McJesus (eBook)
300 Seiten
Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-95530-847-6 (ISBN)
1
Geduckt hinter einem gewaltigen Laster, hatte Dan Steele nur einen Gedanken. »Wie zum Teufel ist sie an die Kanone gekommen?«
Der Mann in dem weißen Jackett, der sich neben ihm hinter dem Laster versteckte, zuckte die Schultern. »Woher soll ich das wissen? Wir sind in L.A.«
Dan zupfte an seinem Kinnbart, während er überlegte, was er mit dieser Frau machen sollte, die im Pflegeheim eine Geisel genommen hatte und sich jetzt mit einer Waffe hinter dem Steuer eines Sechszylinder-Pontiac verschanzte. Dan hatte in seinem Job täglich mit Krisen zu tun; und gewöhnlich war er ruhig und konzentriert, wenn irgendwo Sand ins Getriebe kam, aber das hier war ein anderes Kaliber. Das hier schien Dan persönlich zu nehmen.
Es war erst kurz nach zehn, aber bereits dreißig Grad heiß. Celsius. Für das San Fernando Valley bedeutete das: ein neuer elender Tag mit gelbbrauner Heißluft und zu erwartendem Smogalarm. Dan richtete sich vorsichtig auf, bis er sich im Seitenspiegel des Lasters sehen konnte. Dass er wie ein verschwitzter Cop in einem guten Anzug aussah, fand er den Umständen angemessen, obwohl er in Wirklichkeit Kreativdirektor einer Werbeagentur war.
Äußerlich betrachtet war Dan ein Typ, den man bei einer Bierwerbung mit kickenden Fußballern sehen würde, im Gegensatz zu den weniger gut aussehenden Mitspielern, die nur als Spot-Hintergrund dienen würden. Im College zählte er zu den guten Schwimmern. Inzwischen hatte er ein bisschen Fett angesetzt, aber Schwimmringe hatte er nicht. Die bogenförmigen Stirnfalten, die wie kleine Wellen von seinen Augenbrauen ausgingen, ließen ihn wie einen fröhlichen Menschen aussehen, auch wenn das im Augenblick nicht seiner Stimmung entsprach. Sein dunkles Haar war modisch gestylt. Mit einem passablen Körper, einer gepflegten Erscheinung und einem nicht zu knappen Einkommen schien Dan alles zu haben, was das Herz begehrt. Doch er war lange genug in der Werbebranche, um besser als mancher andere zu wissen, dass die Dinge nicht immer das waren, was sie zu sein schienen.
Er schob die Armani-Sonnenbrille auf seinem glatten Nasenrücken ein Stückchen höher. Dann blickte er schnell über die Motorhaube des Trucks. Die Frau und ihre Geisel waren zehn Meter entfernt. Dan duckte sich wieder und wandte sich an den Mann in dem weißen Jackett. »Okay, wir machen es so«, sagte Dan, als führte er hier das Kommando. »Ich lenke sie ab. Sie schnappen sie sich.«
»Sie schnappen sie.«
Dan verhehlte nicht seine Verärgerung. Was bildete sich dieser Sechs-Dollar-die-Stunde-Knilch ein? Aus Gewohnheit taxierte er den Mann nach Marketing-Lifestyle-Segmenten: ledig, Highschool-Abschluss, Mietshauswohnung, häuslicher Biertrinker, Sportsendungen, untere Mittelklasse, Nichtwähler – ein perfektes Exemplar aus der Gruppe, die im Werbegeschäft »langweilige Stadt-Singles« hießen. Und war das gegenwärtige Szenario nicht ein perfektes Beispiel dafür, warum demografische Unterscheidungen überhaupt gemacht wurden? Leute wie Dan Steele rannten nicht hinter Lastwagen hervor, um bewaffnete Verrückte zu überwältigen. Das war eine Aufgabe für gemietete Polizisten und andere ehrgeizige Kleinverdiener. Leider teilte der Mann in dem weißen Jackett Dans sozialdarwinistische Ansichten nicht, und Dan saß in der Patsche.
Er legte die Hände trichterförmig um den Mund und rief. »Also gut, jetzt reicht es! Auf drei kommen wir raus! Das ist deine letzte Chance!« Er wartete kurz, um zu sehen, ob die Sache geritzt war, aber die Geiselnehmerin reagierte nicht. Dan nahm einige Scheine aus seiner Jackentasche und wandte sich an den langweiligen Stadt-Single. »Sie gehen da hin«, sagte er und zeigte nach Osten. »Und ich gehe da hin.« Er zeigte nach Westen. Dann drückte er dem Mann zwei Zwanziger in die Hand. Der Mann nickte, und Dan begann zu zählen: »Eins! Zwei!« WUMM! WUMM! Bei dem satten Ton der zwei auf der anderen Seite ihres Verstecks einschlagenden Patronen zuckte Dan zusammen. »Drei!« Dan drehte sich zu dem Mann in Weiß um. »Los!« Der Mann stopfte sich die vierzig Dollar in die Tasche und rannte los. Er hatte sich höchstens vier Schritte von dem Laster entfernt, als die Frau erneut schoss. Blutrot explodierten die Schüsse auf dem weißen Jackett des Mannes. Er taumelte rückwärts und ging neben Dan zu Boden. »Großer Gott!« Damit hatte Dan nicht gerechnet – nicht mit eiskaltem Mord. Augen und Mund des Mannes standen weit offen. Er war dreimal getroffen. Sein Atem ging stoßweise, während er mit der Hand die blutige Brust betastete. »O mein Gott! O mein Gott!«
»Ich glaub das nicht!«, rief Dan. »Sie ... sie hat Sie erschossen!«
Das Gesicht des Mannes entspannte sich etwas. Plötzlich sah er nicht wie jemand aus, der drei Kugeln in den Oberkörper bekommen hatte. »Warten Sie mal ...« Der Mann untersuchte seine Wunden, dann steckte er den blutigen Finger in den Mund und schmeckte, was da so rot war. Er spuckte aus.
Dan begriff, dass hier etwas nicht stimmte. Er streckte die Hand aus, um die Wunden selbst zu untersuchen. »Was zum Teufel ist das?« Er rieb das Blut zwischen den Fingern, dann roch er daran. »Sie schießt mit Farbpatronen?«
Der Mann im weißen Jackett richtete sich verwirrt auf. »Sie hat gesagt, dass sie bewaffnet ist. Sie hat nicht gesagt, womit.« Plötzlich packte der Mann Dan am Hemd und zog ihn dicht an sich heran. »He, Sie Arschloch«, sagte er. »Sie sind nicht losgerannt.« Er war stinksauer. »Sie haben gesagt: Auf drei! Und einen Scheiß sind Sie losgerannt!«
»Bin ich doch«, beharrte Dan. »Aber ich – eh ... Ich habe mir den Knöchel verstaucht.« Er rieb sich den Fuß und verzog das Gesicht. »Au! Ich glaube, er ist ziemlich schlimm verstaucht.« Vorsichtig tastete er seinen Knöchel ab. »Er könnte auch gebrochen sein. Da bin ich mir gar nicht so sicher.«
»Mhm.« Der langweilige Stadt-Single kaufte ihm die Geschichte nicht ab. »Und was jetzt?«
Dan versuchte, sich eine salomonische Lösung auszudenken, als sein Handy piepte. Dan wischte seinen roten Finger an der weißen Jacke des Mannes ab, dann zog er das Handy wie einen Revolver. »Steele.«
»Welche willst du zuerst hören?« Es war Rose, seine Assistentin in der Werbeagentur. Ihr Lieblingsspiel war »Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten«.
