Der Glasmurmelsammler (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

****

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2015 | 1. Auflage
368 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401424-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Glasmurmelsammler -  Cecelia Ahern
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Wie gut kennen wir die Menschen, die wir lieben? Als Fergus einen Schlaganfall hat, vergisst er fast alles aus seinem Leben. Da findet seine Tochter Sabrina seine Glasmurmel-Sammlung, von der er ihr nie etwas erzählt hat. In der Sammlung fehlen die wertvollsten Stücke, und Sabrina macht sich auf die Suche nach ihnen. Es stellt sich heraus, dass Fergus noch viel mehr Geheimnisse hatte, und alle scheinen mit den schillernden Kugeln verbunden zu sein. Doch wenn ihr Vater nicht der Mann ist, für den sie ihn gehalten hat - was bedeutet das für Sabrinas eigenes Leben? ?Der Glasmurmelsammler? ist eine berührende Vater-Tochter-Geschichte, in der sich in kleinen Glaskugeln große Träume und Gefühle spiegeln. Der berührende Roman der einfühlsamen Erfolgsautorin Cecelia Ahern aus Irland.

Cecelia Ahern erzählt Geschichten, die unvergleichlich inspirieren und berühren. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen der Welt und vielseitig wie wenige andere, schreibt zeitgenössische Romane, Novellen, Storys, Jugendbücher, TV-Konzepte und Theaterstücke. Für ihre Werke wurde sie vielfach ausgezeichnet. Ihre Romane wurden fürs Kino oder fürs Fernsehen verfilmt, zum Beispiel »P.S. Ich liebe Dich« mit Hilary Swank und »Für immer vielleicht« mit Lily Collins. Cecelia Ahern ist Jahrgang 1981, hat Journalistik und Medienkommunikation studiert und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern im Norden von Dublin.

Cecelia Ahern erzählt Geschichten, die unvergleichlich inspirieren und berühren. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen der Welt und vielseitig wie wenige andere, schreibt zeitgenössische Romane, Novellen, Storys, Jugendbücher, TV-Konzepte und Theaterstücke. Für ihre Werke wurde sie vielfach ausgezeichnet. Ihre Romane wurden fürs Kino oder fürs Fernsehen verfilmt, zum Beispiel »P.S. Ich liebe Dich« mit Hilary Swank und »Für immer vielleicht« mit Lily Collins. Cecelia Ahern ist Jahrgang 1981, hat Journalistik und Medienkommunikation studiert und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern im Norden von Dublin. Christine Strüh, geboren 1954, lebt in Berlin. Sie ist Übersetzerin von Gillian Flynn, Cecelia Ahern, Judy Blume, Pete Hamill, Laini Taylor und anderen.

So ist Ahern mit ›Der Glasmurmelsammler‹ eine einfühlsame Geschichte gelungen – ohne große Spannungsbögen, dafür mit authentisch gezeichneten Charakteren, die man gerne begleitet.

ein wirklich schöner Schmöker für graue Wintertage, der einen auch ein wenig nostalgisch an Murmelspiele in Kindertagen zurück denken lässt.

Man findet sich in Cecelia Aherns Geschichten einfach immer wieder.

Mit dem berührenden Schicksalsroman umspannt die irische Erfolgsautorin mehrere Jahrzehnte einer Familiengeschichte.

Die Lektüre des ›Glasmurmelsammlers‹ lässt den Leser nachdenklich, aber hoffnungsvoll zurück – mit dem Gefühl, dass jeder Mensch eine zweite Chance bekommt.

Letztendlich kann man sagen, dass Cecelia Ahern hier einen rührenden Schicksalsroman vorlegt, der als prima Schmöker für diese dunkle Jahreszeit daher kommt.

Der einfühlsame Roman bleibt bis zum Ende spannend, indem er immer mehr über seine Protagonisten preisgibt, bis am Ende auch das letzte Geheimnis entschlüsselt wird.

Wie immer ein spannender und einfühlsamer Ahern-Roman mit überraschenden Wendungen und der Erkenntnis, dass »ich die Tochter meines Vaters bin«.

