Der Übungseffekt (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-17531-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Übungseffekt -  David Brin
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Anomale Welten
Dem Physiker Dennis Nuel gelingt es, in eine Parallelwelt vorzustoßen. Sie ähnelt der unseren auf erstaunliche Weise, nur scheinen dort ein paar unserer vertrauten Naturgesetze keine Gültigkeit zu besitzen: Schwerter werden nicht stumpf, wenn man sie benutzt, sondern schärfer; Werkzeuge nutzen sich nicht ab, sondern erreichen erst nach und nach ihre volle Effektivität. Dieses Phänomen wird als 'Übungseffekt' bezeichnet, doch was - oder wer - löst es aus?

David Brin, 1950 im amerikanischen Glendale geboren, studierte Astronomie und Physik und arbeitete lange als Wissenschaftler und Dozent, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Mittlerweile gehört er zu den bedeutendsten amerikanischen Science-Fiction-Autoren der Gegenwart und erobert regelmäßig die Bestsellerlisten. Besonders mit seinem Roman 'Existenz' ist ihm eine der eindrucksvollsten Zukunftsvisionen der Science Fiction gelungen. David Brin lebt in Südkalifornien.

I

SUUII GENERIS

 

1.

 

Der Vortrag war wirklich langweilig.

Im vorderen Teil des matt erleuchteten Konferenzraumes schritt der füllige, grauhaarige Direktor des Sahara-Instituts für Technologie auf und ab. Sein Blick klebte an der Decke, und die Hände hatte er auf dem Rücken gefaltet, während er sich mit päpstlicher Gewichtigkeit über ein Thema verbreitete, das er offensichtlich selbst kaum verstand.

Zumindest sah Dennis Nuel es so, derweil er stumm leidend in einer der hinteren Reihen saß.

Früher einmal mochte Marcel Flaster zu den strahlenden Leuchten der Physik gezählt haben. Aber das war lange her – lange bevor einer der anwesenden jungen Wissenschaftler auch nur daran gedacht hatte, eine Karriere auf dem Gebiet der Realitätsphysik ins Auge zu fassen. Dennis fragte sich, was einen einstmals talentierten, scharfsinnigen Mann in einen langweiligen, tendenziösen Bürokraten verwandelt haben mochte. Er schwor sich, vom Gipfel des Mount Feynman zu springen, bevor er dieses Schicksal teilte.

Die sonore Stimme leierte eintönig weiter.

»Und so sehen wir denn, Leute, dass durch den Einsatz der Zievatronik alternative Realitäten nahezu in greifbare Nähe geraten und uns Möglichkeiten zur Umgehung von Raum und Zeit eröffnen …«

Am hinteren Ende des überfüllten Konferenzraumes pflegte Dennis seinen Kater, und er fragte sich, welche Macht der Welt ihn an einem solchen Montagmorgen hatte aus dem Bett zerren können, nur damit er hierher kam und Marcel Flaster lauschte, der von Zievatronik schwafelte.

Die Lider wurden ihm schwer. Er sackte auf seinem Stuhl zusammen.

»Dennis!« Gabriella Versgo rammte ihm den Ellbogen zwischen die Rippen und zischte: »Würdest du dich bitte gerade hinsetzen und aufpassen?«

Dennis setzte sich hastig auf und blinzelte. Jetzt wusste er wieder, welche Macht ihn hierher geschleift hatte.

Um sieben Uhr in der Frühe hatte Gabbie seine Zimmertür aufgetreten und ihn am Ohr unter die Dusche gezerrt, ohne sich um sein Protestgeheul oder sein Schamgefühl zu kümmern. Sie hatte ihren ungeheuerlichen Klammergriff an seinem Arm erst wieder gelöst, als sie beide hier im Konferenzraum von Sahara-Tech Platz genommen hatten.

Dennis rieb sich den Arm oberhalb des Ellbogens. Eines Tages, beschloss er, würde er sich in Gabbies Zimmer schleichen und all die kleinen Gummibälle wegwerfen, die der Rotschopf beim Studieren immer zwischen den Fingern zusammenzuquetschen pflegte.

Sie stieß ihn noch einmal an. »Wirst du jetzt stillsitzen? Du hast eine Konzentrationsspanne wie ein nervöser Otter. Oder möchtest du von den Zievatronik-Experimenten noch weiter ausgeschlossen werden?«

Wie gewöhnlich traf Gabbie seinen wunden Punkt. Er schüttelte den Kopf und bemühte sich, aufmerksam zuzuhören.

