Russischer Frühling (eBook)

Roman
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2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-17557-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Russischer Frühling -  Norman Spinrad
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Der Beginn eines neuen Jahrtausends
Der Kalte Krieg zerstörte Amerikas Pläne für die Erforschung des Weltalls: Statt Missionen ins All konzentrierte sich die Supermacht auf Abwehrsatelliten, um der nuklearen Bedrohung durch die Sowjetunion etwas entgegensetzen zu können. Raumfahrtingenieur Jerry Reeds großer Traum ist es, Astronaut zu werden, deswegen wendet er sich, enttäuscht vom eigenen Land, Europa zu, die mit den Russen zusammenarbeiten. Die politische Lage verändert sich zu Ungunsten der Vereinigten Staaten, die schnell zum Außenseiter im Weltgeschehen werden. Reed, der inzwischen die Russin Sonya geheiratet und mit ihr zwei Kinder hat, und seine kulturell gespaltene Familie sehen sich einer Zukunft gegenüber, die so zwar in der Realität nicht eingetreten ist, die aber sehr wohl hätte die unsere sein können ...

Norman Spinrad, geboren 1940 in New York, arbeitete als freier Schriftsteller und Literaturagent, bevor er in den Sechzigerjahren erstmals mit seinen Science-Fiction-Erzählungen und -Romanen auf sich aufmerksam machte. Er zählt zu den amerikanischen New-Wave-Autoren und trug immer wieder mit Stories zu Michael Moorcocks Magazin New Worlds bei. Daneben publizierte er Romane, die nicht nur ausgezeichnet unterhalten, sondern auch der amerikanischen Gesellschaft und Medienlandschaft den Spiegel vorhalten und zu politischen Debatten über den zivilisatorischen Stand der Dinge anregen. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet Spinrad in seiner Wahlheimat Frankreich.

Einführung des Autors zur deutschen Ausgabe


 

Als ich im August 1988 mit dem Schreiben von Russischer Frühling begann, war ich kurz zuvor von einer internationalen Schriftsteller-Konferenz in Budapest zurückgekehrt, und als im September 1991 die amerikanische Hardcover-Ausgabe erschien, war inzwischen der Putschversuch vom August in Moskau fehlgeschlagen. In der Zeit zwischen der Idee zu dem Buch und seiner Fertigstellung im Jahre 1991 wurde es vielmals überarbeitet, um die revolutionären Veränderungen zu berücksichtigen, die während jener Jahre stattfanden und die die Welt so tiefgreifend neu gestalteten. Jetzt, im Juli 1992, da ich diese Zeilen schreibe, liegen die endgültigen Auswirkungen dieser Veränderungen noch vollkommen im dunkeln, und zwar so sehr, dass die einzige sichere Voraussage, die sich treffen lässt, die ist, dass es noch weitere solche Veränderungen geben wird, bevor Sie das, was ich jetzt schreibe, im November 1992 werden lesen können.

Viele der Veränderungen, die ich während des Schreibens des Buches voraussah, fanden tatsächlich statt, bevor der endgültige Entwurf fertiggestellt war – demokratische Wahlen in der Sowjetunion, die Auflösung des sowjetischen osteuropäischen Imperiums, die Wiedervereinigung Deutschlands, das Ende des Kalten Krieges, der allmähliche militärische Rückzug Amerikas aus Europa – und die endgültige Version trug ihnen mit abgewandelten Details Rechnung.

Andere Veränderungen traten erst ein, nachdem das Buch bereits in der Herstellung war. Einige davon, wenn sie auch nicht ganz der Vorhersage entsprachen, was den zeitlichen Rahmen oder den Ablauf im einzelnen betraf, entsprachen jedoch dem Roman auf unheimliche Weise zumindest in groben Zügen und mit derselben tieferen Bedeutung – die amerikanische Wirtschaftsmisere, die neuen Schritte in Richtung auf ein nationenübergreifendes westeuropäisches Staatenbündnis, das Wiedererwachen eines Stammesnationalismus in Europa, im Osten wie im Westen, sowie die unseligen Folgen davon.

Andere Vorhersagen scheinen sich zum jetzigen Zeitpunkt jedoch als falsch herausgestellt zu haben. Die Sowjetunion besteht nicht mehr, und es sieht so aus, als hätte die Kommunistische Partei keinen Platz mehr in der Zukunft, die sich in ihren ehemaligen Territorien anbahnt; die dortigen wirtschaftlichen Verhältnisse liegen sehr im argen.

Und doch, wer weiß? Die Feinheiten der zukünftigen Geschichte, die so sehr vom Aufstieg und Fall einzelner Personen, von zufälligen Ereignissen, Putschen, Katastrophen, glücklichen oder unglücklichen Fügungen abhängen, sind vielleicht nicht mit Exaktheit vorherzusagen, doch die weiterreichenden und tieferen ökonomischen, technologischen und geopolitischen zwingenden Umstände, die dem Schicksal von Völkern und Nationen zugrunde liegen, sind wieder etwas anders.

Im Jahr 1968 habe ich mit Champion Jack Barron die Vision von einer etwa zwanzig Jahre in der Zukunft liegenden amerikanischen Präsidentschaftspolitik dargelegt, die vollkommen der Macht des Fernsehens untergeordnet und von ihr untergraben ist. Jetzt, vierundzwanzig Jahre später, wenn auch die spezifischen politischen Einzelheiten nicht ganz gemäß der Voraussage eingetroffen sein mögen, hat sich die allgemeine Voraussage auf der großen Linie als zutreffend erwiesen. Im Jahre 1987, auf dem Höhepunkt des sogenannten Reagan-Booms, habe ich in Little Heroes den wirtschaftlichen Abstieg Amerikas in den neunziger Jahren vorausgesehen, was allerdings nicht besonders schwer war in Anbetracht der wirtschaftlichen und sozialen Realitäten, die von der Euphorie des Augenblicks überlagert waren.

Und das gilt auch für das Buch Russischer Frühling: wenn auch einige Einzelheiten durch dramatische Umwälzungen überholt wurden, so bleiben doch die übergeordneten Mächte bestehen, die die Zukunft formen, auf die die Welt zusteuert. Die tatsächliche EG bewegt sich unweigerlich in die Richtung des vereinten Europas im Roman, ihre wirtschaftliche Vorherrschaft ist bereits eine Tatsache, und die Nationen Osteuropas streben eine Mitgliedschaft an. Die Vereinigten Staaten sind tatsächlich zum militärischen Beherrscher des Planeten geworden, ein amerikanisch dominierter Gemeinsamer Markt der Westlichen Hemisphäre ist bereits in der Entstehung, und die ersten Grundsteine zu einer Strategischen Verteidigungs-Initiative werden in Kürze gelegt. Und der von hoher Verschuldung begleitete Verfall der amerikanischen Wirtschaft ist bereits eine traurige Tatsache, mit der man leben muss.

Aber wie steht es um die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, die ehemalige Sowjetunion? Sie ist zerrissen durch einen ethnischen Chauvinismus, die jeweilige Wirtschaft befindet sich in einem chaotischen Zustand. Können diese Republiken tatsächlich in einem einheitlichen Rahmen wieder zusammenfinden und ihr Wirtschaftsleben wieder auf einen Stand bringen, auf dem ein Zusammenschluss mit der EG möglich ist, um Gorbatschows (und meine) Vision von einem ›gemeinsamen europäischen Haus‹ wiederzubeleben, um eine gedeihliche und demokratische Vereinigung von Völkern vom Atlantik bis zum Ural und darüber hinaus zu erreichen?

Ich glaube immer noch, dass sie es können. Weil die wirtschaftlichen und geopolitischen Realitäten nach wie vor verlangen, dass sie es müssen.

Die Sowjetunion, die Nachfolgerin des Russischen Reiches, war ein nationenübergreifender Staat, dessen Aufbau seit tausend Jahren im Gange ist, und das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld, das während all der Jahrhunderte entstand, ist mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Staats noch nicht verschwunden.

Es gibt immer noch mehr als hundert verschiedene Völker innerhalb des Gebiets der fünfzehn Republiken der früheren Sowjetunion, und sie sind immer noch gründlich vermischt. Etliche Millionen Russen leben immer noch außerhalb der Grenzen des Russischen Staatenbundes – Estland zum Beispiel ist zu vierzig Prozent russisch, ebenso Kasachstan, und Millionen Russen leben in der Ukraine, in Lettland, Litauen, Moldawien. Es gibt armenische Enklaven in Aserbaidschan, aserbaidschanische Enklaven in Armenien, Ukrainer in Russland, Enklaven innerhalb von Enklaven innerhalb von Enklaven. Der Russische Staatenbund an sich ist genau das, nämlich ein Mosaik aus unzähligen ethnischen Gruppierungen.

