurd wie ein gejagter Wolf in seinen Bau verkrochen, um den Winter abzuwarten. Aber diese Halle war ein verfluchter Ort, auch wenn sie größer war als jede Halle, die Sigurd jemals gesehen hatte oder von der er hatte singen hören. Ihre uralten rußgeschwärzten Balken waren so kalt wie Leichen. In den Ecken, in denen sich einst Männer und Frauen vergnügt hatten, wimmelte es jetzt von Ratten. Die metgetränkten Bänke lagen quer über den Dachbalken, von Spinnweben wie mit Wolle überzogen, und von den Wandbehängen, die die Kälte abhalten sollten, waren nur wenige in den letzten Jahren gesponnen worden. Die meisten waren uralt, ausgebleicht und fadenscheinig. Es war eine Halle von Geistern, der auch noch so viel Lampenlicht oder Herdflammen kein Leben einhauchen konnten.

Aus diesem Grund stapfte Sigurd lieber knietief durch den Schnee und jagte Wölfe. Wenn sie den Bau der Kreaturen erst einmal fanden, konnten sie später mit mehr Speeren, Hunden und Fallen dorthin zurückkehren.

Die Raubtiere hatten sich unter den Zaun des Schafpferchs hindurchgegraben und zwei Muttertiere getötet. Der Versuch, ihnen zu folgen, wäre sinnlos gewesen, wäre der Boden nicht schneebedeckt gewesen und hätten die Wölfe nicht eines der Mutterschafe mitgeschleppt. Deshalb kamen die Tiere nicht so schnell voran. Es bedeutete auch, dass ihr Bau möglicherweise nicht weit entfernt war, und wie Olaf gesagt hatte, war es besser, sich ihrer sofort zu entledigen. Sonst würden sie im Sommer dafür teuer mit gerissenem Vieh bezahlen, weil es dann auf dem trockenen Boden keine...

Erscheint lt. Verlag 14.11.2016
Reihe/Serie Sigurd
Sigurd
Übersetzer Wolfgang Thon
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel God of Vengeance 2
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Abenteuerroman • eBooks • epische Schlachten • Game of Thrones • Historische Romane • Historischer Roman • Norwegen • Wikinger
ISBN-10 3-641-16382-X / 364116382X
ISBN-13 978-3-641-16382-2 / 9783641163822
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