Dr. Flaster vollendete eben eine unklare Zeichnung in dem Holotank, der vorn im Seminarraum stand. Der Psychophysiker legte seinen Lichtstift auf das Katheder und wischte sich unbewusst die Hände an der Hose ab; dabei war das letzte Stück Kreide schon vor mehr als dreißig Jahren aus den Seminaren verbannt worden.

»Das ist ein Zievatron«, verkündete er stolz.

Dennis betrachtete die Lichtzeichnung ungläubig. »Wenn das ein Zievatron ist, dann bin ich ein Blaukreuzler«, flüsterte er.

»Flaster hat die Pole umgedreht, und das Feld ist von innen nach außen gekehrt!«

Gabriella errötete, bis ihr Gesicht fast die Farbe ihres feurigen Haarschopfes angenommen hatte. Ihre Fingernägel bohrten sich lanzengleich in seinen Oberschenkel.

Dennis zuckte gepeinigt zusammen, aber es gelang ihm, den Ausdruck lammfrommer Unschuld auf seinem Gesicht zu bewahren, als Flaster kurzsichtig aufblickte. Dann räusperte sich der Direktor.

»Wie ich eingangs schon sagte, besitzt jeder Körper ein Massezentrum. Der Zentroid eines Objektes ist der Schwerpunkt, in dem sämtliche Nettokräfte sozusagen im Spiel sind … wo seine Realität sich ermessen lässt. Sie dort, mein Junge …« – er deutete auf Dennis – »… können Sie mir sagen, wo Ihr Zentroid ist?«

»Ähmm …« Dennis überlegte nebelhaft. Allzu aufmerksam hatte er eigentlich doch nicht zugehört. »Ich glaube, ich habe ihn zu Hause gelassen, Sir.«

Ein Kichern erhob sich unter den übrigen Postdocs, die im hinteren Teil des Raumes saßen. Gabriella errötete noch mehr. Sie versank in ihrem Sitz und wünschte sich offensichtlich weit fort.

Der Chefphysiker lächelte unbestimmt. »Äh … Nuel, nicht wahr? Dr. Dennis Nuel?«

Aus dem Augenwinkel sah Dennis, dass Bernald Brady auf der anderen Seite des Ganges ihn grinsend in seiner Not beobachtete. Der hochgewachsene, beagleäugige Mann war einmal sein Hauptrivale gewesen, bevor es ihm gelungen war, Dennis von der Arbeit im Zievatronik-Hauptlabor vollends auszuschließen. Brady bedachte Dennis mit einem Lächeln aus reinster Schadenfreude.

Dennis zuckte die Achseln. Nach allem, was im Lauf der letzten paar Monate geschehen war, glaubte er, kaum noch etwas zu verlieren zu haben.

»Äh, jawohl, Sir – Dr. Flaster. Es ist sehr freundlich, dass Sie sich an mich erinnern. Ich war leitender Assistent in Labor eins, falls Sie sich noch entsinnen.«

Gabriella setzte ihr Absinken in die Polster fort; sie gab sich alle Mühe, auszusehen, als sei sie Dennis noch nie im Leben begegnet.

Flaster nickte. »Ah ja. Ich entsinne mich. Im Übrigen ist Ihr Name erst kürzlich noch auf meinem Schreibtisch aufgetaucht.«

Bernald Bradys Gesicht leuchtete auf. Ganz offenkundig würde man ihm keinen größeren Gefallen tun können, als Dennis weit weg auf eine Sammelexpedition zu schicken … nach Grönland beispielsweise, oder auf den Mars: Solange er hier war, stellte Dennis eine Bedrohung für Bradys unablässige Bemühungen dar, sich einzuschmeicheln und auf der bürokratischen Leiter emporzuklimmen. Außerdem schien Dennis, ohne es wirklich zu wollen, ein Hindernis für Bradys romantische Ambitionen in Hinsicht auf Gabriella zu sein.

»Wie auch immer, Dr. Nuel«, fuhr Flaster fort, »Sie können Ihren Zentroiden ganz gewiss nirgends ›lassen‹. Ich glaube, wenn Sie einmal nachprüfen wollen, werden Sie ihn irgendwo in der Nähe Ihres Nabels finden.«

Dennis blickte auf seine Gürtelschnalle, und dann strahlte er den Direktor an.

