Zersetzt (eBook)
432 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-43773-5 (ISBN)
Prof. Dr. Michael Tsokos, Jahrgang 1967, ist Professor für Rechtsmedizin und leitet das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Michael Tsokos ist der bekannteste deutsche Rechtsmediziner und regelmäßig als Experte im In- und Ausland tätig, beispielsweise für das BKA bei der Identifizierung der Opfer von Terrorangriffen und Massenkatastrophen. Seine bisherigen 26 Bücher waren allesamt SPIEGEL-Bestseller. Folgen Sie Michael Tsokos auf Instagram: @dr.tsokos
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 25/2016) — Platz 20
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 24/2016) — Platz 16
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 23/2016) — Platz 11
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 22/2016) — Platz 9
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 21/2016) — Platz 9
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 20/2016) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 19/2016) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 18/2016) — Platz 3
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 17/2016) — Platz 7
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 16/2016) — Platz 9
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 15/2016) — Platz 8
Prof. Dr. Michael Tsokos, Jahrgang 1967, ist Professor für Rechtsmedizin und leitet das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Michael Tsokos ist der bekannteste deutsche Rechtsmediziner und regelmäßig als Experte im In- und Ausland tätig, beispielsweise für das BKA bei der Identifizierung der Opfer von Terrorangriffen und Massenkatastrophen. Seine bisherigen 26 Bücher waren allesamt SPIEGEL-Bestseller. Folgen Sie Michael Tsokos auf Instagram: @dr.tsokos Andreas Gößling, 1958 in Gelnhausen geboren, lebt als Schriftsteller und Verleger in Berlin. Der Germanist, Politik- und Kommunikationswissenschaftler hat zahlreiche Romane und Sachbücher für erwachsene und junge Leser publiziert. Die True-Crime-Thriller "Zerschunden", "Zersetzt" und "Zerbrochen" zusammen mit Michael Tsokos waren allesamt Top-Ten-Bestseller auf der Spiegel-Liste. "Rattenflut" ist der dritte und abschließende Teil seiner mit "Wolfswut" und "Drosselbrut" gestarteten True-Crime-Reihe.
1
Berlin, Treptowers,
BKA-Einheit »Extremdelikte«, Besprechungsraum,
Dienstag, 5. September, 07:30 Uhr
Sichtlich gut gelaunt eröffnete Professor Paul Herzfeld um Punkt halb acht die Frühbesprechung. Vor ihm lag ein Stapel mit Schnellheftern, auf dem sein Smartphone thronte, ein nagelneuer Blackberry von beeindruckenden Ausmaßen. Anders als gewöhnlich blieb Herzfeld neben seinem Stuhl am Kopfende des Konferenztischs stehen, als wollte er gleich eine Rede halten oder zu einem anderen Termin weitereilen.
Eher wohl Letzteres, dachte Dr. Fred Abel.
Dafür sprach auch, dass der Leiter der BKA-Einheit »Extremdelikte« im dunkelblauen Anzug mit Weste und Krawatte erschienen war. Den weißen Medizinerkittel hatte er offenbar nur der Form halber übergestreift und nicht einmal zugeknöpft. Als sein Stellvertreter war es Abel gewöhnt, bei Meetings genauso wie im Sektionssaal für seinen Chef einzuspringen. Herzfeld war ein weltweit renommierter Rechtsmediziner und entsprechend häufig zu Konferenzen oder Sondereinsätzen auf allen Kontinenten unterwegs.
»Spannende neue Fälle warten auf uns, meine Damen und Herren«, sagte Herzfeld. Seine Augen funkelten, seine tiefe, wohlklingende Stimme füllte den mausgrau möblierten Raum. Mit einer Körperlänge von gut einem Meter neunzig und der Physiognomie eines bekannten Hollywoodschauspielers war er eine imposante Erscheinung. Selbst der japanische Gastarzt Dr. Takahito Hayashi hing an seinen Lippen, obwohl er kaum Deutsch verstand.
»Verdacht auf Waterboarding im Regierungsviertel«, fuhr Herzfeld fort, »Dr. Horstmar von der Rechtsmedizin der Charité wird Sie gleich über die Faktenlage informieren.« Er nickte einem jungenhaft wirkenden Mann Mitte dreißig zu, der am hinteren Tischende saß und in einem blassrosa Schnellhefter blätterte. Abel meinte die Anspannung des Kollegen von der Charité förmlich spüren zu können.
Sie hatten sich in dem fensterlosen Besprechungsraum der Treptowers am Spreeufer versammelt, in dem die allmorgendliche Frühbesprechung mit allen Mitarbeitern ihrer Abteilung stattfand. Seinen Namen verdankte der Bürokomplex dem hundertfünfundzwanzig Meter hohen, glasummantelten Turm, der die ansonsten nüchtern-zweckmäßige Anlage im Südosten der deutschen Hauptstadt dominierte. Von der grandiosen Aussicht, die man von der Dachterrasse aus genießen konnte, hatten Abel und seine Kollegen allerdings wenig. Ihre rechtsmedizinische Sonderabteilung befand sich im zweiten Untergeschoss.
Obwohl es hier im Besprechungsraum eher kühl war, wies Horstmars hellblaues Hemd CD-große Schweißflecke unter den Achseln auf. Der Kollege ist voll auf Adrenalin, ging es Abel durch den Kopf. Horstmar schien seinen Blick zu spüren. Er blickte von seiner Akte auf und sah Abel durchdringend an.
Jagdfieber. Sein kriminalistischer Instinkt ist geweckt, dachte Abel und nickte ihm mit der Andeutung eines Lächelns zu. Er empfand spontane Sympathie für den rund zehn Jahre jüngeren Mann. Nur wenige Rechtsmediziner fühlten sich dazu berufen, als »Kommissar mit Knochensäge« aktiv an Ermittlungen teilzunehmen, und unter diesen Kollegen waren die raren Jobs in der BKA-Einheit »Extremdelikte« heiß begehrt. Abel selbst hatte vor vier Jahren Herzfelds Angebot angenommen und war rasch zu dessen Stellvertreter aufgestiegen, nachdem der vorherige Vize aus Altersgründen ausgeschieden war. Seit seinem ersten Tag in Herzfelds Abteilung war Abel überzeugt davon, seinen Traumjob gefunden zu haben.
»Und dann ist da noch ein weiterer mutmaßlicher Serienmörder.« Herzfeld hielt inne und überflog die erste Seite eines Schnellhefters, den er aus dem Stapel gezogen hatte.
»Eine aufmerksame junge Kollegin vom Brandenburgischen Landesinstitut«, fuhr er fort, »hat im Krematorium die gesetzlich vorgeschriebene Feuerbestattungs-Leichenschau bei einem angeblich an Leberversagen verstorbenen Mann vorgenommen und dabei eine sonderbare Entdeckung gemacht. Laut Totenschein litt der sechsundfünfzigjährige Immobilienmakler an Lebermetastasen bei unheilbarem Dickdarmkrebs. Die Kollegin wurde stutzig, als sie bei der äußeren Leichenschau keine gelbliche Verfärbung der Haut des Toten oder seiner Augenbindehäute feststellen konnte, wie wir es bei Lebermetastasen und der daraus resultierenden Gelbsucht erwarten würden. Im Gegenteil, seine Haut und seine Bindehäute waren lilienweiß, wie sich die Kollegin ausdrückt.«
Kurz sah er zu Dr. Murau hinüber, der die Lippen gespitzt hatte und anerkennend nickte. Murau war ein hervorragender Rechtsmediziner, aber fast noch eindrucksvoller war sein Repertoire an düsterer Poesie. Der Mittdreißiger mit dem dezenten Spitzbauch schien sämtliche Gedichte von Baudelaire und Gottfried Benn auswendig zu kennen. Da ihre Abteilung auf die Aufklärung besonders grausamer oder ungewöhnlicher Gewaltdelikte spezialisiert war, bekamen sie praktisch jeden Tag bizarr zugerichtete menschliche Überreste auf den Sektionstisch. Als typischer Wiener hatte Murau stets ein paar makabre Verse und eigene feinsinnige Bosheiten parat, die das vor ihnen ausgebreitete Schicksal auf den Punkt brachten.
»Dachte mir, dass Ihnen das Adjektiv gefällt«, kommentierte Herzfeld und ließ sein fanfarenartiges Lachen ertönen.
Er war in auffällig guter Stimmung. Abel versuchte, sich den zweifellos spektakulären Sonderauftrag vorzustellen, der Herzfeld in derart blendende Laune versetzte. Erst vor ein paar Tagen war Herzfeld ins Auswärtige Amt gerufen worden. Wie Abel am Rande mitbekommen hatte, waren bei dem eilends anberaumten Treffen neben dem Außenminister und dem Generalbundesanwalt auch die Bundesminister des Innern und der Verteidigung zugegen gewesen.
»Leider kann unsere Brandenburger Kollegin ihre Entdeckung nicht persönlich erläutern, da ihr ein anderer Termin dazwischengekommen ist«, fuhr Herzfeld fort. »Was vor allem, aber nicht ausschließlich aus fachlichen Gründen zu bedauern ist.«
Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, als hoffte er, die junge Rechtsmedizinerin doch noch unter den Anwesenden zu entdecken. Ähnlich wie sein Ebenbild in Hollywood galt er als Frauenschwarm und war gelegentlichen dezenten Flirts nicht abgeneigt. Allerdings war er seit Jahren in festen Händen und achtete ebenso wie Abel strikt darauf, Arbeits- und Liebesbeziehungen nicht zu vermischen. Das sonst drohende emotionale und hormonelle Gebräu war meist explosiv und nur mühsam wieder in seine Bestandteile aufzulösen.
»Stattdessen hat die Kollegin eine frische Einstichstelle in der linken Kniekehle des Toten entdeckt«, referierte Herzfeld weiter.
Abel verspürte gleichfalls einen Stich, allerdings nicht in der Kniekehle. Herzfelds Worte rührten etwas in seiner Erinnerung an.
»Der Einstich war im Randbereich dunkelrötlich unterblutet, muss dem Mann also kurz vor seinem Ableben zugefügt worden sein«, setzte Herzfeld hinzu. »Vor rund sechs Monaten hat es einen ähnlichen Fall gegeben, deshalb hat das BKA die Sache an sich gezogen und die Obduktion angeordnet. Bei dem ersten Toten handelt es sich um den Bauunternehmer Rainer Bunting. Im Rahmen der toxikologischen Untersuchung wurde ein Opioid russischer Herkunft im Blut des Toten gefunden. In beiden Fällen wurde der Totenschein von einem Internisten namens Dr. Harald Lenski ausgestellt. Lenski hat eine Praxis am Wandlitzsee im Norden Berlins. Laut unserer Datenbank ist er bislang weder straf- noch standesrechtlich auffällig geworden.«
Abel hatte Mühe, sich auf Herzfelds sonoren Redefluss zu konzentrieren. Der Name Lenski sagte ihm nichts. Aber er war sicher, dass er es irgendwann einmal mit einem Täter zu tun gehabt hatte, der seinem Opfer ein tödliches Gift in die Kniekehle injiziert hatte. Nur wer und wann das gewesen sein sollte, fiel ihm partout nicht ein.
»Einverstanden, Fred?«
Herzfeld legte dem neben ihm sitzenden Abel eine Hand auf die Schulter. Alle sahen ihn erwartungsvoll an.
