Geheime Welten -  Hendrik M. Bekker

Geheime Welten (eBook)

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2019 | 1. Auflage
80 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-0122-1 (ISBN)
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Geheime Welten: Acht phantastischen Erzählungen von Hendrik M. Bekker Der Umfang dieses Buchs entspricht 72 Taschenbuchseiten. Dieses Buch enthält folgende acht Erzählungen: Der alte General Balthasars Basar Wissen und nicht wissen Der Ring, der Wünsche erfüllt Mein Freund, der Zwerg Seelenloser Engel Die Anhalterin Preisnachlass wegen Geisterbefall

Der alte General


Zehn nach halb neun. Damit ist der Chef definitiv zu spät. Mir soll es recht sein. Vermutlich hat Herr Dr. Fernh irgendwas Wichtigeres zu tun.

Ich stehe auf von der Bank in unserem provisorischen Pausenraum.

„Sollen wir?“, frage ich in die Frühstücksrunde. Eine obligatorische Reaktionssekunde passiert erst mal gar nichts. Dann ernte ich das erste langsame Nicken.

Wir haben schließlich auch ohne den Chef alle was zu tun. Wir, das meint eine bunt gemischte Truppe, die hier für die Stadtarchäologie arbeitet: Praktikanten von der Universität, die hier erste Erfahrungen sammeln, zwei Ehrenamtliche, die hier mal reinschnuppern, und die Hand voll Leute, die uns „echten“ Archäologen vom Arbeitsamt zugeteilt wurde. Deren Arbeitskraft ist nämlich preiswerter als alles von Leuten machen zu lassen, die das studiert haben.

Aber naja, auch die Stadt muss sehen, wo ihr Geld bleibt.

Ich bin nach dem Chef hier die Nummer zwei, also muss ich jetzt mal für Bewegung sorgen.

Wir schnappen uns Spaten und Eimer, Schaufeln und ein Radio.

Wir wissen alle, was zu tun ist. Da muss nicht viel erklärt werden. Auf einer Vierzig-Quadratmeter-Fläche müssen wir die ein Meter siebzig tiefe Grube nochmal um dreißig Zentimeter abtiefen. Eigentlich dachten wir, wir sind schon auf der richtigen Höhe. Aber jemand hatte sich verrechnet. Dreißig Zentimeter klingt nicht viel, ist aber eine ganze Menge bei der Fläche.

Fehler passieren, genauso wie man unvorhergesehene Dinge findet. Bomben im zweiten Weltkrieg haben manchmal Krater in die Erde gefressen, oder wir finden Rohrleitungen oder Stromkabel, die nirgendwo verzeichnet sind, manchmal noch mit Strom drauf. Alles schon vorgekommen. Aber Gott sei Dank ist das hier keine Notgrabung, wo uns Bauarbeiter und Bauherren im Nacken sitzen. Wir sondieren hier nur für einen Grundstückseigentümer, wie tief er bei seinen Baumaßnahmen gehen kann. Hier in der Innenstadt kann man dabei allerhand finden und solange kein Bauplan ansteht, hat man auch keine großen Geldverluste, weil alle warten müssen.

Dazu können wir schon mal testen, ob wir die Relikte jüngerer deutscher Geschichte finden: Bomben, meist nur die Reste, manchmal aber auch Blindgänger.

Irgendwer erzählte mal, das inoffizielle Motto der Minensucher der Bundeswehr wäre: „Wer suchet, der findet, wer drauftritt verschwindet.“

Das ist nur halb so witzig, wenn man mal die Schaufel in die Erde rammt und es ein sehr metallisches „klonk“-Geräusch gibt.

Trotzdem ist die Gefahr natürlich doch eher geringer als in den meisten Indiana Jones-Filmen dargestellt. Es ist unumgänglich, über Archäologen zu reden, ohne den Vergleich heranzuziehen. Das muss jeder Student im Verlauf seines Studiums zu ertragen lernen. Einmal ist das ja witzig, aber irgendwann ...

Ich beginne damit, die Erde, die Alex mir mit dem Spaten vorlockert, in die Eimer zu schippen. Es hat geregnet, der Boden ist lehmig und vollgesogen. Jetzt allerdings scheint die Sonne.

Gehört halt alles dazu, wenn man was finden will. Ich will nicht wissen, wie anstrengend eine Grabung in Ägypten ist.

Alex, oder Alexander Pilsner, lässt kurz den Spaten sinken.

Ich und auch alle, die hier gerade die Graberei-Arbeit machen, wissen, was jetzt kommt.

Aus seiner ausgebeulten Westentasche zieht er eine alte Holzpfeife mit kleinen Metallverzierungen.

Dann schiebt er seine Schiebermütze auf seinen nach hinten gegelten, langsam lichter werdenden Haaren zurück und stopft die Pfeife genüsslich.

Anschließend nimmt er Streichhölzer heraus und nach dem Stopfen der Pfeife wird sie erst mal genüsslich angezündet. Dass es ein Genus sein muss, zeigt sein völlig zufriedenes Lächeln.

Uns steigt dabei immer nur der süßliche Tabakrauch in die Nase. Alex ist arbeitslos und hilft hier ehrenamtlich aus. Er ist sicher so um die vierzig mit einem wettergegerbten Gesicht, das ihn älter aussehen lässt.

Dann geht die Schaufelei weiter.

Lutz, einer der Praktikanten der Uni hier, nimmt einen vollen Eimer an. Irgendwer muss heute fragen, diesmal ist Lutz dran.

„Alex, Laura ist doch neu hier. Erzählst du uns und ihr nochmal, wie du hierhergekommen bist?“

Alexander erzählt gerne Geschichten, die sich zwar nie gegenseitig widersprechen, deren Wahrheitsgehalt ich aber mal dezent anzweifeln will.

Alex pafft noch ein, zwei Mal genüsslich und lässt zwei kleine Wölkchen aufsteigen. Dann, die Pfeife noch im Mundwinkel, nimmt er seinen Spaten wieder auf und macht sich an die Arbeit.

Erst denken wir schon, er wäre heute nicht in Stimmung und würde nichts erzählen.

Doch dann beginnt er: „Es ist ja schon über hundert Jahre her, da wurde ich im schönen Staate Virginia in den jungen, Vereinigten Staaten von Amerika geboren. Aufgewachsen bin ich aber dann in Boston. Hat mich auch sehr geprägt, denk ich mal. Jedenfalls kam dann der große Krieg. Also der Krieg des Nordens gegen den Süden. Der Süden, wir, wurden da rein gezwungen.“

„Naja“, sagt Laura, die neue Praktikantin, laut. Sofort ruhen alle Blicke auf ihr. Wir mögen Alex‘ Geschichten. Gerade bei solchen Gelegenheiten helfen sie, die Arbeit schneller zu erledigen.

„Der Süden wurde doch nicht gezwungen“, merkt sie nun etwas kleinlaut an. Alexander pafft erneut ein paar Wolken, bevor er fortfährt.

„Geht so. Als Sohn Virginias war ich hin und her gerissen, für wen ich kämpfen solle“, setzt er seine Geschichte fort.

„Moment, so alt können Sie doch niemals sein“, fährt Laura dazwischen.

Entnervt schnaube ich.

„Das fällt dir erst jetzt auf?“, stelle ich fest. „Er erklärt das.“

Laura sieht mich skeptisch an.

Alexander lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Ein paar kleine Wölkchen steigen auf, bevor er fortfährt.

„Muss ja nichts erzählen", brummt Alexander, während er eine weitere Wolke aufsteigen lässt.

„Damit die Neue ins Bild kommt, fange ich mal an mit dem Grund meines Hierseins. Wir belagerten eine kleine Stadt, die vom Norden besetzt war. Die Blauröcke hatten sich verschanzt in der Schule der Stadt. Wir saßen in den Gebäuden darum herum. Die Sonne brannte und auch in den Häusern war es so warm, dass die Uniform wie eine zweite Haut anklebte. Ich war seiner Zeit bereits General, General Alexander Pilsner. Trotz allem hatte ich nur einen Revolver. Der Süden war für diesen Krieg nicht so gut gerüstet wie der industrialisierte Norden. Wir belagerten also dreißig Mann in der Stadthalle mit gerade mal zwei Dutzend Konföderierten. Das allerdings wussten die Blauröcke nicht, weil ich die Jungs angewiesen hatte, Lärm für ein Bataillon zu machen.“

„Kommt jetzt die Hexe?“, fragt Lutz mich, während er mehrere Eimer aus der Grube hochhievt. Ich nicke.

„Dann geh ich mal pissen“, entschuldigt er sich eloquent.

Alexander ignoriert ihn geflissentlich in seinem Redefluss.

„In dem Ort gab es viele Russen, die aus demselben Grund in die USA kamen, wie alle anderen auch: ein besseres Leben. Jeder der damals in die Staaten kam, ließ sich gerne bei Landsleuten nieder. So gab es immer mal Dörfer, in denen man kaum wen fand, der Englisch gut sprach. Die Hexe hieß jedenfalls Swara oder so, auf jeden Fall wurde sie mir so vorgestellt. Sie sollte uns segnen.

War, muss ich gleich sagen, nicht meine Idee. Glaubte nicht an so einen Humbug. Die Anwohner wollten, dass wir so schnell es geht gewinnen. Möglichst, so nehme ich an, ohne viel kaputt zu machen. Außerdem ist der Kampf für die Freiheit so eine Sache. Alle finden ihre Freiheit toll und wenn sie bedroht ist, wird sie für manche erst wirklich wertvoll. Nur selbst für sie kämpfen, das ist es dann doch nicht jedem wert. Außerdem nach Möglichkeit nicht vor oder eigenen Haustür, sondern weit weg. So bist du als Soldat auch meist unbeliebt.

Swara jedenfalls strich uns mit einer in irgendwas getunkten Feder über die Stirn und sprach dabei in ihrer Heimatsprache, oder wirres Zeug, ich kann kein Russisch. War schon älter, die Frau, man sah ihr aber die verblassende Schönheit an. Schwarze Augen, schwarzes Haar, und Haut, also meine ist mehr gegerbt worden durch die Sonne. Sie war sicher schon Jahre älter als ich, aber man konnte das nicht genau sagen. Sie hatte einfach irgendwas Besonderes an sich. Jedenfalls sind wir dann raus, haben uns verteilt. Jeder wusste, wo er sein sollte. Hexenwerk oder nicht, wir wollten das Ganze beenden und reinstürmen. Ich...“, so geht es eine ganze Weile voran, wie er alleine mehre Gegner tötete. Laura hängt bei der Beschreibung des kurzen aber heftigen Gefechts genauso an seinen Lippen wie wir anderen. Seine Stimme ist einfach so, dass man ihr zuhören muss.

„Ich warf ihm den leeren Revolver entgegen und duckte mich unter seinem Hieb weg. Ein fester Tritt von mir, und seine Familienplanung hatte sich erledigt. Dann war es vorbei. Keiner von denen stand mehr und wir hatten nur Steve und Peters verloren.“

„Wie aber kamst du her?“, fragt Laura jetzt spitz.

„Ich hab mich mit der Alten eingelassen“, brummt er. Er...

Erscheint lt. Verlag 2.7.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7389-0122-1 / 3738901221
ISBN-13 978-3-7389-0122-1 / 9783738901221
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