Mein Weg zu Mozart (eBook)

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2016 | 1. Auflage
445 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-74909-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Weg zu Mozart -  Ketil Bjørnstad
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In einem kleinen Hotel in Fredrikstad bereitet sich der Musiker Ketil Bjørnstad auf seinen Auftritt beim ersten Mozartfestival Norwegens vor. Was soll er spielen? Vielleicht die A-Dur-Sonate nehmen? Oder doch ein anderes Stück? In Gedanken kehrt er zu seiner ersten Begegnung mit der Musik Mozarts zurück: Er ist sechs Jahre alt, im Radio läuft Eine kleine Nachtmusik ... Lebendig und anschaulich erzählt Ketil Bjørnstad von dieser Begegnung, die seinem Werden als Musiker so entscheidende Impulse gab. Erzählt aber auch von Unlust und mangelnder Disziplin, von der Konkurrenz mit dem Bruder und immer wieder von der leidenschaftlichen Liebe zur Musik, die seine Kindheit prägte. Mozart wird dabei mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt seiner musikalischen Entwicklung. Geschickt verknüpft Bjørnstad persönliche Erinnerungen und Erlebnisse mit Stationen aus dem Leben des weltberühmten Komponisten zu einem mitreißenden musikalischen Panorama. »Mein Weg zu Mozart« ist ein Memoir des Musikers und Autors Ketil Bjørnstad und zugleich eine Hommage an den großen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart.

<p>Ketil Bj&oslash;rnstad, geboren 1952, studierte in Oslo, London und Paris klassisches Klavier. Sein musikalisches Deb&uuml;t gab er im Alter von 16 Jahren mit dem Philharmonischen Orchester Oslo, wandte sich dann aber der Jazzmusik und dem Schreiben zu. Sein erster Gedichtband erschien 1972. Heute lebt Bj&oslash;rnstad als Schriftsteller und Musiker mit seiner Familie in Oslo. Zu seinen erfolgreichsten B&uuml;chern z&auml;hlen <em>Villa Europa</em> und <em>Oda </em>sowie die Trilogie um den jungen Pianisten Aksel Vinding: <em>Vindings Spiel</em>, <em>Der Flu&szlig;</em> und <em>Die Frau im Tal</em>.</p>

3


Das Wunderkind


Die Straßen damals, von Salzburg nach München und weiter nach Augsburg. Oder in die andere Richtung, nach Wien und Prag, Dresden, Leipzig, Berlin. Die Straßen nach Paris, von dort weiter nach London. Die Wagen ohne Stoßdämpfer, das Holpern und Rütteln, wie man es erlebt, wenn man über zweihundert Jahre später durch Wien fährt, wo das Kopfsteinpflaster erstklassig ist. Für Mozart war das nicht eine einstündige Sightseeingtour über den inneren Ring. Die Reisen dauerten oft fünfzehn, sechzehn Stunden, bis man bei strömendem Regen ein Wirtshaus fand, wo man bewußtlos vor Müdigkeit einschlief, um am nächsten Tag weiterzufahren. Die besondere Anspannung, wenn der Regen prasselte und ständig die Gefahr von Erdrutschen bestand. Das Gefühl, wenn der Wagen zu kippen drohte, wenn die Fahrspur vor den Augen des Kutschers zerrann. Wenn jemand schrie.

Die wenigen Male, wenn der ganze Wagen umstürzte, wenn das Pferd mit verdrehten Augen verzweifelt Halt suchte, wenn man nicht weiterkam, wenn man umkehren mußte. All diese Mißlichkeiten gehörten dazu. Ein wesentlicher Teil von Mozarts Erfahrungen. Auf die Toilette müssen. Die körperlichen Befindlichkeiten, die Mozart immer wieder faszinierten, die spitze Nase, die besondere Muschelform der Ohren, Mutters Ungeniertheit, was die Verdauung angeht. In einem Brief an ihren Mann schrieb sie: »Leb gesund, reck den Arsch zum Mund, ich wünsch eine gute Nacht, scheiß ins Bett, daß kracht.«

 

