Die Schrift des Todes (eBook)

Historischer Kriminalroman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
768 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403482-9 (ISBN)

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Die Schrift des Todes -  C.J. Sansom
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*** Platz 1 der englischen Bestsellerlisten *** Matthew Shardlake ermittelt in seinem sechsten Fall Tudor-London, Sommer 1546: Die Ära König Heinrichs VIII neigt sich ihrem Ende zu. Unerbittlich bekämpfen sich Katholiken und Protestanten, die Jagd auf Ketzer wird immer gnadenloser. In dieser aufgeheizten Situation wird Matthew Shardlake in den Palast der Königin gerufen. Er soll ein brisantes Buch wiederfinden, das sie verfasst hat und das aus ihren Gemächern gestohlen wurde. Der Inhalt dieses Werkes könnte sie aufs Schafott bringen. Doch bevor Shardlake und sein Gehilfe Jack Barak die Suche aufnehmen, wird in London ein Drucker tot aufgefunden. Bei ihm findet sich eine Seite des Buches.

C.J.Sansom studierte Geisteswissenschaften und promovierte im Fach Geschichte. Nach einem Jura-Studium arbeitete er als niedergelassener Rechtsanwalt in Sussex, bevor er sich hauptberuflich dem Schreiben zuwandte. Insgesamt sind sieben Bücher in der Matthew-Shardlake-Serie erschienen, die weltweit über drei Millionen mal verkauft wurden. Der Stoff wurde als »Shardlake« für das Fernsehen verfilmt. Bis zu seinem Tod im April 2024 lebte der Autor in Brighton.

C.J.Sansom studierte Geisteswissenschaften und promovierte im Fach Geschichte. Nach einem Jura-Studium arbeitete er als niedergelassener Rechtsanwalt in Sussex, bevor er sich hauptberuflich dem Schreiben zuwandte. Insgesamt sind sieben Bücher in der Matthew-Shardlake-Serie erschienen, die weltweit über drei Millionen mal verkauft wurden. Der Stoff wurde als »Shardlake« für das Fernsehen verfilmt. Bis zu seinem Tod im April 2024 lebte der Autor in Brighton. Irmengard Gabler war nach dem Studium der Anglistik und Romanistik in Eichstätt und London einige Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für romanische Literaturwissenschaft an der Universität Eichstätt tätig. Seit 1993 übersetzt sie Belletristik und Sachbücher aus dem Englischen, Französischen und Italienischen (u.a. Cristina Campo, Serena Vitale, Philippe Blasband, Christopher J. Sansom, John Dickie, Adam Higginbotham). Die Übersetzerin lebt in München.

Ein hervorragender Krimi zur Zeit Heinrichs VIII!

Die Schrift des Todes


Kapitel Eins


Ich wollte sie nicht brennen sehen. Grausame Spektakel hatte ich nie gemocht, noch nicht einmal die Bärenhatz, und in diesem Falle sollten vier Menschen, darunter eine Frau, bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen brennen, und das nur, weil sie nicht glauben mochten, dass in Brot und Wein der Heiligen Wandlung Christi Leib und Blut gegenwärtig seien. Im Jahre 1546 hatte bei uns in England die Jagd auf Häretiker ihren Höhepunkt erreicht.

Ich war von meiner Kanzlei in Lincoln’s Inn zu Master Rowland bestellt worden, unserem Kämmerer. Trotz meines hohen Ranges – ich war mittlerweile zum Serjeanten avanciert – konnte unser oberster Barrister, Master Rowland, mich nicht leiden. Vermutlich hatte sein Stolz es noch immer nicht verwunden, dass ich es drei Jahre zuvor ihm gegenüber – aus gutem Grunde – an Respekt hatte mangeln lassen. Ich überquerte den Hof, dessen rote Backsteinmauern von der Sommersonne milde beschienen waren, und grüßte im Vorübergehen die schwarz gewandeten Amtskollegen. Ich blickte hinauf zu den Räumlichkeiten meines alten Widersachers Stephen Bealknap. Seine Läden waren geschlossen. Er lag seit Anfang des Jahres krank zu Bett und war schon etliche Wochen nicht mehr gesehen worden. Einige munkelten gar, er liege im Sterben.

Ich begab mich zu den Amtsräumen des Kämmerers und klopfte an die Tür. Eine durchdringende Stimme hieß mich eintreten. Rowland saß an seinem Schreibtisch. Die Wände des weitläufigen Saales waren von Regalen gesäumt, in denen wuchtige Gesetzesbände Rowlands Status spiegelten. Er war alt, schon über sechzig, spindeldürr, dabei aber hart wie Eichenholz und besaß ein schmales, zerfurchtes, missmutiges Gesicht. Sein langer weißer Bart, nach gängiger Manier gegabelt, war sorgfältig gekämmt und reichte ihm bis über die Brust seines seidenen Wamses. Als ich ins Zimmer trat, war er damit beschäftigt, die Gänsefeder anzuspitzen. Nun blickte er zu mir auf. Seine Finger wiesen wie die meinen vom jahrelangen Gebrauch der Tinte schwarze Flecken auf.

