Das letzte Spiel | Die Psychologie eines Mörders -  Michél Niesner

Das letzte Spiel | Die Psychologie eines Mörders (eBook)

zwei Geschichten
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
144 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-1526-1 (ISBN)
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Manchmal spielt man ein Spiel, manchmal gewinnt man, manchmal verliert man... Wenn sich Menschen verstellen, sich ihrer Sache sicher scheinen und doch etwas zu verbergen haben, dann werden sie dadurch interessant, insbesondere als Mörder! Stellen Sie sich vor, man bittet Sie zu Tisch. An den Spieltisch eines Lokals, wo Unsummen ihren Besitzer von jetzt auf gleich wechseln können, um den einen in schierste Freuden zu erheben und den anderen ins Elend zu stürzen, oder an den Tisch einer Gesellschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, nach über fünfundzwanzig Jahren einen Mörder zu entlarven. Weg vom bloßen Kriminalroman hin zu einem psychologisch feinfühligen Verständnis über Täter und Opfer kann man in diesem Buch über die Skurrilität der Welt nachdenken, und sich sein eigenes Urteil bilden. Möge das Spiel beginnen!

Geboren Ende des 20. Jahrhunderts prägt Michél Niesner seine Literatur durch eine lyrische Sprache, durch die auf klangvolle Weise ähnlich der Musik die Gesamtheit eines Werkes entsteht. Den Leser mitzunehmen auf eine Reise und ihn am Ende mit neuen Gedanken und Eindrücken zurück zu lassen, die ihn vielleicht noch ein Stück weiter des Weges begleiten, ist Sinn und Ziel seines Schreibens. Mit "wi(e)der menschlich" veröffentlicht er 2008 sein erstes Buch. Die Geschichten, die sich darin befinden, sollen zu dem zurückführen, was uns alle umgibt: Leben! 2015 beendet er das im darauf folgenden Jahr erschienene Buch "Das letzte Spiel, Die Psychologie eines Mörders" durch das er in zwei Geschichten weg vom bloßen Kriminalroman hin zu einem psychologisch feinfühligen Verständnis führt.

Das letzte Spiel


Sehr geehrter Herr Kommissar,

Sie baten mich bei unserer letzten Begegnung darum, so schnell wie möglich bei Ihnen vorzusprechen, um meine Aussagen zu protokollieren. Natürlich ist mir wie Ihnen daran gelegen den Fall baldmöglichst abzuschließen, um die gerechte Strafe vollziehen zu können, aber ich hoffe, dass sie abermals Verständnis dafür aufbringen können, dass ich mich auf Grund des schmerzlichen Verlustes meiner geliebten Mutter nicht dazu in der Lage sehe, ihrem Mörder noch einmal unter die Augen zu treten. Um Ihnen trotzdem behilflich sein zu können, habe ich mich dazu entschlossen, Ihnen in diesem Brief über die wichtigsten Dinge Auskunft zu liefern:

Albertus Flint (ich werde ihn im Folgenden nur noch Flint nennen) erschien zum ersten Mal vor gut einem Jahr in unserem Haus. Es war, wenn ich mich nicht irre, ein Sonntagmorgen, als unser Diener ihn in Empfang nahm und uns mitteilte, dass ein gewisser ‚Herr Perlenstein’ darum bat, bis zum Abend Gast in unserem Hause sein zu dürfen. (Er hat sich uns also niemals unter seinem richtigen Namen vorgestellt.) Natürlich konnte meine Mutter dieser höflichen Anfrage nicht widerstehen und so saß er schließlich auch am Nachmittag mit uns bei Kaffee.

