Wachen! Wachen! (eBook)

Ein Roman von der bizarren Scheibenwelt
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
432 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-97227-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wachen! Wachen! -  TERRY PRATCHETT
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Eine geheime Bruderschaft ruft mittels eines gestohlenen magischen Buches einen Drachen herbei. Das Fabelwesen soll helfen, einen neuen König einzusetzen, der den Verschwörern gefügig ist. Doch der Drache setzt sich selbst als Herrscher ein - schläft er doch so gern auf den gemütlichen Goldreserven der Stadt. Nur eine Handvoll Wachen begehrt gegen den geschuppten König auf: Hauptmann Mumm, der beinahe zwei Meter große Zwerg Karotte und eine adlige Sumpfdrachenzüchterin machen sich auf, den Tyrannen zu vertreiben.

Terry Pratchett, geboren 1948 in Beaconsfield, England, erfand in den Achtzigerjahren eine ungemein flache Welt, die auf dem Rücken von vier Elefanten und einer Riesenschildkröte ruht, und hatte damit einen schier unglaublichen Erfolg: Ein Prozent aller in Großbritannien verkauften Bücher sind Scheibenweltromane. Jeder achte Deutsche besitzt ein Pratchett-Buch. Bei Piper liegen der erste Scheibenweltroman »Die Farben der Magie« sowie die frühen Bände um Rincewind, Gevatter Tod, die Hexen und die Wachen vor - Meisterwerke, die unter den Fans einhellig als nach wie vor unerreicht gelten. Terry Pratchett erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den »World Fantasy Lifetime Achievement Award« 2010. Zuletzt lebte der Autor in einem Anwesen in Broad Chalke in der Grafschaft Wiltshire, wo er am 12. März 2015 verstarb.

Der Patrizier befand sich im Rechteckigen Büro, seinem persönlichen Sanktuarium. