Der Fengshui-Detektiv und der Geistheiler (eBook)

Kriminalroman. Der Fengshui-Detektiv (2)
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
256 Seiten
Unionsverlag
978-3-293-30602-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Fengshui-Detektiv und der Geistheiler -  Nury Vittachi
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Wenn ein malaysischer Geistheiler jemanden ganz ohne Spuren umbringen will, dann muss er nach Süden gehen. Ganz runter, nach Australien. Am besten nach Sydney, und dort am besten zur Oper. Denn das Opernhaus von Sydney hat das allerschlechteste Fengshui. Also ein Fall für den Fengshui-Detektiv C. F. Wong und seine Assistentin Joyce McQuinnie. Es hilft nichts, dass auch noch eine von Geistererscheinungen geplagte Zahnarztfamilie und die Hongkonger Triaden mitmischen: Sydney ist nach den turbulenten Aktionen unseres Pärchens nicht mehr dieselbe Stadt.

Nury Vittachi, geboren 1958 in Sri Lanka, gilt - laut BBC - als »Hongkongs witzigster Kommentator«. Aufgewachsen u. a. in Großbritannien, lebt er seit 1986 in Hongkong, wo er sich als Kolumnist, Buchautor und Herausgeber einer Literaturzeitschrift Kultstatus verschafft hat. Er arbeitet als Dozent an der Hong Kong Polytechnic University.

Nury Vittachi, geboren 1958 in Sri Lanka, gilt - laut BBC – als »Hongkongs witzigster Kommentator«. Aufgewachsen u. a. in Großbritannien, lebt er seit 1986 in Hongkong, wo er sich als Kolumnist, Buchautor und Herausgeber einer Literaturzeitschrift Kultstatus verschafft hat. Er arbeitet als Dozent an der Hong Kong Polytechnic University.

Montag


Ein Toter begeht ein Verbrechen

Kürzlich, vor dreitausend Jahren, lebte in China ein auf dem Wasser treibendes Volk. Es wohnte über den Fluten und speiste mit dem Wind. Jede Familie hauste auf einer Rampe in einer Bucht. Wenn ein Knabe erwachsen wurde, stellte er sich an den Rand seiner Rampe und rief. Das Mädchen, das er liebte, rief zurück. Dann baute er zwischen seiner und ihrer Rampe eine Brücke. Hatte seine Familie das Mädchen gern, so half sie ihm beim Bau der Brücke. Die Wohnstätten wurden verbunden, und beide Familien vereinigten sich.

Eines Tages hörte ein Jüngling des auf dem Wasser treibenden Volks von jenseits des Horizonts ein Flüstern. Es kam von einem weit entfernten Mädchen. Lange riefen sie einander zu. Dann wollten sie heiraten.

Seine Familie sagte Nein. Das Mädchen gehörte einem andern Volk an und lebte zu weit entfernt.

Doch der Jüngling hatte sich entschieden. Er machte sich an den Bau einer Brücke bis zum Horizont. Er grub tief in den Meeresgrund, um ein festes Fundament zu legen.

Seine Familie half ihm nicht. Sie sagte, die Tradition, sich mit Nachbarn zu verheiraten, würde die Gemeinschaft stärken.

Seine Brücke nannte sie »Flüsterbrücke«. Sie befahl ihm innezuhalten.

Aber er hörte nicht auf sie. Acht Jahre lang baute er an seiner Brücke. Als er fertig war, begegnete er dem Mädchen, das ihm von jenseits des Horizonts zugeflüstert hatte, und sie wurden auf der großen Brücke vermählt.

Im folgenden Jahr erhob sich ein gewaltiger Sturm. Er zerstörte die Rampen mit den Wohnstätten des auf dem Wasser treibenden Volks.

Die Flüsterbrücke aber blieb stehen.

So geht es auch uns, Grashalm. Was mit langer Mühe aufgebaut wird, lässt sich auch nur langsam zerstören. Etwas zu tun, das sich eigentlich nicht tun lässt, ist schwierig. Hat man es aber erst geschafft, kann man es auch nicht mehr ungeschehen machen. Willst du sichergehen, dass eine alte Tradition ihre Wirksamkeit behält – dann ändere sie.

(Gesammelte Sprüche östlicher Weisheit, von C.F.Wong, Teil 342)

C.F.Wong blies über das Papier, um die Tinte zu trocknen. Er saß an seinem Schreibtisch und schrieb in sein Notizbuch. Für das Kapitel, das er derzeit bearbeitete, stellte er aus den Schriften der alten Weisen Anekdoten zusammen, worin es um geniale Lösungen schwieriger Probleme ging. Ab und zu blickte er auf und schaute aus dem Fenster. Es war früher Morgen in Singapurs City.

Während der Stoßzeit schwoll das ständige Summen des Verkehrs auf der Church Street und der Cross Street zu nervenaufreibendem Getöse an. Rumpelnd schoben sich Doppeldeckerbusse voran, die alle paar Schritte mit den Bremsen quietschten und wieder anfuhren. Viele Fahrzeuge waren ständig überhitzt. Das Sirren ihrer automatischen Kühlanlagen fügte dem Lärm schrille Obertöne hinzu. Taxis schlängelten sich von einer Spur auf die andere und wurden immer wieder, quer auf dem Trennstrich stehend, eingekeilt. Die Motoren vibrierten, die Fahrer gähnten.

Einen seltenen Kontrast bildeten Privatwagen, ausnahmslos deutsche Fabrikate, in denen leitende Angestellte ins Büro fuhren. Der Luxus der meist nagelneuen Limousinen hob sich drastisch von der Masse der Verkehrsteilnehmer in den Nebenstraßen ab: hageren älteren Männern in schmutzigen Unterhemden, die auf Fahrrädern Körbe voll zappelnder Fische fürs Mittagessen in die Werkkantinen brachten.

Regelmäßig, etwa alle zwei Minuten, stieg der Geräuschpegel weiter an, wenn die Ampeln auf Grün schalteten und aus den Querstraßen weitere Fahrzeuge in die längst verstopfte Ringstraße drängten. Dann schwoll das Getöse zu einer derart höllischen Kakofonie an, dass Fußgänger kaum noch ihr eigenes Wort verstanden. Nur hin und wieder, wenn der Lärm ein wenig nachließ, bildete das Ticka-ticka-ticka der Fußgängerampeln einen hellen Kontrapunkt über dem allgemeinen dumpfen Brausen.

Singapurs zentrales Geschäftsviertel, eine Reihe steil aufragender Schluchten, sorgte von seiner Struktur her dafür, dass der Morgenverkehr in Wellen eintraf. Manche Kreuzung wurde rasch zu einer Falle, in der man gefangen saß und in der blendenden Sonne schmorte. Andere Abschnitte lagen noch in dunstigem Schatten, beleuchtet vom Widerschein blasser Beton- und Glasfassaden. Vor dem stärker werdenden Tageslicht nahm man die höheren Wolkenkratzer mit ihrem Spiegelglas nur als graue Umrisse wahr, wenigstens bis gegen zehn Uhr. Um diese Zeit saßen dann die meisten Leute in ihren Büros, und Ruhe – relativ gesprochen – kehrte in die Straßen der Löwenstadt ein.

Zur Zeit der Nördlichen Song-Dynastie (960–1279) stritten zwei Herrscherfamilien um einen Besitz. Beide hatten teil an einer großen Erbschaft.

Einer der Fürsten ging zum Obersten Minister Zhang Qixian und sprach: »Der Anteil meines Bruders ist größer als meiner. Ich habe ein Verzeichnis dessen, was mir gehört. Es beweist, dass ich die Wahrheit sage.«

Doch der Bruder des Mannes ging ebenfalls zum Obersten Minister Zhang Qixian. Er sprach: »Das Gegenteil ist wahr. Meines Bruders Anteil ist größer als meiner. Ich habe ein Verzeichnis meines Besitzes. Es beweist, dass ich die Wahrheit sage.«

Zhang Qixian nahm die beiden Verzeichnisse, prüfte sie und verglich sie miteinander.

Die streitenden Brüder warteten und lauerten.

Da kratzte Zhang die Namen am Ende der Schriftrollen heraus. Er trug jeweils den Namen des anderen Bruders ein.

Er gab die Verzeichnisse zurück. Zum ersten Bruder sprach er: »Nun habt Ihr mehr als Euer Bruder.« Und zum andern Bruder sprach er: »Auch Ihr habt mehr als der Eurige.«

Wenn du eine Schlacht dadurch gewinnen kannst, dass du die Pfeile deines Gegners hinnimmst, Grashalm, dann wird dein Sieg von allen Seiten unantastbar sein.