Tatsächlich! Na, Sie können sicher sein, dass ich in Zukunft besser auf ihn achtgeben werde!

»Es ist enttäuschend, feststellen zu müssen«, erklärte Flaster in hörbar herzlichem Ton, »dass jemand, der so geschickt im Umgang mit einer behelfsmäßigen Schleuder ist, zugleich so wenig über das Massezentrum weiß.«

Dies war ein unmissverständlicher Hinweis auf ein Ereignis, das eine Woche zuvor auf dem formellen Personalball stattgefunden hatte. Ein unangenehmes kleines Flugtier war durch ein Fenster hereingekommen und hatte die Menge rings um die Bowle terrorisiert. Dennis hatte seine Leibschärpe abgenommen, sie zu einer Schleuder gedreht und ein Schnapsglas damit hochkatapultiert, welches die fledermausähnliche Kreatur abgeschossen hatte, bevor sie mit ihrem rasiermesserscharfen Schnabel jemanden ernstlich hatte verletzen können.

Die improvisierte Aktion hatte ihn unter den Postdocs und Techs augenblicklich zum Helden gemacht und Gabbies derzeitige Kampagne ›zur Rettung seiner Karriere‹ in Gang gebracht. Dabei hatte er die ganze Zeit über nichts weiter gewollt, als das Tier ein wenig näher betrachten zu können. Der kurze Blick, den er darauf hatte werfen können, hatte zahllose Möglichkeiten durch seinen Kopf wirbeln lassen.

Die meisten der Ballgäste hatten angenommen, es handele sich um ein entflohenes Experiment aus dem Genetikzentrum am anderen Ende des Instituts. Aber Dennis hatte andere Ideen gehabt.

Auf den ersten Blick hatte er gesehen, dass dieses Ding zweifellos nicht von der Erde stammte!

Schweigsame Männer von der Sicherheitsabteilung waren kurz darauf auf der Bildfläche erschienen, hatten das betäubte Tier in eine Kiste gepackt und fortgeschafft. Dennoch – Dennis war sicher, dass es aus Labor eins gekommen war … seinem alten Labor, in dem das Haupt-Zievatron stand … inzwischen gesperrt für jeden außer Flasters handverlesenen Busenfreunden.

»Nun, Dr. Flaster«, sagte Dennis mutig, »da Sie gerade davon sprechen – ich bin sicher, dass wir alle großes Interesse für den Zentroiden dieses bösartigen kleinen Fliegers aufbringen, der auf der Party herumschwirrte. Können Sie uns inzwischen verraten, was es war?«

Plötzlich war es sehr still im Konferenzraum. Es war äußerst unüblich, den Chefphysiker vor versammelter Mannschaft herauszufordern. Aber Dennis kümmerte das nicht mehr. Ohne erkennbaren Grund hatte der Mann ihn bereits von seinem Lebenswerk wegversetzt. Was sollte Flaster ihm darüber hinaus noch antun?

Flaster betrachtete Dennis mit ausdrucksloser Miene. Schließlich nickte er. »Kommen Sie eine Stunde nach dem Seminar in mein Büro, Dr. Nuel. Ich verspreche Ihnen, dass ich dann alle Ihre Fragen beantworten werde.«

Dennis blinzelte überrascht. Meinte dieser Kerl das ernst?

Er nickte, um damit zu verstehen zu geben, dass er kommen werde, und Flaster wandte sich wieder seiner Holzkiste zu.

»Wie gesagt«, nahm Flaster seinen Vortrag wieder auf, »eine psychosomatische Realitätsanomalie beginnt, wenn wir ein Massezentrum mit einem Unwahrscheinlichkeitsfeld umgeben, welches …«

Als die Anwesenden ihre Aufmerksamkeit wieder dem Vortrag zugewandt hatten, beugte Gabriella sich herüber und flüsterte Dennis noch einmal etwas ins Ohr....

Erscheint lt. Verlag 30.7.2015
Übersetzer Rainer Schmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Practice Effect
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte David Brin • eBooks • Naturgesetze • Paralleluniversum • Parallelwelt • Physik
ISBN-10 3-641-17531-3 / 3641175313
ISBN-13 978-3-641-17531-3 / 9783641175313
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