Die Honigtöchter (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
416 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-17681-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Honigtöchter -  Cristina Caboni
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Die geheime Sprache der Bienen erzählt von Liebe und der Vergangenheit einer Insel ...
Kurz nach Sonnenaufgang verlässt Angelica Senes eine Landstraße in Südfrankreich und folgt einem von Rosmarin und Lavendelbüschen gesäumten Weg. Sie sucht den Bienenstock auf, den man ihr anvertraut hat. Sie ist reisende Imkerin, und sie liebt ihre Freiheit. Auch wenn sie dabei das türkisblaue Meer ihrer Heimat Sardinien vermisst. Erst als ihre Patentante stirbt und ihr ein Cottage hinterlässt, kehrt Angelica zurück. Doch dort muss sie sich dem stellen, was sie einst zurückließ: ihrer Familie, den Geheimnissen der Insel - und Nicola, dem Mann, an den sie schon als Kind ihr Herz verlor ...

Cristina Caboni lebt mit ihrer Familie auf Sardinien, wo sie Bienen und Rosen züchtet. Ihr Debütroman Die Rosenfrauen verzauberte die Leser weltweit und stand in Deutschland wochenlang auf der Bestsellerliste. Ihr zweiter Roman Die Honigtöchter, der auf ihrer Heimatinsel spielt, und Die Oleanderschwestern waren ebenfalls große Erfolge. Der Zauber zwischen den Seiten ist nun Cristina Cabonis viertes Buch, das in der faszinierenden Welt der Bücher spielt.

1.

Rosmarinhonig (Rosmarinus officinalis)
Mild-aromatisch und zart. Der Honig des Neubeginns und der Klarheit. Er verleiht Mut zur Veränderung, und sein Geschmack erinnert an den Duft der Blüten, aus denen er gewonnen wird. Dieser Honig ist fast weiß und von cremiger Konsistenz.

Sonnenaufgang, ihre liebste Tageszeit. Wegen der Farben, der Stille und der Gerüche. Und wegen der ungeahnten Möglichkeiten, die einem der gerade erst beginnende Tag eröffnet.

Angelica Senes hatte schon viele Sonnenaufgänge erlebt. Alle gleich und doch so verschieden. In Spanien zum Beispiel bringt die aufgehende Sonne den Himmel zum Brennen, in der Luft hängt ein Geruch nach Tränen, aber auch nach Freiheit und Unendlichkeit. Die Sonnenaufgänge im Norden sind gleißend hell und kalt, zielgerichtet und effizient. In Griechenland durchbricht die Sonne ganz plötzlich die Dunkelheit wie bei einem Feuerwerk.

Und dann gab es da noch die Sonnenaufgänge ihrer Kindheit. Wie aus Kristall, ein grenzenloses Blau, in dem sich die eigene Seele spiegelt.

Die Spuren der schlaflosen Nacht noch in den Augen, stieg Angelica aus dem Campingbus, in der Hand ein Werkzeug, das wie ein Metallhaken aussah. Er schmiegte sich perfekt in ihre Hand, sie kannte jede Unebenheit auf dem ansonsten glatten Metall. Nach vorne spitz zulaufend, leicht und dennoch robust genug, um die vollen Honigwaben anzuheben. Der Haken war ihr verlängerter Arm.

In jenen Momenten, in denen sie geduldiger und nachsichtiger mit sich war, empfand Angelica dieses Werkzeug als ihr Markenzeichen. Miguel Lopez hatte es für sie angefertigt, der Verwalter des spanischen Imkerbetriebs, in dem sie die ersten Jahre gearbeitet hatte, nachdem sie von zu Hause weggegangen war. Über dem Landgut spannte sich ein tiefblauer Himmel, die Erde der umliegenden Hügel war rot, ideale Standortbedingungen für Rosmarin, dessen silbrig grüne Blätter in der Sonne glänzten. Damals hatte Angelica nur wenig gesprochen, was der alte Imker sehr geschätzt hatte. Deshalb hatte er sie auch auf seine Kontrollgänge zu den Bienenstöcken oder bei der Suche nach neuen Standorten mitgenommen.

Miguel hatte schnell erkannt, dass sie die Sprache der Bienen verstand. Eine äußerst seltene Gabe. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie jemanden wie Angelica Senes getroffen. In dieser jungen Frau steckte etwas Besonderes. Etwas Ererbtes aus alter Zeit.