Auf dem Papier mag das 18. Jahrhundert weit weg erscheinen, aber es war gestern. Ein Fingerschnippen und man ist im schrulligen Österreich. In Salzburg. Der katholischen Stadt, wo der Erzbischof auch weltlicher Fürst ist. Eine strenge und gnadenlose Hierarchie. Die Winterstadt mit den Schneestürmen. Die Sommerstadt mit Wein und Blumen. Die Musik, die aus allen Fenstern dringt. Die Liturgie in den Kapellen und Kirchen. Die Stadt von Georg Trakl. Die Stadt von Thomas Bernhard. Die Berge und der Föhn, der den Menschen den Kopf verwirrt. Der Klassenhaß in beide Richtungen. Mozart. Feuerrot im Gesicht, als er später in Wien vom Hofmarschall des Erzbischofs buchstäblich die Treppe hinuntergestoßen wird. Alle die demütigenden Absagen auf seine Gesuche um eine feste Stelle. Der Traum von stabilen finanziellen Verhältnissen, die er nie gehabt hat, nach all diesen Jahren des Reisens und eines Lebens von der Hand in den Mund. Die unrealistischen Phantasien, gut bezahlte Aufträge zu bekommen, Opern am laufenden Band und eine gesicherte Zukunft. Aber hier bin ich bereits tief eingedrungen in sein Leben. Es ging so schnell mit Mozart. Und wir hecheln hinterher, über zweihundert Jahre danach, suchen nach Haltepunkten.

Die Geburt war dramatisch. Anna Maria, geborene Pertl, hatte bereits drei Kinder verloren. Nur Nannerl überlebte. Und dann war Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus an der Reihe.

Ein Albtraum von einer Geburt. Im Haus des Kaufmanns Hagenauer. Getreidegasse 5, dritter Stock. Leopold Mozart wagt sich nicht ins Entbindungszimmer, wo der Hausarzt sich bemüht, die Schmerzen der sechsunddreißig Jahre alten Frau zu lindern. Notwendigkeit, die Nachgeburt zu entfernen. Große Gefahr für Blutungen. Kaiserschnitt empfohlen, aber nicht durchgeführt. Leopold Mozart gehörte zu denen, die meinten, Kinder müsse man mit Wasser ernähren. Ihm ging es darum, alles richtig zu machen, die beste Diät aus Gerstenwasser und Haferschleim, alles tun, um Infektionen, die das Stillen oft mit sich brachte, zu vermeiden. Aber nach flehentlichem Bitten der Schwiegermutter und seiner Frau hatte er sich gefügt. Und Nannerl lebte trotzdem. Wenn er nun wählen mußte zwischen der Frau und dem Kind? Die Wahl blieb ihm erspart. Als er schließlich ins Entbindungszimmer geht, ist seine Frau vom Blutverlust bewußtlos, lebt aber. Er sieht den neugeborenen Jungen, fragt den Arzt, welche Chancen er hat. Und der Arzt antwortet, mitgenommen nach Stunden des Bangens und Mühens:

»Sie dürfen sich nicht zu große Hoffnungen machen.«

 

Der Eigenbrötler Leopold. Getauft auf Johann Georg Leopold Mozart. Zweiter Violinist in der Salzburger Hofkapelle. Sohn des Buchbinders Johann Georg Mozer. In seiner Geburtsstadt Augsburg erhielt er bei den Jesuiten eine strenge Erziehung. Aber er war von seinem Charakter her antiautoritär. Er ließ sich nicht von Macht oder Geld blenden. Später sollte er schreiben: »Stecken nicht oft die besten und fähigsten Leute in der größten Armut?« Für Äußerlichkeiten hatte er nichts übrig. Als er seinen Versuch einer gründlichen Violinschule schrieb, die in ganz Europa verwendet werden sollte, warnte er davor, das Instrument nach dem Aussehen, nach dem Glanz und der Farbe des Lacks auszusuchen. Ein gutes Instrument hänge nicht vom Aussehen ab, erklärte er und zog eine Parallele zur Gesellschaft im Allgemeinen, zu allen, die nach äußeren und flüchtigen Werten leben: »Wie oft sind nicht das Kleid, das Geld, der Staat, sonderbar aber die geknüpfte Perücke jene Verdienste, die manchen zum Gelehrten, zum Rath, zum Doktor machen?« Leopolds Familie war streng katholisch und alle gehörten der »Kongregation Mariä Himmelfahrt« an. Dann begann er das umfassende Studium am St. Salvator Gymnasium. Logik, Naturwissenschaft, Theologie und Rhetorik. Latein mündlich und schriftlich war selbstverständlich. Griechisch ebenso, damit man das Neue Testament im Original verstehen und lesen konnte. Außerdem Mathematik und Physik. Und wie ein Nährboden lag darunter die Musik. Als sei die ganze Gesellschaft, damals wie jetzt, besessen von Musik. Sie mußte dabeisein, in allen Verschnaufpausen und Mußestunden. Musik in der Kirche und Tafelmusik bei Tisch. Leopold hatte ein überdurchschnittliches Gesangstalent. Daneben spielte er virtuos die Geige. Er war bei allen Schulaufführungen und bei mindestens acht Theateraufführungen zwischen 1724 und 1736 dabei. Gleichzeitig wurde er von Krankheit heimgesucht, was seine Studien verzögerte. Er entwickelte seine trotzige Persönlichkeit. Ein »satyrischer Humorist« mit Talenten, die nicht gewürdigt wurden. Mit speziellem Sinn für Teleskope und Mikroskope.

Dann starb sein Vater. Unerwartet.

Die Gesellschaft mit eigenen Kodizes und Erwartungen. Wie der Vater, so der Sohn. Buchbinder Leopold Mozart? Er weigerte sich, wollte seine Studien fortsetzen, brauchte dazu aber Geld. Was wollte er in Salzburg? Es dauerte ein Jahr, dann immatrikulierte er sich an der dortigen Benediktiner-Universität mit der Absicht, Philosophie und Jurisprudenz zu studieren. Knapp zwei Jahre später kam ein Brief des Rektors: »Johann Georg Mozart, ein Schwabe aus Augsburg, hat vom Beginn seines ersten Jahres an selten mehr als ein- oder zweimal an den Naturwissenschaften teilgenommen und hat sich deshalb als unwürdig erwiesen, Student zu heißen. Einige Tage vor dem Examen wurde er zum Dekan gerufen und darüber unterrichtet, daß er deswegen nicht länger als Student geführt würde. Als er dieses Urteil gehört hatte, gab er keine Erklärung dazu ab, anerkannte das Urteil und ging ohne Zeichen einer Bewegung weg: er wird deshalb zu weiteren Prüfungen nicht zugelassen.«

 

Die Macht der Musik. Leopold Mozart 1740: angestellt als Kammerherr und Musiker bei dem angesehenen Domherrn Graf Johann Baptist Thurn-Valsassina und Taxis. Zum Berufsmusiker gehört auch, Diener zu sein. Die Familie zu Hause in Augsburg war schockiert. Man hatte ihn nach Salzburg fahren sehen in der sicheren Erwartung, daß er in der kirchlichen, benediktinischen Hierarchie eine Karriere machen würde. Er sollte nach dem Tod des Buchbinders das verläßliche Familienoberhaupt werden. Statt dessen debütierte er als Komponist mit sechs Triosonaten, Opus 1. Er widmete sie seinem Dienstherrn, »der väterlichen Sonne, die mich aus der harten Finsternis der Not gerissen und den Weg zum Horizont des Glücks geebnet hat«.

 

Mit der Autorität brechen. Der Graf mit dem langen Namen hat ihm die Freiheit gegeben, das zu tun, was ihm das liebste war: Musik machen. Gleichzeitig: die finanziellen Probleme. Die Geldherrschaft, die er verachtet. Er befindet sich im deutsch-römischen Kaiserreich. Dreihundertdreißig unabhängige Staaten unterschiedlicher Größe, die in Beziehung zum Kaiser nur repräsentative Verpflichtungen hatten. Schon nach drei Jahren in Salzburg hatte er seine augsburgische Bürgerschaft verloren.

 

Aber dann verliert er sein Herz an die ein Jahr jüngere Anna Maria Pertl, die hübsche Tochter des stark verschuldeten Musikers und Amtmannes Niklas Pertl aus St. Gilgen am Wolfgangsee. Arme Familie, die Tochter nicht besonders musikalisch oder belastet mit irgendeiner Form von Ausbildung. Glänzt nicht in der Schreibkunst, zeigt aber einen auffallenden Hang zum Analhumor. So ist die Liebe. Die beiden kannten sich schon lange, als sie sich schließlich im November 1747 das Ja-Wort gaben. Leopolds Mutter ist überhaupt nicht begeistert von der Verbindung. Um sie zu besänftigen und zugleich wegen einer zu erwartenden Aussteuer reicht er beim Augsburger Stadtrat ein Gesuch auf Verlängerung seiner Bürgerschaft ein. Das würde sein Ansehen erhöhen. Außerdem hätte er damit eine Rückzugsmöglichkeit, wenn es mit Thun-Valsassina und Taxis und dem erzbischöflichen Hof schiefginge. Lange nach dem Tod seines Vaters schreibt er am 12. Dezember 1747 an den Stadtrat von Augsburg: »Mein Vater lebt noch als Buchbinder und schickte mich kürzlich (vor zehn Jahren und der Vater war da ein Jahr tot) für mein Studium nach Salzburg, dem ich mich eifrig widme (exmatrikuliert nach einem Jahr). Nun aber glückte es mir,...

Erscheint lt. Verlag 11.9.2016
Übersetzer Lothar Schneider
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel Veien til Mozart
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Biografie • Memoiren • Musiker • Veien til Mozart deutsch
ISBN-10 3-458-74909-8 / 3458749098
ISBN-13 978-3-458-74909-7 / 9783458749097
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