(Gesammelte Sprüche östlicher Weisheit, von C.F.Wong, Teil 343)

Er schrieb fieberhaft, da er wusste, wie selten und knapp bemessen die Augenblicke kreativer Ruhe waren, hier im Büro seiner Firma C.F.Wong & Co. in der Telok Ayer Street. Ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte ihm, dass es zehn nach zehn war. Seit fast drei Stunden hatte er allein und ungestört gearbeitet. Wie waren die Götter ihm gnädig, dass sie ihn mit Personal segneten, welches ständig zu spät kam. Möge es seinen Gewohnheiten noch lange treu bleiben! Er legte die Hände aneinander und verneigte sich kurz und dankbar in Richtung des nächsten Tempels, der ein paar hundert Meter südlich seines Bürohauses stand. Obgleich nicht wirklich fromm, hielt Wong doch äußerlich gewisse daoistische Rituale ein, die er als Kind in Baiwan, einem Dorf in der chinesischen Provinz Guangdong, gelernt hatte. An keinem Tempel, selbst wenn er auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand, konnte er ohne eine rasche Verbeugung und ein flüchtiges Winken mit zusammengelegten Händen vorbeigehen.

Zehn Uhr vorbei! Er blickte kurz aus dem Fenster und blinzelte. Nächstens würde Winnie Lim, die in Personalunion als seine Empfangsdame, Sekretärin, Schreibkraft und Bürovorsteherin wirkte, wohl den ganzen Vormittag schwänzen – oder gar nicht erscheinen. Wie hieß es doch gleich auf Englisch? Awol.4 Oder war das eine Art Vogel?

Dann gab es da noch diese albtraumhafte Praktikantin, die ihm sein Chef Mr. Pun vor einigen Monaten aufgedrängt hatte. Nie würde er den grauenhaften Tag vergessen, als die schlaksige junge Ausländerin in seinem Büro aufkreuzte und einen bizarren, unverständlichen Dialekt sprach. »Also mein Pappi, ja? Der dann so: ›Mein Kumpel Mr. Pun hat ʼnen echten Fäng-Schuh-i-Meister5 an der Hand, bei dem kannst du drei Monate jobben‹, und ich dann so: ›Boh ey!‹«, hatte sie gesagt.

Es hatte lange gedauert, bis er einigermaßen mit Joyce McQuinnie kommunizieren konnte. Sie stammte von britisch-australischen Eltern ab, doch sie drückte sich nur in einem abstrusen Kauderwelsch namens »Teenager« aus. Ein früher Durchbruch war ihm gelungen, als er begriff, dass sie statt Ja »egal« sagte. Erst kürzlich hatte er herausgefunden, dass ihr Wort für Nein »als ob« lautete.

Bei ihrer Ankunft in der Telok Ayer Street hatte sie als Erstes ihren Schreibtisch und ihren Stuhl umgeräumt, um mehr Licht zu bekommen. Wer außer einem extrem unsensiblen Menschen würde von sich aus das Mobiliar im Büro eines Fengshui-Meisters umstellen? Von da an hatte sie die meiste Zeit in diesem Jargon mit ihren Freundinnen telefoniert und dabei so gelacht, wie nur Männer lachen durften. Wenn sie sich im Büro aufhielt, fand er es praktisch unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn mit McQuinnie zu arbeiten.

Problematisch war aber nicht nur der Lärm, den sie verbreitete. Jeden Vormittag gegen elf verschwand sie für zehn Minuten und kam mit einem Getränk zurück, das sie Latte nannte – einem Pappbecher voll Schaum, der das Büro nach bitterem Kaffee und Kuhmilch stinken ließ. Als wäre das nicht störend genug, schnupperte sie auch noch angeekelt nach dem würzigen Nasi kandar in seiner Lunchbox und rümpfte mit einem eindeutigen »Ääh!« die Nase. Sie selbst holte sich mittags Sandwiches, die dermaßen dick belegt...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2016
Übersetzer Ursula Ballin
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Asiatische Philosophie • Australien • Feng-shui • Fengshui • Großstadt • Hongkong • Kriminalroman • Spannung
ISBN-10 3-293-30602-0 / 3293306020
ISBN-13 978-3-293-30602-8 / 9783293306028
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