Sie müssen wissen, dass es mir von Anfang an merkwürdig vorkam, dass er nur diesen Koffer bei sich trug und dass er ihn nie aus den Augen ließ. Unser Diener wollte ihn bei seiner Ankunft in unser Gästezimmer tragen, doch er gab ihn nicht aus der Hand. So sprach ich ihn schließlich darauf an, wo er herkomme und ob er Geschäfte in unserem Lande zu besorgen habe. Er konnte mir nicht gleich Antwort geben, doch schnell besann er sich und erzählte uns allen diese Geschichte, die ich ihm bis zum gestrigen Tag geglaubt habe. Er sei aus einer entlegenen Großstadt hierhergekommen, da man ihn aus seinem Haus vertrieben habe. Flint kämpfte damals mit den Tränen, als er uns erzählte, seine Frau habe schon seit geraumer Zeit eine Liebschaft zu einem Advokaten unterhalten und nun wolle man ihn vor Gericht als unzurechnungsfähig darstellen, um ihm die Möglichkeit zu nehmen, sich um seine Kinder zu kümmern und ihm des väterlichen Vermögens zu entziehen. Er habe es deshalb vorgezogen, die Stadt zu verlassen, um nicht auch noch sein Ansehen zu verlieren. Wir alle waren von dieser Geschichte erschüttert. Gleichzeitig gewann er dadurch aber auch unsere Sympathie und unser Vertrauen. Schließlich bot ihm meine Mutter noch am gleichen Tag an, für einige Zeit unser Gast zu sein und bis zum gestrigen Tag hat er dieses Angebot dankend angenommen. Wir erfuhren sehr bald, dass er als Bankier gearbeitet habe und so bot ihm meine Mutter schließlich an, das Vermögen ihres verstorbenen Gatten (meinem Vater) zu verwalten. Ich äußerte ihr gegenüber meine Bedenken, doch da es auch mir eine große Entlastung war, stimmte ich letztlich zu. Meine Zweifel legten sich auch ziemlich schnell, als sich herausstellte, dass sich unser Vermögen unter Flints Händen zu vermehren schien. Gut ein halbes Jahr lang konnte er uns beinahe täglich neue Gewinnmeldungen überbringen, und es lässt sich nicht abstreiten, dass unser Landsitz von solcherlei guten Umständen profitierte. Allerdings wurde es nach einem halben Jahr ruhiger. Flint blieb jetzt oft wochenlang weg und uns erreichte keine Meldung von ihm. Auch meine Mutter ahnte anscheinend, dass irgendetwas nicht stimmte, denn sie wurde mir gegenüber verschlossener. Diese ganze Angelegenheit spitzte sich schließlich soweit zu, dass unser gesamtes neu eingestelltes Dienstpersonal mit einem Tag entlassen wurde.

Ich stellte meine Mutter natürlich zur Rede, doch sie sagte, dass ich mich nicht in Angelegenheiten einmischen solle, die mich nichts angingen. Als Flint einige Tage später wieder das Haus betrat, wollte ich auch von ihm Auskunft, doch er lächelte nur und schwieg. So blieb mir schließlich nichts anderes übrig, als der Sache selbst auf den Grund zu gehen, und ich brauchte nicht lange, bis ich hinter Flints Geheimnis kam.

Er war in einem nahegelegenen Spiellokal schon des Öfteren gesehen worden und man versicherte mir, er habe dort mit sehr großen Summen spekuliert. Natürlich bin ich mit solcherlei Informationen diskret umgegangen und zog es vor, Flint persönlich darauf anzusprechen. Er ließ sich jedoch nicht auf ein Gespräch ein und kurz darauf bekam ich von meiner Mutter die Drohung unser Anwesen verlassen zu müssen, wenn ich mich weiterhin in die geschäftlichen Angelegenheiten von Flint einmischen würde. Unter diesen Umständen erzählte ich ihr natürlich von meinen Erkenntnissen, doch sie blieb bei ihrer Drohung und lächelte nur über meine Vermutung, dass Flint der Spielsucht verfallen sei, so sehr hatte er ihr Vertrauen gewonnen. Ich glaubte es meinem verstorbenen Vater jedoch schuldig zu sein, zumindest den Teil seines Vermögens zu sichern, den wir vor Flints Auftauchen gehabt hatten, und so entschloss ich mich schließlich schweren Herzens dazu, meine eigene Mutter aus Gründen der Unzurechnungsfähigkeit dem väterlichen Erbe zu entziehen. Aber sie ließ es sich nicht gefallen. Sie sagte mir, dass ich damit zu weit gegangen sei und erreichte es schließlich durch ärztliche Gutachten und einem guten Verteidiger, dass ihr das Vermögen wieder zugesprochen wurde und mir nur ein geringer Pflichtteil blieb. Auch ihre Drohung machte sie wahr und so musste ich an jenem Tag das väterliche Anwesen verlassen, das ich bis zum gestrigen Tage nicht mehr betreten habe. Noch oft habe ich sie in den letzten Monaten brieflich vor Flint warnen wollen, habe sie gebeten unsere Streitigkeiten beizulegen und ihr angeboten, die Verwaltung des Vermögens an Stelle von Flint zu übernehmen oder ihm zumindest an seiner Seite zu stehen. Ich erhielt jedoch nie eine Antwort.

