Stalky & Co. (eBook)

Erzählungen
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
464 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403323-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Stalky & Co. -  RUDYARD KIPLING
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Rudyard Kiplings Erzählsammlung ?Stalky & Co.? ist eines der berühmtesten Internatsbücher der Weltliteratur, voller Anarchie und Witz. Seine drei Helden finden sich im hintersten Winkel Englands am Rand einer kalten Küste wieder. Aber dank ihres Einfallsreichtums und ihrer Fantasie gelingt es ihnen, die beinahe makabre Brutalität der Institution zu unterlaufen. Schonungslos schildert Kipling seine eigenen Internatsjahre. Mit hinterlistiger Ironie beweist er, dass man besser lernt, wenn die Lehrer nicht dabei stören, und nebenbei verhalf er seinen abenteuerlustigen Kameraden zu literarischem Weltruhm. Überarbeitete Neuausgabe der 2001 erschienenen Übersetzung von Gisbert Haefs - jetzt bei FISCHER Taschenbuch

Rudyard Kipling wurde 1865 in Bombay geboren. Die Internatszeit in England erlebte er als Gefängnis, nur in Indien konnte er damals glücklich sein. 1907 wurde er als bis heute jüngster Autor mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. 1936 starb er nach vielen Reisen und Büchern in London.

Rudyard Kipling wurde 1865 in Bombay geboren. Die Internatszeit in England erlebte er als Gefängnis, nur in Indien konnte er damals glücklich sein. 1907 wurde er als bis heute jüngster Autor mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. 1936 starb er nach vielen Reisen und Büchern in London. Gisbert Haefs, Jahrgang 1950, lebt und schreibt in Bonn; als Übersetzer/Herausgeber verantwortlich für Borges, Kipling, Brassens, Dylan u. a., als Autor haftbar für Erzählungen, historische Romane (›Hannibal‹, ›Alexander‹, ›Troja‹, ›Radscha‹, ›Die Rache des Kaisers‹, ›Das Labyrinth von Ragusa‹ u. a.) und Krimis (›Matzbach‹).

»Stalky«


»Und dann« – es war die Stimme eines Jungen, seltsam flach und beherrscht – »hat De Vitré gesagt, wir wären blöde Hosenscheißer, weil wir nicht helfen, und ich hab gesagt, für unsern Geschmack machen schon zu viele mit. Außerdem gibt es bestimmt irgendein Schlamassel, wenn der olle De Vitré die Sache schmeißt. Stimmt’s nicht, Beetle?«

»Jedenfalls ist das Ganze komplett bescheuert. Was wollen die denn bloß mit den blöden Kühen machen, wenn sie sie haben? Kühe kann man melken – wenn sie stillhalten. Das ist auch in Ordnung, aber sie einfach so durch die Gegend zu treiben …«

»Du bist doof, Beetle.«

»Nee, bin ich nich. Was soll denn das für nen Sinn haben, nen Haufen Kühe von den Weiden hochzutreiben nach … nach … wohin soll’s gehn?«

»Sie wollen sie zu Tooweys Hof oben auf dem Berg treiben – dem, der leersteht, wo wir letzten Dienstag geraucht haben. Es geht um Rache. Der olle Vidley ist letzte Woche zweimal hinter De Vitré her, weil der mit seinen Ponys über die Weiden geritten ist; und De Vitré will dem ollen Vidley so viel Vieh klauen, wie er kriegen kann, und oben auf den Berg packen. Er wird’s aber versauen – vor allem, wo ihm Parsons, Orrin und Howlett helfen. Die werden doch bloß schreien und brüllen, und dann hauen sie ab, sobald sie Vidley sehen.«

»Wir hätten das schaffen können«, sagte McTurk langsam; er schlug den Kragen seines Rocks hoch gegen den Regen, der über die Weiden geweht wurde. McTurks Haar war von dem dunklen Mahagoni-Rot, das zu einem bestimmten Temperament gehört.

»Hätten wir«, antwortete Corkran mit dem gleichen Selbstbewußtsein. »Aber die sind losgegangen, als ob das ne Art Spatzenjagd wär. Ich hab mich noch nie mit Viehdiebstahl beschäftigt, aber ich finde, wenn’s um was geht, kann man es genausogut stalky machen.«

Der brodelnde Dampf des Atlantik trieb in Kringeln und Wölkchen über die Köpfe der Jungen. Luvwärts aus dem Nebel kam von jenseits der grauen Linie des Kiesrückens das unaufhörliche Röhren meilenlanger Atlantikbrecher. Leewärts zeichneten sich einige verstreute Ponys und Rinder im Dunst ab, Eigentum der Kleinbauern von Northam und widerwilliges Spielzeug der Jungen in ihren freien Stunden. Die drei Jungen waren am Gatter stehengeblieben, das die Grenze des genutzten Landes markiert, wo die Felder von Northam Hill zu den Weiden herunterkommen. Beetle, mit wirrem Schopf und Brille, rieb die Nase hin und her über die nasse oberste Stange; McTurk trat von einem Fuß auf den anderen und betrachtete das Wasser, das in die wechselnden Fußabdrücke sickerte; Corkran pfiff durch die Zähne, lehnte sich an eine Sodenbank und spähte in den Nebel.

Erwachsene oder geistig Gesunde hätten das Wetter vielleicht scheußlich genannt; aber die Jungen in dieser Schule waren noch nicht vom nationalen Interesse an der Witterung befallen. Es war ein bißchen feucht, klar; aber im Ostertrimester war es immer feucht, und von Meeresfeuchte, fanden sie, könne man sich unter gar keinen Umständen erkälten. Regenmäntel waren etwas, womit man in die Kirche ging, aber sie machten einen zum Krüppel, wenn man ohne große Vorwarnung über schweres Gelände rennen mußte. Also warteten sie im Regenguß, gelassen und so gekleidet, wie ihre Mütter es sehr ungern gesehen hätten.

»Hör mal, Corky«, sagte Beetle, der sich zum zwanzigsten Mal die Brille abwischte, »wenn wir De Vitré nicht helfen wollen, weshalb sind wir dann hier?«

»Wir sehen uns das an«, war die Antwort. »Behalt nur deinen Onkel im Auge; der bringt dich heil durch.«

»Schlimme Sache das, Rindertreiben – in offenem Gelände«, sagte McTurk, der als Sohn eines irischen Baronet etwas über derlei Operationen wußte. »Die werden ihnen über die halben Weiden hinterherlaufen müssen. Meinste, die reiten auf Vidleys Ponys?«

»De Vitré ganz bestimmt. Der kennt sich mit Pferden aus. Hört mal! Was für nen Krach die bloß machen. Die kann man ja meilenweit hören.«

Die Luft füllte sich mit Juchzern und Gebrüll, Schreien, Befehlen, dem Klappern zerbrochener Golfschläger und Hufgetrappel. Drei Kühe kamen mit ihren Kälbern zum Gatter, im Eutergalopp, gefolgt von vier stieräugigen Ochsen und zwei Ponys mit rauhem Fell. Ein fetter, sommersprossiger Fünfzehnjähriger trabte hinter ihnen her; er ritt ohne Sattel und fuchtelte mit einem Zaunpfahl. Bis zu einem gewissen Punkt besaß De Vitré Einfallsreichtum; außerdem hatte er eine Leidenschaft fürs Pferdetummeln, die von den Farmern von Northam nicht gefördert wurde. Farmer Vidley, der nicht verstehen konnte, daß ein grasendes Pony sich gern im Galopp umherjagen läßt, hatte ihn einmal einen Dieb genannt, und diese Beleidigung nagte an dem Jungen. Daher der Überfall.

»Komm schon«, schrie er über die Schulter, »mach das Gatter auf, Corkran, sonst rennen sie alle wieder zurück. War schwer genug, sie zusammenzukriegen. Oh, wird der olle Vidley toben!«

Drei Jungen kamen angerannt und scheuchten die Tiere aufgeregt und amateurhaft weiter, bis sie sie in den engen, bergauf führenden Devonshire-Hohlweg mit seinen steilen Böschungen getrieben hatten.

»Komm doch mit, Corkran. Es macht irren Spaß«, bat De Vitré; aber Corkran schüttelte den Kopf. Die Angelegenheit war ihm an diesem Tag nach dem Mittagessen als fertig ausgeheckter Plan vorgelegt worden, bei dem er durch De Vitrés Gunst eine Nebenrolle spielen durfte. Und Arthur Lionel Corkran, Nr. 104, legte keinen Wert darauf, jemandes Leutnant zu sein.

»Die kriegen dich am Schlafittchen«, rief er, als er das Gatter schloß. »Parsons und Orrin sind nichts wert, wenn’s eng wird. Du kannst Gift drauf nehmen, die schnappen dich, De Vitré.«

»Hach, was bist du für n mieser Schlappschwanz!« Der Sprecher war bereits vom Nebel verhüllt.

»Zum Teufel«, sagte McTurk. »Ich glaub, das ist das erste Mal, daß wir im Coll je Rinderklauen probiert haben. Sollen wir nicht …«

»Überhaupt nicht«, sagte Corkran fest. »Behaltet euren Onkel im Auge.« In diesen Dingen war sein Wort Gesetz, denn Erfahrung hatte sie gelehrt, daß sie in Schwierigkeiten gerieten, wenn sie sich ohne Corkran auf Manöver einließen.

»Du bist bloß sauer, weil du nicht als erster dran gedacht hast«, sagte Beetle. Corkran trat ihn dreimal ganz ruhig, wobei weder er noch Beetle auch nur mit einem Muskel zuckten.

»Nee, bin ich nicht; aber es ist einfach nicht stalky genug für mich.«

»Stalky« bedeutete in ihrem Schulvokabular schlau, überlegt und gerissen, vor allem, was Schlachtpläne anging; und »stalkiness« war die einzige Tugend, um die Corkran sich bemühte.

»Is doch dasselbe«, sagte McTurk. »Du meinst, du bist der einzige im Coll, der stalky ist.«

Corkran trat ihn, wie er Beetle getreten hatte, und genau wie Beetle nahm McTurk nicht die mindeste Notiz davon. Der Etikette ihrer Freundschaft entsprechend war es nicht mehr als die förmliche Mitteilung von Einwänden gegen einen Gesetzesantrag.

»Sie haben keine Aufklärer vorgeschickt«, fuhr Corkran fort (diese Schule bereitete Jungen für die Armee vor). »Sollte man immer machen – sogar, wenn’s um Äpfel geht. Tooweys Hof könnte ja voll von Farmarbeitern sein.«

»Letzte Woche war er’s nicht«, sagte Beetle, »als wir in diesem Wagenschuppen da geraucht haben. Außerdem ist es meilenweit von allen Häusern weg.«

Eine von Corkrans hellen Augenbrauen hob sich. »O Beetle, muß ich dich denn dauernd treten! Heißt das vielleicht, daß der Hof jetzt leer ist? Die hätten einen vorschicken müssen, um nachzusehen. Die sorgen schon dafür, daß es ihnen nur ja an den Kragen geht. Und wohin abhaun, wenn sie um ihr Leben rennen müssen? Parsons ist erst zwei Trimester hier. Der kennt sich im Gelände nicht aus. Orrin is n feister Esel, und Howlett zieht Leine, wenn er nen guv’nor [Dialektbezeichnung für jeden Eingeborenen von Devon, der landwirtschaftlichen Betätigungen nachgeht] bloß von weitem sieht. De Vitré ist der einzige Brauchbare von dem Haufen, und – und ich hab ihn drauf gebracht, Tooweys Hof zu benutzen.«

»Bleib in deiner Haut«, sagte Beetle. »Was machen wir jetzt? Hier isses heftig klamm.«

»N bißchen nachdenken.« Corkran pfiff durch die Zähne; bald brach er in einen schnellen, kurzen doppelten Schleppschritt aus. »Wir gehn direkt den Hügel rauf und sehn uns an, was mit denen passiert. Quer über die Felder; und oben legen wir uns in die Hecke, wo der Weg zur Scheune reingeht – wo wir letztes Trimester den toten Igel gefunden haben. Los!«

Er kletterte über die Erdbank und ließ sich auf das regendurchtränkte Ackerland fallen. Bis zur Hügelkuppe, wo Tooweys Scheunen standen, war es weit und steil. Die Jungen kümmerten sich nicht um Durchstiege oder Feldwege; ein Feld nach dem anderen überquerten sie diagonal, und wenn sie an eine Hecke kamen, wühlten sie sich hindurch wie Beagles. Der Weg lag rechts von ihnen, und aus der Richtung hörten sie viel Gebrüll und Geschrei.

»Also, wenn De Vitré nich in ne Klemme kommt«, sagte McTurk, wobei er an einem Gatterpfosten ein paar Pfund Lehm abtrat, »verdient hätt er’s jedenfalls.«

»Uns klemmen sie auch noch, wenn du weiter mit so hoher Nase rumläufst. Duck dich, du Esel, halt dich unter der Hecke. Wir können ziemlich nah an die Scheune kommen«, sagte Corkran. »Wenn man einmal angefangen hat, sollte man die Sache auch stalkymäßig durchziehen.«

Sie pfriemelten sich oben...

Erscheint lt. Verlag 28.7.2016
Reihe/Serie Fischer Klassik Plus
Illustrationen Leonard Raven-Hill
Übersetzer Gisbert Haefs
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19.Jahrhundert • beetle • England • Geschichte • Internat • Ironie • Kinder • Klassiker • London • Mr King • M´Turk • Phantasie • Roman • Rudyard Kipling • Schule • Stalky
ISBN-10 3-10-403323-4 / 3104033234
ISBN-13 978-3-10-403323-5 / 9783104033235
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