Der Sommer geht (eBook)

Roman
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2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-17347-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Sommer geht -  Michael Coney
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Ein viel zu langer Winter
Der junge Drove verbringt jedes Jahr den Sommer mit seinen Eltern in Pallahaxi, einem kleinen Ort am Meer. Er trifft alte Freunde wieder, darunter auch das Mädchen Braunauge, in das er sich verliebt hat. Ihr Leben ist geprägt von den seltsamen Gezeiten, in denen das Meer zähflüssig wird. Was anfangs noch nach einem ganz gewöhnlichen Sommerurlaub auf dem Planeten der Stilk aussieht, wird jedoch jäh gestört, denn es droht eine Klimakatastrophe kosmischen Ausmaßes: Der Riesenplanet Rax, der auf einer exzentrischen Bahn um dieselbe Sonne wie der Planet der Stilk kreist, droht den kleineren Planeten aus seiner Umlaufbahn zu reißen und ihn auf eine Bahn zu lenken, die ihn weiter von der Sonne entfernt als gewöhnlich. Der Sommer geht - und ein langer Winter steht bevor ...

Michael Coney wurde 1932 in Birmingham geboren und besuchte die King Edward's School. Er wurde zunächst Buchhalter, übte dann eine Reihe unterschiedlicher Berufe aus: Unter anderem betrieb er ein Pub in Devon, später leitete er ein Hotel auf der Karibikinsel Antigua. Anfang der Siebzigerjahre siedelte er mit seiner Familie nach Kanada über und wurde Feuerwächter der Columbia Forestry Commission. Seit 1966 schrieb er Science Fiction, mit seinen grandiosen Schilderungen außerirdischer Welten wurde er schnell zu einem der zentralen Autoren der Siebziger und Achtziger. Die beiden 'Pallahaxi'-Romane gelten als seine bedeutendsten Werke. Michael Coney starb 2005 an Krebs.

2

DIE LETZTEN VORBEREITUNGEN wurden schweigend ausgeführt. Vater entzündete feierlich die Brenner, während ich immer noch darunter litt, wie heimtückisch mein Eiskobold entsorgt worden war. Ich beobachtete die Angelegenheit aus der nötigen Distanz und hoffte insgeheim, dass ihm das Ding um die Ohren flog. Es kam zum üblichen gedämpften Fuff, als sich das verdunstete Destill entzündete. Kurz darauf stieg Dampf von den Stangen und Zylindern auf, und das Zischen im Kessel verkündete, dass der Motorwagen fahrbereit war. Wir stiegen ein: Vater und Mutter nebeneinander auf den vorderen Sitzen und ich hinter ihnen neben dem Kessel. Die angenehme Wärme linderte meine Wut, denn es war nahezu unmöglich, sich auf dem Rücksitz eines Motorwagens für längere Zeit schlecht zu fühlen. Bald fuhren wir durch die Nebenstraßen von Alika, wo uns die Leute schweigend beobachteten. Niemand winkte, wie sie es in den Vorjahren getan hatten.

»Verfrorene Parls!«, rief ein kleines Mädchen ohne Arme.

Wir kamen am letzten öffentlichen Radiator vorbei, einem kleinen Heizgerät aus senkrechten Röhren, von denen eine feine Dampfwolke aufstieg, die offenbar aus einem Leck austrat. Dann waren wir auf dem unbesiedelten Land. Vater und Mutter unterhielten sich, aber ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, weil die Kolben genau hinter mir zischten und stampften. Ich beugte mich vor.

»War es hier, wo man Tante Zu gefunden hat?«, brüllte ich.

Natürlich wusste ich, dass man sie hier gefunden hatte. Die Leute haben darüber geredet. Anscheinend hatte man einen Suchtrupp losgeschickt, ein paar tapfere Seelen, die sich mit dicken Pelzen und warmen Ziegelsteinen gewappnet hatten und deren Bäuche zweifellos mit Destill gefüllt waren, wie ich mir gut vorstellen konnte. Tante Zu hatte man nur hundert Schritt von der Sicherheit des öffentlichen Radiators entfernt gefunden. Sie hatte einen Anemonenbaum umarmt und versucht, den glatten Stamm hinaufzuklettern, um auf der Suche nach Wärme in die fragwürdige Zuflucht seines Bauches zu kriechen. Es heißt, sie hätte pausenlos geschrien und die Finger so tief in das zähe Fleisch des Baumes gegraben, dass man es mit Stöcken aufhebeln musste. Sie war nackt gewesen, hatte mein Informant mir erschaudernd anvertraut. Zu diesem Zeitpunkt zirkulierte die Geschichte bereits an der Schule. Der Baum hatte ihr die Kleidung vom Rücken gerissen und verzehrt, aber Tante Zu war zu schwer gewesen, um von ihm emporgehoben zu werden, und zu schwach, um selbst hinaufklettern zu können.