Er hatte sie heimlich beobachtet. Sie redete nicht nur mit den Bienen, sie sang auch. Sie sang für die Tiere. Wenn ihre glockenreine Stimme über den blassblau schimmernden Rosmarinfeldern aufstieg, spürte Miguel, wie sein altes Herz schneller zu schlagen begann. Ein intensives Gefühl rief ihm Dinge ins Gedächtnis, die seit Jahren vergraben waren. Als er Angelica nichts mehr vermitteln konnte – sie wusste mehr über Bienen als irgendjemand sonst –, beschloss er, ihr etwas zu schenken, das sie nicht besaß: einen handgefertigten Wabenheber.

Ihr verlängerter Arm.

Er hatte den Haken aus einem Hufeisen geschmiedet, mit unendlicher Geduld, Schritt für Schritt, für schmale Finger und besonders leicht. Genau richtig für eine Frauenhand.

Seit jenem Tag trug Angelica den Metallhaken immer bei sich. Auch jetzt, während sie zum zweiten Rosmarinfeld hinüberging, hatte sie ihn dabei. Mehr brauchte sie nicht, um die Bienenstöcke zu kontrollieren. Die Felder erstreckten sich, so weit das Auge reichte, als wären sie ein blaugrünes Meer. Auf den von Tau bedeckten schmalen Blättern spiegelte sich das noch schüchterne Morgenlicht, die aufkommende leichte Brise trug den intensiven Geruch weit ins Land.

Rosmarin. Aus dem Nektar seiner Blüten wurde ein heller, fast weißer Honig, der innerhalb weniger Tage feinkörnig kristallisierte. Aromatisch-süß und cremig-mild. Ihre Lieblingssorte.

Die Feuchtigkeit der Nacht stieg empor, eine opalisierende Wolke, die sich nach und nach auflöste. Ein schokobrauner Mastino erwartete sie vor ihrem alten Campingbus, in dem sie schon seit Jahren lebte. Die wachen dunklen Augen folgten jeder Bewegung seiner Herrin. Als sie ihm mit der Hand ein Zeichen gab, stürmte ihr der riesige Hund entgegen.

»Komm, Lorenzo, Zeit zu gehen«, sagte sie und streichelte ihm den Kopf.

Auf dem Weg nach unten plante sie ihr weiteres Vorgehen. Hin und wieder drehte sie sich um und sondierte die Umgebung. Dabei schnupperte sie immer wieder, denn die meisten Gefahren lauerten in der Luft. Vor allem aber musste sie die Bienenstöcke selbst gesehen haben, bevor sie beurteilen konnte, welches Problem François Dupont hatte. Er hatte sie eine Woche zuvor engagiert, um herauszufinden, was mit seinen Bienen los war.

Angelica war Wanderimkerin, solche Probleme zu lösen war ihr Job.

Sie wusste alles über Bienen, das Summen der Tiere war Musik in ihren Ohren, eine Sprache, die sie perfekt beherrschte. Außerdem war sie in der Lage, Düfte, Geräusche und Umwelteinflüsse treffend zu analysieren. Sobald sie die Probleme der Bienen gelöst hatte, verschwand sie wieder.

Sie war eine Honigtochter, die letzte noch lebende Bewahrerin einer alten Kunst, die nur unter Frauen weitergegeben wurde.

Plötzlich stand sie vor der Einflugschneise. Alle Gedanken lösten sich auf, wie immer, wenn sie in diese Welt eintauchte, in ihre Welt. Alles um sie herum wurde unscharf. Die Bienen flogen an ihr vorbei und verschwanden, begleitet von einem melodischen Summen. Sie folgte ihnen mit dem Blick und entdeckte die Stöcke. Sie standen am Feldrand, dicht vor einer Hecke und damit gegen den Wind geschützt. Eine gute Entscheidung. Nichts war so schädlich für einen Bienenstock wie stürmischer Wind, und in dieser Region Frankreichs konnte der Mistral sogar Bäume entwurzeln.

Sie ging näher, wobei sie auf jedes Detail achtete. Als ihr Blick auf die dicht aneinandergereihten blauen Kästen fiel, wunderte sie sich.

»Nicht das kleinste Zeichen, keinerlei Markierungen an den Kästen. Die Luftzirkulation muss unglaublich sein«, murmelte sie, während sie alle Eindrücke in sich aufnahm. Dann schüttelte sie den Kopf. »Wie sollen sich die armen verstörten Bienen denn orientieren, Monsieur Dupont? An der Hausnummer etwa?«, fragte sie Lorenzo, der ihr hinterhertrottete. »Ein kleines Zeichen reicht, es muss ja nicht gleich die Sixtinische Kapelle sein«, murmelte sie kopfschüttelnd.