»Gott zum Gruße, Serjeant Shardlake«, schnarrte er und legte das Messer beiseite.

Ich verneigte mich. »Gott zum Gruße, Master Rowland.«

Er wies mir einen Stuhl zu und maß mich mit strenger Miene.

»Eure Geschäfte gehen gut?«, fragte er. »Habt Ihr viele Fälle ab Michaeli?«

»Durchaus, Sir.«

»Wie ich höre, erhaltet Ihr vom Anwalt der Königin keine Aufträge mehr?« Seine Stimme klang beiläufig. »Schon seit einem Jahr?«

»Ich habe genügend andere Fälle, Sir. Und meine Pflichten für den Court of Common Pleas nehmen doch viel Zeit in Anspruch.«

Er wiegte nachdenklich den Kopf. »Angeblich mussten einige Würdenträger der Königin vor dem Geheimen Kronrat Rede und Antwort stehen. Wegen ketzerischer Ansichten.«

»Es geht das Gerücht, ja. Doch in den vergangenen Monaten sind schon so viele befragt worden.«

»Ich sehe Euch neuerdings wieder öfter hier bei uns im Gottesdienst.« Rowland grinste spöttisch. »Passt Ihr Euch etwa den Umständen an? Eine kluge Haltung in diesen bewegten Zeiten. Man tut gut daran, in die Kirche zu gehen, seine Zunge zu hüten und dem Wunsche des Königs Folge zu leisten.«

»So ist es, Sir.«

Er nahm die zugespitzte Feder, spuckte darauf, um sie weich zu machen, und rieb sie an einem Tuche trocken. Dann blickte er mit ungewohnter Schärfe zu mir auf. »Wisst Ihr, dass am sechzehnten Juli – das ist der Freitag in einer Woche – Mistress Anne Askew und drei weitere Personen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollen?«

»Ganz London spricht darüber. Man munkelt sogar, sie sei noch nach dem Urteilsspruch der Folter unterzogen worden. Schon merkwürdig.«

Rowland zuckte die Schultern. »Klatsch und Tratsch. Das Frauenzimmer hat zur falschen Zeit von sich reden gemacht. Lässt ihren Gemahl im Stich, kommt hierher nach London und verstößt in ihren Predigten offen gegen die Sechs Artikel! Dann weigert sich das Weib zu widerrufen und zankt sich vor aller Welt mit den Richtern.« Er schüttelte den Kopf und beugte sich zu mir vor. »Ihre Hinrichtung soll ein großes Spektakel werden. Etwas Vergleichbares hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Der König wünscht, dass ein jeder sehe, wohin das Ketzertum einen führt. Der halbe Kronrat wird zugegen sein.«

»Seine Majestät nicht?« Es hatte Gerüchte gegeben, dass der König persönlich der Hinrichtung beiwohnen könnte.

»Nein.«

Ich wusste, dass Heinrich im Frühjahr ernsthaft krank gewesen war; seither hatte er sich kaum noch sehen lassen.

»Seine Majestät möchte, dass alle Londoner Zünfte bei der Hinrichtung vertreten sind«, sagte Rowland und fügte nach kurzer Pause hinzu: »Auch die Inns of Court, die Anwaltskammern. Und Ihr sollt Lincoln’s Inn vertreten.«

Ich starrte ihn an. »Ich, Sir?«

»Ihr übernehmt weniger gesellschaftliche und offizielle Pflichten, als es Eurem Stande ziemt, Serjeant Shardlake. Da niemand sich freiwillig erbot, musste ich eine Entscheidung treffen. Und meines Erachtens ist die Reihe nun an Euch.«

Ich seufzte. »Ich bin in der Tat ein wenig nachlässig gewesen, was derlei Pflichten anbelangt. Ich werde mich bessern, wenn Ihr es wünscht.« Ich holte tief Luft. »Nur erspart mir diesen grausigen Anblick, ich bitte Euch. Ich habe noch nie jemanden brennen sehen und auch kein Verlangen danach.«

Rowland winkte verächtlich ab. »Ihr seid viel zu zimperlich. Merkwürdig, da Ihr doch der Sohn eines Bauern seid. Außerdem habt Ihr bereits einer Hinrichtung beigewohnt, ich weiß es. Auf Lord Cromwells Geheiß wart Ihr Zeuge bei der Enthauptung Anne Boleyns.«

»Das war schlimm genug. Doch Feuer ist schlimmer.«

Er tippte auf das Schriftstück, das er vor sich liegen hatte. »Dies hier ist die Aufforderung an mich, jemanden aus unseren Reihen zur Teilnahme zu verpflichten. Unterzeichnet von Paget, dem Sekretär des Königs, persönlich. Ich muss ihm noch heute Abend den Namen nennen. Es tut mir leid, Serjeant, aber meine Wahl fällt auf Euch.« Er erhob sich, womit das Gespräch beendet war. Ich stand ebenfalls auf und verneigte mich wieder.