»Die schlechte«, sagte Dan. Er hörte einen Moment zu, dann blickte er Hilfe suchend zum Himmel. »Was?« Er lehnte den Kopf gegen die Lastwagentür. »Das ist doch ein Witz.«
»Nein«, sagte sie. »Ich mache keine Witze. Ich habe keine Zeit, Witze zu machen bei all der Arbeit, die mir mein idiotischer Boss aufbrummt, und besonders nicht angesichts der Tatsache, dass sein idiotischer Boss soeben alle Abteilungsleiter zu einer Dringlichkeitssitzung einberufen hat. In einer halben Stunde hast du hier zu sein.«
Dan spähte über den Laster zur Geiselnehmerin. »Hör zu, Rose. Ich muss mich hier noch mit einem kleinen Problem herumschlagen. Ich komme, sobald ich kann.«
»Du wirst dich mit dem Problem ›Arbeitslosigkeit‹ herumschlagen müssen, wenn du deinen traurigen Hintern nicht rechtzeitig ins Büro schaffst.«
Dan fragte sich, womit er das alles verdient hatte. »Rose, Darling, tu mir einen Gefallen und spiel auf Zeit. Melde eine Bombendrohung, mach ein kleines Feuer. Sei kreativ!«
»Bei meinem Gehalt? Vergiss es. Aber jetzt die gute Nachricht. Beverly Dingsda oder wie sie heißt hat angerufen. Sie ist in der Stadt und will dich sehen. Eiteitei. Du hast noch neunundzwanzig Minuten.« Klick.
Dan lächelte plötzlich und dachte an ganz andere Dinge, während er sein Handy in das weiche, warme Etui steckte. Das war in der Tat eine gute Nachricht. Beverly war die Frau seiner feuchtesten Träume. Sie war eine Werbespot-Regisseurin mit dem Körper einer Pornoqueen. Bei einem Essen vor ein paar Monaten, als sie bei einem von Dans Fernsehspots Regie führte, gestand sie, dass sie einen exotischen sexuellen Appetit habe, der noch nie richtig befriedigt wurde. Seitdem war kein Tag vergangen, an dem Dan nicht an ihr Geständnis und die darin enthaltenen Möglichkeiten dachte. Beverly hatte versprochen, Dan anzurufen, wenn sie das nächste Mal in der Stadt sein würde. Und siehe da! Sein Tag war gekommen.
Jetzt musste er nur noch dieses Geiseldrama beenden und rechtzeitig zur Sitzung erscheinen. Doch er wusste auch, dass es praktisch unmöglich war, in weniger als dreißig Minuten von Northridge nach Century City zu kommen, selbst wenn er sich sofort auf den Weg machte. Er brüllte über den Lastwagen hinweg: »Ich habe keine Zeit mehr für diesen Quatsch! Also, was ist jetzt?«
Die Frau brüllte zurück. »Lebendig kriegt ihr Bullen mich nicht!« Sie lachte verrückt wie ein gackerndes Huhn.
»Großartig«, sagte Dan. »Jetzt ist sie James Cagney.« Dan hatte schon viel zu viel Zeit mit dieser Sache verschwendet. Er hatte andere Dinge, wichtigere Dinge, zu tun, und von diesen hier hatte er die Schnauze gestrichen voll. Er war sich nicht sicher, was ihn mehr ärgerte: dass er sich mit dieser verrückten Frau auseinander setzen musste oder dass er jemanden bezahlt hatte, es für ihn zu tun. Ich reiße mir den Arsch auf für das Geld, das ich kriege, dachte er. Warum bekomme ich so wenig für mein Geld? Wo ist die Beschwerdeabteilung? Dan legte die Hände um den Mund und brüllte erneut: »Ich komme jetzt rüber und dann reden wir! Und untersteh dich zu schießen!« Dan wartete auf eine Antwort, aber es kam keine. »Ich bin unbewaffnet!«
Der Mann im weißen Jackett sah Dan an....
Erscheint lt. Verlag | 5.8.2016 |
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Übersetzer | Monika Curths |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga ► Humor / Satire |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror | |
Schlagworte | Afrika • Britisch • David Safier • Der Tod der hase die unsinkbare und ich • Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens • Detektiv • eBook Humor • ebook lustig • Ermittlungen • Humor • Janet Fitch • Killer • Komisch • Komödie • Krimi • Mario Barth • Missionar • Missverständnis • Moritz Netenjakob • Oliver Pocher • roman humor kostenlos • Satire • Schwarzer Humor • Sebastian Niedlich • Sherlock • Simone Fischer • Tommy Jaud • Verwechslung |
ISBN-10 | 3-95530-847-2 / 3955308472 |
ISBN-13 | 978-3-95530-847-6 / 9783955308476 |
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