Anna Catrina - Tochter von Ilanz (eBook)

Ein historischer Roman
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2015 | 1. Auflage
400 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1040-1 (ISBN)

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Anna Catrina - Tochter von Ilanz - Sabina Altermatt
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Die Tochter aus Illanz. 

Anna Catrina wächst nach dem Tod ihrer Mutter bei ihrem Onkel in Graubünden auf, dem Einzigen, der Anna geblieben ist. Ihren Vater kennt sie nicht. Gemeinsam führen sie das Wirtshaus in Ilanz. Als Anna eine Stelle als Magd angeboten wird, ist sie froh, ihrem ärmlichen Leben entfliehen zu können. Eines Tages bekommt sie einen Hinweis auf den Verbleib ihres Vaters - anhand eines Amuletts hofft sie ihn zu finden. Doch dabei deckt sie Geheimnisse auf, die viele lieber im Verborgenen wüssten ...

Die bewegende Geschichte einer rebellischen jungen Frau zu Beginn des 17. Jahrhunderts.



Sabina Altermatt, geboren 1966 ist in Chur aufgewachsen. Sie studierte Staatswissenschaften an der Hochschule St. Gallen. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Zürich und im Glarnerland. Sie schreibt Kolumnen, Kurzgeschichten, Hörspiele, Kinderbücher sowie Kriminalromane und Romane.

Kapitel 1


Anna Catrina stand am Fenster ihrer Kammer und schaute auf die Berge. Die Sonne berührte die Gipfel und tauchte sie in helles Licht. Der Wald war noch von Dunkelheit umhüllt.

Sie dachte an den kommenden Tag. Wie sie ihrem Onkel unter die Arme greifen würde. Die Kundschaft bedienen. So wie sie es jeden Tag machte. Seit zwei Jahren. Seit ihr Onkel sie aufgenommen hatte.

Er konnte manchmal etwas unwirsch sein und redete nicht viel. Doch er war ihre Familie. Der einzige, der ihr geblieben war. Ihre Mutter war bei ihrer Geburt an Kindsnöten gestorben, ihren Vater hatte sie nie gekannt. Sie wuchs bei ihrer Tante Elscha auf, die sie wie eine Mutter umsorgte. Doch dann wurde Elscha verbannt, und man verdingte sie an einen Bauern. Das war vor sieben Jahren. Damals zählte sie zehn Lenze. Anna Catrina erinnerte sich nur ungern an diese Zeit. Sie musste den ganzen Tag schuften, auf dem Feld arbeiten, heuen, die Tiere tränken, Wäsche waschen, den Stall putzen. Als Nachtlager diente ihr ein Sack Stroh im Stall. Zu essen bekam sie meist nur Abfälle oder das, was die anderen zurückgelassen hatten. Das hätte sie alles ertragen. Wenn da nur nicht der Bauer gewesen wäre.

Schon von Beginn an hatte er sie schräg angesehen. Immer auf ihren Rock geschielt. Als sie dann in die Reife kam, hatte er sie dabei erwischt, wie sie sich hinter dem Stall etwas Moos zwischen die Beine gestopft hatte. Er schaute ihr zu, dachte nicht daran, sich abzuwenden. Von da an suchte er ihre Nähe.

Sie sprach zuerst mit dem Pfarrer. Der meinte, Gott wisse, wieso er ihr diese Prüfung auferlegt habe. Sie gab sich damit zufrieden. Vorerst.

Das ist meine Bürde, die ich zu tragen habe, sagte sie sich.

Dann hörte sie, dass ihr Onkel eine Hilfe suchte, weil die gute alte Maria Madlena gestorben war. Der Onkel war nicht begeistert. Ein junges Weib wollte er nicht in seiner Gaststube.

»Das kommt nicht gut«, hatte er gemeint.

Doch als der Pfarrer mit ihm sprach, ließ er sich erweichen.

Die Sonne arbeitete sich immer weiter den Berg hinunter.

Anna Catrina löste ihre zu einem Zopf zusammengebundenen Haare, die ihr bis auf die Unterarme fielen, kämmte und zwirbelte sie zu einem Dutt. Dann nahm sie das Amulett, das über dem Stuhl hing, und hängte es sich um den Hals. Sie fuhr mit den Fingern über das kalte Metall. Das Einzige, das ihr von ihrem Vater geblieben war. Ein Amulett. Und dazu noch ein halbes. Wenn sie ihn doch nur ausfindig machen könnte. Doch alle ihre Bemühungen waren bis jetzt im Sand verlaufen. Als sie ihren Onkel darauf ansprach, grummelte er lediglich etwas vor sich hin. Der Landammann konnte ihr auch nicht weiterhelfen. Und alle Ilanzer, die sie gefragt hatte, zuckten nur müde mit den Schultern.

Was der neue Tag wohl brachte?

Sie füllte Wasser in die Waschschüssel und wusch sich Hände, Gesicht und Nacken.

Jetzt hatte die Sonne den oberen Waldrand erreicht. Ließ die Tannen ergrünen. Eine Elster flog auf, setzte sich auf den Baum hinter dem Haus. Hüpfte Ast um Ast in die Höhe, half mit dem Schnabel nach.

Wenn sie sich zuoberst hinsetzt, ist das ein Zeichen. Ein gutes Zeichen, dachte Anna Catrina.

Nun hatte der Vogel die Tannenspitze erreicht.

Anna Catrina atmete auf. Es würde ein guter Tag werden.

Die Kirchenglocken schlugen. Zuerst viermal, dann siebenmal. Anna Catrina zuckte zusammen. Sie würde zu spät zur Arbeit kommen. Ihr Onkel würde sie noch unwirscher begrüßen als sonst. Doch sie war froh, hier zu sein. Alles war besser als bei diesem Bauern.

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Er würde zu spät kommen, obwohl er früh aufgebrochen war. Hans ließ seine Kundschaft nicht gerne warten. Vor allem Frauen konnten unangenehm werden. Und einmal mehr hatte er es mit einer Frau zu tun. Üblicherweise bauten die Männer ihre Häuser selbst und das war auch gut so. Doch seit es in den Drei Bünden noch mehr in Mode gekommen war, außerhalb der Heimat in den Kriegsdienst zu treten, mussten die Weiber die männlichen Pflichten übernehmen.

Da der Feldweg fest und trocken war, trat er dem Pferd leicht in die Flanken und versetzte es in Trab.

Zuerst hatte Hans den Auftrag gar nicht annehmen wollen. Wieso sollte er den weiten Weg nach Ilanz machen, wenn er in Chur genügend Arbeit hatte? Da war das Salis-Haus, das auf seine Stuckaturen wartete und das Haus Buol.

Auch hatte Ilanz nicht den besten Ruf. Ein nur einigermaßen passables Nachtlager zu finden, war schon schwierig. Die Stadt war etwas heruntergekommen seit dem Brand vor etwa zweihundert Jahren. Zwar hatte man die Stadtmauer und die Tore drei Jahrzehnte danach ein Stück weit erneuert, doch offenbar fehlte den Ilanzern das Geld, um weitere Verbesserungen zu machen.

Als ihn Johann Anton Schmid von Grüneck zusammen mit seiner Gemahlin Dorothea von Planta in Chur besuchte und ihm seine Ideen für die beiden Decken vorlegte, hatte er jedoch nicht widerstehen können. Noch nie hatte er so etwas gesehen. Und er wusste auch gar nicht, ob es überhaupt machbar war. Ganze Früchte und Blumen wollte Dorothea von Planta. »Nicht nur zerquetsche Halbkugeln. Rund sollen sie sein.«

Zuerst hatte er abgewinkt, doch je mehr er es sich überlegte, desto faszinierter war er von der Aufgabe. Und als Schmid von Grüneck ihm die Skizzen für die Frauengestalten und die Adler zeigte, war er vollends begeistert gewesen. So etwas hatte er noch nie gemacht. Die Oberkörper der Karyatiden sollten ganz aus der Decke hervortreten, die Arme völlig losgelöst und freigelegt. Desgleichen die Adler.

In Schluein kam ihm eine Gruppe Männer zu Fuß entgegen. Sie sahen aus wie Landstreicher. Er brachte seine Stute in den Schritt und tätschelte ihr den Hals, mehr um sich selber zu beruhigen.

Doch wer wollte schon einen Handwerker auf einem alten Gaul überfallen?

Also nahm er allen Mut zusammen und grüßte die finsteren Gestalten freundlich. Die vier brummten etwas Unverständliches zurück. Er blickte noch ein paar Mal zurück, bis sie zwischen den Bäumen verschwunden waren.

Endlich sah er das Städtchen. Drei Türme, die in die Höhe ragten. Der mittlere musste derjenige der Casa Gronda sein. Eingebettet wie in einem Nest lag die Stadt in der Talsohle. Ein wenig erhöht hockte außerhalb der Stadtmauern eine Kirche: Sogn Martin.