1


Murmelspiele: Verbündete

»Fergus Boggs!«

In dem ganzen wütenden Wortschwall, mit dem Father Murphy mich überschüttet, verstehe ich nur diese beiden Wörter, denn das ist mein Name. Der Rest ist Irisch. Ich bin fünf Jahre alt und erst seit einem Monat in Irland, nach dem Tod meines Vaters bin ich mit meiner Mammy und meinen Brüdern hierhergezogen. Alles ist furchtbar schnell passiert. Erst ist Daddy gestorben, und gleich danach sind wir umgezogen. Zwar war ich schon ein paarmal in Irland, in den Sommerferien, wenn wir meine Grandma, meinen Granddad, meinen Onkel, meine Tante und meine Cousins und Cousinen besucht haben, aber jetzt ist es ganz anders hier. Sonst war immer Sommer, aber jetzt hat es seit unserer Ankunft jeden Tag geregnet, und alles ist mir fremd. Sogar die Eisdiele ist geschlossen und verrammelt – als hätte es sie nur in meiner Einbildung gegeben, und der Strand, an dem wir im Sommer fast jeden Tag waren, sieht ganz anders aus. Der Pommes-Wagen ist verschwunden, die Leute sind dunkel und dick eingepackt.

Father Murphy steht vor meinem Tisch, groß und grau und breit. Wenn er schreit, spritzt die Spucke aus seinem Mund, und ich spüre genau, wie sie mein Gesicht trifft, aber ich habe Angst, sie wegzuwischen, denn wer weiß, ob ihn das nicht noch wütender macht. Vorhin hab ich mich kurz umgeschaut, weil ich wissen wollte, wie die anderen Jungs reagieren, aber da hat Father Murphy mir sofort eine gelangt. Mit dem Handrücken, das tat echt weh. Er trägt nämlich einen Ring, einen richtig großen, und ich glaube, ich hab eine Schramme im Gesicht. Aber ich trau mich nicht, mit der Hand nachzufühlen, denn womöglich scheuert er mir dann gleich wieder eine. Auf einmal muss ich dringend aufs Klo. Klar, ich hab schon öfter Prügel bezogen, aber noch nie von einem Priester.

Er brüllt weiter irische Wörter, und offensichtlich ist er wütend, weil ich ihn nicht verstehe. Immer mal wieder schiebt er englische Wörter zwischen die irischen, beschimpft mich und sagt, ich müsste ihn längst verstehen. Aber ich krieg das einfach nicht hin. Zu Hause kann ich kein Irisch üben. Mammy ist immer noch traurig, und ich will ihr nicht damit auf die Nerven gehen. Am liebsten sitzt sie einfach nur da, und sie kuschelt auch gern. Das gefällt mir, und ich möchte das Kuscheln nicht mit Reden kaputtmachen. Außerdem weiß sie bestimmt auch nicht mehr viele irische Wörter. Sie ist vor langer Zeit von Irland nach Schottland gezogen, da hat sie bei einer Familie als Kinderfrau gearbeitet und Daddy kennengelernt. Meine Eltern haben nie irische Wörter benutzt.

Der Priester will, dass ich ihm die Wörter nachspreche, aber ich kann kaum atmen, und sie kommen nur ganz schwer aus meinem Mund.

