Ein Winter auf Mallorca (eBook)

(Autor)

Hermann Lindner (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
304 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43059-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Winter auf Mallorca -  George Sand
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Die Kunst zu reisen ist fast die Wissenschaft des Lebens. Im Oktober des Jahres 1838 bricht die gefeierte Schriftstellerin George Sand nach Mallorca auf, begleitet von Frédéric Chopin und ihren beiden Kindern. Zwar hofft sie auf die Gesundung ihres Geliebten und die ihres Sohnes, aber die Reise ist auch eine Flucht, um dem Klatsch und Tratsch der Pariser Gesellschaft zu entkommen. Der anfängliche Enthusiasmus weicht bald einer großen Ernüchterung, denn es gibt weder eine Willkommenskultur noch das erwartete milde Klima. Nach nur einem Winter kehrt die kleine Familie wieder nach Frankreich zurück.   1842 erscheint George Sands literarischer Bericht als Buch und wird zum vielgelesenen Klassiker. Auch heute sollte sich kein Mallorca-Fan, kein Reisefreund, diesen zauberhaft-befremdlichen Blick zurück in die Insel-Vergangenheit entgehen lassen.

George Sand, am 1.7.1804 geboren und am 7.6.1876 gestorben, das war Amantine-Aurore-Lucile Dupin, Urenkelin Moritz' von Sachsens, verheiratete Baronin Dudevant, Mutter zweier Kinder, Geliebte von Alfred de Musset und Frédéric Chopin und vielen anderen, Freundin und Ratgeberin fast aller bedeutenden Zeitgenossen aus Kultur und Politik, weit über die Grenzen ihres Landes hinaus. Mit ihren zahlreichen Romanen, die sie unter ihrem berühmten männlichen Pseudonym veröffentlichte, erschrieb sie sich ihre ökonomische Unabhängigkeit und einen unvergänglichen Platz in der Weltliteratur.

George Sand, am 1.7.1804 geboren und am 7.6.1876 gestorben, das war Amantine-Aurore-Lucile Dupin, Urenkelin Moritz' von Sachsens, verheiratete Baronin Dudevant, Mutter zweier Kinder, Geliebte von Alfred de Musset und Frédéric Chopin und vielen anderen, Freundin und Ratgeberin fast aller bedeutenden Zeitgenossen aus Kultur und Politik, weit über die Grenzen ihres Landes hinaus. Mit ihren zahlreichen Romanen, die sie unter ihrem berühmten männlichen Pseudonym veröffentlichte, erschrieb sie sich ihre ökonomische Unabhängigkeit und einen unvergänglichen Platz in der Weltliteratur.

Kapitel 2


Majorque – Laurens nennt es wie die Römer Balearis Major, während Dr. Juan Dameto, der König der mallorquinischen Historiker, die Auffassung vertritt, der Name der Insel sei in noch älterer Zeit Clumba oder Columba gewesen – heißt heutzutage aufgrund sprachlicher Verformung Mallorca, und zu keiner Zeit trug die Hauptstadt den Namen Majorque, wie es einige unserer Geographen uns haben weismachen wollen, sondern sie hieß immer schon Palma.

Diese Insel ist die größte und fruchtbarste des Archipels der Balearen, sie stellt das Überbleibsel eines Kontinents dar, der nun vom Mittelmeer überflutet wird, und nachdem dieser Erdteil ursprünglich Spanien mit Afrika verbunden haben dürfte, teilt diese Insel das Klima und die Hervorbringungen der Erde mit diesen beiden Zonen. Sie liegt 25 Meilen südöstlich von Barcelona und ist 45 Meilen vom nächsten Punkt der afrikanischen Küste und, glaube ich, 95 bis 100 Meilen von der Reede von Toulon entfernt. Die Oberfläche beträgt 1234 Quadratmeilen2, ihr Umfang bemisst sich auf 143 Meilen, ihre maximale Ausdehnung liegt bei 54, die minimale bei 28 Meilen. Die Bevölkerungszahl, die im Jahre 1787136000 Menschen betrug, liegt nunmehr bei circa 160000. In der Stadt Palma wohnen 36000 Personen, bei der älteren Zählung waren es noch 32000 gewesen.

