Ein Stein reist durch die Zeit (eBook)

Kurzprosa, Novellen
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
208 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-6000-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Stein reist durch die Zeit -  Anton Christian Glatz
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Dieser Band versammelt diverse Erzählungen und Kurzgeschichten. Den Hauptteil bildet eine Erzählung von einem Stein, der in grauer Vorzeit vom Himmel fällt. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Laufe der Jahrtausende gerät er in die Hände von Menschen, deren Leben er entscheidend inspiriert. Die Texte sind zumeist genreübergreifend, haben jedoch starke unterhaltende und erzählerische Qualitäten. Ein dezenter, experimenteller Hauch sorgt zusätzlich für ein Leseerlebnis der unverwechselbaren Art.

Anton Christian Glatz, geb. 21. Februar 1956, Schriftsteller in Graz. Seit seinem 17. Lebensjahr verfasst er literarische Texte mit den Schwerpunkten erzählende Prosa und Essays. A. Ch. Glatz fühlt sich der Fantastik sowie der Gesellschaftskritik verpflichtet.

Zarathustras Ritual

In grauer Vorzeit breiteten sich unaufhaltsam die Menschen auf der Erde aus. Völker entstanden, vermehrten sich und gingen in blutigen Schlachten wieder unter.

In den Tiefen dieser Zeiten lebte ein Volk in der Gegend des Steines, das eine bemerkenswerte Ansicht von der Welt hatte. Das ganze Universum war für dieses Volk belebt, durchzogen von einem einzigen Geist, den es Ahura Mazdah nannte. Doch Ahura Mazdah war diesen Menschen nicht nur der Schöpfer von Himmel und Erde, Tag und Nacht, oben und unten und den vier Himmelsrichtungen, sondern auch der Zwillingsgeister Spenta Mainyu (der Gute Geist) und Angra Mainyu (der Böse Geist). Seit sich beide Geister für den Weg des Guten bzw. den des Bösen entschieden hatten, gab es ein Reich des Lichtes und eines der Finsternis, welche im ewigen Streit miteinander lagen.

Um sich in den Wirrnissen einer solchen Welt zurechtzufinden, gab es in diesem Volk Priester, die Magier genannt wurden. Durch ihre Riten sollten diese mit Ahura Mazdah und Spenta Mainyu in Verbindung treten und sie für die Menschen günstig stimmen. Allerdings wirkten unter den Magiern auch solche, die dem Reich Angra Mainyus, des Bösen, dienten. In Unmengen brachten sie ihren finsteren Dämonen Schlachtopfer dar und tranken Haoma im Übermaß. Ursprünglich ein Geschenk der Götter, wurde Haoma, der Trank der Visionen und der Unsterblichkeit, den abtrünnigen Magiern durch fortwährenden Missbrauch zum Gift für ihre Seele.

In dieser bewegten Zeit blieben manche Völker ihren alten Kulten treu. Nomadisierend zogen sie gemäß ihren Traditionen durch die Gegend, während der Glaube an Ahura Mazdah bereits die große Wende zur sesshaften Lebensweise einleitete. Inmitten dieser allgemeinen Unruhe wirkte der Anführer der Magier Ahura Mazdahs und Ahnherr der Weißen Magie, Zarathustra. Er lebte manche Jahre in der Gegend des Steines, ohne von diesem Kenntnis zu erlangen. Sanft war sein Haus an die Westseite eines Hügels gelehnt und überblickte von dort die Weite der Steppe bis zum Horizont. Hier grasten tagsüber die wenigen Rinder und Kamele Zarathustras, denn Ahura Mazdah hatte ihn mehr mit Weisheit als mit irdischen Gütern gesegnet.

Überall auf dem Hügel verstreut wuchsen Zarathustras Pflanzen, die er züchtete, damit sie ihm bei seinem Großen Werk, der Bekämpfung des Bösen, dienlich seien. Blau, gelb und weiß wogte des Frühlings ein Blütenmeer, das großzügig die unterschiedlichsten Düfte verströmte. Auf der Südseite des Hügels befand sich ein bescheidener, liebevoll eingerichteter Tempel. Bequeme Sitzkissen vor Wandteppichen luden die Gläubigen ein, im Gebet zu verweilen. Der Tempel diente den Brüdern der Weißen Magie als Zentrum ihrer Macht. Zwischen seinen Marmorsäulen hielt die Bruderschaft unter der Leitung Zarathustras in regelmäßigen Abständen ihre Rituale ab.