Plötzlich riss ihm die Stute die Zügel aus der Hand und bäumte sich auf. Beinahe wäre er rückwärts vom Ross gefallen. Nur mit Mühe gelang es ihm, sein Pferd zu beruhigen. Hastig sah er sich um. Waren die Landstreicher umgekehrt und stellten ihm nach? Doch niemand war zu sehen.

Er trat dem Pferd in die Flanken, aber es machte keinen Wank, sondern starrte in den Wald. Als er seinem Blick folgte, sah er zwischen zwei Sträuchern einen orangen Schwanz verschwinden. Ein Fuchs, der sich ins Gebüsch flüchtete.

Das Pferd scheute leicht, als er von Sontga Clau her über die Holzbrücke ritt, die über den Rhein führte. Vor ihm lag Ilanz oder vielmehr die Stadtmauer. Neben dem Rheintor sah man den Zwiebelturm der Casa Grischa, des Rathauses, aus dem Gemäuer herausragen. Unmittelbar vor dem Tor stieg er ab und bereute es sogleich. Das Kopfsteinpflaster konnte man nur noch erahnen, der Boden war mit Mist und Morast bedeckt. Er führte sein Pferd an der Casa Grischa vorbei nach rechts durch ein schmales Gässchen und schon sah er die mit Ranken, Blattwerk und Rosetten kunstvoll verzierten Erker der Casa Gronda vor sich. Das Haus wurde seinem Namen durchaus gerecht. Ein dreistöckiger, kubischer Bau mit Satteldach, dahinter schwang sich der Turm mit der Zwiebelhaube in die Höhe. Die Fenster im Erdgeschoss waren vergittert. Die in den oberen Geschossen hatten Fensterläden mit einem gelbschwarz gezackten Muster. Nachdem er sein Pferd angebunden hatte, betätigte er den eisernen Klopfer, der an der schweren Holztür angebracht war. Alles blieb still.

Er blickte am Rustikaportal hoch. Im gesprengten Giebel war der Wappenstein von Johann Anton Schmid von Grüneck sowie seiner Gemahlin Dorothea von Planta angebracht.

Plötzlich wurde der Klopfer nach rechts gezogen und eine junge Magd fragte ihn, was er wolle. Er setzte gerade zu einer Erklärung an, als das junge Weib beiseite geschoben wurde. Hinter ihr tauchte eine Frau auf: Dorothea von Planta. Sie trug ein – für den Alltag sehr ungewöhnliches – mit Goldborten belegtes Gewand aus hellblauem Brokat mit bauschigen Ärmeln, die auf Ellbogenhöhe zusammengerafft wurden. Der weite Rock war eingekräuselt und über ein Hüftpolster gelegt, der großzügige Ausschnitt von einem Seidentuch bedeckt. Die blonden Haare trug sie kunstvoll hochgesteckt.

»Da seid Ihr ja endlich, Meister Hans!«, rief sie ihm zu. »Kommt herein, wie war die Reise?«

Gut, wollte er antworten, doch er kam nicht zu Wort. Dorothea von Planta winkte ihn herein und ging voran den Gang entlang, der beinahe so breit war wie die Gasse vorhin und von dem auf der rechten Seite zwei, auf der linken drei Zimmer abgingen.

So einen Mittelkorridor sah man nicht oft. Hinten war das Treppenhaus. Jetzt wusste er auch, wieso das Gebäude einen Turm hatte, in ihm befand sich die Treppe. Die Tür zu seiner Linken stand offen.

»Ihr habt hier zu tun.« Dorothea von Planta deutete zur rechten Seite.

Der erste Gewölberaum war mit einem Kamin ausgestattet, der zweite etwas schlichter. Die Wände waren alle regelmäßig weiß gekalkt. Hans schaute zur Decke. Hier würde er die nächsten Wochen damit verbringen, die skizzierten Stuckaturen anzubringen. Er sah sie bereits vor sich. Es würde wunderbar werden. Erst jetzt bemerkte er, dass Dorothea von Planta dicht neben ihm stand, er konnte ihr...

Erscheint lt. Verlag 8.10.2015
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Literatur Historische Romane
Schlagworte Amulett • Anna Catrina • Familiengeheimnis • Geheimnis • Geschichte • Graubünden • Historischer Roman • Ilanz • Rätsel • Roman • Schweiz
ISBN-10 3-8412-1040-6 / 3841210406
ISBN-13 978-3-8412-1040-1 / 9783841210401
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