Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben (eBook)

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2013 | 1. Auflage
216 Seiten
ZS - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-89883-392-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben -  Sven Hannawald
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2001/2002 gewann Sven Hannawald als bisher einziger Skispringer alle vier Wett­kämpfe der Vierschanzentournee - er war ein Ausnahme­talent und wurde zur Ski­sprung-Legende. In seiner Autobiografie schreibt er nicht allein über Höhenflug und Absturz, sondern auch über die ersten Schritte auf seinem Weg zum Erfolg, die er im 'Wunderland des Sports' tat. Im sozialistischen Osten aufgewachsen, wurde Sven Hanna­wald früh Teil der DDR-Kaderschmiede. Als 'allseitiger Normerfüller' fiel er der Talentsichtung rasch auf und wurde gefördert wie gefordert. Er be­suchte Kader­schulen und diente mit seinen ersten Erfolgen schon bald den gesellschaftlichen und politischen Zielen des DDR-Sportsystems. Die Wende bedeutete für Hannawald nicht nur mehr Freiheit, sondern auch die Ungewissheit seiner sportlichen Zukunft. Sprang er seinen frühen Erfolgen zunächst noch hinterher, erzielte er mit seinen sportlichen Leistungen bald Rekor­de, die bis heute unange­fochten sind. Was macht Skispringen so unglaublich fordernd? In seiner Autobiografie liefert Sven Hannawald spannende Hintergründe aus dem Innenleben eines Athleten, der sich den gnadenlosen Mechanismen seiner Sportart auslieferte, um erfolgreich zu sein: Wie ihn der Kampf um immer noch weniger Körpergewicht fast in die Magersucht, Erfolgsdruck und Zukunftsängste in die Einsamkeit trieben. Und wie er sich und seine Balance schließlich findet - und seinen Weg zurück ins Leben. Über den Autor: Sven Hannawald wurde 1974 in Erlabrunn im Erzgebirge geboren. Als 12-Jähriger wechselte er auf die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) in Klingenthal, wurde DDR-Schüler­meister und zog nach der Wende (mit 15 Jahren) nach Hinterzarten in den Schwarzwald. Im Jahr 2000 wurde er Ski­flug-Weltmeister und 2001/2002 zur Legende, als er die Vier­schanzentournee mit Siegen in allen vier Wettbe­wer­ben gewann. Hannawald gewann insgesamt 18 Weltcup-Springen und wurde 2002 Olympiasieger. 2004 beendete er seine Karriere. Heute ist der 38-Jährige Autorennfahrer: 'Der Motor­sport gibt mir meine Adrenalinkicks von früher, die ich nach wie vor brauche.'

In diesem Moment schauten Millionen auf mich. Wie ich mich da oben auf den Anlaufbalken setzte, in meinem silbernen Sprunganzug. Ich, die Startnummer 50. Wie ich sichtlich nervös hin und her rutschte, vor diesem letzten Sprung im Wettbewerb: die Vierschanzentournee 2001/2002. Die Entscheidung. Alle warteten auf diesen finalen Sprung. Meinen. Mit dem könnte ich der Meister meines Sports werden.

Es war ein sonniger, aber kalter Sonntagnachmittag im Tennengebirge, ein Bilderbuchjanuartag in der kleinen Gemeinde Bischofshofen im Salzburger Land. Mit 0,8 Metern pro Sekunde wehte nur ein ganz minimaler Rückenwind in die Arena. Also perfekte Bedingungen. Es ging um entscheidende 12 Sekunden.

Sekunden für die Ewigkeit?

Allein in Deutschland saßen 14,89 Millionen Menschen vor dem Fernseher. Als ich mich da oben vom Balken abstieß, um auf 91,9 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen, war es genau 15 Uhr 56 und 25 Sekunden, und der RTL-Kommentator Tom Bartels sagte mit einer Stimme, die das Dramatische der Situation bestens transportierte: »Jetzt die Befreiung. Auf gehtʹs, Sven Hannawald. Er kann den Jubel hören.«

Aber in diesem Moment hörte ich keinen Jubel von den Zuschauern. Ich hörte nur mein Herz pochen. Sonst nichts. Ich sah die Anlaufspur vor mir, sonst nichts. Ich war jetzt in einem Tunnel.

Momente für die Ewigkeit

In diesem Moment schwenkten Tausende ihre Fahnen an der Paul-Ausserleitner-Schanze, die nach einem einheimischen Skispringer benannt ist, der hier vor genau 50 Jahren beim Training schwer stürzte und nach vier Tagen seinen Verletzungen erlag. An diesem Dreikönigstag tröteten die Zuschauer ausgelassen, sie schrien begeistert meinen Namen, sie produzierten unglaublichen Lärm. Unter ihnen auch meine Eltern und meine Schwester Jeannette. Gleich würden sie wieder diese Holzrassel Marke Eigenbau bedienen, in die Papa die Eckdaten meiner größten Erfolge geritzt hatte.

