»Sommerregen der Liebe« (eBook)

Goethe und Frau von Stein

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
405 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-74402-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

»Sommerregen der Liebe« -  Sigrid Damm
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Goethes Briefe an Charlotte von Stein gehören zu den schönsten Liebeszeugnissen der Weltliteratur. Sigrid Damm hat die über tausend Briefe neu gelesen und leuchtet die Hintergründe dieser ungewöhnlichen Liebe zu der sieben Jahre älteren Frau aus.

Sie erzählt von den hochfliegenden Illusionen, der zauberhaften Intimität, von Alltagsnähe, Heiterkeit, ihren Spannungen, Beglückungen und den Ursachen des letztlich tragischen Scheiterns. Entstanden ist ein einzigartiges, umfassendes und intimes Porträt des jungen Goethe im Alter zwischen sechsundzwanzig und sechsunddreißig.



<p>Sigrid Damm, in Gotha/Thüringen geboren, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin und Mecklenburg. Die Autorin ist Mitglied des P.E.N. und der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur. Sie erhielt für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Feuchtwanger-, den Mörike- und den Fontane-Preis.</p>

Sigrid Damm, in Gotha/Thüringen geboren, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin und Mecklenburg. Die Autorin ist Mitglied des P.E.N. und der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur. Sie erhielt für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Feuchtwanger-, den Mörike- und den Fontane-Preis.

Liebe Frau hier ein Zettelgen …


 

In den Januartagen des Jahres 1827 bewegt sich in Weimar ein Trauerzug von dem am Park gelegenen Stiedenvorwerk über den Frauenplan in Richtung des Neuen Friedhofs am Poseckschen Garten. Zu Grabe getragen wird die Oberstallmeisterin Freifrau Charlotte Albertine Ernestine von Stein, geborene von Schardt. Ihrem Wunsch, der Leichenzug möge aus Rücksicht auf den berühmten Anwohner nicht am Frauenplan, sondern rückwärtig an der Ackerwand entlanggehen, wird nicht entsprochen.

Am 25. Dezember 1826 ist Charlotte vierundachtzig Jahre geworden. Ihr letztes Jahrzehnt ist von Krankheiten und einem dramatischen Abnehmen der Kräfte überschattet. Ihr Gehör läßt nach. Bereits im April 1816 klagt sie: Die Nachtigallen schlagen, und der Kuckuck ruft – sagt mir Stäffchen (ihre Mitbewohnerin), aber meinen Ohren bleiben diese Töne verborgen. Am Lebensende ist sie fast taub. Auch Briefe schreiben und Bücher lesen wird von Jahr zu Jahr anstrengender, die Augen versagen zunehmend den Dienst. Migräne und Kopfschmerz, an denen sie bereits als junge Frau litt, werden chronisch. Hinzu kommt ein Getöse in ihrem Kopf (vermutlich ein Tinitus), ein fürchterliches Schallen von innen, das mir, so schreibt sie, fast die Gedanken verwirrte.

Dennoch ist sie keineswegs lebensmüde, im Gegenteil, mit wachen Sinnen und fast heiter setzt sie sich mit ihren Leiden, dem vom Alter bedingten Verfall ihres Körpers auseinander. Von einem schwachen Flämmchen, das jeder Windstoß zu verlöschen drohte, sprechen ihre Freunde. Sie selbst schreibt am 12. September 1816 an ihren langjährigen Vertrauten Karl Ludwig von Knebel: Es ist mir manchmal, als wäre ich schon aus meinem Körper abgereist und käme nur manchmal wieder nach Hause, die notwendigsten Geschäfte zu besorgen. Und das Bild des schwachen Flämmchens aufnehmend, heißt es: Der Docht ist nun bald in mir aufgezehrt, und das Flämmchen davon kann sich bald als Irrwisch lustig machen. Da will ich recht oft in der Nähe Ihres Fensters herumhüpfen, da das Paradies bei Ihnen am nächsten ist.

Mit dem Paradies spielt sie auf ein gleichnamiges parkähnliches, von der Saale durchflossenes Gelände in Jena an, in dessen Nähe Knebel wohnt. Ihre heiteren Gedanken von Verwandlung und Wiederkehr. Diese Jenseitsvorstellungen entsprechen kaum dem strengen christlichen Glauben, in dem sie von ihrer Mutter erzogen wurde. Im Gegensatz zu ihrem Freund Karl Ludwig von Knebel, der im Alter zum Glauben findet, gesteht sie ihm: Mit mir ist's umgekehrt; ich habe keinen Glauben mehr, aber Ergebung, und so lebe ich auch still fort und freue mich, daß ich Ihnen manchmal einen Gedanken meines Herzens sagen kann.

Einen solchen Gedanken des Herzens vertraut sie dem Freund am 29. September 1814 an. Es ist eine Erwiderung auf einen seiner Briefe, der sich mit dem Planetensystem beschäftigt. Den Ring des Saturn, wovon Sie mir sagen, hätte ich gar so gern noch gesehen, ehe ich von unserem Planeten abreise, schreibt sie ihm, aber ich konnte nie dazu kommen, so oft ich mich auch darum bemühte. Vermutlich werden wir mehrmals auf die Universität der Welt geschickt, und da will ich hoffentlich das Versäumte nachholen. Wenn ich Sie nur auch als Professor darin finde, da Sie einem so gerne von Ihren Kenntnissen mitteilen!

Erneut das Motiv der Wiederkehr, der Seelenwanderung. Der Irrwisch! Distanz zum Ich, ein nüchterner Blick auf die eigene Sterblichkeit; über viele Jahre muß sie sich mit ihrer Endlichkeit vertraut gemacht haben.

Dafür spricht auch eine andere Passage im Briefwechsel mit Knebel. Im Mai 1811 bittet sie den zwei Jahre Jüngeren, eine Grabinschrift für sie zu entwerfen. Sie wolle wissen, was auf ihrem Grab stehe, und dem Spruch zustimmen. Aus Pietät wohl lehnt Knebel ab, sie solle, begabt wie sie sei, es selber tun, antwortet er. Und sie tut es. Ein Brief erreicht den Freund: Hier haben Sie meine Grabschrift, kann er lesen.

Sie konnte nichts begreifen, die hier im Boden liegt,

Nun hat sie's wohl begriffen, da sie sich so vertieft.

 

Ein Spruch voller Sarkasmus. Zugleich von einem großen Ernst. Ein hartes Selbstgericht. Bezichtigt sie sich des persönlichen Versagens? Ratlosigkeit: Sie konnte nichts begreifen. Das Begreifen-Wollen des eigenen Schicksals, das ergebnislose, vergebliche Reflektieren darüber, das niemals zur Ruhe kommt, ein Leben anhält, erst im Tod endet, wenn die sterbliche Hülle im Boden liegt.

 

Bezieht sich dieses nichts begreifen auf jenes beglückende, tragisch endende Jahrzehnt, da sie die Vertraute und geliebte Freundin des berühmten Weimarer Dichters ist, jenes Jahrzehnt, von dem aus bis heute die Nachwelt ihr Urteil fällt?

 

Werfen wir einen Blick auf Frau von Steins Leben vor und nach dem Jahrzehnt mit Goethe.

Am 25. Dezember 1742 kommt Charlotte von Schardt in Eisenach zur Welt. Der Vater dient am dortigen kleinen Hof als schlechtbezahlter Reisemarschall. Als das Kind zwei wird, fällt die sachsen-ernestinische Nebenlinie an das Herzogtum Sachsen-Weimar, die Familie zieht um. Herr von Schardt nimmt am Weimarer Hof das Amt eines Haus- und Hofmarschalls an. Als Dienstquartier wird ihm das Schwarzenfelsische Haus (das heutige Palais Schardt), ein schönes Renaissancegebäude in der Scherfgasse, zur Verfügung gestellt. In den Umbau des Hauses steckt Schardt hohe Summen aus dem Privatvermögen, das seine Frau in die Ehe eingebracht hat, zudem schießt er – auf übermäßige Repräsentation in seinem Amt bedacht – dem ständig fast mittellosen Hof aus seinem privaten Portefeuille Gelder vor, die er nie wiedersieht, so daß die Familie sich schon bald in finanziellen Nöten befindet.