Zarathustra hatte viel unter den Anfeindungen seiner Gegner, der finsteren Bruderschaft der Schwarzen Magie, zu leiden. Sein ganzes Leben hatte er dem Kampf des Guten gegen das Böse gewidmet, ohne dass bislang ein durchschlagender Erfolg seine Bemühungen gekrönt hätte.

Eines Nachmittags saß er ziemlich entmutigt am Lieblingsfenster und sah seufzend in die Steppe auf seine dürren Rinder hinaus. Geistesabwesend kraulte er der schnurrenden Perserkatze auf seinem Schoß den Kopf ... In bewegten Bildern zeigte ihm die Erinnerung die wichtigsten Stationen seines Lebens: die Einweihung in die Bruderschaft, die Ausbildung, die Prüfungen, seine Heirat, das Lachen seiner beiden Töchter, später deren Hochzeit. Es schien Zarathustra eine halbe Ewigkeit her zu sein ... Seit er seine Ehefrau begraben hatte müssen, bewohnte er zusammen mit einer betagten Haushälterin und zwei Knechten sein einsames, doch wohl bekanntes Anwesen.

Was sollte Zarathustra noch alles tun? Die gleichen Techniken, derer er sich bediente, halfen auch den Schwarzmagiern, seiner Bruderschaft einen Streich nach dem anderen zu spielen. Einmal waren sie eine Nasenlänge voraus, dann waren es wieder die anderen. Ein Ende des Kriegs war nicht in Sicht, und manchmal war der Magier gar nicht recht davon überzeugt, dass er und seine Brüderschaft gewinnen würden. Natürlich hatte ihm Ahura Mazdah geoffenbart, dass am Ende der Zeiten das Reich des Lichtes über das der Finsternis siegen würde, aber warum fiel es in Zeiten harter Prüfungen so schwer, dem Glauben zu schenken? Sollten sich aber die Schwarzmagier unter diesem abscheulichen Bandva durchsetzen, taten ihm jetzt schon die Menschen leid. Bandva würde für lange Zeit eine Herrschaft des Schreckens errichten, wie sie in der Geschichte der Menschheit noch nie da gewesen war.

Koste es was es wolle, Zarathustra musste das verhindern. Die Frage war nur, wie. Hätten seine Brüder und er nur einen Zauber, der wirklich neu wäre, einen, der nicht sofort zu bekämpfen wäre, könnte er vielleicht die magische Kraft seiner Gegner bannen. Gänzlich brechen war ohnehin unmöglich, weil das Böse nach Ahura Mazdahs eigenem Willen bis zum Ende aller Zeiten Bestand haben sollte, seufz, aber für eine Zeitlang unschädlich machen – ja, wenigstens das sollte zu schaffen sein. Der Magier entschloss sich, Ahura Mazdah zu befragen. Entschlossen stand Zarathustra auf und machte sich daran, astrologisch den günstigsten Zeitpunkt für ein Ritual zu berechnen. Und siehe da, noch heute Nacht, kurz vor Morgengrauen, würde sich der Jupiter in Konjunktion mit dem Saturn befinden, dazu ein Trigon mit dem Mond. Das verhieß gutes Gelingen.

Nachdem er Moimona, seiner Haushälterin, noch die Anweisung gegeben hatte, ihn kurz nach Mitternacht zu wecken, vertiefte er sich in das Studium seiner alten Schriften, der Weisheit seiner Vorfahren. Darüber wurde es langsam Abend, ein Umstand, der Zarathustra auffiel, als ihm das Lesen immer schwerer fiel. Er zündete eine Kerze an, fütterte die Katze, aß ein Stück Ziegenkäse mit Brot, trank einen Schluck Milch und stürzte sich wieder auf den Mythenschatz seines Volkes ... Plötzlich wurde er an der Schulter aus dem Schlaf gerüttelt. Moimona hatte ihn geweckt.