Aber auch meine Familie war jetzt weit weg. In diesem Moment nahm ich wie durch Watte wahr, was sich um mich herum abspielte. Ich befand mich in einem Tunnel.

In diesem Moment dachte ich – an gar nichts.

»Hanni – ziiiiieeeeehhhhh«

In diesem Moment hatte Wolfi Steiert einen gefühlten Puls von 200 und schaute gebannt zu mir auf den Anlaufturm. Ebenso wie Reinhard Heß, unser Bundestrainer. Der hielt seine kleine Fahne in den Deutschlandfarben in der rechten Hand, um mich gleich abzuwinken. Servicemann Peter Lange, der sich um meine Skier gekümmert hatte, schlug die Hände vors Gesicht. Er war zu aufgeregt, konnte einfach nicht auf den Monitor schauen. Er drückte sein Funkgerät fest vors Ohr.

In diesem Moment schaute auch Rosi Kenzler zu mir hoch. Meine Ersatzmama. Aus Hinterzarten im Schwarzwald war sie angereist, zusammen mit einer ganzen Busladung, darunter auch eine Musikkapelle. Und sie würde gleich wieder meine »Luftfahrt« mit einem leidenschaftlichen »Hanni – ziiiiieeeeehhhhh« unterstützen.

In diesem Moment saß in Johanngeorgenstadt im Erzgebirge auch Erich Hilbig vor dem Fernseher, um seinen »jungen Hüpfer«, dem er das Springen beigebracht hatte, zu sehen.

Und Nora Maasberg drückte mir in Untermaiselstein im Allgäu die Daumen. Sie konnte in diesem Moment ebenso wenig wie ich ahnen, dass ich 841 Tage später vor ihr sitzen würde. Als Patient. Für eine Anamnese. Also um über mich einen psychopathologischen Befund zu erstellen.

In diesem Moment fühlte ich – gar nichts.

Dieser Moment, dieser alles entscheidende Moment – wie hätte er sich anfühlen sollen? Es gibt ja große Momente im Sport, die bleiben. Etwa der mit Helmut Rahn im WM-Finale. Als er an einem regennassen Julitag 1954 im Berner Wankdorfstadion in der 85. Spielminute den Ball von Hans Schäfer vor die Füße gespielt bekam, während er 17 Meter vor dem ungarischen Tor lauerte. Es stand noch 2 : 2 für die Underdogs aus Deutschland – bis dahin ein erstaunliches Resultat. Rahn nahm den Ball an, lief mit ihm zwei Schritt nach links, lief und zog dann ab. Eine Sekunde später, als Schütze des dritten Tores, war er unsterblich geworden.

Ich weiß nicht, was Rahn damals vor seinem alles entscheidenden Torschuss durch den Kopf ging. Ich dachte jetzt an gar nichts. Auch in den Tagen davor sperrte ich alle Gedanken aus, von der viele in meiner Umgebung elektrisiert schienen: Da würde ein Skispringer für einen großen, für einen sporthistorischen Moment sorgen können. Und dieser Athlet war ich. Aber ich fühlte die Größe der Chance, Sportgeschichte zu schreiben, nicht.

Ich fühlte – gar nichts.

»Physisch ist Hannawald eigentlich nichts Besonderes, aber er hat eine brillante Sprungtechnik.« So schrieb die finnische Zeitschrift »Ilta-Sanomat«.

Es kommt auf Millisekunden an

Ich weiß nicht, woran der damals 17-jährige Boris Becker dachte, als er am 5. Juli 1985 im Finale von Wimbledon auf dem Center Court stand und im vierten Satz bei 5 : 3 und 40 : 15 seinen ersten Matchball gegen Kevin Curren hatte. Ein großer Moment. Auf ihn schauten damals Millionen Menschen. Wie auf mich jetzt. Sie hielten den Atem an, drückten dem jungen Rotschopf aus dem badischen Leimen die Daumen. Erster Aufschlag. Ins Aus. Zweiter Aufschlag. Doppelfehler. Nur noch 40 : 30. Aber bei diesem Stand hatte Becker ja noch einen weiteren Matchball.

Nein, für mich würde es keine zweite Chance geben. Beim Skispringen sind zwar zwei Durchgänge vorgesehen. Aber bei jedem dieser beiden Sprünge hast du immer nur diese eine Chance.