»Tá mé, tá tú, tá sé, tá sí …«

»LAUTER

»Tá muid, tá sibh, tá siad.«

Wenn Father Murphy gerade nicht schreit, ist es ganz still im Klassenzimmer, und das erinnert mich daran, wie viele Jungs in meinem Alter hier sitzen und die Ohren spitzen. Während ich die Wörter herauswürge, macht Father Murphy den anderen immer wieder deutlich, wie dumm ich bin. Ich zittere am ganzen Körper. Mir ist schlecht. Ich muss aufs Klo. Schließlich sage ich es ihm. Von jetzt auf nachher wird sein Gesicht puterrot, er holt den Lederriemen heraus und schlägt mich damit auf die Hand. Später erfahre ich, dass alte Pennys in den Riemen eingenäht sind. Ich kriege »sechs von den Besten« auf jede Hand, sagt Father Murphy. Ich halte den Schmerz nicht aus. Ich muss dringend aufs Klo, ich kann es nicht mehr bremsen. Eigentlich gehe ich fest davon aus, dass die anderen mich auslachen, aber keiner gibt einen Ton von sich, alle haben die Köpfe gesenkt. Vielleicht lachen sie später, vielleicht haben sie aber auch Verständnis. Vielleicht sind sie einfach nur froh, dass sie es nicht sind, die da stehen und sich vor aller Augen in die Hose machen. Ich schäme mich, es ist mir schrecklich peinlich, und Father Murphy schärft es mir auch mehrfach ein. Schließlich packt er mich am Ohr und schleift mich aus dem Klassenzimmer, was auch schrecklich weh tut, den Korridor hinunter zu einer kleinen dunklen Kammer. Er schubst mich hinein, krachend fällt die Tür hinter mir ins Schloss, und dann bin ich allein.

Ich mag die Dunkelheit nicht, ich hab sie noch nie gemocht. Ich fange an zu weinen. Meine Hose ist nass, mein Pipi ist in meine Socken und Schuhe gelaufen, aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Normalerweise wechselt Mammy die Wäsche für mich. Was mache ich hier? Der Raum hat keine Fenster, ich kann nichts sehen. Hoffentlich muss ich nicht lange hier drinbleiben. Aber allmählich gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit, und in dem Licht, das durch den Spalt unter der Tür kommt, kann ich ein bisschen was erkennen. Ich bin in einer Abstellkammer. Ich sehe eine Leiter, einen Eimer und einen Wischmopp ohne Stiel, nur den Mopp. Es riecht muffig. An der Wand hängt ein altes Fahrrad, kopfüber, die Kette fehlt. In einer Ecke stehen zwei Gummistiefel, die nicht zusammenpassen. Eigentlich passt hier drin gar nichts zusammen. Ich weiß nicht, warum Father Murphy mich in dieses Kabuff gesperrt hat, und ich weiß auch nicht, wann ich endlich wieder rausdarf. Muss ich für immer hierbleiben? Ob Mammy dann kommt und mich sucht?

Eine Ewigkeit vergeht. Ich schließe die Augen und fange an, mir etwas vorzusingen. Die Lieder, die Mammy immer mit mir singt. Nur ganz leise natürlich, ich will ja nicht, dass Father Murphy mich hört und denkt, ich hab Spaß hier drin. Das würde ihn ganz bestimmt ärgern. Hier macht es die Leute nämlich wütend, wenn man Spaß hat und wenn man lacht. Wir sind hier nicht die Bestimmer, wir sind hier, um zu dienen. Aber mein Daddy hat mir was anderes beigebracht, er hat mir gesagt, ich bin der geborene Anführer, ich kann alles werden, was ich will. Früher bin ich oft mit ihm auf die Jagd gegangen, er hat mir alles gezeigt, und er hat mich vorneweg gehen lassen und gesagt, ich bin der Chef, ich bestimme. Er hat sogar ein Lied darüber gesungen. »Following the leader, the leader, the leader, Fergus is the leader, da da da da da.« Auch das summe ich jetzt vor mich hin, aber ohne Worte. Dem Priester wird es nicht gefallen, wenn ich ein Lied darüber singe, dass ich der Bestimmer bin. Hier dürfen wir nicht sein, wie wir wollen, wir müssen tun, was man uns sagt. Ich singe die Lieder, die mein Daddy immer gesungen hat, damals, als ich manchmal lange aufbleiben und den Erwachsenen beim Liedersingen zuhören durfte. Für einen großen Mann hatte Daddy eine sehr weiche Stimme, und manchmal hat er beim Singen geweint. Im Gegensatz zu Father Murphy hat er nie behauptet, dass nur Babys weinen, er hat gesagt, wenn Menschen traurig sind, dann weinen sie. Ich singe seine Lieder und versuche, nicht dabei zu weinen.

Dann geht plötzlich die Tür auf, und ich weiche unwillkürlich zurück, weil ich Angst habe, es ist Father Murphy mit seinem Lederriemen. Aber nicht er kommt herein, sondern der nette junge Priester, der bei uns Musik unterrichtet. Leise schließt er die Tür hinter sich und kauert sich zu mir.

