Gordons Berufung (eBook)

Roman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-17530-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gordons Berufung -  David Brin
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Nach dem Atomkrieg
Sechzehn Jahre lang hat Gordon Krantz sich alleine durch die postapokalyptische Welt geschlagen und irgendwie überlebt - bis er das Postauto findet. Ihm kommt eine irrwitzige Idee: Er zieht dem toten Postboten die Uniform aus, legt sie selbst an und macht sich daran, die Briefe zuzustellen, soweit die Adressaten noch am Leben sind. Er gibt vor, Vertreter einer nicht existierenden Übergangsregierung zu sein, der das Postwesen wieder aufbauen soll, und ermuntert die Menschen, Briefe an ihre Verwandten zu schreiben. Dadurch verschafft er sich nicht nur ein Einkommen in Form des Portos - er ermuntert damit auch Tausende zum Wiederaufbauen und bringt neue Hoffnung in eine verloren geglaubte Welt ...

David Brin, 1950 im amerikanischen Glendale geboren, studierte Astronomie und Physik und arbeitete lange als Wissenschaftler und Dozent, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Mittlerweile gehört er zu den bedeutendsten amerikanischen Science-Fiction-Autoren der Gegenwart und erobert regelmäßig die Bestsellerlisten. Besonders mit seinem Roman 'Existenz' ist ihm eine der eindrucksvollsten Zukunftsvisionen der Science Fiction gelungen. David Brin lebt in Südkalifornien.

2

 

Cottage Grove

 

Cottage Grove, Oregon

16. April 2011

An

Mrs. Adele Thompson

Bürgermeisterin von Pine View

im noch nicht wiederaufgebauten Staat Oregon

 

Leitweg: Cottage Grove, Curtin,

Culp Creek, McFarland Pt.,

Oakridge, Pine View.

 

Liebe Mrs. Thompson,

Dies ist der zweite Brief, den ich über unsere neue Postverbindung durch den Willamette-Wald schicke. Wenn Sie den ersten erhalten haben, dann wissen Sie bereits, dass unsere Nachbarn in Oakridge sich zur Zusammenarbeit entschlossen haben, nachdem die anfänglichen Missverständnisse ausgeräumt werden konnten. Ich habe Mr. Sonny Davis zum Postmeister ernannt. Er ist ein älterer Mitbürger, der von allen hier geschätzt wird. Inzwischen müsste er den Kontakt mit Ihnen in Pine View aufgebaut haben.

 

Gordon Krantz hob den Stift von dem gelben Blatt, das ihm die Bürger von Cottage Grove geschenkt hatten. Auf dem alten Schreibtisch flackerten zwei kupferne Öllampen und zwei Kerzen und warfen helle Reflexe auf die in Glas gefassten Bilder an der Schlafzimmerwand.

Die Leute hatten darauf bestanden, dass Gordon das beste Quartier in der Stadt bekam. Der Raum war gemütlich, sauber und warm.

Das war ein ganz anderes Leben als noch vor wenigen Monaten. In seinem Brief erwähnte er zum Beispiel nicht die Schwierigkeiten, die er im letzten Oktober in Oakridge gehabt hatte.

Die Bürger dieser Bergstadt hatten ihm ihre Herzen geöffnet, sobald er sich als Abgesandter der Wiederaufgebauten Vereinigten Staaten vorgestellt hatte. Nur der tyrannische »Bürgermeister« hätte seinen unwillkommenen Gast beinahe ermorden lassen, doch Gordon stellte gerade noch rechtzeitig klar, dass er nur ein Postamt einrichten und weiterreisen wollte – so dass er die Macht des Bürgermeisters nicht bedrohte.

Vielleicht fürchtete der Anführer die Reaktion seiner Leute, wenn er Gordon nicht half. Am Ende bekam Gordon die Vorräte, um die er gebeten hatte, und sogar ein kostbares, wenn auch nicht mehr ganz junges Pferd. Als er Oakridge verlassen hatte, war die Erleichterung des Bürgermeisters unverkennbar gewesen. Der Anführer schien darauf zu vertrauen, dass er trotz der erstaunlichen Nachricht, dass irgendwo draußen die Vereinigten Staaten noch existierten, seine Macht behalten konnte.

Die Städter hatten Gordon weiter als eine Meile begleitet; sie waren hinter Bäumen aufgetaucht und hatten ihm verstohlen Briefe in die Hand gedrückt und begierig über den Wiederaufbau Oregons gesprochen. Sie wollte wissen, wie sie helfen konnten. Sie beschwerten sich offen über den Dorftyrannen, und als ihn der letzte Dörfler verlassen hatte, war Gordon klar, dass eine Veränderung in der Luft lag.

Er rechnete damit, dass die Tage des Bürgermeisters gezählt waren.

 

Seit meinem letzten Brief aus Culp Creek habe ich in Palmerville und Curtin Postämter eingerichtet. Heute habe ich die Verhandlungen mit dem Bürgermeister von Cottage Grove abgeschlossen. Ich schließe in diese Sendung einen Bericht über meine bisherige Arbeit ein, der an meine Vorgesetzten im Wiederaufgebauten Staat Wyoming weitergeleitet werden soll. Wenn der Kurier, der mir folgt, in Pine View eintrifft, geben Sie ihm bitte meine Aufzeichnungen und grüßen Sie ihn von mir.

Und seien Sie geduldig, wenn es eine Weile dauert. Der Weg von St. Paul nach Westen ist gefährlich, und es könnte länger als ein Jahr dauern, bis der nächste Mann eintrifft.

 

Gordon konnte sich Mrs. Thompsons Reaktion gut vorstellen, wenn sie diesen Absatz las. Die kratzbürstige Matriarchin würde den Kopf schütteln und vielleicht sogar laut herausplatzen, wenn sie den Unfug las, den er geschrieben hatte.

Adele Thompson wusste besser als jeder andere in dem wilden Gebiet, das einst der schöne Staat Oregon gewesen war, dass kein Kurier aus dem zivilisierten Osten kommen würde. Es gab keine Hauptverwaltung, der Gordon Bericht erstatten konnte. Das Gebiet, in dem angeblich die Hauptstadt St. Paul lag, war eine immer noch leicht radioaktive Biegung des Mississippi.

Es gab keinen Wiederaufgebauten Staat Wyoming und keine Wiederaufgebauten Vereinigten Staaten, es sei denn in der Phantasie eines wandernden Schmierenkomödianten, der sich nach Kräften bemühte, in einer gefährlichen und misstrauischen Welt zu überleben.

Mrs. Thompson war einer der wenigen Menschen, die Gordon nach dem Krieg getroffen hatte, die noch Augen im Kopf hatten und einen nüchternen Verstand besaßen. Die Illusion, die Gordon geschaffen hatte – zuerst zufällig, später aus Verzweiflung – hatte ihr nichts bedeutet. Sie hatte Gordon als ihn selbst geschätzt und Mitleid gezeigt, ohne durch einen Mythos übertölpelt werden zu müssen.

Die Lügen, die er schrieb und die Bezüge auf Dinge, die es nicht gab, waren für andere Augen bestimmt. Die Post würde auf dem Leitweg, den er aufgebaut hatte, durch viele Hände gehen, bevor sie schließlich Pine View erreichte. Aber Mrs. Thompson verstand zwischen den Zeilen zu lesen.

Und Gordon war sicher, dass sie ihn nicht verraten würde.

Er hoffte nur, dass sie ihr Lachen bezähmen konnte.

 

In diesem Teil von Coast Fork ist es zur Zeit recht friedlich. Die Gemeinden haben sogar in bescheidenem Ausmaß miteinander zu handeln begonnen und die alte Furcht vor Kriegsseuchen und Survivalisten überwunden. Sie waren begierig auf Neuigkeiten aus der Außenwelt.

Das soll aber nicht heißen, dass alles zum Besten steht. Wie ich hörte, ist der Rogue River südlich von Roseburg noch völlig gesetzlos – das Land Nathan Holns. Deshalb wende ich mich nach Norden, nach Eugene. Das ist ohnehin die Richtung, in die die meisten Briefe, die ich bekommen habe, befördert werden müssen.

 

Tief unten in seiner Satteltasche, unter all den gebündelten Briefen, die er unterwegs von aufgeregten, dankbaren Menschen bekommen hatte, lag der Brief, den Abby ihm gegeben hatte. Gordon wollte versuchen, ihn abzuliefern, was auch immer mit den anderen geschah.

