Manas (eBook)

Epische Dichtung

(Autor)

David Midgley (Herausgeber)

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2016 | 1. Auflage
448 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403302-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Manas -  Alfred Döblin
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Döblins epische Reise in die indische Mythologie Heimgekehrt aus einer schrecklichen Schlacht, will sich der Fürstensohn Manas im Reich der Toten »zerreißen, zerknirschen lassen«. Als sein Leichnam zurückgebracht wird, glaubt Manas' Frau Sawitri nicht an den Tod des Geliebten und macht sich auf, ihren Mann ins Leben zurückzuholen ... Ein bildgewaltiges, modernes Epos, »so gewagt wie gelungen, so außerordentlich wie überraschend« (Robert Musil). Herausgegeben und mit einem Nachwort von David Midgley

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ?Berlin Alexanderplatz?. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ›Berlin Alexanderplatz‹. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.

Zweites Buch Sawitri


Die Straßen durchwallt.

Der Scheiterhaufen morgen für Manas.

Die Nacht war mit Schwärze gekommen.

Einatmete, ausatmete die Erde.

Die blutdurstigen Moskitos schwirrten,

Aufgebaumt die Vögel,

Die Panther schlichen.

Um diese Stunde saß in ihrer Kammer geduckt

Sawitri.

Keine Dienerin bei ihr.

Die Kammer fest geschlossen.

Draußen streuten sie Blumen auf den Weg:

Zum Scheiterhaufen für Manas und sie.

Den Schmuck hatte sie abgelegt.

Die Kammer war finster,

Mond und Sterne blickten ins Fenster.

Alle Stufen der Sehnsucht war sie gegangen,

Die junge Gazelle, die langen Wochen,

Die Manas im Krieg war.

Wie unter dem Mond sich die Wasser heben,

Waren ihre Gedanken gewesen,

Gesicht und Hände fluteten nach ihm.

Sie hatte geseufzt, geflüstert und geschauert

Und krank nach ihm auf der Matte gelegen.

Sie hatten ihr die Glieder gewaschen

Mit eisigem Wasser,

Ihr, die von morgens bis abends und nachts im Schlaf

Nichts wollte als ihn sehen und sich an ihn hängen,

An ihn, der nicht kam, der nicht kam,

Der morgens nicht kam und mittags nicht kam und abends nicht kam

Und nachts nicht kam.

Und nicht essen können und nur zittern

Und nur den Mund spitzen nach ihm.

Und unbarmherzig ging immer wieder die Sonne auf

Ohne ihn,

Ging unter

Ohne ihn.

Bis er kam

Und sie nicht sah

Und sie nicht berührte,

Die sich nicht rührte.

Geduckt in der Kammer Sawitri.

Vor der Kammer vor der Tür ein Bobaum.

»Bobaum, kriech ich zu dir.

Der Vater hat dich mir mitgegeben,

Sie haben dich eingepflanzt vor meiner Kammer.

Dir habe ich mich verlobt, als ich klein war.

Bobaum, hörst du mich?«

Still ragte der Baum.

»Bist ein stolzer strenger Bobaum.

Hast mich beschützt, getröstet, besänftigt,

Du mein älterer Gatte,

Bo, hörst du mich?«

Still ragte der Baum.

Dann rauschte er auf. Sie hörte flüstern:

»Ich höre dich.«

Sie hing in seinen Wurzeln:

»Ich sterbe, süßer Bobaum.

Soll ich schlüpfen in die Halle,

Wo sie ihn aufgebahrt haben?

Die Wachen stehen bei ihm.«

»Bleib.«

»Ach, du willst, daß ich bei dir bleibe.

Süßer Bo, ich bleibe bei dir,

Ich bin bei dir.

Ich will dich auch immer festhalten und lieben.

Sag mir aber: muß ich nicht zu Manas,

In die Halle, wo sie ihn aufgebahrt haben?

Ich habe ihn nicht gesehen, seitdem er in die Tharwüste ging.«

Feine Glockenklänge. Sie verstand nicht.

»Ah« atmete sie zärtlich und weinte

Und umfaßte seinen Stamm. Die breiten Äste zitterten herunter.