Die Temperaturen schwanken – je nach Standort – ganz beträchtlich. Im Flachland ist der Sommer sehr heiß; aber die Gebirgskette, die sich vom Nordosten nach Südwesten hin erstreckt (und durch diese Ausrichtung die Zugehörigkeit zu den Bereichen Afrikas und Spaniens unter Beweis stellt, deren zu Mallorca nächstliegende Erhebungen die gleiche Neigung und die gleiche geologische Ausrichtung aufweisen), beeinflusst die Temperaturen des Winters ganz erheblich. So berichtet Miguel de Vargas etwa, dass während des schlimmen Winters von 1784 das Thermometer im Hafenbecken von Palma nur ein einziges Mal an einem Januartag auf 6° Réaumur über der Eisgrenze gesunken ist; an anderen Tagen stieg es bis auf 16°; meistens pendelte es sich bei 11° ein. – Nun, genau diese Temperatur herrschte in der Regel auch während eines normalen Winters bei uns oben im Bergland von Valldemossa, das immerhin als eine der kältesten Regionen der Insel gilt. In den strengsten Nächten, wenn dazu auch noch der Schnee zwei Finger breit lag, fiel das Thermometer nicht tiefer als auf 6 oder 7 Grad. Um acht Uhr in der Frühe war es dann schon wieder auf 9 bis 10° gestiegen, und um Mittag herum erreichte es 12 oder 14°. Gegen 3 Uhr, nachdem die Sonne für uns schon wieder hinter dem uns umgebenden Gebirgskamm verschwunden war, sank das Thermometer normalerweise sprungartig auf 9, sogar auf 8 Grad herab.

Die vom Norden her kommenden Winde blasen häufig mit großer Heftigkeit, und in manchen Jahren gibt es im Winter Niederschläge von einer Ergiebigkeit und Dauer, wovon wir uns in Frankreich überhaupt keine Vorstellung machen können. Im ganzen südlichen Teil, der nach Afrika hin absinkt und den die im Landesinneren liegenden Kordillere und die schroffen Abhänge der nördlichen Küstenbereiche vor den fürchterlichen Windstößen des Nordens bewahren, ist das Klima in der Regel gesund und angenehm für Mensch und Tier. So bietet sich also die Insel im Wesentlichen als eine Fläche dar, die vom Nordwesten zum Südosten hin abfällt, und die Schifffahrt, die wegen der Zerklüftetheit und Steilheit der Küste im Norden so gut wie unmöglich ist, escarpada y horrorosa, sin abrigo ni resguardo (Miguel de Vargas), stößt im Süden auf keinerlei landschaftliche Hindernisse.

Mallorca, das trotz des mitunter stürmischen und rauen Wetters von den Menschen des Altertums zu recht die ›goldene Insel‹ genannt wurde, ist äußerst fruchtbar, und seine Produkte sind von hervorragender Qualität. Der Weizen ist so rein und schön, dass er ausgeführt wird, und nur er dient in Barcelona ausschließlich für die Herstellung einer leichten hellen Gebäckart, die pan de Mallorca, mallorquinisches Brot, genannt wird. Umgekehrt führen die Mallorquiner zu ihrer eigenen Ernährung gröberes und billigeres Getreide aus Galizien und der Biskaya ein, mit dem Ergebnis, dass man im Land mit dem allerbesten und in Hülle und Fülle vorhandenen Getreide nur grauenhaftes Brot vorgesetzt bekommt. Mir ist nicht bekannt, ob sich die Mallorquiner darüber im Klaren sind, auf welch schlechten Tausch sie sich da eingelassen haben.

In unseren Provinzen im Herzen Frankreichs, wo die Landwirtschaft noch weit zurück geblieben ist, beweist die Arbeitsweise des Bauern nur zwei Dinge: seine Sturheit und seine Ignoranz. Noch viel mehr gilt dies freilich für Mallorca, wo die Landwirtschaft, obwohl sie mit aller Hingabe betrieben wird, noch regelrecht in den Kinderschuhen steckt. Nirgendwo sonst habe ich erlebt, dass die Leute ihr Ackerland so geduldig wie wirkungslos bearbeiten wie auf Mallorca. Noch die einfachsten Maschinen sind unbekannt; die Arme der Männer, überaus dünne und schwächliche Ärmchen, verglichen mit denen unserer Bauern, leisten die gesamte Arbeit, dies aber mit unfassbarer Betulichkeit. Für eine Fläche, die man bei uns problemlos in zwei Stunden umgraben würde, braucht man hier gut und gern einen halben Tag, und um eine Last irgendwohin zu befördern, die der schwächste unserer einheimischen Lastenträger locker auf seine Schultern packen würde, müssen sich hier gleich fünf oder sechs von den stämmigsten Burschen zusammentun.

Trotz dieses Mangels an handwerklicher Professionalität wird die ganze Insel landwirtschaftlich genutzt, und – wie es den Anschein hat – sogar ganz gut. Ihre Bewohner kennen angeblich das Wort ›Elend‹ nicht; aber inmitten all dieser Schätze der Natur und unter diesem wunderschönen Himmel führen sie doch ein härteres und freudlos-kargeres Leben als unsere Bauern.

Leute, die viel in den Süden reisen, reden gerne davon, welch glückliche Menschen doch diese Südländer seien; aber deren Gesichter und ihre malerischen Gewänder haben sie nur am Sonntag, und wenn die Sonne scheint, zu sehen bekommen, und so halten sie deren Denkfaulheit und Planlosigkeit für den idyllischen Inbegriff ländlicher Existenz schlechthin. Das ist ein Irrtum, dem auch ich selbst nicht selten erlegen bin, von dem ich allerdings gründlich kuriert wurde, nicht zuletzt seit ich Mallorca gesehen habe.

Es gibt nämlich keinen traurigeren und ärmeren Menschen auf der Welt als diesen Bauern, der nicht mehr kann als beten, singen, arbeiten und der eine ganz bestimmte Sache niemals tut, nämlich seinen Kopf zum Denken zu benutzen. Sein Gebet ist eine stupid abgespulte Formel, ohne jeglichen Nutzen für seinen Verstand; seine Arbeit ist eine Tätigkeit der Muskeln, bei der ihm seine Intelligenz nicht die geringste Hilfe liefert, und sein Gesang ist der Ausdruck dieser dumpfen Melancholie, die auf ihm lastet, ohne dass er sich dessen so recht bewusst wird, sodass dessen poetischer Gehalt zwar uns beeindruckt, ihm selbst aber in seinem Tiefsinn verborgen bleibt. Gäbe es da nicht die Eitelkeit, die ihn von Zeit zu Zeit aus diesem Dauerzustand lähmender Lethargie herausreißen und zum Tanzen anstacheln würde, würde er selbst seine Festtage im Dämmerschlaf zubringen.

 

Aber ich bin schon dabei, den von mir selbst gesteckten Rahmen zu überschreiten. Fast hätte ich übersehen, dass ein erdkundlicher Artikel korrekterweise in erster Linie Landwirtschaft und Handel darzustellen hat und erst ganz zuletzt, nach Ackerbau und Viehzucht, auch auf den Menschen eingehen darf.

 

In der gesamten von mir eingesehenen einschlägigen Literatur habe ich unter dem Stichwort Balearen folgenden kurzen Eintrag gefunden, den ich an dieser Stelle erst einmal bestätige, mit dem Vorbehalt, später auf Gesichtspunkte einzugehen, die die Gültigkeit dieser Angaben mit einem gewissen Fragezeichen versehen: »Diese Inselbewohner sind überaus leutselig (bekanntlich zerfällt die Bevölkerung auf allen Inseln in zwei Gruppen: die einen fressen die Besucher auf, die anderen freunden sich mit ihnen an). Sie sind sanftmütig und gastfreundlich; Verbrechen sind selten, und der Diebstahl ist bei ihnen so gut wie unbekannt.« Auf diesen Text werde ich wahrlich noch zurückkommen.

Aber reden wir hier erst einmal von den landwirtschaftlichen Produkten; ich glaube nämlich, neulich im Abgeordnetenhaus einige reichlich unvorsichtige Überlegungen über mögliche wirtschaftliche französische Aktivitäten auf Mallorca mitbekommen zu haben, und vermute nun, falls diese Schrift einem unserer Abgeordneten in die Hände fallen sollte, dass sich dieser mehr für die mallorquinischen Lebensmittel interessieren dürfte als für meine philosophischen Gedankengänge zur geistigen Lage der Mallorquiner.

 

Ich stelle also fest, dass der Ackerboden auf Mallorca eine geradezu bewundernswürdige Fruchtbarkeit aufweist und dass man mit einer dynamischeren und fortschrittlicheren landwirtschaftlichen Technik die Erträge um ein Vielfaches erhöhen könnte. Der...

Erscheint lt. Verlag 11.11.2016
Übersetzer Hermann Lindner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Französische Literatur • Frederic Chopin • Frédéric Chopin • Geschenkbuch • Klassiker • Mallorca-Klassiker • Neuübersetzung • Reisebericht • Reisebuch • Reiselektüre • Tuberkulose
ISBN-10 3-423-43059-1 / 3423430591
ISBN-13 978-3-423-43059-3 / 9783423430593
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