Das Gesetz des Sterbens (eBook)
480 Seiten
Manhattan (Verlag)
978-3-641-18307-3 (ISBN)
Detective Inspector Siobhan Clarke untersucht den Tod eines Edinburgher Anwalts, der von einem Einbrecher in seiner Wohnung getötet wurde. Doch der Fall wird rätselhaft, als man eine anonyme Botschaft an den Anwalt findet: 'Ich bringe dich um für das, was du getan hast.' Dieselbe Botschaft hat auch Edinburghs Unterweltgröße Big Ger Cafferty erhalten, kurz bevor auf ihn geschossen wird. Cafferty bleibt unverletzt, schweigt aber über mögliche Feinde. Schließlich bittet Clarke den kürzlich in den Ruhestand versetzten John Rebus um Hilfe. Er ist der Einzige, mit dem Cafferty zu sprechen bereit ist. Steckt hinter den Taten ein Verbrecherclan aus Glasgow? Dem geht DI Malcolm Fox nach, während Rebus eine andere Spur verfolgt. Die führt ihn in Edinburghs Vergangenheit, zu einem Haus, in dem Schreckliches geschehen ist ...
Ian Rankin, geboren 1960, ist Großbritanniens führender Krimiautor. Seine Romane sind seit Jahren fester Bestandteil der internationalen Bestsellerlisten. Er wurde mit dem Order of the British Empire geehrt, außerdem erhielt er den British Book Award und zahlreiche andere renommierte Preise. Er lebt in Edinburgh.
1
Wieder erwachte Malcolm Fox aus einem Albtraum.
Er glaubte zu wissen, warum er neuerdings so schlecht schlief – es musste an der Ungewissheit liegen, was seinen Job anging. Eigentlich war er gar nicht sicher, ob er ihn überhaupt noch wollte, und gleichzeitig fürchtete er, längst überflüssig geworden zu sein. Gestern hatte man ihn nach Dundee geschickt, wo er jemanden vertreten sollte. Als er sich nach den Gründen erkundigte, hatte man ihm erklärt, der Kollege dort sei nach Glasgow beordert worden, um für einen anderen einzuspringen.
»Wär’s dann nicht einfacher, ich würde nach Glasgow fahren?«, hatte Fox vorgeschlagen.
»Sie können ja mal nachhaken.«
Also hatte er den Hörer genommen, genau das getan und dabei erfahren, dass der Kollege aus Glasgow nach Edinburgh kommen sollte, um einen personellen Engpass hier zu überbrücken – an diesem Punkt hatte Fox sich geschlagen gegeben und war nach Dundee gefahren. Und heute? Wer wusste das schon. Anscheinend konnte sein Chef in St Leonard’s nichts mit ihm anfangen. Er war ein Detective Inspector zu viel.
»Die sitzen alle nur ihre Zeit ab«, hatte sich DCI Doug Maxtone herausgeredet. »Und verstopfen das ganze System, dabei sollten sich einige von denen endlich ihre goldene Uhr abholen und in den Ruhestand verabschieden …«
»Verstehe«, hatte Fox gesagt. Auch er selbst befand sich nicht mehr im idealistischen Rausch der Jugend – noch drei Jahre, und er konnte sich bei vernünftigen Bezügen und verbliebener Vitalität pensionieren lassen.
Unter der Dusche dachte er über die Alternativen nach. Für den Bungalow in Oxgangs, den er sein Heim nannte, würde er einen guten Preis bekommen und sich mit dem Geld auch woanders niederlassen können. Aber er musste auch an seinen Vater denken – Fox konnte nicht zu weit wegziehen, nicht solange Mitch lebte. Und dann war da noch Siobhan. Sie waren kein Paar, verbrachten aber immer mehr Zeit miteinander. War einem von beiden langweilig, wussten sie, dass man jederzeit anrufen konnte. Sie gingen zusammen ins Kino oder essen oder setzten sich mit Knabberkram vor eine DVD. Zu Weihnachten hatte sie ihm ein halbes Dutzend Filme geschenkt; drei davon hatten sie noch vor Ende des Jahres gesehen. Beim Anziehen dachte er an sie. Sie liebte ihren Job mehr, als er seinen liebte. Wenn sie sich trafen, war sie stets erpicht darauf, Neuigkeiten und Tratsch auszutauschen, er zuckte allerdings meist nur mit den Schultern, steuerte höchstens hier und da mal ein paar Brocken bei. Diese verschlang sie dann wie Delikatessen, selbst wenn er oft nur trockenes Brot servierte. Nach wie vor arbeitete sie am Gayfield Square, James Page war ihr direkter Vorgesetzter. Anscheinend waren die Strukturen dort besser als in St Leonard’s. Fox hatte an Versetzung gedacht, wusste aber gleichzeitig, dass dies ausgeschlossen war – dort würde genau dasselbe Problem entstehen. Ein DI zu viel.
