Die Clans von Stratos (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-17504-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Clans von Stratos -  David Brin
Systemvoraussetzungen
5,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Revolution auf Stratos
Die Zivilisation auf Stratos wurde von Frauen gegründet, die jetzt über allen Reichtum und die alleinige politische Macht auf dem Planeten verfügen. Durch Genmanipulation haben sie die menschliche Sexualität so verändert, dass alle auf Stratos geborenen Kinder Klone ihrer Mütter sind. Nur in den kurzen Sommermonaten werden einige 'Vars' auf natürlichem Wege empfangen; Kinder, die als minderwertig gelten, niedere Arbeiten verrichten müssen und keine Aufnahme in die mächtigen Clans finden. Auf dieser fortschrittsfeindlichen Welt landet Renna, ein Raumfahrer von der Erde. Im Gefängnis lernt er Maia kennen, eine Var, die sich als Ausgestoßene mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt. Gemeinsam beschließen sie, wenigstens den Versuch zu wagen, das Schicksal der Var zu verbessern und den mächtigen alten Frauen die Stirn zu bieten ...

David Brin, 1950 im amerikanischen Glendale geboren, studierte Astronomie und Physik und arbeitete lange als Wissenschaftler und Dozent, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Mittlerweile gehört er zu den bedeutendsten amerikanischen Science-Fiction-Autoren der Gegenwart und erobert regelmäßig die Bestsellerlisten. Besonders mit seinem Roman 'Existenz' ist ihm eine der eindrucksvollsten Zukunftsvisionen der Science Fiction gelungen. David Brin lebt in Südkalifornien.

Kapitel 1


 

Flache Sonnenstrahlen fielen über den Tisch neben Maias Bett, so dass der einen Meter lange, üppige braune Zopf schimmerte. Sie hatte ihn gerade abgeschnitten, über den wackligen Nachttisch gelegt und an beiden Enden mit einem blauen Band umwickelt.

Stellarmuschelblau, die Farbe des Abschieds. Neben dem Zopf steckte eine Schere mit einer Spitze in der rauen Tischplatte, wie eine auf einem Fuß balancierende Tänzerin. Schlaftrunken blinzelte Maia die Gegenstände in dem trapezförmigen Sonnenfleck an und bemühte sich, sie von den schicksalsschweren Symbolen ihrer Träume zu trennen.

Und plötzlich fiel es ihr wieder ein.

»Lysos«, rief Maia atemlos und warf die Decken von sich. »Leie hat es wirklich getan!«

Ein Frösteln zog die zweite Erkenntnis nach sich: Ihre Schwester hatte das Fenster offen gelassen! Der Westwind vom Hartgletscher wehte die graubraunen Vorhänge in das winzige Zimmer und trieb Staubbällchen über den Dielenboden, die sich an Maias vollgepackter Reisetasche verfingen. Als sie aufsprang und die Läden schloss, sah Maia, wie die Morgenröte die Dächer der schlossähnlichen Clanhäuser von Port Sanger färbte. Mit dem Wind kam das Kreischen der Möwen und der Geruch ferner Eisberge, aber die Begeisterung für Morgenstunden war ein Laster, das Maia nicht mit ihrer Zwillingsschwester teilte.

»Uff.« Maia schlug sich die Hand vor die Stirn. »War es wirklich meine Idee, gestern Abend zu arbeiten?«

Gestern war es ihr noch vollkommen vernünftig vorgekommen. »Wir müssen auf dem laufenden sein, ehe wir uns auf den Weg machen«, hatte Maia argumentiert, als sie sich und ihre Schwester für eine letzte Schicht als Bedienung im Clan-Gästehaus einschrieb. »Vielleicht erfahren wir etwas Nützliches, und ein bisschen zusätzliches Geld würde auch nicht schaden.«

Die Männer des Holzfrachters Tapfere Seeschwalbe waren tatsächlich sehr redselig und voll des süßen lamaianischen Weins. Doch die Matrosen würdigten die beiden jungen Sommerlinge – zwei Variantengören – keines Blickes, denn es trieben sich genug rundliche Lamai herum, alle anziehend identisch, gut gekleidet und wohlerzogen. Die jungen Lamai hatten die Seeleute verwöhnt, sie umschmeichelt und sich von Maia und Leie mit einem Fingerschnippen bis weit nach Mitternacht immer neue Krüge mit dem berauschenden Getränk bringen lassen.

Das offene Fenster war wahrscheinlich Leies Rache.

Na ja, dachte Maia. Ihre Ideen sind auch nicht immer die besten. Aber wichtig war, dass die beiden Zwillingsschwestern einen Plan hatten, an dem sie in ihrem kleinen Dachzimmer nun schon seit Jahren geduldig schmiedeten. Ihr Leben lang hatten sie gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Aber wer weiß, wie viele langweilige Arbeitsstellen wir hinter uns bringen müssen, bis wir unsere Nische gefunden haben.

Gerade als Maia wieder unter die Decke schlüpfen wollte, schlug die Glocke auf dem Nordturm und weckte die Bewohner dieser schäbigen Ecke des Lamai-Anwesens. In den besseren Quartieren würden sich die Winterleute noch eine Stunde lang nicht regen, aber Sommerkinder waren es gewohnt, in bitterer Kälte aufzustehen – angesichts ihres Namens eigentlich eine gemeine Ironie. Seufzend begann Maia, ihre neuen Reisekleider überzuziehen. Schwarze Strumpfhosen aus dehnbarem gewebtem Stoff, weiße Bluse und Mieder, Stiefel und Jacke aus robustem, geöltem Leder. Diese Ausrüstung war besser als manches, was andere Clans ihren Vartöchtern beim Abschied mitgaben, das betonten die Lamai-Mütter unablässig. Maia tat ihr Bestes, um sich zu überzeugen, wie viel Glück sie hatte.

Während sie sich anzog, dachte sie an den abgeschnittenen Zopf. Er war länger als ein ausgestreckter Arm, er glänzte, und doch fehlte ihm der ganz besonderer Schimmer, mit dem sich jede reinblütige Lamai von Geburt an brüsten konnte. Der Zopf wirkte so fehl am Platz, dass Maia schauderte – als blickte sie auf Leies abgeschnittene Hand oder ihren Kopf. Unwillkürlich machte sie mit der Hand das Zeichen, das angeblich vor Pech schützte, lachte dann aber nervös über diese schlechte Angewohnheit. Wegen ihres ländlichen Aberglaubens würde sie in den großen Städten des Landungskontinents sicherlich als Bauerntrampel abgestempelt werden.

Wenn man bedachte, um welchen Anlass es ging, hatte Leie ihren Zopf nicht einmal sonderlich schön zugebunden. In den umliegenden Zimmern waren Mirri, Kirstin und die anderen Sommerfünfer sicher gerade dabei, ihre Zöpfe für die bevorstehende Abschiedszeremonie herzurichten. Die Zwillinge hatten lange darüber diskutiert, ob sie daran teilnehmen sollten, aber jetzt hatte Leie typischerweise impulsiv und auf eigene Faust gehandelt. Vermutlich denkt sie, damit hat sie gleich einen Vorsprung mit dem Erwachsenwerden. Dabei sagt Großmutter Modine, dass ich als erste aus dem Schoß unserer Geburtsmutter gekommen bin.

Nachdem Maia nun vollständig angezogen war, blickte sie noch einmal im Zimmer umher, in dem sie gemeinsam mit ihrer Schwester fünf lange Stratosjahre – fünfzehn nach dem alten Kalender – verbracht hatte, zwei Sommerkinder, die von Winterruhm träumten und sich Pläne zuraunten, die sich langsam ausformten, ohne dass sie sich recht daran erinnerten, wer als erste auf die Idee gekommen war. Und nun … heute … würde das Schiff Grimmvogel sie hinwegtragen, nach Westen, wo klugen jungen Leuten wie ihnen angeblich unzählige Chancen offenstanden.

In dieser Richtung war vor einigen Jahren auch ihr Vaterschiff zuletzt gesichtet worden. »Es kann nicht schaden, die Augen offenzuhalten«, hatte Leie gemeint, aber Maia war skeptisch. Wenn sie je ihrem Genvater begegneten, worüber sollten sie mit ihm reden?

Aus dem Wasserhahn in der Zimmerecke kam immer noch lauwarmes Wasser, was Maia als gutes Omen wertete. Frühstück kriegen wir auch, dachte sie, während sie sich das Gesicht wusch. Falls ich rechtzeitig in der Küche bin, bevor die eingebildeten Winterlinge eintreffen.

Vor dem winzigen Spiegel – der dem Clan gehörte und den Maia schmerzlich vermissen würde – flocht Maia ihren Zopf nach dem Garbenmuster der Lamatia-Familie, mit großer Hartnäckigkeit und um einiges ordentlicher als Leie. Oben und unten band sie ihn mit blauen Bändern ab, die sie in der Tasche aufbewahrt hatte. Einen Moment lang sah sie in ihre eigenen braunen Augen unter den so unverkennbar nicht-lamaianischen Brauen, die ihr unbekannter Vater ihr geschenkt hatte. Während sie die dunkle Iris betrachtete, entdeckte sie zu ihrem Entsetzen etwas, das sie lieber nicht sehen wollte – einen feuchten, ängstlichen Schimmer. Eine Enge. Das Wissen, dass jenseits dieser vertrauten Bucht die weite Welt auf sie wartete. Eine faszinierende Welt, jedoch berüchtigt dafür, wie erbarmungslos sie mit einsamen jungen Vars umging, denen entweder das notwendige Glück oder ein flinker Verstand versagt war. Maia verschränkte die Arme vor der Brust und kämpfte gegen den sich schwach in ihr meldenden Protest.

Wie kann ich diesem Raum verlassen? Wie wollen sie mich dazu zwingen?

Panik überkam sie und hielt sie im Griff wie eine eisige Faust, lähmte sie und raubte ihr den Atem. Ihr Herz schien als einziges noch einer Bewegung fähig, es raste, hilflos und immer schneller … bis Maia den Bann mit einem einzigen Gedanken brach:

Was wäre, wenn Leie jetzt zurückkäme und mich in diesem Zustand vorfände?

Das war schlimmer als alles, was die Welt da draußen zu bieten hatte! Maia lachte ein wenig zittrig, löste sich aus der Erstarrung und hob die Hand, um sich die Augen zu reiben. Ich bin ja auch nicht ganz allein da draußen. Lysos hilft mir, und ich habe Leie.

Jetzt endlich wandte sie ihre Aufmerksamkeit der glänzenden Schere auf dem Nachttisch zu. Leie hatte sie dort stecken lassen, sozusagen als Herausforderung. Würde Maia demütig vor der Matriarchin des Clans niederknien, die guten Ratschläge, den Segenskuss und den rituellen Haarschnitt über sich ergehen lassen? Oder würde sie kühn von dannen ziehen, ohne um ein scheinheiliges Lebewohl zu flehen?

Ironischerweise zögerte Maia aus rein praktischen Erwägungen.

Ohne Zopf gibt es kein Frühstück in der Küche.

Sie musste beide Hände zu Hilfe nehmen, um die Schere aus dem narbigen Holz zu ziehen. Im Morgenlicht, das durch den Fensterladen fiel, drehte sie die Klingen hin und her.

Dann lachte sie. Die Entscheidung war gefallen.

 

Selbst Winterkinder waren selten absolut identisch. Und um die wenigen Sommerzwillinge wie Maia und Leie auseinanderzuhalten, brauchte man ein aufmerksames Auge. Zum einen waren sie Spiegelzwillinge. Während Maia einen winzigen Leberfleck auf der rechten Wange hatte, war er bei Leie auf der linken. Ihr Scheitel fiel auf entgegengesetzten Seiten. Maia war Rechtshänderin, Leie allerdings behauptete, linkshändig zu sein – wie sie –, wäre ein sicheres Anzeichen, dass ihr eine große Zukunft bevorstand. Dennoch hatte die Priesterin sie genau überprüft. Denn sie besaßen dieselben Gene.

Schon sehr früh waren sie auf den Gedanken gekommen, diesen Umstand zu ihrem Vorteil zu nutzen.

Doch ihr Plan hatte gewisse Grenzen. Bei den Savanten – dem Gelehrtenstand – würden sie wohl kaum mit ihm durchkommen, auch nicht bei den vornehmen Handelshäusern des Landungskontinents, wo die reichen Clans noch immer den Datenzauber des Alten Netzwerks benutzten. Deshalb hatten Maia und Leie beschlossen, eine Zeitlang bei den Matrosen und Fischern auf See zu bleiben, bis sie eine...

Erscheint lt. Verlag 30.7.2015
Übersetzer Christine Strüh
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Glory Season
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte David Brin • eBooks • Feminismus • Ferne Zukunft • Genmanipulation • Kolonien • Social Science Fiction
ISBN-10 3-641-17504-6 / 3641175046
ISBN-13 978-3-641-17504-7 / 9783641175047
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Thriller

von Marc Elsberg

eBook Download (2023)
Blanvalet (Verlag)
19,99
Das Licht von Coelum

von Runa Rugis

eBook Download (2023)
epubli (Verlag)
6,99