Reise eines Erdbewohners in den Mars -  Carl Ignaz Geiger

Reise eines Erdbewohners in den Mars (eBook)

Neu bearbeitete Ausgabe

(Autor)

ofd edition (Herausgeber)

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2018 | 1. Auflage
94 Seiten
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978-3-8423-4602-4 (ISBN)
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Das Buch "Reise eines Erdbewohners in den Mars" erschien ein Jahr nach der Französischen Revolution. Es steht in der Tradition utopischer Romane, wie sie von Thomas Morus ("Utopia") oder Jonathan Swift ("Gullivers Reisen") verfasst wurden. Carl Ignaz Geiger lässt seine Protagonisten allerdings nicht auf ferne Inseln reisen, sondern auf einen anderen Planeten, auf dem sie Bewohner vorfinden, die unter verschiedenen Staatsformen leiden. Erst zum Schluss ihrer Reise gelangen die Abenteurer in einen Staat, in dem Frieden und Freiheit herrschen. Mit ihrem Spott über die Kirche, deren Lehrmeinungen und die Handlungsweisen von Herrschereliten bereitet es auch heute noch Vergnügen, diese Geschichte zu lesen. Wie bei allen Werken der ofd edition wurde die ursprüngliche Druckfassung nicht automatisiert kopiert, sondern sorgfältig editiert und der aktuellen Rechtschreibung angepasst. Neben einer Übertragung in ein aktuelles, verständliches Deutsch enthält dieser Band die Originalfassung des Textes.

Carl Ignaz Geiger (1756 - 1791) gehört zu den heute praktisch komplett in Vergessenheit geratenen Schriftstellern. Seine Spezialität waren neben Lustspielen teils äußerst bissig verfasste Reiseerzählungen, in denen er den Staat und vor allem die Kirche aufs Korn nahm. Um sich Schwierigkeiten zu ersparen, veröffentlichte er seine Werke häufig unter einem Pseudonym.

Reise eines Erdbewohners auf den Mars



Pictoribus atque poetis quodlibet audendi semper fuit æqua potestas.

(Malern und Dichtern war es stets erlaubt zu wagen, was immer beliebt.)

Horat (65 - 8 v. Chr.) , Ars poetica, 9-10



Inspicere tamquam in speculum – suadeo

(Schauen Sie, wie in den Spiegel – ich rate dazu)
Terenz (2. Jahrhundert v. Chr.)




Lange sah ich aus einem fremden Weltteile mit Ärgernis dem kindischen Spiele zu, das Europa, in unserem tändelnden Jahrhundert, mit Luftballons und Luftschiffen trieb, und lachte darüber, wie wichtig man dabei tat und über das Zetergeschrei, das man über eine nützliche und wichtige Erfindung erhob, wenngleich es sich bei der Sache um nicht mehr und nicht weniger handelt, als wir es bei den Kinder alle Tage sehen, wenn sie mit ihren Seifenblasen und ihren papiernen Drachen spielen, die hoch in der Luft fliegen, wohin sie der Wind treibt, nur mit dem Unterschied, dass unsere Luftschiffe mit buntem Taft überzogen, und mit zierlichen Fransen verziert sind, und darin ein französischer Windbeutel sitzt, luftig genug, um von der Luft getragen zu werden. Mehr noch lachte ich, als ich darüber in meinen Büchern nachschlug, und in Sturmii colleg. curios. fand, dass bereits im Jahre 1670 ein Jesuit in China, P. Lana, und ein gewisser P. Bartholomeo in Spanien, die Kunst in der Luft zu schiffen ans Licht gebracht, und dass ersterer sogar ein Werk unter dem Titel „Prodromo della arte maestra“, über diese Kunst und über die Einrichtung dieser Maschinen herausgegeben habe, worin er bewies, wie man ein Schiff in der Luft steuern und lenken könnte, wohin man wollte.


Abermals, sage ich es: eine Erfindung aus der Vergangenheit, die unser prahlerisches Jahrhundert als seine eigene ausgibt, und auch diese noch dazu verstümmelt!