Sie war zwischen den Zweigen hindurch auf die Rückseite der Bienenstöcke gegangen. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass der Hund es sich unter einem Busch bequem gemacht hatte. Es war wie immer: Er blieb so lange an ihrer Seite, bis sie sich den Bienen näherte, ab da hielt er den Sicherheitsabstand ein.

»Du bist mir ein schöner Imkerhund, du solltest dich schämen«, sagte sie leicht vorwurfsvoll, aber mit einem Lächeln auf den Lippen.

Angelica streckte den Arm aus und schob den Metallhaken unter die Abdeckung des ersten Kastens. Mit einer fließenden Bewegung aus dem Handgelenk lüftete sie den Deckel und wartete, bis die Bienen hinausgeflogen waren. Sie schwirrten dicht an ihren Fingern vorbei. Angelica beobachtete ihr Verhalten aufmerksam. Die Bienen glänzten und wirkten gut genährt, mit ihren goldgelben und ockerfarbenen Streifen sahen sie wunderschön aus. Den Haken noch immer in der Hand, hob sie den Deckel vorsichtig ganz ab.

In diesem Moment begann sie zu singen. Die klare, harmonische Melodie schien über dem Feld zu schweben. Sie schloss die Augen, während der Liedtext durch sie hindurchströmte und ihr wie von selbst über die Lippen kam. Sie spürte den Rhythmus und die Sanftheit der Melodie auf der Zunge. Die Kraft floss von ihrem Herzen in die ausgestreckten Finger und von dort weiter zu den Bienen. Sie sang noch immer, und als ihr das heitere Summen der Bienen als Antwort entgegenschallte, schien sie mit ihnen zu fliegen.

Das Erste, was sie spürte, war die Wärme, die ihr wie ein Sommerwind aus dem Bienenstock entgegenströmte. Ein beruhigendes Gefühl, ihre Haut begann zu kribbeln. Ganz langsam legte sie den Deckel auf die Seite, bedächtig und hochkonzentriert. Einen Moment später begann sie wieder zu singen.

Die Nisthöhle, die ein großes Volk beherbergte, schien in Ordnung zu sein. Die Bienen flogen heraus und drängten sich alle im ersten der Stöcke zusammen, um den Eindringling neugierig zu beobachten. Die schweren, perlmuttfarben schimmernden Bienenwaben dufteten nach Honig, unter den sich schwacher Rauchgeruch mischte.

Vorsichtig hob Angelica den ersten Wabenrahmen an, schätzte den Bestand und begutachtete die Nisthöhle. Sie hatte sich einen schweren Rahmen ausgesucht, auf dessen sechseckigen Zellen die Arbeiterinnen umherliefen. Nachdem sie die dünne Wachsschicht durchbrochen hatten, mit der die Wabenzellen verschlossen waren, krochen die neugeborenen Bienen langsam heraus, noch von einer dünnen Schmierschicht bedeckt. Sofort wurden sie von den Arbeiterinnen empfangen, die sie mit ihren Antennen und Beinen liebkosten, während sich die Flügel der Jungen zum ersten Mal entfalteten.

Ein magischer Augenblick. Die Geburt eines Lebewesens war immer etwas Besonderes. Angelica war fasziniert, sie schien genau das zu erleben, was die Bienen auch erlebten, und das zu spüren, was die Bienen auch spürten, als wäre sie ein Teil des Volkes. Sie beobachtete die Arbeiterinnen, die nach ihrer Rückkehr in den Stock im Kreis zu tanzen schienen, während andere den heruntergefallenen Blütenstaub aufsammelten oder Nektartropfen aufsaugten und sie in die Waben transportierten.

Alles war perfekt organisiert, jede einzelne Biene hatte ihre Aufgabe und kannte ihren Platz im Volk ganz genau.

Ein Gedanke raubte Angelica den Atem. Sie...

Erscheint lt. Verlag 20.6.2016
Übersetzer Ingrid Ickler
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel La custode del miele e delle api
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bienen • Das Lavendelzimmer • eBooks • Frankreich • Frauenromane • Imker • Insel • Italien • Liebesromane • Romane für Frauen • Sardinien • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • Südfrankreich
ISBN-10 3-641-17681-6 / 3641176816
ISBN-13 978-3-641-17681-5 / 9783641176815
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