Die Transformation (eBook)

Roman
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2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-17497-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Transformation -  Norman Spinrad
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Viel Vergnügen beim Retten der Welt!
Im Westen der Vereinigten Staaten taucht eines Tages ein Mann auf, der von sich behauptet, aus der Zukunft zu kommen. Er nennt sich Ralf und tingelt als Komiker mit einem sehr exzentrischen Programm durch die USA: In zornigen Tiraden wirft er den Menschen vor, mit ihrer Gleichgültigkeit und Dummheit die Erde - und damit seine Zukunft - zu vernichten, und beschwört die Möglichkeit einer großen Veränderung, einer alles entscheidenden Transformation. Der Agent Texas Jimmy Balaban nimmt ihn unter Vertrag und verhilft Ralf zu einer einzigartigen Fernsehkarriere. Ist er ein durchgeknallter Sektierer, ein zynischer Komiker - oder wirklich aus der Zukunft? Solange die Einschaltquoten stimmen, interessiert sich niemand dafür - schon gar nicht in Hollywood, wo die Grenzen zwischen Realität und Irrsinn fließend sind ...

Norman Spinrad, geboren 1940 in New York, arbeitete als freier Schriftsteller und Literaturagent, bevor er in den Sechzigerjahren erstmals mit seinen Science-Fiction-Erzählungen und -Romanen auf sich aufmerksam machte. Er zählt zu den amerikanischen New-Wave-Autoren und trug immer wieder mit Stories zu Michael Moorcocks Magazin New Worlds bei. Daneben publizierte er Romane, die nicht nur ausgezeichnet unterhalten, sondern auch der amerikanischen Gesellschaft und Medienlandschaft den Spiegel vorhalten und zu politischen Debatten über den zivilisatorischen Stand der Dinge anregen. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet Spinrad in seiner Wahlheimat Frankreich.

Zwei


 

Während der einzelne Rufname ›Amanda‹ für ihre höhere Inkarnation innerhalb der NewAge-Szene genau den richtigen Klang hatte und auf dementsprechenden Anklang stieß, zog Amanda es der Zeckmäßigkeit halber vor, in der Welt der Los Angeles-Maja in sekundären Avataren mit passablen anderen Namen in Erscheinung zu treten.

Auf ihrem Führerschein, den Kreditkarten und den Rechnungen, die sie am Straßenrand dem Briefkasten entnahm, wenn sie daheim in Topanga eintraf, stand der Name Amanda von Staulenburg.

Und warum nicht? Amandas Recht, sich ›von Staulenburg‹ zu nennen, ging zurück auf die einvernehmliche Scheidung von einem Grafen des echten und wahren Geschlechts der Staulenburgs, der nie näher als bis zum Büro des Konkursverwalter an den Ursprungsort seines Titels gelangt war, einer Jugendliebe. Der Name schüchterte obstinate Kellner ein und beeindruckte sogar die Sultane des Showgeschäfts, und Banker neigten, wenn sie ihn auf dubiosen Schecks erblickten, aus Rührung plötzlich zur zuvorkommenden Höflichkeit der Alten Welt.

Statt Alimente, die Amanda ohnehin als eine Form des Schmarotzertums bewertete – und die zudem gewissermaßen einem Zugvogel hätten aus den Rippen geleiert werden müssen –, und in Ermangelung einer Gütertrennungsregelung, auf die sie und Carl damals verzichtet hatten, war ihr seitens des Grafen die karmische Inbesitznahme des Hauses am Big Rock vermittelt worden.

Streng genommen, unter juristischen Gesichtspunkten, gehörte ihr das Haus nicht, denn nach dem Gesetz war es gar nicht vorhanden.

Ein Segelkamerad Carl von Staulenburgs, ein anderer Wahlkalifornier und Graf, der allerdings monetären Beschränkungen unterlag, hatte ein Grundstück in Topanga erworben, ein großes, leeres Stück Land: Trockental, ein paar mit Chaparral bewachsene Hügel sowie ein Mini-Berg von Riesenfindling, den die längst dahingegangenen Chumash-Indianer einst als heilig verehrt hatten.

Nur reich an Land und sonst nichts, hatten er und seine Frau ohne ernstliche Beachtung irgendwelcher Bauvorschriften eine robuste, weitläufige Behausung errichtet und um ein eigenes Wasserreservoir und ein Schwimmbecken, Solarzellen, Weingärten, Bienenstöcke, Gärten sowie Hühnerställe ergänzt. Als manischer Werkler und Bastler hatte er nicht bloß diesen Wohnsitz immerzu weiter ausgebaut, sondern drei zusätzliche Häuser auf das Grundstück gestellt, die in der Theorie Mietobjekte sein und ihm zu Einkünften verhelfen sollten.