Ich dachte indes über die Erfindung des P. Lana nach, und sann auf Mittel, sie ausführbar zu machen. Ich zog darüber andere Gelehrte zu Rate, schrieb sogar an solche in fernen Ländern, und da mir das Glück beträchtliche Reichtümer beschert hatte, sparte ich keine Kosten, mein Ziel zu erreichen. Es gelang uns. Mein Mut wuchs dadurch. Ich verfiel nun darauf, dass es auch nicht unmöglich sei, eine Reise außerhalb unseres Planeten zu machen, und beschloss ein für alle Mal, den Versuch zu wagen, denn in dem Unsrigen schien mir überdies alles, durch die vielen Reisenden und Reisebeschreibungen zu Wasser und zu Lande, so ganz erschöpft, dass nicht ein handgroßes Plätzchen mehr übrig blieb, über das sich noch etwas hätte sagen lassen, das nicht schon hundertmal satirisch, moralisch, politisch, geographisch, historisch, statistisch usw. gesagt worden wäre.


Da nun aber die größte Schwierigkeit, die, wie man bisher glaubte, die Reise nach einem fremden Planeten unmöglich macht, darin besteht, dass wir, aus Mangel an Luft, uns nicht außerhalb unserer Atmosphäre emporschwingen können, hatte ich, mit Hilfe meiner Gelehrten, Mittel erfunden, wodurch das Schiff mit einem solchen Vorrat von Luft versehen werden konnte, dass wir damit leicht die oberen Regionen zu erreichen imstande waren.


Wie dies geschah – und wie überhaupt das Schiff, das ich dazu errichten ließ, gebaut war, darüber werde ich noch eine besondere Abhandlung, samt der weitläufigen Beschreibung, verfassen, um nicht, wie irgendein deutscher Reiseerzähler, durch die Beschreibung meines Fahrzeuges, beinahe die Hälfte meines Buches zu füllen.


Da ich irgendwo gelesen hatte, dass ein gar gelehrter Mann in Preußen hinten an seinen Reisewagen einen Meilenmesser hatte anbringen lassen, ließ ich einen ebensolchen am Schwanz meines Luftschiffes montieren. Und nachdem mir ein großer Astrologe die Videnda im Mond und in der Venus in meine Schreibtafel notiert hatte, trat ich mit meinem ältesten Sohn, einem Paar geschickter Naturkundiger – die hier die Luftsteuermänner waren – und einigen Ruderknechten meine Reise an, im Vertrauen in Gott, mutig und ohne Bedenken. Die Reise dürfte dem Publikum vielleicht unglaublich scheinen, weil sie ihm noch unbekannt sein wird; was aber daher kommt, dass wir in meinem Weltteil weniger öffentliche Neuigkeitstrompeter haben als in Europa, und ich darüber nicht vor der Zeit ein Geschrei in die Welt erheben wollte, wie es die Europäer über ihren Luftballon mit in die Welt hinausposaunt haben.


Wir hatten uns, nach unserem Meilenmesser, etwa eine deutsche Meile weit über die Oberfläche der Erde erhoben, als unsere Steuermänner es für nötig befanden, von unserem Luftvorrat Gebrauch zu machen, was sie auch mit so viel Vorsicht und Geschicklichkeit taten, dass wir die Verschiedenheit der Sphäre, in der wir schwebten, kaum empfanden, und dass unser Schiff mit einer bewundernswürdigen Schnelligkeit immer weiter und weiter in den Himmel stieg.


Zum Unglück zerbrach durch das Versehen eines unserer Ruderknechte der Meilenmesser, und ich kann daher die geometrische Länge des Raumes, den wir durchschifften, unmöglich bestimmen. Nur so viel weiß ich noch, dass unseren Steuermännern bereits wegen des Luftvorrats bange zu werden begann, als wir bemerkten, dass sich uns ein neuer Luftkreis öffnete, der den Vorrat der unsrigen unnötig machte. Bald darauf schrien unsere Leute „Land! Land!“, und wir wurden mit Erstaunen eine Art von Gelände gewahr, ähnlich demjenigen auf unserem Planeten, das sich immer weiter und weiter ausdehnte, und uns endlich rings umgab. Mit einem Wort: Wir befanden uns – auf dem Mars!