»Danke, dass Ihr künftig mehr Pflichten innerhalb unserer Innung übernehmen wollt«, sagte Rowland, seine Stimme wieder glatt und geschmeidig. »Ich will sehen« – er stockte kurz – »was demnächst ansteht.«

Am Tag der Hinrichtung erwachte ich schon früh. Sie war erst auf die Mittagsstunde angesetzt, aber ich war viel zu bedrückt, um meine Kanzlei aufzusuchen. Pünktlich wie immer brachte mir mein neuer Steward Martin Brocket um sieben Uhr morgens Leinentücher und einen Krug mit heißem Wasser in mein Schlafgemach, wünschte mir einen guten Morgen und legte mir Hemd, Wams und Sommerrobe zurecht. Wie stets war sein Gebaren ernst, ruhig und ehrerbietig. Seit er mit seiner Frau Agnes im Winter zu mir gekommen war, lief in meinem Haushalt alles wie am Schnürchen. Durch die halboffene Tür konnte ich hören, wie Agnes den Jungen Timothy darum bat, ihr frisches Wasser zu holen, und das Mädchen Josephine aufforderte, sich mit dem Morgenbrot zu beeilen, damit der Tisch für mich bereit sei. Ihr Ton war unbekümmert und freundlich.

»Wieder ein schöner Tag, Sir«, bemerkte Martin schüchtern. Er war in den Vierzigern, hatte schütteres, helles Haar und fade, unscheinbare Züge.

Ich hatte keinem meiner Bediensteten erzählt, dass ich der Hinrichtung beiwohnen würde. »In der Tat«, antwortete ich daher. »Ich bleibe heute Morgen hier, gehe erst zu Mittag aus dem Haus.«

»Sehr wohl, Sir. Der Tisch ist in Kürze gedeckt.« Er verneigte sich und zog sich zurück.

Ich stand auf, und ein Krampf im Rücken ließ mich zusammenzucken. Zum Glück hatte ich diese Zustände jetzt weniger häufig, da ich getreulich die Leibesübungen ausführte, die mir mein Freund Guy, ein Arzt, empfohlen hatte. Wie gern hätte ich Martins Anwesenheit als angenehm empfunden, doch während ich seine Frau durchaus mochte, hatte mir seine kühle, steife Förmlichkeit von Anfang an Unbehagen bereitet. Ich wusch mir das Gesicht, legte ein sauberes, nach Rosmarin duftendes Leinenhemd an und schalt mich töricht, da es doch mir, dem Hausherrn, oblag, einen weniger formellen Ton anzuschlagen.

Ich musterte mein Gesicht im stählernen Spiegel. Noch mehr Runzeln, dachte ich. In diesem Frühjahr war ich vierundvierzig geworden. Das Gesicht faltig, die Haare grau, der Rücken krumm. Da neuerdings Bärte groß in Mode waren – auch das Gesicht meines Gehilfen Barak zierte eine ansehnliche, braune Krause –, hatte auch ich mir vor ein paar Monaten einen kurzen Bart stehen lassen. Er war jedoch wie mein Haupthaar von grauen Strähnen durchzogen gewesen, was ich als unvorteilhaft empfunden hatte.

Ich blickte aus dem unterteilten Fenster hinunter in den Garten, wo ich Agnes erlaubt hatte, einige Bienenstöcke zu platzieren und einen Kräutergarten anzulegen. Die Pflanzen trugen zur Verschönerung bei, dufteten süß und waren zudem sehr nützlich. Die Vögel sangen, und die Bienen umsummten die Blüten. Und ausgerechnet an diesem sonnigen, farbenfrohen Tag sollten eine junge Frau und drei Männer so grausam zu Tode kommen!

Mein Blick fiel auf einen Brief auf meinem Nachttisch. Er kam aus Antwerpen in den spanischen Niederlanden, wo mein neunzehnjähriges Mündel Hugh Curteys lebte und für die englischen Kaufleute dort tätig war. Hugh war jetzt glücklich. Anstatt wie ursprünglich geplant in einer der deutschen Hansestädte sein Studium zu...

Erscheint lt. Verlag 26.11.2015
Reihe/Serie Matthew Shardlake
Matthew Shardlake
Übersetzer Irmengard Gabler
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Buchdrucker • Bücher für Männer • Glaubenskrieg • Glaubenskriege • Heinrich VIII • Heinrich VIII. • London • Mittelalter • Schafott
ISBN-10 3-10-403482-6 / 3104034826
ISBN-13 978-3-10-403482-9 / 9783104034829
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