Dies sind alle Fakten, die ich Ihnen nennen kann und als Sie mich am gestrigen Tag davon unterrichteten, dass meine geliebte Mutter durch Vergiftung gestorben sei, war mir klar, dass er es gewesen sein musste. Sie müssen wissen, dass sie ihm ihr Vermögen auch über ihren Tod hinaus überschrieben hat. Dies und die Tatsache, dass er uns ein Jahr lang seinen wahren Namen verschwiegen hat, überzeugt mich in der Annahme, dass er gezielt vor einem Jahr in unserem Haus auftauchte und dass er seit jenem Tag alles geplant hat. Ich hoffe, dass sie dafür sorgen werden, dass er seine gerechte Strafe erhält und bitte Sie, dies als das gewünschte Protokoll zu akzeptieren.

Hochachtungsvoll

Eduard von Wolkenstein

Albertus Flint versuchte das Lächeln zu unterbinden, dass sich auf seinen Lippen abzeichnete, als ihm sein Freund und Anwalt Henry Miller diesen Brief vorlas. Er hatte mit vielem gerechnet, als ihn dieser in seine Kanzlei bat, doch dass man mit den Ermittlungen noch nicht weiter fortgeschritten war, zwei Tage nach dem Tod der Dame, überraschte selbst ihn. Henry Miller dagegen wirkte nicht erheitert, im Gegenteil. Er machte sich Sorgen um seinen Freund und der Haftbefehl, der vor ihm lag, bestärkte ihn nur noch darin.

„Auch die Zeugenaussagen der Angestellten im Spiellokal belasten Dich.“, sagte er schließlich mit deutlich matterer Stimme als üblich. „Und Du warst im Hause der einzig noch Anwesende.“ Er hatte versucht den Ton einer Schuldzuweisung zu umgehen, doch Albertus Flint schien seine Worte dadurch nicht ernst genug zu nehmen. „Natürlich war ich im Haus der Einzige.“, sagte er schließlich, nun doch ein Lächeln auf den Lippen. „Und ich war auch im Spiellokal gern gesehener Gast!“

Damit hatte Miller gerechnet. Es waren Tatsachen, an denen er nichts ändern konnte, aber Indizien reichten nicht aus um seinen Freund zu verurteilen. „Und es stimmt auch, dass ich sie vergiftet habe!“ Dies wäre allerdings ein Grund dafür gewesen, weshalb selbst Miller ein Schuldurteil unterschrieben hätte. „Aber ich glaube die Tatsachen verhalten sich ein wenig anders, als sie Dir bisher beschrieben worden sind. Wenn Du etwas Zeit hast, würde ich Dir gern die ganze Geschichte erzählen.“

Miller konnte nur nicken, es hatte ihm scheinbar die Sprache verschlagen und so begann Albertus Flint schließlich seine Geschichte zu erzählen:

<< Alles begann vor gut einem Jahr. Um genauer zu sein war es der dritte Juni, als mich ein Telegramm erreichte. Ich kann mich an den Tag noch gut erinnern, weil wir am Vortag unseren Prozess gegen Kiepenhau gewonnen hatten. Natürlich war ich am nächsten Morgen noch recht benommen von unserer kleinen Feier und so glaubte ich meinen Augen nicht recht zu trauen, als ich das Telegramm in Händen hielt. Darin bat mich Madame von Wolkenstein dringend darum zu ihr zu kommen und unbedingt allen gegenüber absolute Verschwiegenheit zu wahren. Du musst wissen, dass wir uns durch meinen Vater flüchtig kannten. Deshalb war ich auch so überrascht, dass sie mich und nicht ihn zu sich bat. Nun muss ich gestehen, dass ich in meiner Verwirrtheit wohl einen kleinen Fehler beging. Ich eilte zu meinem Vater, da ich glaubte er könnte mich am ehesten über alles aufklären. Aber er reagierte im Gegenteil völlig außer sich, als er den...

Erscheint lt. Verlag 8.2.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-7412-1526-0 / 3741215260
ISBN-13 978-3-7412-1526-1 / 9783741215261
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