»Sorry, ich war in Gedanken«, murmelte Abel. »Habe ich etwas verpasst?«
»Nichts Wesentliches«, versicherte ihm Herzfeld. »Ich habe dir nur gerade für heute Vormittag die Leitung der Abteilung übertragen, da ich direkt nach unserer Besprechung an einem weiteren Meeting im Auswärtigen Amt teilnehmen muss. Außerdem habe ich vorgeschlagen, dass du die Obduktion des mutmaßlichen Waterboarding-Opfers persönlich übernimmst. Der Fall könnte politisch hochbrisant werden.«
Abel nickte. »Sei unbesorgt, da bleibe ich dran«, sagte er absichtlich vage. Insgeheim hatte er bereits beschlossen, dass er den Toten mit dem mysteriösen Einstich in der Kniekehle sezieren würde. Doch das würde er seinem Chef unter vier Augen erklären, sobald er sich selbst über seine Beweggründe im Klaren war.
Um das mutmaßliche Waterboarding-Opfer konnte sich der altgediente Oberarzt Dr. Martin Scherz kümmern, der mit gewohnt griesgrämiger Miene zwischen Abel und der Assistenzärztin Dr. Sabine Yao saß, einer zierlichen Deutschchinesin mit dem Gesicht einer Porzellanpuppe. Allerdings musste Abel dann höllisch aufpassen, dass der grobschlächtige Oberarzt keine übereilten Schlussfolgerungen in sein Obduktionsprotokoll schrieb. Scherz war zwar einer der besten und erfahrensten Rechtsmediziner, mit denen Abel bisher zusammengearbeitet hatte, aber Menschenkenntnis schien der empathiefreie Eigenbrötler nur im Hinblick auf Tote zu besitzen. Was lebendige Individuen, ihre Motive und Handlungsweisen anging, neigte er zu haarsträubenden Fehleinschätzungen. Und Waterboarding war zweifellos ein brisantes Thema.
»Komm bitte gegen zwölf bei mir im Büro vorbei, Fred«, fügte Herzfeld hinzu. »Es geht um...
Erscheint lt. Verlag | 17.3.2016 |
---|---|
Reihe/Serie | Die Fred Abel-Reihe | Die Fred Abel-Reihe |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | als die Wirklichkeit • Andreas Gößling • authentischer Fall • Berlin, London, Bari • BKA • blutige Thriller • DNA • Doppelmord • Flughafen • Forensik • Forensiker • Fred Abel • Fred Abel Reihe • Geheimdienst • Geheimdienstchef • Gerichtsmedizin • Gerichtsmediziner • Gerichtsmedizin Thriller • Goldring • harte thriller • Juri Burkanjov • Kalkfässer • Krimi • Krimi-Bestseller • Kriminalfall • kriminalfälle deutschland • Kriminalistik • Kriminalroman • krimi serie • Leichen • Michael Tsokos • Michael Tsokos Bücher • Michael Tsokos Fred Abel • nichts ist spannender • nichts ist spannender, als die Wirklichkeit • Obduktion • Oligarchen • Pathologie • Professor Michael Tsokos • Psychothriller • Rechtsmedizin • Rechtsmediziner • Rechtsmediziner Michael Tsokos • Russenmafia • Serienkiller • spannende Bücher • Thriller • Thriller Action • Thriller Bestseller • Thriller Bücher • Thriller deutsche Autoren • Thriller Deutschland • Thriller Forensik • thriller für männer • thriller reihe • Thriller und Psychothriller • Transnistrien • True Crime • True Crime Bücher • True Crime Bücher deutsch • True Crime deutsch • True-Crime-Podcast • True crime Thriller • Tsokos Bücher • Varvara Romani • Verfolgungsjagd • Wahre Verbrechen • Zerschunden • zersetzte Leichen |
ISBN-10 | 3-426-43773-2 / 3426437732 |
ISBN-13 | 978-3-426-43773-5 / 9783426437735 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1,2 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich