Meine Erlebnisse in dem furchtbaren Weltkriege 1914-1918 (eBook)

Tagebuch eines Frontsoldaten

(Autor)

Andreas Kuchler (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
144 Seiten
Verlag Kremayr & Scheriau
978-3-218-01036-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Meine Erlebnisse in dem furchtbaren Weltkriege 1914-1918 -  Franz Arneitz
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Am 2. August 1914 wird der 21-jährige Kärntner Franz Arneitz zum Kriegsdienst in der k.u.k. Armee einberufen. Als einfacher Soldat wird er nun vier Jahre an der Front kämpfen, in Galizien an der Grenze zum russischen Reich und in Norditalien, u.a. an der Isonzo-Front. Akribisch führt Franz Arneitz Tagebuch und notiert in einfacher und sehr eindringlicher Sprache alles, was ihm in dieser Zeit widerfährt. Es sind schreckliche Geschichten, die er zu erzählen hat. Er berichtet von Gräueltaten der k.u.k. Armee, von sadistischen Offizieren, grauenvollen Verwundungen und elend sterbenden Kameraden, von Angst, Verzweiflung und Tod. Dieses Buch berichtet authentisch und unverfälscht von den Schrecken des Krieges. Ein einleitendes Kapitel des Historikers Andreas Kuchler, dessen Vater dieses Tagebuch entdeckte, bettet die Schilderung in den zeithistorischen Kontext ein.

Franz Arneitz kam am 3.4.1893 als Sohn eines Bauern und Holzhändlers in Unterferlach in Kärnten zur Welt. Im August 1914 wurde er in die k.u.k. Armee eingezogen und kämpfte vier Jahre als Soldat im Ersten Weltkrieg. Nach seiner Rückkehr war er kurz Hilfsgendarm, übernahm aber schließlich den heimatlichen Bauernhof. Am 18.11.1928 heiratete er Franziska Graber, mit der er eine Tochter und drei Söhne hatte. Er starb am 30.3.1973. Andreas Kuchler, Dr.phil, geboren 1976 in Villach, Studium der Umweltsystemwissenschaften mit dem Fachschwerpunkt Geografie und Raumforschung an der Karl-Franzens-Universität Graz und Doktoratsstudium der Zeitgeschichte an der Universität Wien.

Franz Arneitz kam am 3.4.1893 als Sohn eines Bauern und Holzhändlers in Unterferlach in Kärnten zur Welt. Im August 1914 wurde er in die k.u.k. Armee eingezogen und kämpfte vier Jahre als Soldat im Ersten Weltkrieg. Nach seiner Rückkehr war er kurz Hilfsgendarm, übernahm aber schließlich den heimatlichen Bauernhof. Am 18.11.1928 heiratete er Franziska Graber, mit der er eine Tochter und drei Söhne hatte. Er starb am 30.3.1973. Andreas Kuchler, Dr.phil, geboren 1976 in Villach, Studium der Umweltsystemwissenschaften mit dem Fachschwerpunkt Geografie und Raumforschung an der Karl-Franzens-Universität Graz und Doktoratsstudium der Zeitgeschichte an der Universität Wien.

Erster Fronteinsatz:
Tokarnia-Höhe, Ostfront


Heute, am 25. Oktober, kam der Befehl, dass wir morgen an die Front abgehen. Traurig schweifen meine Blicke den teuren heimatlichen Bergen zu, die ich von hier aus sehe. Niemand ist heute von meinen Lieben hier. Ich kaufte mir manches ein, das ich im Felde brauchen werde. Um 3 Uhr marschierten wir vom Gasthof Kollmann weg. Durch die ganze Stadt stehen beiderseits Leute und winken uns das letzte »Lebet wohl« zu.

Beim Stationseingang erblickte ich nun einige Bekannte und nur vorübergehend, an meine Lieben zu Hause Grüße aufgebend, verschwand ich durch den Eingang. Wie Schafe pferchte man uns in die Waggons hinein. An ein Liegen war gar nicht zu denken, nur sitzend schläft man ein bisschen. Um 1 Uhr fuhr der Zug in der Richtung gegen Marburg mit uns ab. Mit traurigen Herzen verlassen wir eine Station nach der anderen unseres teuren Kärntnerlandes. In jeder Station warten Angehörige und eine Menge Leute. Die letzten Grüße und Winke senden wir in Unterdrauburg an unsere heimatliche Scholle. Marburg passieren wir in der Nacht.

In Pragerhof bekommen wir einen Tee als Frühstück, dann geht die Fahrt durch ein schönes Gelände, beiderseits sind große Weingärten und fruchtbare Ebenen. Für uns Alpenbewohner ist dieses Bild etwas ganz Neues. Man sieht weit und breit keinen Berg. Einige Stunden stehen wir in der Station Groß-Kanizsa in Ungarn. Überall begrüßen uns die Ungarn mit den Rufen: »Eljen, Eljen!« Ein schönes Bild zeigt uns aber der große Plattensee. An beiden Seiten des Sees liegen fruchtbare Ebenen. Darauf sieht man große Herden von Schweinen und Rindern weiden. Fast sechs Stunden fuhren wir neben diesem großen See.

Gegen Abend kommen wir in Stuhlweißenburg an, wo wir auch menagieren. In der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober passieren wir Budapest, die Hauptstadt von Ungarn, wo wir nur kurze Zeit halten. In der Früh am 26. Oktober bekommen wir in der Station Hatvan Tee. Am 27. Oktober passieren wir Miskolc und Sátoraljaújhely. Sátoraljaújhely ist ein Eisenbahnknotenpunkt. Am 28. Oktober stehen wir aber volle 24 Stunden in der Station Tőkterebes. Hier begegnen uns aber schon die ersten Vorboten des Kriegsschauplatzes, nämlich Gräber von Soldaten, die unterwegs starben. In der Station aber schaut es furchtbar aus. Die ganzen Geleise gleichen einem ungeheuer großen Abort – keine Ordnung herrscht in diesen ungarischen Stationen.

In der Nacht am 29. Oktober passieren wir Homonna. In Mezőlaborc stehen wir vier Stunden, wo man aber schon entsetzliche Wahrnehmungen macht. Ganze Züge von Cholerakranken stehen hier. In manchen Waggons liegen aber schon Tote. Wie man uns berichtet, sind wir nicht mehr weit vom Kriegsschauplatz.

Am 31. Oktober passieren wir die galizische Grenze und stehen eine kurze Zeit in Mokre. Hinter der Station Zagórz ist eine in die Luft gesprengte Eisenbahnbrücke ein Zeichen, dass hier schon Kämpfe stattgefunden haben. Für das Nachtmahl bekamen wir heute nur ein Stück rohes Fleisch, welches wir selbst zubereiten mussten.

Es ist Allerheiligenabend und wir kampieren in einer Wiese und kochen oder braten unser Stück Schweinefleisch. Das Schwein wurde einem Bauern ganz einfach weggenommen. Am 2. November kamen wir in der letzten Station Nove Misto an, jedoch unser Zug hielt ca. 20 Minuten vor der Station, da die Station schon in russischem Artilleriefeuer lag. Wir stiegen aus und von hier ging es im Marsch gegen die Front.

Im Dorfe Nove Misto sind aber eine Menge Cholerakranke. Auf beiden Seiten der Straße liegen Tote und mit dem Tode ringende österreichische Soldaten. Uns ist strengstens verboten, das Wasser zu trinken und ebenso das Essen von Obst. Die heimische Bevölkerung ist zum größten Teil noch hier und es sind zum größten Teil Ruthenen vermischt mit Polen und Juden. Von Nove Misto marschieren wir noch ca. zwei Stunden bis zum Dorfe Cindra Nuowa. Dieses Dorf liegt aber gleich hinter der Front. Hierher schießt der Russe schon mit Kanonen. Heute am 4. November kam der Befehl, dass die Zivilbevölkerung binnen zwölf Stunden den Ort Cindra Nuowa zu verlassen hat. Dieses Dorf ist ziemlich groß, es dürfte bei hundert Nummern haben.

Alles rennt durcheinander, ein jeder will das Seine fortbringen, es wird auf Wagen aufgeladen. Das Vieh, Geflügel, welches hier sehr viel gezügelt wird, treibt man so hinaus aus dem Dorfe, aufs Geratewohl. Traurig ist es zuzusehen, wie schwer es den Leuten fällt, ihre heimatlichen Schollen zu verlassen und wie sie so dahin müssen und nicht wissen wohin. Man konnte selbstverständlich nur das Nötige fortschaffen. Alles weint, ob Mann oder Weib, Kind oder Greis. Vertrieben sind diese Armen aus ihren Behausungen, jetzt, wo der Winter vor der Tür steht. Die zwölf Stunden sind vorbei und unsere Patrouillen durchstreifen das Dorf. Wo sie einen Zivilmenschen antreffen, wird er als Spion verhaftet und ein jeder wird, ohne irgend befragt zu werden, aufgehängt.

Ich war Augenzeuge, wie eine Patrouille drei junge Mädchen vor den Major brachte. Ich verstand die Mädchen, was sie sagten. Sie sagten, dass sie ihr Geld in einem Schrank vergaßen, und dieses kamen sie holen. Auf den Knien baten sie den Major, er möge sie freilassen, doch er blieb kalt und sagte: »Fahrt’s ab mit der Bagage. Ich habe meinen Befehl bereits gegeben!« Man zog diese drei Mädchen wie Kälber zum nächsten Baum und zog sie hinauf. Mir war so schwer zumute, als ich sah, wie sie unschuldig gehängt wurden. Die ganze Nacht treiben unsere Patrouillen die armen Bewohner von Cindra Nuowa zusammen und ein jeder, der im Dorfe gefunden wird, entgeht dem Tode nicht. Natürlich findet man noch viele Leute im Dorfe, denn einer vergaß das, der andere jenes, andere kamen wieder ihre Angehörigen suchen, welche nicht zurückkamen, und mussten deshalb denselben Galgentod erleiden. Traurig ist es, wenn man bedenkt, dass auch diese Menschen österreichische Staatsbürger sind, und der Staat, zu welchem sie gehören, verfährt so furchtbar mit ihnen. Das Offiziersmotto lautet: »Besser 99 Unschuldige sterben, als einen Schuldigen gehen zu lassen.«

