Der Traummacher (eBook)

Spiegel-Bestseller
Psychothriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016
384 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-18237-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Traummacher - Max Bentow
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Simona ist eine lebenslustige junge Frau und im Begriff, gemeinsam mit ihrer Freundin Alina eine Werbeagentur in Berlin aufzubauen - bis sie eines Nachts auf tragische Weise ihrem Herzleiden erliegt. Ihre Mutter ist fortan eine gebrochene Frau, die das Trauma nicht überwinden kann: Sie hört Simonas Stimme und wird von schrecklichen Fantasien verfolgt. Doch dann ereignet sich etwas Unfassbares - sie wird im Keller ihres Hauses auf bestialische Weise ermordet, ihr Körper ist mit Biss-Spuren übersät. Nils Trojan und sein Team, die sofort am Tatort eintreffen, sind noch nie mit einem solch schockierenden Anblick konfrontiert worden. Doch dies ist erst der Anfang, denn wenig später wird auch Alina in einer verlassenen Turnhalle am Rande Berlins tot aufgefunden, ihr Hals entstellt von denselben grausamen Malen. Nils Trojan ermittelt fieberhaft, und was er enthüllt, führt ihn an den schwärzesten Abgrund, in den er je geblickt hat ...

Max Bentow wurde in Berlin geboren. Nach seinem Schauspielstudium war er an verschiedenen Bühnen tätig. Für seine Arbeit als Dramatiker wurde er mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet. Seit seinem Debütroman »Der Federmann« hat sich Max Bentow als einer der erfolgreichsten deutschen Thrillerautoren etabliert, alle seine Bücher waren große SPIEGEL-Bestsellererfolge.

ZWEI

Ein Jahr später. Oktober 2015

Franziska Wiesner hatte eine weitere schlaflose Nacht hinter sich. Seit einem Jahr kreisten ihre Gedanken unaufhörlich zu später Stunde, und sie kam selten zur Ruhe.

Gegen Morgen gab es für gewöhnlich eine Phase, in der die Grübeleien nachließen und sie kurz wegdämmerte, doch nicht einmal das war ihr diesmal vergönnt gewesen, und so wälzte sie sich völlig erschlagen aus dem Bett, duschte, zog sich an und nahm das Frühstück in der Küche ein.

Fortan beschäftigte sie sich mit der Frage, mit welchen Blumen sie das Grab ihrer Tochter schmücken sollte, immerhin jährte sich ihr Todestag morgen zum ersten Mal. Franziska Wiesner dachte an ein möglichst schlichtes, heiteres Gesteck. Etwas Freundliches, Farbenfrohes hätte Simona sicherlich gefallen.

Sie seufzte, vergrub das Gesicht in den Händen. Was für ein hoffnungsloses Ritual, die Blumen konnten noch so treffend gewählt sein, sie machten ihr Kind ja doch nicht wieder lebendig.

Franziska spülte das Frühstücksgeschirr und stellte es auf das Abtropfregal. Danach trat sie ans Fenster und schaute in den Garten ihres Hauses hinaus. Es versprach ein strahlender Oktobertag zu werden. Das Laub des Ahorns hatte sich goldgelb verfärbt, und das schräg einfallende Sonnenlicht war von schier bedrückender Schönheit.

Franziska gab sich einen Ruck. Schluss mit der Trübsal, dachte sie. Nur Beschäftigung half dagegen, das wusste sie aus bitterer Erfahrung. Bloß hatte sie heute leider keine Schicht im Krankenhaus, wo sie als Physiotherapeutin angestellt war, eine anstrengende körperliche Arbeit. Normalerweise wäre sie in ein paar Jahren im verdienten Ruhestand, aber oftmals dachte sie, es sei besser, noch einige Zeit dranzuhängen, um der drohenden Einsamkeit zu entgehen.

Ihr Mann hatte sie vor einigen Jahren wegen einer Jüngeren verlassen, immerhin war ihr das kleine Haus in Berlin-Zehlendorf geblieben. Sie hätte es sich niemals allein leisten können, doch Gregor, der es als Politiker zu einem gewissen Wohlstand gebracht hatte, erwies sich bei der Scheidung als ziemlich gönnerhaft, offenbar weil ihn sein schlechtes Gewissen plagte. Das war aber auch der einzig erfreuliche Aspekt ihrer unrühmlichen Trennung gewesen.

Franziska hätte sich selbst nicht unbedingt als putzsüchtig bezeichnet, doch seit Simonas Tod kompensierte sie die innere Leere, die sie an ihren freien Tagen empfand, mit intensiver Hausarbeit. Und so begann sie, in den Räumen staubzusaugen, wischte die Böden in Küche und Bad, schrubbte Wanne und Waschbecken. Danach sah sie zur Uhr. Es war noch nicht einmal Zeit fürs Mittagessen.

Sie polierte die Schrankwand und wischte Staub auf der Kommode. Darauf befand sich das gerahmte Foto ihrer Tochter, es war mit einem Trauerflor versehen. Simona lächelte auf dem Bild, ihr rotes Haar schimmerte in zauberhaftem Glanz.

»Ich will einfach nur leben, Mama«, hatte sie so oft zu ihr gesagt, »und das Leben feiern.«

Behutsam stellte Franziska den Bilderrahmen zurück. Das Herz ihrer Tochter, dachte sie wehmütig, so groß und doch so schwach. Was sie nicht früher alles unternommen hatte, um ihr zu helfen, zu etlichen Ärzten war sie mit ihr gerannt, doch keiner von ihnen hatte ein probates Mittel gegen ihre Krankheit gehabt. Eine Operation erschien zu riskant, also ließ man es bleiben. Bis sich Simona schließlich mit ihrem Schicksal abfand und nach außen hin ein scheinbar unbeschwertes Leben führte, erst als Kind, dann als Teenager und schließlich als junge Erwachsene.

Sie erinnerte sich noch in allen Einzelheiten an den Tag ihres Auszugs. Damals lebte Franziska noch mit Simonas Vater Gregor zusammen im Haus. Sie sah genau vor sich, wie Simona ihr damals zum Abschied um den Hals gefallen war: »Sei nicht traurig, Mutter, lass mich gehen«, hatte sie gesagt. »Denn nun fängt für mich das Leben erst richtig an.«

Sie hatte ihrer Tochter beigepflichtet. Natürlich musste eine Mutter ihre erwachsene Tochter ziehen lassen, auch wenn es schmerzlich war.

So innig wie an diesem Tag hatten sie sich nicht mehr umarmt.

Und nun blieb ihnen die Gelegenheit, es nachzuholen, für immer verwehrt.

Ein Geräusch riss Franziska Wiesner aus ihren Gedanken. Eine knarrende Diele im Flur. Sie fuhr herum. Aber da war niemand.

Sie atmete tief durch.

Sie ging dazu über, die Anrichte zu polieren. Das schien sie beim letzten Mal versäumt zu haben, denn es hatte sich eine dünne Staubschicht darauf gebildet.

Jäh erstarrte sie. Sie erkannte die Buchstaben, die jemand mit zittriger Hand in den Staub gemalt hatte:

GLAUBST DU AN DIE RÜCKKEHR DER TOTEN ?

Abermals meinte sie, ein Geräusch in ihrem Rücken zu vernehmen. Sie drehte sich um. Da war nichts.

Die Einbildung musste ihr einen Streich gespielt haben. Aber die Lettern im Staub? Woher stammten sie?

Die Rückkehr der Toten, dachte sie.

Sie schnappte sich das Tuch, doch ihre Hand verharrte in der Bewegung.

Sie brachte es einfach nicht fertig, den Schriftzug wegzuwischen.

Abends saß sie vorm Fernseher und zappte sich durch die Kanäle. Sie hoffte auf leichte Unterhaltung, vielleicht eine Liebesgeschichte, die sie von ihrer Schwermut ablenken würde. Sie wünschte sich Aufnahmen von lieblichen Landschaften, vielleicht etwas Historisches, Kutschfahrten, Frauen in wallenden Kleidern, Männer mit stolzen Hüten. Aber nichts dergleichen fand sie, dafür nur dümmliche Quizsendungen, nichts­sagende Dokumentationen, erschreckende Nachrichten aus aller Welt und einen Actionfilm, der sie nicht interessierte.

Franziska drückte ungeduldig auf die Knöpfe der Fernbedienung, als sie abrupt innehielt.

Sie stellte den Ton ab. Instinktiv spürte sie, dass jemand im Haus war. Ihr Puls beschleunigte sich.

Sie reckte den Kopf und lauschte.

Draußen im Flur klickte es verdächtig. Auf dem Dielen­boden.

Ihr brach der Schweiß aus. Wieder das Klicken, Kratzen.

Es half nichts, sie musste nachsehen. Langsam erhob sie sich aus ihrem Fernsehsessel.

Schon war alles still.

»Hallo?«, fragte sie ängstlich.

Totenstille. Bloß meine Nerven, dachte sie, sie gaukeln mir etwas vor. Den ganzen Tag über war sie so merkwürdig nervös gewesen.

Sie fasste sich ein Herz und ging in den Flur.

Mit einem Mal weiteten sich ihre Augen. Sie presste die Hand gegen ihren Mund.

Entsetzt wich sie zurück und stieß einen erstickten Schrei aus.

Auf dem Boden hockte ein großes schwarzes Tier und starrte sie an.

Es war ein Pitbull. Auch wenn sie wenig über Hunderassen wusste, diese Sorte Kampfhund erkannte sie sofort: gedrungener Kopf. Breites Maul. Tiefschwarzes Fell. Ein weißer Fleck auf der Brust.

Sie wich weiter zurück. Das Tier sprang auf die Läufe und folgte ihr.

»Weg«, stammelte sie, »weg!«

Hatte sie etwa vergessen, die Haustür abzuschließen, als sie vom Einkaufen zurückgekommen war? Nein, nicht möglich, sie schloss doch stets zweimal von innen ab, das hatte sie sich zur Gewohnheit gemacht.

Der Hund knurrte leise.

Franziska taumelte, stolperte, fing sich wieder. Sie hatte mal in einer Zeitschrift gelesen, dass man Hunden niemals seine Angst zeigen sollte. Also versuchte sie, sich zu beherrschen. Langsam rückwärtsgehend, sich dabei an der Wand entlang tastend, näherte sie sich Schritt für Schritt der Küche.

Dem Pitbull sträubte sich das Fell. Er war in Angriffshaltung.

Franziska suchte in ihrem Rücken nach der Klinke.

»Ruhig«, murmelte sie, »ganz ruhig. Guter Hund.«

Sie erfasste die Klinke, drückte sie, schob die Küchentür auf und glitt hinein. Rasch warf sie sie hinter sich zu.

Da hörte sie, wie sich der Pitbull von außen dagegen warf, krachend, immer und immer wieder. Sie vernahm das Kratzen seiner Krallen auf dem Holz.

Was konnte sie nur tun?

Sie überlegte, ob sie in den Garten hinausklettern sollte, um Hilfe zu rufen. In diesem Moment erkannte sie, dass das Fenster nur angelehnt war. Der Riegel schloss zuweilen nicht richtig, sie hätte deswegen schon längst einen Handwerker anrufen sollen.

Großer Gott, hatte sich dieses Höllentier etwa auf diese Weise zu ihr hereingestohlen? Mit einem Sprung, lautlos durchs Fenster?

Erneutes Kratzen an der Tür, ein leises Jaulen. Danach Stille. Wo war der Pitbull jetzt?

Irgendwo im Haus, durchfuhr es sie. Er lauert dir auf.

Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie öffnete den Kühlschrank. Mittags hatte sie sich Gulasch mit Nudeln gekocht. Seit Simonas Tod aß sie nicht mehr viel, und einiges davon war übriggeblieben.

Sie nahm die Schüssel mit den Resten heraus und löste die Zellophanhülle vom Rand. Nach kurzem Zögern griff sie mit bloßer Hand hinein und nahm sich einen Fleischbrocken. Sie öffnete die Küchentür einen winzigen Spalt, warf das Fleisch hinaus und schloss sie wieder. Klickend näherten sich draußen die Krallen. Sie hörte es schmatzen.

Nach einer Weile wagte sie es erneut, dem Hund etwas durch den Türspalt zuzuwerfen.

Es zeigte Wirkung, mit jedem weiteren Stück Gulasch machte sie sich das Tier gefügiger. Es schien völlig ausgehungert zu sein. Gierig schlang es seine Beute hinunter wie sie, halb verborgen hinter der Tür, beobachten konnte.

Schließlich traute sie sich aus der Küche hinaus. Vorsichtig, die Augen des Pitbulls stets...

Erscheint lt. Verlag 22.8.2016
Reihe/Serie Ein Fall für Nils Trojan
Ein Fall für Nils Trojan
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Berlin • Berlin-Krimi • Cloud Nine • eBooks • Heimatkrimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Nils Trojan • Psychothriller • Spiegelbestseller • Spiegel-Bestseller-Autor • Thriller
ISBN-10 3-641-18237-9 / 3641182379
ISBN-13 978-3-641-18237-3 / 9783641182373
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