Vierzig Minuten nach dem Frühstück parkte er hinter St Leonard’s. Er blieb ein paar Augenblicke länger im Wagen sitzen, sammelte sich, fuhr mit den Händen über das Lenkrad. In Zeiten wie diesen würde er am liebsten rauchen – nur um etwas zu tun zu haben und um sich von sich selbst abzulenken. Stattdessen legte er sich ein Kaugummi auf die Zunge und schloss den Mund. Ein uniformierter Kollege war durch den Hinterausgang der Wache auf den Parkplatz getreten und machte ein Päckchen Zigaretten auf. Als Fox auf ihn zukam, trafen sich ihre Blicke, der andere nickte fast unmerklich. Er wusste, dass Fox früher für Professional Standards gearbeitet hatte – alle auf der Wache wussten es. Einigen schien es nichts auszumachen; andere machten keinen Hehl aus ihrer Abneigung. Sie sahen ihn böse an, antworteten mürrisch, schlugen ihm Türen vor der Nase zu, anstatt sie aufzuhalten.
»Du bist ein guter Polizist«, hatte Siobhan ihm mehr als einmal versichert. »Ich wünschte, du würdest das auch so sehen …«
Als er die Büros des CID erreichte, merkte Fox, dass etwas vor sich ging. Stühle und andere Möbelstücke wurden verschoben. Sein Blick traf den eines stinkwütenden Doug Maxtone.
»Wir müssen Platz schaffen für ein neues Team«, erklärte dieser.
»Ein neues Team?«
»Aus Gartcosh, das heißt eigentlich fast Glasgow – und Sie wissen ja, was ich von denen halte.«
»Aus welchem Grund?«
»Sagt einem ja keiner.«
Fox kaute auf seinem Kaugummi herum. Gartcosh, ein altes Stahlwerk, das inzwischen den Scottish Crime Campus beherbergte. Im vergangenen Sommer war der Betrieb dort aufgenommen worden, aber Fox hatte bislang noch keine Gelegenheit gehabt vorbeizuschauen. Untergebracht waren in dem Gebäude neben der Polizei auch Staatsanwälte, Gerichtsmediziner und bestimmte Abteilungen der Zollbehörde. Unter anderem beschäftigte man sich dort mit organisiertem Verbrechen und Terrorismusbekämpfung. »Wie viele haben wir denn die Ehre willkommen heißen zu dürfen?«
Maxtone sah ihn stinksauer an. »Ehrlich gesagt, Malcolm, ich habe nicht vor, auch nur einen einzigen willkommen zu heißen. Aber wir brauchen Tische und Stühle für ein halbes Dutzend.«
»Außerdem Computer und Telefone?«
»Die bringen sie selbst mit. Allerdings wird …« Maxtone zog ein Blatt Papier aus der Tasche und las demonstrativ nach, »›zusätzliche Hilfestellung, je nach Bedarf‹ verlangt.«
»Kam das von oben?«
»Vom Chief Constable persönlich.« Maxtone zerknüllte den Zettel und warf ihn vage Richtung Papierkorb. »In einer Stunde sind sie da.«
»Soll ich ein bisschen staubwischen?«
»Warum nicht? Einen Sitzplatz haben Sie sowieso nicht mehr.«
»Ich verliere meinen Stuhl?«
»Und den Schreibtisch auch.« Maxtone atmete geräuschvoll ein und wieder aus. »Wenn Sie also noch was in den Schubladen haben, das Sie anderen lieber vorenthalten würden …« Er rang sich ein grimmiges Grinsen ab. »Wahrscheinlich wären Sie jetzt lieber einfach im Bett geblieben, hm?«
»Viel schlimmer, Sir – ich wünschte, ich wäre noch in Dundee.«
Siobhan Clarke hatte auf dem St Bernard’s Crescent im Halteverbot geparkt, einer äußerst eleganten Straße in der New Town Edinburghs; Säulen zierten die Hauseingänge, bodentiefe Fenster waren hier Standard. Zwei halbkreisförmige Reihen georgianischer Bauten standen einander gegenüber, dazwischen ein kleiner privater Garten mit Bäumen und Bänken. Raeburn Place lag mit seinen Geschäften und Restaurants nur zwei Gehminuten entfernt, ebenso der Water of Leith. Sie war ein paarmal mit Malcolm samstags zum Markt gegangen und hatte gescherzt, dass er doch seinen Bungalow gegen eine Wohnung in einem der Colony Houses hier eintauschen könnte.