»Küsse mich nicht, Bobaum. Der Mond liegt hell auf dem Garten.

Man sieht uns von den Hallen.

Sprich. Ich habe ihn seit der Tharwüste nicht gesehn.«

»Lauf zu ihm.«

»Ich soll laufen und du sagst ja?

Und werden mich die Wachen nicht sehen?«

Der Baum erzitterte wieder.

Ein frisches Blatt fiel herunter.

Sie fing es in der Hand auf.

Das Blatt in der hohlen Hand lief sie,

Ihr Gewand zog sie vor das Gesicht.

Die Wache stand da.

Singvögel schlugen, in der Ferne bellten Schakale.

Sie wagte sich nicht durch das Tor,

Fackeln brannten drin.

An ein Fenster lief sie,

Und da sah sie, sah.

Einen Blick.

Und schon flüchtete Sawitri.

Flüchtete, flüchtete.

Hielt das Blatt fest in der Hand,

Drückte es, zerdrückte es, flüchtete,

Kreischte leise, wie sie lief.

Gerade an den Wachen vorbei lief sie zurück,

Zu ihrer Halle flüchtete sie,

Schreiend, leise kreischend, verwirrt:

»Ist nicht Manas. Ist nicht Manas.

Bobaum, ist nicht Manas.«

»Wer ist es denn, Sawitri?«

»Er ist es nicht. Ich weiß nicht, wer es ist.

Liegt ein Toter drin.

Ich will nicht mit ihm auf den Scheiterhaufen.«

»Was hast du gesehn?«

»Liegt ein Toter drin.

Ist schrecklich schrecklich von den Dämonen gezeichnet.

Ach was hast du mir getan, Bobaum,

Daß du mich zu ihm geschickt hast.

Ich will mich waschen. Ich will mich waschen.

Ist nicht Manas.«

Lief in den Saal.

Unter die Frauen trat sie.

Vor den Frauen tanzte sie, geschminkt, bemalt.

Und ihr Leib, was tat ihr Leib?

Wieder fing ihr Leib zu beben an,

Sich zu sehnen, zu blühen.

Ach was kam in sie.

»Und bald wirst du ihn haben, Sawitri,

Bald wirst du ihn umfassen.«

Und sie im Wiegen:

»Ja, ich werde ihn wiederhaben.«

Und aus dem Saal und ins Finstere,

Und hing an den Wurzeln des Bobaums.

»Bobaum, süßer Bobaum, mein älterer Gatte,

Dies für dich, dies für dich,

Alle Blüten, die sie auf mich geworfen haben.

Jetzt darfst du mich küssen,

Ich nehme Abschied von dir.

Manas hat mir diesen Leib geschickt,

Der in der Halle liegt,

Damit ich weiß, wie es ihm geht.

Er hat mir diesen Wink gegeben.

Seit der Tharwüste ist er nicht zu mir gekommen.«

Und überströmt weinte Sawitri, küßte den Stamm

Und umschlang ihn.

»Weil ich gehe, Bobaum,

Und weil ich dich nicht gern verlasse.

Aber ich kann Manas nicht im Stich lassen.

Das ist ein Klagen und Rufen in der Stadt.

Und ich bin die Einzige, zu der er spricht.

Die Einzige, die ihn hört.

Vielleicht ruft er auch die andern, sie hören ihn nicht.«

»Du gehst, Sawitri.«

»Klag nicht, mein süßer Bobaum.«

»Ich höre dich so gern.«

Und sie entblößte ihre Schultern:

»Sieh diese Bisse an meinen Schultern

Und die Nägelgruben in meinen Brüsten.

Mit jedem Biß wollte er in mich dringen.

Ich bat ihn: Beiß tiefer,

Es tut mir nicht weh, es ist mir süß dich zu fühlen.

Kennst du mich jetzt, Bobaum,

Kennst du Manas, und muß ich ihm nicht folgen?«

»Ich höre dir zu. Ich sehe dich an.«

»Ich bin wieder da, Bo, bald da.

In der Halle stehen zwanzig Krieger und brennen Fackeln:

Das hat ein böser Geist gemacht.

Sein Vater weint um ihn.«

»Bleib hier.«

»O laß mich.«

Die Äste schlugen auf sie nieder:

»Du kehrst zurück?«

»Vielleicht, süßer Bobaum.«

Lief auf die Wiese, Sawitri am Wasser, laut quakten die Frösche:

»Wie komm ich herüber.

König Jajanta, ich kann nicht herüber zu dir.

Ich fürchte mich vor deinen Kriegern und den Priestern.

Sie werden mich schmähen. Du hörst mich.

Ich laufe fort. Ich gehe Manas suchen.

Die Priester werden mich festhalten wollen

Und mit dem Toten verbrennen.

Jajanta, Manas lebt!

Liegt ein falscher Manas in der Halle,

Schrecklich, schrecklich von den Dämonen gezeichnet.

Ich suche unseren Manas.

Ich bring ihn wieder.

Er lebt; hörst du mich?

Ich bring ihn wieder.«

Die Wellen kräuselten sich. Sie freute sich:

»Jajanta hört mich. Lebwohl, Jajanta.«

Und lief über die Wiese.

Zwischen ihren Füßen sprangen die Frösche auf.

An der Halle Manas’ vorbei,

Wie lange soll ich stehn am Fenster,

Wie lange stehn an diesem Fenster,

An ihrer Halle vorbei,

Die lange Allee,

Trumm rumm,

Manas unter Tüchern,

Erschlagen von Dämonen,

Trumm rumm.

Und in die Stadt,

Die Straßen durchwallt,

Und im Morgenblitzen aus dem Tor

Hinaus aus Udaipur,

Auf die sandigen Anhöhen.

Wie war ihr, die lief und stand

Und um sich sah und lief und blickte?

In ihrer Brust Sausen und Pfeifen,

Wie in einem Wald, durch den Sturm saust.

Der Wald tönt und dann ein Nachlaß,

Ein langes Summen, aufspielende Luft,

Und sanftes Nachbeben.

So stand sie, tänzelte, freute sich, glücklich:

»Manas lebt!«

Ah dann wieder der finstere und schnaubende Sturm.

Sie erlosch, sank hin, streckte die Arme aus,

Verbarg den Kopf, rieb das Gesicht:

»Ich muß hin. Ich muß hin zu ihm.

Ich kann nicht leben.«

Und rennend gegen Bäume,

Rannte, wußte keine Stunden.

Anhöhen, Anhöhen, Anhöhen, Anhöhen.

Bis sie im Schwindel hinfiel, schlief,

Sich gegen den Schlaf wehrte, vom Schlaf gefaßt wurde,

Und lag,

Hingeschwunden im Schlaf.

Die wilden Tiere aus dem Wald konnten sie schnuppern und fressen,

Die Giftschlangen sie schlagen,

Der Schlaf zog sie an sich,

Die Nacht durch, den halben Tag,

Die leichte Sawitri.

Im heißen Sonnenlicht war sie wieder da:

»Ach, am Boden habe ich geschlafen, kein Tier hat mich angefallen.«

Dachte an Manas. Das Leben war wieder da.

Und Glück, sehnsüchtige Freude war da,

Lippenverziehende, lächelnzaubernde,

Atemtreibende, gliederschnellende Freude.

»Gluck gluck« lief eine Henne.

Eine Hütte an der Lehmmauer.

Eine Frau stand davor.

»Du bist so fein, du blickst so matt.

Tritt ein, sei unser lieber Gast.«

»Ich habe im Wald geschlafen.

Die Schlangen haben mir nichts getan.

Ich bin nicht matt.«

»Nun sitz bei uns im Schatten.

Du bist so fein.

Du bist aus einer edlen Kaste.

Du darfst aus unserem Krug nicht trinken.«

Sie saßen im Schatten unter dem Dach.

Und ohne daß sie...

Erscheint lt. Verlag 21.1.2016
Reihe/Serie Fischer Klassik Plus
Nachwort David Midgley
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Deutschland • Gedicht • Gedichte • Indien • Indische Mythologie • Klassik • Manas Freude • Mythologie • Rief Manas • Roman • Versepos
ISBN-10 3-10-403302-1 / 3104033021
ISBN-13 978-3-10-403302-0 / 9783104033020
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