In der Praxis jedoch dienen sie überwiegend einem Strom von Freunden und Bekannten aller Couleur, Verwandten sowie zeitweilig insolventen Schriftstellern, Künstlern und Filmleuten gegen die Unbilden des Daseins als Unterschlupf, unter ihnen auch Carl und Amanda von Staulenburg.

Als es zur ehelichen Trennung kam, hatte Carl mit seinem Kumpel vereinbart, Amanda eines der Häuser zur dauerhaften Nutzung zu überlassen. Amandas Vereinbarung mit diesem abgelegensten aller Vermieter, der selbst meistens um einen Zug hinter seinen Gläubigern nachhinkte und es aufgrund seines Naturells ohnehin keinesfalls übers Herz brachte, einen Mieter wegen Mietrückstands hinauszuwerfen, beruhte auf einer Art von zeitweiligem kommunistischem Prinzip: diesen Monat nach meinen Fähigkeiten, nächsten Monat nach deinen Bedürfnissen. Erwies es sich als erforderlich, dass sich jemand um die Flora und Fauna des Anwesens kümmerte, während das Haupthaus unbewohnt war, aber Amanda sich daheim aufhielt, dann fielen gemäß der Absprache derlei Aufgaben in ihre Zuständigkeit.

Amandas Wohnsitz und das Hauptgebäude waren jeweils in einer Mulde gebaut worden, sodass die zwischenliegenden Hügel sie gegenseitig dem Blick entzogen, allen Beteiligten den Schein einer einsamen Wildnis gewährte. Schatten vor der südkalifornischen Sonne spendete ein dichtes Eukalyptuswäldchen, sodass das ökologische Milieu dem Ambiente einer erheblich weiter nördlich stehenden Berghütte glich.

Das aus rauen Balken gefertigte Haus war inzwischen zu einer splitterigen, edlen Grautönung verwittert, umfasste ein geräumiges, rückwärtiges Schlafzimmer, ein Gästezimmer, einen Geräteschuppen, eine Toilette, ein zwar schlichtes, aber gesondertes Bad, eine Bauernküche mit Essecke und einer kleinen, überdachten Hinterterrasse sowie ein großes, rustikales Wohnzimmer mit Vorderveranda, die einen prächtigen. Ausblick auf den Big Rock bot.

Wenn Amanda bei einem Glas Chablis oder einem Joint (oder beidem) auf dieser Veranda saß und den Sonnenuntergang genoss, hatte sie das Empfinden, da zu sein, wohin sie ganz einfach gehörte.

Die Santa Monica-Berge bildeten das südlichste Vorgebirge der gewaltigen Kordilleren ihres heiß geliebten Kaliforniens, der ausgedehnten, enormen Bergketten, die sich längs der Pazifikküste erstreckten, an der sie – mit ihrer jeweils billigsten Rappelkiste – als suchende Pilgerin, aber bisweilen auch als Meisterin, hin- und herrasselte.

Auf der Veranda, in der waldigen Mulde, die ebenso gut in Big Sur oder am Mount Tamalpais hätte liegen können, fühlte sie sich, während sie die überm Big Rock sinkende Sonne dunkle Schatten über die struppig-grünen Abhänge breiten sah und den köstlichen Duft des Gebirgsabends atmete, zu Füßen der himmelhoch aufragenden, mythischen Landschaft, dieses großen, weisen Buddhas aus Fels und Erde, nichtig und bescheiden wie ein Akolyth.

Doch nur zwanzig Minuten Fahrt auf dem Topanga Canyon Boulevard entfernt lag im Norden das vorstädtische Siedlungsgebiet des San Fernando Valley, brummte auf dem in Smog gehüllten Ventura Freeway der Verkehr, und nach zwanzig Minuten Fahrt auf der 101 nach Osten (unter günstigen Verhältnissen, sonst konnte es wer weiß wie lange dauern) erreichte sie Hollywood und dessen spirituelle Vorhügel in Burbank, Fairfax und bei den Filmstudios.

›Amanda von Staulenburg‹ hatte ein gewisses Gepräge, aber ließ sich Amerikanern schlecht buchstabieren und wurde überdies leicht mit ›Anita von Pallenberg‹ verwechselt; darum nannte sie sich in ihrem Showgeschäft-Avatar ›Amanda Robin‹, spielte unter diesem bei der Schauspielergewerkschaft registrierten Künstlernamen Nebenrollen in Fernsehfilmen, gelegentlich eine Statistinnenrolle in Kinofilmen, bekam mit etwas Glück einen Part in einer Reklamesendung und coachte manchmal aufstrebende Talente.

Im Gegensatz zu den meisten weiblichen Randgestalten des Showgeschäfts, die sich als Kellnerinnen abplagten, während sie ihrem Traum vom Aufstieg zum Star anhingen, hegte Amanda keine derartigen Illusionen; was sie anbetraf, so hatte sie damit ihr Standbein gefunden, und weder versprach sie sich davon mehr, noch beabsichtigte sie es aufzugeben.

Sie sah darin ehrliche Arbeit, die sie zudem, karmisch gesehen, für viel redlicher hielt, als wäre sie der allzu starken Versuchung erlegen, eine das Geld nur so raffende Guru zu werden. Diese freiberufliche Tätigkeit beanspruchte sie nicht alle Tage und verhalf ihr zum Lebensunterhalt – wenn sie nämlich Reisekosten und die Ausgaben für die Seminare anderer Leute von dem subtrahierte, was sie durch die Weitergabe ihrer ›Selbsterfahrungstechniken‹ einnahm, kam sie lediglich auf ungefähr Nullkommanull –, sodass sie ihre Rechnungen bezahlen konnte.

Und davon fand sie jedes Mal, wenn sie nach zweiwöchiger Tour durch die NewAge-Szene nach Hause zurückkehrte, eine reichhaltige Sammlung vor. Außerdem zeigte ihr gegenwärtiges Mietautowrack Anzeichen tödlicher Erschöpfung. Amanda wusste, dass sie ihren Autos, da sie ständig durch gebirgige Gegenden tuckerte, die mit Schlaglöchern gespickte Erdstraße zwischen ihrem Haus und dem Topanga Canyon Boulevard befuhr und an eine Kraftfahrzeugwartung keinen Gedanken verschwendete, das Äußerste zumutete.

Ihre Lösung des Problems bestand darin, jedes Mal die erschwinglichste Schüssel zu kaufen – 500 Dollar hatte sie als absolutes Limit festgesetzt –, die es noch schaffte, sie von A nach B zu befördern, und ihr dann nichts außer Sprit und Öl zuzugestehen, bis sie den Geist aufgab. So eine Schrottkarre erfüllte ihren Zweck manchmal bloß drei Wochen, manches Mal jedoch ein Jahr lang. Auf lange Sicht war diese Strategie vorteilhafter, als hätte sie alle ein, zwei Jahre 3000 Dollar oder mehr Knete in einen Gebrauchtwagen gesteckt.

Ihre jetzige Schrottkiste, ein Ford Pinto, eine völlig überaltete Rostlaube, schluckte mittlerweile fast so viel Öl wie Benzin und furzte grässlich schwarzen Qualm aus dem Auspuff; dass der Wagen noch einmal durch die nächste Inspektion kam, die in Kürze bevorstand – falls er bis dahin nicht schon zusammenbrach –, war vollkommen ausgeschlossen.

Aus diesem Grund ging sie, nachdem sie das Haus gelüftet, die eingekauften Lebensmittel im Kühlschrank verstaut und die Rechnungen auf den Beistelltisch geworfen hatte, in der Hoffnung, dass es darauf ein paar lukrative Auftragsangebote zu hören gab, unverzüglich an den Anrufbeantworter.

Leider war keine Nachricht ihres Managers aufgezeichnet worden. Der einzige Anruf, der überhaupt Asche in Aussicht stellte, stammte von einem Freakdompteur namens Texas Jimmy Balaban.

Er vermittelte, so viel wusste sie, keine Rollen. Als Talentcoach war sie schon ab und zu für Balaban tätig gewesen, aber nie als Schauspielerin. Texas Jimmy Balaban hatte mit Film und Fernsehen nichts zu tun. Er managte eine Reihe mehr oder weniger professioneller Komiker, denen er Auftritte in Nachtclubs und albernen Fernsehunterhaltungssendungen verschaffte, und besorgte den Talkshow-Redaktionen Exhibitionisten, Spanner und andere so genannte Spezial-Attraktionen.

Amanda hatte sich mehrmals mit solchen jämmerlichen Komikern abgegeben. Im Allgemeinen bedeutete ein Anruf...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2015
Übersetzer Horst Pukallus
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel He Walked Among Us
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte eBooks • Hollywood • Katastrophen • Near future • Norman Spinrad • Satire • Weltuntergang
ISBN-10 3-641-17497-X / 364117497X
ISBN-13 978-3-641-17497-2 / 9783641174972
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