Die Bruderschaft des Schmerzes (eBook)

Roman
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2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-17024-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Bruderschaft des Schmerzes -  Norman Spinrad
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Revolution!
Menschlichkeit ist ein Fremdwort für die Bruderschaft des Schmerzes, die den Planeten Sangre in ihre Gewalt gebracht hat. Jeder, der nicht der Bruderschaft angehört, wird wie ein Tier gejagt, gefoltert und gefressen. Doch der Mann, der antritt, sie zu vernichten, ist noch skrupelloser als sie: Bart Fraden, ehemaliger Präsident des Asteroidengürtel-Freistaats, jetzt zusammen mit seiner Geliebten Sophia und seinem Freund Willem Vanderling auf der Flucht, hat nicht vor, sich den Regeln der Bruderschaft zu beugen ...

Norman Spinrad, geboren 1940 in New York, arbeitete als freier Schriftsteller und Literaturagent, bevor er in den Sechzigerjahren erstmals mit seinen Science-Fiction-Erzählungen und -Romanen auf sich aufmerksam machte. Er zählt zu den amerikanischen New-Wave-Autoren und trug immer wieder mit Stories zu Michael Moorcocks Magazin New Worlds bei. Daneben publizierte er Romane, die nicht nur ausgezeichnet unterhalten, sondern auch der amerikanischen Gesellschaft und Medienlandschaft den Spiegel vorhalten und zu politischen Debatten über den zivilisatorischen Stand der Dinge anregen. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet Spinrad in seiner Wahlheimat Frankreich.

1


 

Bart Fraden saß lässig auf der Schreibtischkante. Wie bei einer ruhenden Wildkatze war seine Haltung gleichzeitig locker und angespannt. Ja, zum Teufel, dachte er und zerkaute einen weiteren Bissen der schmackhaften Fasanenkeule, es war schließlich zu erwarten gewesen, dass die schönen Tage einmal zu Ende gehen würden.

Er ließ die Fasanenkeule auf die gehämmerte Silberschale fallen, die auf der hochglanzpolierten Walnusstischplatte stand, ergriff die halbvolle Flasche leicht gekühlten Rheinweins und spülte mit einem kleinen Schluck die Reste seines Bissens hinunter. Der Wein war gut, er war verdammt gut. Schließlich musste der Gürtel-Freistaat für jede Flasche dreißig Konfö-Dollars hinblättern.

Der Fasan jedoch war etwas zu trocken, offensichtlich war er zu lange in der Backröhre gewesen. Aber für Ah Ming war es sicher nicht leicht, dachte Fraden nachsichtig, sich auf das Kochen zu konzentrieren, während der gute alte Gürtel-Freistaat rapide seinem Untergang entgegen trieb.

Eigentlich ging es Ah Ming, dem Küchenchef des Präsidenten des GSF, hier oben auf Ceres wirklich nicht schlecht, und Fraden wusste – wenn auch nicht aus eigener Erfahrung –, dass jede normale Katze einfach die Nerven verlieren musste, wenn ihr der Vogel, den sie schon fest in den Krallen hatte, wieder davonflatterte.

Fraden selbst war eine solche Einstellung jedoch äußerst fremd. Jede Katze mit ein bisschen Talent musste doch nur die Nase in den Wind halten, um ein neues Jagdrevier zu finden, in dem sie ihre Fähigkeiten voll entfalten konnte. Wenn einer Blüte der Honig ausgeht, dann fliegt die Biene weiter zur nächsten. Ein Koch mit Ah Mings Begabung würde überall zwischen der Erde und Antares sein Auskommen finden. Er besaß ein überragendes Können auf einem Gebiet, von dem die meisten anderen überhaupt nichts verstanden. Und das war schließlich die beste Sicherheit, über die ein Mensch, sei er Koch oder Politiker, überhaupt verfügen konnte.

Fraden griff quer über den Tisch und nahm eine lange Havannazigarre aus der handgeschnitzten Elfenbeinkassette. Er roch einen Moment lang genießerisch an ihr, steckte sie dann in den Mund und zündete sie an. Während er den schweren Rauch einsog, ließ er seinen Blick wehmütig über das Zimmer gleiten, betrachtete die teakholzgetäfelten Wände, den Picasso, den Calder, den Mallinstein, den Wandschrank, in dem die Zigarrenkisten gestapelt waren und bei gleichbleibender Temperatur und Feuchtigkeit gehalten wurden, die Hausbar, die den besten Schnaps bereithielt – jeder Tropfen war von der Erde importiert …

Ein hübscher Aufwand für den Asteroidengürtel. Allein dieser Raum dürfte zehntausend Gürteldollars gekostet haben. Auf dieser Seite des Mars gab es nichts, das der Präsidentenkuppel gleichkam … Holz, Speisen, Zigarren, Whisky … Und alles war Stück für Stück von der Erde eingeflogen worden, natürlich zu Lasten des GFS-Staatsschatzes.

Der erste und letzte Präsident des Gürtel-Freistaates schätzte einen gepflegten Lebensstil.

Fraden seufzte wehmütig, doch die Wehmut vermochte nicht die Züge seines harten, kantigen Gesichts zu erweichen, eines Gesichts, das trotz seiner Starrheit durchaus hübsch zu nennen war. Fradens Gesicht bestand aus glatten Flächen und scharfen Kanten und den harten Schatten, hinter denen sich seine tiefliegenden dunkelbraunen Augen verbargen. Die Nase war scharf, aber wohl proportioniert. Das harte, unbewegte Gesicht, der grobknochige, aber drahtige Körper und der dichte schwarze Haarschopf ließen Fraden raubtierhaft erscheinen – und tatsächlich entsprach jeder Zoll seiner äußeren Erscheinung genau seinem Charakter.

Plötzlich ertappte sich Bart Fraden bei seinen wehmutsvollen Gedanken und zwang sich zu einem rauen, spöttischen Lachen. »Tja, Mensch«, sagte er laut – vielleicht wollte er sich selbst überzeugen –, »außer dem Asteroidengürtel gibt es noch andere Karpfen im Teich … Wie gewonnen, so zerronnen.«

Er wandte sich dem Kommunikator zu, der direkt vor ihm auf der Tischplatte stand. Es wurde allmählich Zeit, dass er sich vergewisserte, ob alles für die Abreise vorbereitet war. Eigentlich war der Zeitpunkt zum Aufbruch schon gekommen …, wenn dieser verfluchte Valdez nur endlich auftauchen würde. Wenn er es nicht schaffte, die Blockade der Konföderierten zu durchbrechen …

Das war eine Möglichkeit, über die Bart Fraden nicht nachdenken mochte. Es stand so schon schlecht genug – über theoretische Unglücksfälle brauchte man sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Die sogenannten Rebellen, die eigentlich nur verkleidete reguläre Truppen der neugegründeten Konföderierten Staaten von Terra waren, hatten bereits alle Felsbrocken, die zusammen einmal den Gürtel-Freistaat gebildet hatten, in Besitz genommen. Einzig die Hauptstadt auf Ceres und ein paar Asteroiden in der Umgebung waren noch nicht besetzt. Schlimmer noch war, dass sie inzwischen alle Urankörper besetzt hatten; diese Brocken bestanden aus fast reiner Pechblende und waren der eigentliche Grund für die sogenannte Revolution. Offiziell hieß es natürlich, dass sich das unterdrückte Volk der Asteroidenbewohner gegen den Despoten Fraden erhoben hatte und dass es sich mit dem Brudervolk der Konföderierten Staaten von Terra vereinigen wollte und so weiter und so weiter … Aber jeder hirnlose Trottel im Sonnensystem, der aus dem Säuglingsalter heraus war, wusste, was wirklich dahintersteckte: Diese neue Koalition aus Atlantischer Union, Großrussland und Großchina hatte Gefallen daran gefunden, die kollektiven Muskeln spielen zu lassen, und man hatte entschieden, dass man es leid war, Bart Fraden gutes Geld für das Gürteluran zu zahlen. Auf lange Sicht war es billiger, wenn man sich den Gürtel selbst aneignete. Sic transit gloria mundi.

Fraden drückte einen der zahlreichen Knöpfe auf dem Kommunikator und sprach durch das Mikrofongitter: »Ling? Hier Fraden. Ich nehme an, das Raumschiff ist beladen und startbereit? Gut. Bereiten Sie alles für einen Alarmstart vor! Vergessen Sie nicht, Captain, dass meine Schweizer Bank angewiesen ist, Ihnen hunderttausend Konfö-Dollars auf Ihr Konto zu überweisen, sobald wir Pluto sicher passiert haben. Haben Sie Valdez' Schiff schon gesichtet? Melden Sie mir sofort, wenn Sie es sehen. Und schaffen Sie augenblicklich die Ladung hinüber, sobald das Schiff gelandet ist! Klar? Ende!«

Fraden seufzte und nahm zum Trost einen tiefen Zug aus der Zigarre. Auf jeden Fall, dachte er, kann niemand behaupten, Bart Fraden habe die Schrift auf der Wand nicht erkannt.