Gerade 12 Sekunden – 6 Sekunden Anlauf, 6 Sekunden Flug – in denen sich alles entscheidet. Nein, streng genommen sind es von diesen 6 Sekunden ja nur 0,3 Sekunden, von denen alles abhängt. Die Millisekunden, die für die komplizierte Phase des Absprungs bleiben. Monatelang, jahrelang, mein ganzes Leben lang hatte ich trainiert, um explosive Sprungkraft aufzubauen und das muskuläre Zusammenspiel in der alles entscheidenden Millisekunde perfekt abrufen zu können – keine Millisekunde zu früh und keine Millisekunde zu spät.

Die Faszination des Skispringens

Skispringen ist eines der kürzesten und heftigsten sportlichen Abenteuer. In 11, 12 Sekunden ist alles vorbei, von der Anfahrt zum Absprung bis zur Landung. Es sind nur 5, maximal 6 Sekunden, die der menschliche Körper durch die Lüfte segelt. Aber was sind das für Sekunden. Lange Sekunden, bange Sekunden, euphorische Sekunden. Ein Journalist fand dafür mal große Worte: »Berauschend wie eine bayerische Bauernhochzeit, beseeligend wie ein Bach-Konzert, beklemmend wie ein Hitchcock.«

Wir Skispringer sind besessen. Wir sind alle nervös. Wir lieben diese Momente in der Luft. Sie sollen natürlich möglichst lang sein. Und wenn wir wieder gelandet sind, fällt uns allen eine schwere Last von der Seele. Die meisten haben kaum Worte für diese magischen Momente, diese Faszination des Skispringens. Vielleicht ein paar Gesten des Triumphes und einen Glücksschimmer in den Augen, wenn alles gut gegangen ist.

Was macht den Reiz aus? Es kommt dem Fliegen nahe. Das Schwerelose in der Luft ist für mich so faszinierend. Du spürst die Schwerkraft nicht mehr und glaubst, du schwebst. Beim Skifliegen ist das noch geiler. Aber es ist immer eine Gratwanderung. Wenn es gut geht, ist es super, und wenn es nicht gut geht, kann es schlimme Konsequenzen haben.

Der Mythos der Vierschanzentournee

Es gibt in der Welt des Sports Grenzen, die sich im Laufe der Jahre zu Mythen auftürmen. Auch die Vierschanzentournee hatte ihren Mythos. In 49 Jahren war es noch keinem Athleten gelungen, alle vier Wettbewerbe zu gewinnen. Sieben Skispringer hatten immerhin schon bereits drei Siege im Gepäck, als sie nach Bischofshofen anreisten. Doch dann scheiterten sie an dem psychischen Druck, der Paul-Ausserleitner-Schanze oder einfach an einem Konkurrenten, der am letzten Tourneetag stärker war und den Vierfachtriumph kaputt machte. So war das zuletzt bei der Tournee 1997/1998 bei dem Japaner Kazuyoshi Funaki. Er hatte in Oberstdorf gewonnen, ebenso in Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck. In Bischofshofen musste er sich von einem Springer geschlagen geben. Von mir. Es wurde mein erster großer Sieg.

Ich hatte vor neun Tagen das Springen in Oberstdorf gewonnen. Ich hatte am Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen gewonnen. Und ich hatte in Innsbruck gewonnen. Hier in Bischofshofen lag ich nach dem ersten Durchgang in Führung, hatte mit meinem Sprung sogar einen neuen Schanzenrekord aufgestellt. 139 Meter. RTL-Kommentator Tom Bartels bejubelte die Leistung mit der Aufforderung: »Flieg den Sieg nach Hause, Sven Hannawald.«

Im Countdown für dieses Sportereignis und schon die ganzen letzten Tage hatte der Fernsehsender RTL seine Zuschauer mit einem griffigen Slogan auf die brisante Konstellation und auf mich, die Hauptfigur in diesem spannenden Drama, heißgemacht: »Sprung für die Ewigkeit«.

»Der Mythos wird immer stärker, je weniger Chancen ich noch habe. Die Tournee war bisher eine Knacknuss für mich.« Simon Ammann, vierfacher Olympiasieger

Ich musste nur noch mein Zeug machen

Jeder vor dem Fernseher und jeder an der Schanze in Bischofshofen wusste in diesem Moment, um was es ging. Auch ich wusste das natürlich. Aber ich wusste auch: In Bischofshofen kann ich – trotz des großen Vorsprungs – nicht auf Sicherheit springen. Das geht in die Hose. Ich wollte voll angreifen. Und ich hatte volles Vertrauen in meine Möglichkeiten. Ich wusste ja: Diese Schanze liegt mir.

Ich musste...

Erscheint lt. Verlag 9.9.2013
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Burn out • Burn-out • Burnout • Depression • hannawald • Hannawald Biografie • Magersucht • mein Absturz • meine Landung im Leben • Mein Höhenflug • Ski • Skispringen • Sven Hannawald • Vierschanzentournee
ISBN-10 3-89883-392-5 / 3898833925
ISBN-13 978-3-89883-392-9 / 9783898833929
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