»Hallo, Fergus.«

Ich will auch Hallo sagen, aber es kommt kein einziges Wort aus meinem Mund.

»Schau mal, ich hab dir was mitgebracht. Eine Schachtel Bloodies.«

Als er die Hand ausstreckt, zucke ich unwillkürlich zurück.

»Mach nicht so ein ängstliches Gesicht, das sind bloß Murmeln. Hast du schon mal mit Murmeln gespielt?«

Als ich den Kopf schüttle, öffnet er die Hand, und ich sehe die Murmeln auf seiner Handfläche liegen wie einen wertvollen Schatz, vier rote Rubine.

»Als Junge hab ich sie geliebt«, erzählt er leise. »Mein Granddad hat sie mir geschenkt. Ein Kistchen Bloodies, hat er gesagt, extra für dich. Leider hab ich die Box nicht mehr. Wäre schön, weil sie inzwischen nämlich einiges wert sein könnte. Also denk immer dran, die Packungen aufzuheben, Fergus, den Rat geb ich dir. Zum Glück hab ich wenigstens die Murmeln behalten.«

Draußen geht jemand an der Tür vorbei, man spürt, wie der Boden unter schweren Stiefeln zittert und knarzt, und auch mein Musiklehrer schaut zur Tür. Als die Schritte verklungen sind, wendet er sich mir wieder zu und sagt leise: »Man wirft sie. Oder man kann sie anschieben.«

Neugierig schaue ich zu, wie er den Zeigefinger mit dem Knöchel auf den Boden drückt, ihn beugt und eine Murmel auf dem Gelenk balanciert. Dann legt er den Daumen dahinter, schubst die Murmel an, und schon rollt sie eilig über den Holzboden. Eine leuchtend rote Murmel, in der das spärliche Licht reflektiert, glänzt und schimmert. Direkt vor meinem Fuß bleibt sie liegen. Aber ich habe Angst, sie aufzuheben. Meine malträtierten Hände tun immer noch weh, es ist schwierig, sie zu schließen. Als mein Musiklehrer es merkt, zuckt er zusammen.

»Versuch es wenigstens«, meint er aufmunternd.

Ich tue es. Anfangs bin ich nicht sehr gut, weil es schmerzhaft ist, die Hand so zu krümmen, wie er es mir gezeigt hat, aber nach einer Weile kriege ich den Bogen raus, und mein junger Lehrer bringt mir sogar noch andere Schusstechniken bei. Eine Methode, die man Gelenkwurf nennt. Obwohl das seiner Meinung nach eher etwas für Fortgeschrittene ist, bin ich dabei am besten. Als er mich lobt, muss ich mir auf die Lippen beißen, damit ich nicht so grinse.

»Je nach der Gegend, in der man ist, haben Murmeln ganz unterschiedliche Namen«, sagt er, kniet sich wieder hin und zeigt mir noch etwas. »Manche nennen sie Schusser, andere Klicker oder Marmeln, aber meine Brüder und ich haben sie immer Allies genannt.«

Allies. Verbündete. Das gefällt mir. Selbst wenn ich ganz allein in diesem Kabuff eingesperrt bin, habe ich Verbündete. Ich komme...

Erscheint lt. Verlag 18.11.2015
Übersetzer Christine Strüh
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 50-er-Jahre • 60-er-Jahre • Brüder • Bunt • Dublin • Erinnerung • Familie • Frau • Freundschaft • Geborgenheit • Geheimnis • Gewinnen • Gewinner • Glas • Glück • Hoffnung • Identität • Irisch • Irland • Jugend • Junge • Kind • Kinder • Kindheit • Klicker • Leben • Liebe • Mann • Mond • Mondsüchtig • Murmel • Murmeln • Murmelspiel • Mutter • Packung • Sammlung • Sonne • Sonnenfinsternis • Spiel • Spielen • Suche • Tochter • Unterhaltung • Valentinstag • Vater • Zukunft
ISBN-10 3-10-401424-8 / 3104014248
ISBN-13 978-3-10-401424-1 / 9783104014241
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