 

Ich muss jetzt aufbrechen. Vielleicht wird mich irgendwann ein Brief von Ihnen und meinen anderen lieben Freunden erreichen. Bis dahin richten Sie Abby und Michael und allen anderen meine Grüße aus.

Ich freue mich, dass die Wiederaufgebauten Vereinigten Staaten von Amerika zumindest in Pine View und an einigen anderen Orten lebendig und wohlauf sind.

 

Mit besten Grüßen

Gordon K.

 

Die letzte Bemerkung war nicht ungefährlich, aber Gordon musste sie niederschreiben, um Mrs. Thompson zu zeigen, dass er sich nicht völlig in seiner eigenen Schwindelei verfangen hatte – der Schwindelei, mit der er hoffentlich sicher durch das praktisch gesetzlose Land kommen würde bis nach …

Wohin? Nach all den Jahren wusste Gordon immer noch nicht genau, was er suchte.

Vielleicht nur einen Menschen, der sich irgendwo verantwortlich fühlte und versuchte, aus den dunklen Zeiten etwas aufzubauen. Er schüttelte den Kopf. Trotz der langen Jahre war der Traum noch nicht tot.

Er faltete den Brief zusammen und steckte ihn in einen alten Umschlag, ließ Kerzenwachs darauftropfen und drückte das Siegel darauf, das er im Postamt von Oakridge gefunden hatte. Der Brief kam auf den ›Arbeitsbericht‹, den er vorher geschrieben hatte; es war ein phantasievolles Werk, gerichtet an die Beamten einer erfundenen Regierung.

Neben dem Päckchen lag seine Postbotenmütze. Das Licht der Lampe flackerte auf dem Messingabbild des Pony Express-Reiters; Gordons schweigsamer Gefährte während der letzten Monate.

Gordon war durch Zufall und einen Trick auf diese Möglichkeit zum Überleben gestoßen. Jetzt aber, Stadt um Stadt, begannen die Leute an ihn zu glauben, besonders, wenn er Briefe von Orten mitbrachte, die er vorher besucht hatte. Nach all den Jahren schien es so, als sehnten sich die Menschen immer noch verzweifelt nach einem verlorenen, strahlenden Zeitalter – nach einer sauberen Zeit, in der es Recht und Ordnung und die große Nation noch gegeben hatte, die schließlich untergegangen war. Die Sehnsucht schmolz ihre schwer erkämpfte Skepsis wie das Tauwetter im Frühling die Eiskruste eines Baches.

Gordon schob sein schlechtes Gewissen beiseite. Nach siebzehn Jahren gab es keinen lebenden Menschen, der völlig unschuldig war, und seine Flunkerei schien in den Städten, durch die er kam, sogar etwas Gutes zu bewirken. Im Austausch für Vorräte und ein Nachtlager verkaufte er Hoffnung.

Man tat, was man tun musste.

Es klopfte zweimal laut an der Tür. Gordon rief: »Herein!«

Johnny Stevens, der neu ernannte Stellvertretende Postmeister von Cottage Grove, steckte den Kopf herein. In Johnnys jungenhaftem Gesicht spross der Flaum eines hellblonden Bartes. Seine schlanken Beine verrieten, dass er gut zu Fuß war, und er galt als ausgezeichneter Schütze.

Wer wusste schon, was die Zukunft brachte? Vielleicht schaffte es der Junge sogar, die Post zuzustellen.

»Äh, Sir?« Johnny störte seinen Vorgesetzten offensichtlich nur ungern bei dessen wichtigen Aufgaben. »Es ist acht Uhr. Sie haben doch nicht vergessen, dass der Bürgermeister mit Ihnen in der Bar ein Bier trinken wollte? Schließlich reisen Sie morgen früh schon wieder ab.«

Gordon stand auf. »Stimmt, Johnny. Danke.« Er griff nach seiner Mütze und der Jacke und verstaute den...

Erscheint lt. Verlag 30.7.2015
Übersetzer Jürgen Langowski
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Postman
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Apokalypse • Atomkrieg • David Brin • Dystopie • eBooks • Postapokalypse • Postbote
ISBN-10 3-641-17530-5 / 3641175305
ISBN-13 978-3-641-17530-6 / 9783641175306
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