Wir sahen jetzt Wälder und Flüsse und Berge und Städte. Aber die letzteren waren sehr verschieden von den unsrigen. Die Häuser waren nicht aus Stein, sondern aus einer weit leichteren, aber ebenso festen Masse erbaut, die der dortige Boden, wie der unsrige die Steine, hervorbringt. Was uns dabei von ferne am meisten erstaunte, war, dass wir verschiedene Häuser sich von der Stelle bewegen und ziemlich geschwinde fortwandeln sahen. Es hat damit folgende Bewandtnis: Die Häuser sind klein, niedrig, selten höher als ein Stockwerk, länger als breit, und alle auf einer Art von Walzen so künstlich gebaut, dass man sie besonders auf einem Boden wie diesem, der gar nicht steinig und sehr flach ist, leicht von einem Orte zum andern bewegen kann. Deshalb fahren die Vornehmeren öfters in ihren Häusern nicht nur spazieren, sondern unternehmen auch kleine Reisen, wobei man dort eine Art von Tieren einsetzt, die unseren Kamelen sehr ähnlich sind, abgesehen davon, dass sie nicht den hohen Rücken derselben haben. Diesen Tieren ist eine außerordentliche Stärke und Schnelligkeit eigen. Ihrer zwei ziehen ein mittelmäßiges Haus gemächlich fort, und laufen damit am Tage 12, 15 Stunden. Nur die Ersten und Reichsten des Landes lassen derer vier, sechs oder acht vor ihre Häuser spannen; der Regent aber, oder, wie er in der Sprache des Landes heißt, der Hochgewaltige, fährt mit vierundzwanzig! Geht er aus, so wird nach der Sitte des Landes der gesamte Weg, den er benutzt, mit Menschen belegt, über deren Rücken er einherschreitet, eine Gewohnheit, die der jetzige Regent sich jedoch verbeten hatte.


Die Beweglichkeit der Häuser verschafft den Einwohnern den Vorteil, dass sie ihren Wohnort nach Belieben sehr leicht ändern können. Manche Stadt wächst daher oft plötzlich zur größten des Landes an, dann aber ist sie auf einmal wieder die kleinste, und an manchen Stellen, an denen sich zuvor keine Hütte befand, sieht man im Handumdrehen Städte entstehen. Andererseits ist die Sache auch nicht ohne Tücke. Es wird nämlich für eine Schande gehalten, sich ohne sein Haus irgendwohin zu begeben, also zu Fuß zu gehen, dies tun gewöhnlich nur solche Leute, die keine eignen Häuser besitzen, welches in Papaguan – so heißt dieses Land – nicht wenig entehrt.


Bei unserer Ankunft hatte sich gleich eine sehr große Menge von Menschen um uns her versammelt, die höchstes Erstaunen über eine so wunderbare Erscheinung zeigten. Bald sahen wir uns von einer ungeheuren Schar umringt, wovon uns viele betasteten, befühlten, unser Schiff untersuchten, und sich durch Worte, die wir nicht verstanden, dann durch Zeichen und Gebärden bemühten, Aufklärung über uns und unsere Herkunft zu erlangen.


Die Nachrichten über die seltsame Erscheinung drangen bis zu dem Hochgewaltigen vor. Er schickte Gesandte, uns aufzusuchen, und da ihm gesagt worden war, dass wir eine Sprache sprächen, die niemand verstünde, hatte er vorsichtshalber drei der gelehrtesten Priester auserwählt, die sich rühmten, jede Sprache verstehen zu können, die außer ihnen niemandem geläufig war.


Das Volk zerteilte sich ehrerbietig, als sie bei uns eintrafen, und wir schlossen daraus auf ihre Würde und die Art ihres Geschäfts. Wir empfingen sie also mit aller Höflichkeit und Ehrerbietung, und nachdem sie uns in mehreren Sprachen angeredet hatten, die uns alle gleichermaßen unverständlich waren, glückte es einem, sich in einem Mischmasch verständlich zu machen, der größtenteils aus einer Art einfachem Latein bestand, und das auf diesem Planeten, wie wir nachher feststellten, zu den vornehmen Sprachen gehörte.


Er erklärte uns den Auftrag seines Fürsten, und ich sagte ihm meinerseits, dass wir von einem fremden Planeten kämen, und dass uns ganz allein die Wissbegierde hierher geführt habe. – Wie? was? Von einem fremden Planeten – schrien sie alle ganz erstaunt. – Gibt es denn auch noch eine Welt außer der Unsrigen? Einen Planeten, der bewohnt wird, außer dem Unsrigen? – Ich bewies es...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
ISBN-10 3-8423-4602-6 / 3842346026
ISBN-13 978-3-8423-4602-4 / 9783842346024
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