Als die Herzogin Anna Amalia 1759 nach dem Tod ihres Mannes die Regentschaft übernimmt, schickt sie den Haus- und Hofmarschall von Schardt – er ist noch nicht fünfzig – in Rente. Nicht nur wirtschaftlich ein schwerer Schlag. Fortan tyrannisiert der arbeitslose Vater die Familie. Charlottes Kindheit und Jugend ist davon überschattet. Sie, die Zweitälteste, wächst mit drei Brüdern und zwei Schwestern auf. Alle werden zu Hause unterrichtet. Neben den Elementarfächern Schreiben, Lesen und Rechnen stehen französische Sprache und vor allem höfischer Tanz auf dem Lehrplan.

Mit sechzehn wird Charlotte als Hoffräulein in den Kreis der Hofdamen der Herzogin Anna Amalia aufgenommen. Lernt sie da ihren späteren Mann kennen, von dem überliefert ist, daß er ein ausgezeichneter Tänzer und ein ausnehmend schöner Mann war, der sich besonders auf Reitkünste verstand? Es ist Freiherr Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein, Erbherr auf Großkochberg, seit 1760 Stallmeister Anna Amalias. Charlotte ist arm, keine gute Partie. Anzunehmen ist daher, daß es ihr Äußeres, ihre Bescheidenheit, ihre guten Manieren, also Sympathie war, die den sieben Jahre Älteren hat um sie werben lassen.

Am 17. Mai 1764 – Charlotte ist einundzwanzig – findet die Hochzeit statt. Das junge Paar bezieht als Dienstwohnung das Landschaftskollegienhaus in der Kleinen Teichgasse, direkt benachbart dem Elternhaus Charlottes; bis zum Umzug in das Stiedenvorwerk am Park im November 1777 ist es das Zuhause der jungen Familie.

Am 8. März 1765 wird ein erstes Kind geboren, der Sohn Karl. In rascher Folge, fast Jahr für Jahr wird Charlotte schwanger, in neun Jahren bringt sie sieben Kinder zur Welt. Ihre Mutter steht ihr bei den Niederkünften bei. Ihre Geburten sind alle schwer. Am 30. September 1767 kommt Ernst zur Welt, am 26. Oktober 1772 Fritz. Die Geburt des letzten Kindes erfolgt am 13. April 1774. Wie die 1766, 1769 und 1770 Geborenen ist es ein Mädchen. Und so wie die drei Mädchen kurz nach der Geburt verstorben sind, verliert sie auch diese Kleine Wochen später. Am 7. Mai 1774 verlischt ihr Leben.

Zwei Jahre später wird Charlotte von Wieland gebeten, bei einem seiner Kinder Patin zu stehen. Das Pathgen, berichtet sie, sieht völlig aus wie eine Tochter die ich verlohren habe und die ich sehr liebte, ich bilde mir ein sie ist bey Wielanden wieder auf die Welt gekommen, und darüber ist mirs nicht anders als wens mein Kind wär.

Diese berührenden Zeilen sind an den Schweizer Schriftsteller und Mediziner Johann Georg Zimmermann gerichtet.

 

In Bad Pyrmont hat Charlotte ihn 1773 kennengelernt, als sie dort ihrer geschwächten Gesundheit wegen zur Kur weilt. Auch ein Jahr später, nach dem Tod ihres siebenten Kindes, sucht sie Erholung in Bad Pyrmont. Zimmermann ist ihr Badearzt. Er ist eine Berühmtheit. Regenten wie Friedrich I. und die Zarin Katharina suchen seinen Rat. Sein Buch »Betrachtungen über die Einsamkeit« wird später weite Verbreitung finden. Er muß ein guter Menschenkenner und Psychologe gewesen sein, gewinnt schnell das Vertrauen seiner Patienten. So auch das Charlotte von Steins. Über den Kuraufenthalt hinaus wird der Kontakt gehalten, Briefe werden gewechselt, fast eine Freundschaft entsteht.

Zimmermann korrespondiert mit aller Welt. Und er berichtet auch ohne Hemmungen über seine neuen Bekanntschaften in Bad Pyrmont. Wie viele seiner Zeitgenossen ist er ein...

Erscheint lt. Verlag 7.11.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Beststeller • Briefe • Charlotte von Stein • Frau von Stein • Goethe • Goethe Briefe • insel taschenbuch 4580 • IT 4580 • IT4580 • Liebesbriefe • Paarbiographie • Soiegel Bestseller • spiegel bestseller • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller • Spiegelbeststeller • Weimar • Zettelgen
ISBN-10 3-458-74402-9 / 3458744029
ISBN-13 978-3-458-74402-3 / 9783458744023
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