Tau lag in der Zwischenzeit, stellte Zarathustra fest, als er durch seinen Kräutergarten in Richtung Tempel ging. Noch war es stockfinstere Nacht, als sich ächzend die schwere Türe zum Tempel öffnete. Im Opferraum zündete er die magisch geweihten Kerzen an, warf seine Robe über und traf seine sonstigen Vorbereitungen. Nach einigen Minuten qualmten die Räucherungen, deren betäubenden Duft der Magier tief einsog. Dann setzte er sich und versenkte sich in die Ruhe des Geistes, um für sein Ritual bereit zu sein. Ab und zu warf er einen Blick aus dem Ostfenster des Tempels, damit er die Zeit nicht übersehe.

Als ihm ein heller werdender Streifen am Horizont anzeigte, dass die berechnete Stunde angebrochen war, erhob sich Zarathustra und begann mit seinen Gebeten. Währenddessen schritt er zur Statue Ahura Mazdahs an der Stirnseite des Tempels. Dort beugte er sich andächtig zu einem Becher mit Haoma hinunter, erhob diesen mit einer würdevollen Geste und trank in kleinen Schlucken. Dann begann er mit allmählich lauter werdender Stimme seine Beschwörungsformeln gemäß den überlieferten Anweisungen zu rezitieren. Wenig später erfüllten noch mehr Räucherungen die Luft und hüllten alles in wabernden Nebel. Langsam verschwammen die Konturen Ahura Mazdahs … Der Magier vernahm seine eigenen Beschwörungen wie aus weiter Ferne, gedämpft und ohne Hall. Mitten in diese Stimmung hinein fühlte er, wie sich seine Seele öffnete. Sein ganzer Körper vibrierte, erschüttert durch die unsichtbare Gegenwart einer überwältigenden, transzendenten Macht.

Plötzlich schien es ihm, als vernehme er eine Stimme, die in tiefer, männlicher Stimmlage von allen Seiten auf ihn eindrang: „Zarathustra, ich weiß, du bist in Sorge. Zu recht. Folge mir, ich will dir etwas zeigen.“

Zarathustras Geist folgte Ahura Mazdah in Visionen vieler Sphären, eine fremdartiger als die andere, von Anfang und Ende der Welt, quer durch alle Zeiten. So sah er sich einmal durch eine Gegend gehen, die keine Sonne beschien, weil der Himmel von tiefhängenden Wolken verdunkelt war. Am Boden reihten sich verschieden große Krater zwischen Feuerherden. Auch Pfützen mit stinkendem, brackigem Wasser musste Zarathustra ausweichen. Alles war zerstört, kein Vogel war zu hören, kein Baum zu sehen, der nicht verkohlte Äste anklagend in die bleierne Dämmerung gestreckt hätte. Die Luft ließ sich nur schwer atmen und war gelegentlich mit beißenden, unangenehmen Gerüchen geschwängert. Hin und wieder bemerkte er eine halb verbrannte oder verstümmelte Leiche, die inmitten von Ruinen und ihm fremder Geräte aus schwerem Metall herumlag. Offensichtlich war niemand da, um die Toten zu beklagen. Hier herrschten nur Zerstörung, Tod und Verwesung. Mit klammen Fingern griff die Trostlosigkeit des Ortes nach seiner Seele, so dass Zarathustra froh war, als sich sein mystisches Auge schloss ...

Als es sich wieder öffnete, gewahrte er eine Herde großer, stark gebauter Pferde über eine Ebene galoppieren. Der Vollmond beleuchtete die Gegend fast taghell. Der Tritt der Pferde ließ die Erde beben und die wenigen Sträucher und Bäume erzittern. Die Vibrationen pflanzten sich bis in das Weltall hinaus fort und es schien Zarathustra, als würde das Universum bis an sein Ende vom Galopp der Pferde erschüttert ...

Dann wieder schaute er einen Pfau. Der Vogel saß in seiner vollen Schönheit auf einer orchideengeschmückten Veranda. Diese gehörte zu einem Gebäude aus Marmor, das am ehesten mit einem Tempel zu vergleichen war. Davor erblickte Zarathustra eine in Blüte stehende Wiese. Über diese bunte...

Erscheint lt. Verlag 5.8.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte historische Erzählungen • Kurzgeschichten • Mystery • Novellen • Religion
ISBN-10 3-7412-6000-2 / 3741260002
ISBN-13 978-3-7412-6000-1 / 9783741260001
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