Ihr Handy brummte: Wenn man vom Teufel spricht. Sie ging dran.
»Wieder unterwegs im hohen Norden?«
»Gerade nicht«, sagte er. »Aber hier ist großes Stühlerücken angesagt.«
»Ich hab auch Neuigkeiten – ich wurde den Ermittlungen im Fall Minton zugeteilt.«
»Wann?«
»Heute Morgen, ich hätte es dir beim Mittagessen erzählt. James wurde mit der Leitung beauftragt, und er wollte mich dabeihaben.«
»Verständlich.«
Sie schloss ihren Wagen ab und ging auf die glänzend schwarze Haustür mit dem ebenso glänzenden Messingklopfer und Briefschlitz zu. Eine uniformierte Beamtin stand davor Wache; sie erkannte Clarke und verneigte sich andeutungsweise, was diese mit einem Lächeln quittierte.
»Zeit für einen Kaffee?«, fragte Fox und versuchte, möglichst lässig zu klingen, wobei sie aber merkte, dass es ihm wichtig war.
»Ich muss Schluss machen, Malcolm. Wir sprechen uns später.« Clarke beendete die Verbindung und wartete, dass ihr die Beamtin die Tür aufschloss. Journalisten waren keine dort – die waren schon wieder abgezogen. Ein paar Blumensträuße lagen auf den Stufen vor dem Haus, vermutlich hatten Nachbarn sie dorthin gelegt. Rechts von der Tür befand sich ein altmodischer Klingelzug, darüber ein Namensschild in Großbuchstaben: MINTON.
Als die Tür aufging, bedankte Clarke sich bei der Kollegin und trat ein. Post lag auf dem Parkettboden. Sie hob sie auf und sah, dass sich auf einem Beistelltischchen noch mehr Briefe stapelten. Diese waren bereits geöffnet und geprüft worden, vermutlich von den Kollegen des Einsatzteams. Die üblichen Werbezettel und Flyer befanden sich darunter, sogar für ein indisches Restaurant mit Bestellservice im Süden der Stadt, das auch Clarke kannte. Dass Lord Minton sich Mahlzeiten zum Mitnehmen holte, konnte sie sich nicht so recht vorstellen, aber genau wusste man das nie. Die Spurensicherung hatte auch im Eingangsbereich alles auf Fingerabdrücke abgesucht. Lord Minton – David Menzies Minton, wie er korrekt und vollständig hieß – war vor zwei Tagen ermordet worden. In der Nachbarschaft hatte niemand etwas von dem Einbruch oder Überfall mitbekommen. Wer auch immer es getan hatte, war im Dunkeln über einige Mauern geklettert und neben der verschlossenen und verriegelten Hintertür durch ein kleines Fenster im ebenerdig gelegenen Hauswirtschaftsraum eingestiegen. Er hatte das Fenster eingeschlagen und war reingeklettert. Minton hatte im Erdgeschoss in seinem Arbeitszimmer gesessen. Laut Autopsie hatte er Schläge auf den Kopf bekommen und war anschließend erwürgt worden, anscheinend war auch nach Todeseintritt noch auf seinen leblosen Körper eingeprügelt worden.
Clarke stand in dem stillen Eingangsbereich und orientierte sich. Dann nahm sie eine Mappe aus ihrer Schultertasche und las noch einmal nach. Das...
Erscheint lt. Verlag | 16.5.2016 |
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Reihe/Serie | Ein Inspector-Rebus-Roman | Ein Inspector-Rebus-Roman |
Übersetzer | Conny Lösch |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Even Dogs in the Wild |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Big Ger Cafferty • eBooks • Edinburgh • John Rebus • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Malcolm Fox • morddrohung • Nummer-1-Bestseller in Großbritannien • Rache • Schottland • Siobhan Clarke • Spiegelbestseller • Sunday Times Bestseller |
ISBN-10 | 3-641-18307-3 / 3641183073 |
ISBN-13 | 978-3-641-18307-3 / 9783641183073 |
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