Ohne eine konföderale Struktur in irgendeiner Form, ohne eine gemeinsame Staatszugehörigkeit und zentral garantierte interne Minderheitenrechte gibt es nur zwei mögliche Folgen – fortgesetztes Kriegstreiben der Volksstämme untereinander und beständiges Chaos, ohne die geringsten Aussichten auf Stabilität; oder eine Reihe von Marionettenstaaten, die nur dem Namen nach unabhängig sind und von Moskau regiert werden, von einer demographisch, wirtschaftlich und militärisch vorherrschenden russischen Pluralität.

Ebenso haben die Jahrhunderte die Republiken der ehemaligen Sowjetunion zu einer einzigen ökonomisch voneinander abhängenden Einheit verschweißt, ob es den jeweiligen Regierungen oder den Völkern gefällt oder nicht. Ukrainischer Weizen ernährt die Arbeiter der russischen Ölförderanlagen, die wiederum die Energie liefern, mit der die gesamte Wirtschaft angetrieben wird. Baltische Milch kann ohne russische Maschinen nicht in Flaschen gefüllt werden. Ukrainische Fabriken brauchen Teile, die in Russland hergestellt werden, und umgekehrt. In Zentralasien produziertes Uran dient als Treibstoff für die Generatoren in Russland und der Ukraine, die die Energie für ein republikenübergreifendes Stromnetz liefern. Gas- und Öl-Pipelines, Straßennetze, all das ist seit langem ohne Rücksicht auf interne Grenzen konzipiert und gebaut worden.

Die Folgen der Versuche der einzelnen Republiken, als unabhängige wirtschaftliche Einheiten zu funktionieren, sind allzu offensichtlich: Chaos in der Nahrungsmittelverteilung; Treibstoff- und Energieknappheit; ein Verfall der Währung, nämlich des Rubels, der trotz allem immer noch als allgemeines Zahlungsmittel in der GUS dient; der steile Niedergang der Industrieproduktion.

Es ist kein Zufall, dass diese Wirtschaftskrise der Auflösung der Sowjetunion auf den Fersen folgte. Im Gegenteil, der Abbau der föderalen Koordination verursachte den wirtschaftlichen Abstieg. Denn wenn auch die Bürokratie der zentralen kommunistischen Planwirtschaft für einen Großteil der ökonomischen Missstände in der ehemaligen Sowjetunion verantwortlich gewesen sein mochte, so lässt sich rückblickend doch deutlich erkennen, dass sie, wie schwerwiegend ihre Verfehlungen auch gewesen sein mochten, doch besser war als überhaupt keine zuständige Stelle für eine wirtschaftliche Koordination.

Wenn also das Buch Russischer Frühling vielleicht keine exakte Vorhersage des kurzfristigen Verlaufs der Dinge im Land der ehemaligen Sowjetunion mehr darstellt, so bleibt es doch eine Vision, eine hoffnungsvolle Vision, allgemein gesprochen vielleicht die einzige hoffnungsvolle Vision, in deren Richtung sich die Völker jenes Landes entwickeln müssen, wenn ihr Schicksal nicht aus generationenlanger Armut und endlosen blutigen Auseinandersetzungen bestehen soll.

Wird sie sich, entgegen dem gegenwärtigen Anschein, letztendlich durchsetzen?

Das ist der Punkt, an dem die losgelöste Vorhersage aufhört und eine hoffnungsvolle Stellungnahme beginnt. Zum Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe, bin ich gerade von Moskau zurückgekehrt, und das Buch Russischer Frühling ist soeben in Russland selbst erschienen. Ich kann nur hoffen, dass es dort eine kleine Rolle in dem fortgesetzten Kampf gegen die Kälte der Verzweiflung des Winters spielen und dazu beitragen wird, diesen neuen Frühling, von...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2015
Übersetzer Irene Bonhorst
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Russian Spring
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Alternative Geschichte • Alternativwelten • Atomkrieg • Aufbruch ins All • eBooks • Kalter Krieg • Norman Spinrad • UdSSR • USA
ISBN-10 3-641-17557-7 / 3641175577
ISBN-13 978-3-641-17557-3 / 9783641175573
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