Besagte Schrift war für Bart Fraden im Verlauf der letzten zwei Jahre ständig deutlicher geworden. Die ersten Buchstaben waren erschienen, als die AU, Großrussland und Großchina zu den Konföderierten Staaten von Terra verschmolzen waren. Die drei Mächte waren um Haaresbreite einem dreiseitigen Atomkrieg entronnen, dessen Anlass heute nur noch eine Fußnote der Geschichte war. Aus Furcht voreinander hatten sie sich dann miteinander verbündet. Was das bedeutete, war für jedermann klar, der seine fünf Sinne beisammen hatte. Wenn sich die Großen des Systems zu einem Verein zusammenschlossen, dann waren die Tage der zahllosen unabhängigen Kleinstaaten im Sonnensystem gezählt. Fraglich war nur, wer zuerst an der Reihe sein würde: das Mars-Commonwealth, die Jupiter-Republik, das Trans-Saturn-Dominion oder der Gürtel-Freistaat.

Zum Glück war die Konföderation so nett gewesen, ihr Blatt dadurch zu verraten, dass sie ihre Urankäufe beim GFS verdoppelte. Offensichtlich hortete sie das Zeug, und das konnte nur eines bedeuten – sie rechnete damit, dass die Lieferungen in nächster Zukunft unterbrochen sein würden. Folglich stand der GFS ganz oben auf ihrem Wunschzettel.

Noch bevor also die falsche Revolution begann, hatte Fraden tief in sein umfangreiches Schweizer Nummernkonto gegriffen und sich ein kleines, aber durchaus nicht billiges Raumschiff zugelegt. Wenn ein großes Tier wie die Konföderation einmal ein Auge auf den Gürtel geworfen hatte, dann konnte man eigentlich nur noch den Abgang vorbereiten. Einen Abgang zu den Sternen, wo es noch Unmengen unabhängiger Planeten gab. Einer würde gewiss darunter sein, der über das geeignete revolutionäre Potenzial verfügte. Dort würde es einem Mann mit Köpfchen schon gelingen, einen Umsturz anzuzetteln und die Regierung zu übernehmen. Das würde ihm für die nächsten Jahrhunderte ein Auskommen sichern, zumindest aber für den Rest seines Lebens. Man brauchte nur Geschick, Erfahrung und eine kleine Rückversicherung.

Wenn diese Rückversicherung nur nicht in der verdammten Blockade hängenblieb. Schließlich war sie alles in allem gut hundert Millionen Konfö-Dollars wert.

Fraden zuckte die Achseln. Ich kann mir ruhig die neuesten Schreckensmeldungen anhören, dachte er. Bis Valdez kommt, gibt es ohnehin nichts zu tun.

»General Vanderling soll sich sofort in meinem Büro melden!«, sagte er durch den Kommunikator.

 

Willem Vanderling, vierschrötig und dazu kahl wie eine Kanonenkugel, stürmte den Tunnelgang entlang, der die Hauptkuppel von Ceres mit Fradens Privatunterkunft verband. Er murmelte etwas vor sich hin und schüttelte den Kopf.

Die militärische Lage konnte nur als hoffnungslos bezeichnet werden. Ceres war bereits von allen Seiten eingeschlossen, und nur der Weg nach Pluto stand noch offen. Es war nur eine Frage der Zeit, wann die konföderierten Streitkräfte auch diesen Ausweg versperren würden. Viel Zeit haben wir nicht mehr, dachte Vanderling. Bart wird sein gemütliches, kleines Nest in einem knappen Standardtag räumen müssen, wenn er mit heiler Haut davonkommen will. Dieser Gedanke verschaffte Vanderling...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2015
Übersetzer Ulrich Kiesow
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Men in the Jungle
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte eBooks • Military SF • New Wave Science Fiction • Norman Spinrad • Revolution • Unterdrückung • Vietnamkrieg
ISBN-10 3-641-17024-9 / 3641170249
ISBN-13 978-3-641-17024-0 / 9783641170240
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