»Es wäre mir lieber, wenn du deine Tante nicht erwähnen würdest, Druv«, sagte Mutter. »Es gibt Dinge, an die man sich nicht ständig erinnern sollte. Schaut mal, welch hübscher Anblick!«

Hügel wellten sich vor uns wie langsame Meereswogen, wenn die Grume ihren Höhepunkt erreicht hatte. Stellenweise waren Äcker zu sehen, auf denen Wurzelgemüse angebaut wurde, aber größtenteils war das Land eine freie Fläche, auf der in der ständigen Sonne des frühen Sommers friedlich Lox grasten. Nach dem langen Winter sah alles frisch und grün aus, und noch strömten die Bäche und Flüsse. Später würden sie unter der Hitze austrocknen. In der Nähe zog eine Gruppe von vier Lox einen schweren Pflug durch den Boden. Zwischen ihnen gingen aufrecht zwei Lorin, um gelegentlich ihre glatten Flanken zu tätscheln und sie zweifellos mental zu ermutigen. Auf dem Pflug hockte ein Farmer auf einem wackligen Sitz und stieß bedeutungslose Farmerrufe aus. Wie auch viele andere Leute, die ihr Leben unter der Sonne Phu verbrachten, war er mutiert. In seinem Fall konnte er sich eines weiteren Arms auf der rechten Körperseite rühmen. In der Hand schwang er eine Peitsche.

Wir kamen an vereinzelten kleinen Dörfern vorbei und nahmen von Zeit zu Zeit an winzigen Hütten Wasser auf, wo uns die Farmerfrauen misstrauisch aus niedrigen Türrahmen beäugten, hinter denen sich undeutlich Kinder tummelten. Hier waren die Mutationen häufiger, und Vater beglückwünschte einen Mann zu seiner vielfingrigen Hand.

Der Mann setzte die Arbeit an der Pumpe fort und ließ in rhythmischen Stößen Wasser hervorsprudeln. »Ich schätze, Phu hat es gut mit mir gemeint«, keuchte er. »Das Leben auf diesem Land ist hart. Ein Mann braucht jede Hilfe, die er bekommen kann.« Seine Finger tanzten über die Maschinen des Motorwagens, überprüften hier einen Stift und zogen dort eine Schraube fest. Er steckte einen alten Ledertrichter in den Wassertank und neigte vorsichtig den Eimer.

»Ich vermute, auch in dieser Gegend herrscht Knappheit an vielem, wegen des Krieges …«, sagte Vater mit überraschender Zurückhaltung. Hier auf dem primitiven Land war er ausnahmsweise nicht in seinem Element. Durch die offene Tür der Hütte erhaschte ich einen kurzen Blick auf einen Lorin, der tatsächlich auf einem Stuhl saß, wie es schien.

»Welcher Krieg?«, fragte der Mann.

Ich dachte sehr lange über diese Frage nach, während wir unsere Reise durch das Ödland der Äquatorialregion fortsetzten und die Sonne ihre Kreise immer näher am Horizont zog. Unterwegs verlor ich das Gefühl für die Zeit, weil im ständigen Sonnenlicht des frühen Sommers ein Standardtag auf den nächsten folgte. Nur meine regelmäßige Müdigkeit erinnerte mich daran, dass die Zeit weiterhin verging. Das Einzige, was existierte, schienen die Wüste zu sein, eine gelegentliche Wühltratte, der Sitz unter mir und das Schnaufen des Dampfmotors.

Dann gab es eine Unterbrechung der Eintönigkeit, als wir auf einen Fischlaster stießen, der am Straßenrand liegengeblieben war. Davor hockten niedergeschlagen zwei Männer. Wie es für sie typisch war, saßen ein paar Lorin um das Fahrzeug herum, nachdem sie mitten in der leeren Wüste materialisiert waren, und imitierten sinnlos die verzweifelte Haltung der Männer.

Mein Vater murmelte meiner Mutter etwas zu, und für mich bestand kein Zweifel, dass er überlegte, einfach vorbeizufahren. Doch dann bremste er im letzten Moment und kam mehrere Schritt hinter dem Laster zum Stehen. Es stank furchtbar nach Fisch.

»Ich kann Sie bis Bexton mitnehmen«, rief er über die Schulter den Männern zu, die bereits herbeigelaufen kamen. »Dort können Sie jemanden benachrichtigen. Leider müssen Sie auf dem Treibstofftank Platz nehmen, weil es drinnen zu eng ist.«

Die Männer bedankten sich brummend, kletterten hinter mir auf den Motorwagen, und schon setzten wir uns wieder in Bewegung. »Hallo, Junge«, rief einer von ihnen mir durch das Labyrinth der glänzenden Stangen zu.

»Was ist mit dem Laster passiert?«, brüllte ich zurück. Es gefiel mir nicht, dass sie in meine Privatsphäre eingedrungen waren, und ich dachte mir, dass sich der Mann vielleicht über meine Frage ärgerte.

Er grinste bedauernd und stieg über das Trittbrett nach vorn, wo er sich einfach neben mich setzte und mich zwang, näher an den Kessel heranzurücken. Ich starrte geradeaus, weil ich mich über mich selbst ärgerte, ihn zu einem Gespräch eingeladen zu haben. Ausnahmsweise hatten meine Eltern Recht behalten. Es lohnte sich nicht, Vertretern dieser Klasse freundlich entgegenzutreten.

»Das verfrorene Ding ist verstopft«, erklärte er auf seine bodenständige Art. »Weil’s kein Destill gibt.« Er blickte zu den Kanistern auf dem Tank. »Außer für ein paar Verfrorene, die Glück haben. Wir haben den Laster umbauen lassen, damit er auf Holz fährt. Also muss man ein verfrorenes großes Feuer unter dem Kessel machen und darf nicht vergessen, ständig Holzscheite nachzulegen. Das haben wir alles völlig richtig gemacht, aber in der Fischfabrik haben sie Mist gebaut. Man hat vergessen, uns Bürsten mitzugeben, mit denen wir die Röhren ausputzen können. Sind schließlich sehr lange und dünne Röhren. Und jetzt sind alle mit verfrorenem Ruß verstopft, und der verfrorene Laster fährt nicht mehr.«

»Es besteht kein Grund, dass Sie pausenlos fluchen.«

»Ein eingebildeter kleiner Verfrorener, was? Dein Vater ist bestimmt irgend so ein Parl, darauf wette ich. Kann gar nicht anders sein, wenn er einen solchen Motorwagen hat.« Sein Blick wanderte immer wieder zu den Kanistern hinüber, und seine Gegenwart wurde allmählich unerträglich, bedrohlich. Meine Eltern saßen vorn, ohne etwas zu bemerken, und diskutierten über Rationierungen.

»Vater hat einen bedeutenden Posten«, sagte ich mit Entschiedenheit, um meine Angst zu überspielen. Der Wortlaut war nicht meiner, ich wiederholte nur, was ich bei vielen Gelegenheiten von meiner Mutter gehört hatte. Zum ersten Mal kam mir in den Sinn, dass ich gar nicht genau wusste, was die Worte wirklich bedeuteten. Ich stellte mir mehrere Bergspitzen vor, von winterlichem Schnee bedeckt. Vater saß auf dem höchsten Gipfel, während seine Untergebenen auf den niedrigeren hockten. Die Allgemeinheit kauerte sich in den Tälern zusammen, voller Ehrfurcht vor der Erhabenheit der Berge.

»Davon bin ich überzeugt, mein Junge. Sitzt bestimmt jeden Tag am selben Schreibtisch – außer einmal im Jahr, wenn er mit euch allen in Urlaub fährt, an die Küste, um die Grume zu beobachten, und ihr wohnt bestimmt in einem Hotel, das Seeblick heißt.«

»Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Mein Vater besitzt ein Ferienhaus in Pallahaxi.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Er lächelte mich mit schwarzen...

Erscheint lt. Verlag 30.6.2015
Übersetzer Bernhard Kempen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Hello Summer, Good Bye
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Aliens • eBooks • Fremde Welten • Michael Coney • Pallahaxi • Träume von Pallahaxi
ISBN-10 3-641-17347-7 / 3641173477
ISBN-13 978-3-641-17347-0 / 9783641173470
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