Der Offizier, ja selbst der Unteroffizier hat das Recht, Zivilpersonen hinzurichten. Auch brachte eine Patrouille einen Bauern mit seinem ca. 18-jährigen Sohn, den ein Offizier beschuldigte, dass er signalisiere. Diese Beschuldigung war nur erfunden. Der Bauer hatte, wie ich selbst sah, in seinem Zimmer eine Lampe hängen und dieser Offizier sah dieses Licht und schon holten ein paar Mann diesen Bauern. Es wurde ihm und seinem Sohn eine Schaufel und ein Krampen gegeben und beide mussten selbst ihr Grab graben. Als sie fertig waren, erschlug man sie mit dem Gewehrkolben und grub sie ein.

Was an dieser Bevölkerung geschieht, ist aber ein himmelschreiendes Unrecht, und man muss still sein zu allen diesen Untaten. Die Offiziere sind wie besessen und auch mit uns sehr brutal. Für jede Kleinigkeit wird man gleich zwei Stunden angebunden. Auch fand ich hier zufälligerweise das Grab des Stofl Hans aus Mallenitzen. Ein stilles Gebet entrang sich meiner Brust für das erste Opfer meiner Heimatgemeinde. Fast zu beneiden bist du, oh Held, denn was wir da zu erwarten haben, diesem Leiden ist der Tod vorzuziehen.

Auch besuchten mich heute mein Cousin, der Kotnik Franzl, und der Mikutsch aus Oberferlach. Diesen beiden klage ich, wie man hier mit der Zivilbevölkerung verfuhr. Aber diese zwei sagen, es gehe mancherorts viel ärger zu. Am 5. November kam der Befehl zum Rückzug, da die Russen am linken Frontflügel die Front durchbrachen. Die ganzen Speisevorräte werden vernichtet. In einen Bach werden ganze Säcke Mehl, Zucker, Kaffee usw. hineingeworfen.

Um 8 Uhr abends treten wir den Rückzug von Cindra Nuowa an. Der Tag von Cindra Nuowa, da man so viele Unschuldige mordete, wird mir in steter unauslöschlicher Erinnerung bleiben. Keine Seele rührt sich im Dorfe, alles ist geflohen und was unsere Patrouillen vorgestern hier am Leben fanden, starb, wie ich schon beschrieben, den Galgentod. An vielen Stellen hängen noch die Opfer, als wir den Ort verlassen. Ca. zwei Stunden hinter dem Orte Cindra Nuowa, auf dem freien Felde, sieht man ganze Gruppen schlafender Bewohner vom genannten Dorfe. Einige Habseligkeiten um sich zusammengelegt. Als ich mich umdrehte, sehe ich den Himmel feuerrot. Das ist das Dorf Cindra Nuowa und andere an der Front liegenden Orte, die brennen. An mehreren Stellen haben unsere Nachhutpatrouillen alles in Brand gesteckt. Das arme Volk schläft aber vertrieben aus ihren Heimstätten hier auf dem freien Felde und ihre Behausungen brennen lichterloh und bescheinen weit das Tal.

Abends halten wir Freilager auf einer Anhöhe. Am 6. November führt uns unser Marsch durch schöne Orte und Täler. Doch mir blieb nur der Markt Brzozów in Erinnerung. Furchtbar anstrengend ist hier der Marsch, denn die Straßen sind verschlammt und im Tornister müssen wir 200 Patronen tragen. Nur eine kurze Rast ist uns gegönnt, dann treibt man uns wieder weiter durch den Ort Bircza. Bircza ist ein ganzes Judennest. Alles schaut uns an und die Juden tragen uns alles Mögliche zum Kaufen an, um wieder Geschäfte zu machen. Am 7. November kommen wir zum Fluss San, wo man uns erzählt, dass hier schon schwere Kämpfe stattfanden. Während der Nacht schlafen wir in Humniska. Am 8. November geht es wieder zurück, gerade ist hier eine Menge von Leuten vor der Kirche, aber niemandem fällt es ein, vor den Russen zu fliehen. Wie die Leute erzählen, verfuhren dieselben mit der Bevölkerung besser als die Eigenen. Während des Marsches verendete ein Pferd unserer Küche. Am Felde ist ein Bauer mit seinem Ross beschäftigt. Ihm wird ganz einfach das Pferd ausgespannt und in unsere Küche eingespannt. Der Bauer jammert,...

Erscheint lt. Verlag 22.2.2016
Vorwort Oliver Rathkolb
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Schlagworte 1914-1918 • Erster Weltkrieg • Frontsoldat • Galizien • Gebirgskrieg • Isonzo • Isonzo-Schlacht • Karnische Alpen • k.u.k. Armee • Monarchie • Österreich-Ungarn
ISBN-10 3-218-01036-5 / 3218010365
ISBN-13 978-3-218-01036-8 / 9783218010368
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 535 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von R. Howard Bloch; Carla Hesse

eBook Download (2023)
University of California Press (Verlag)
43,99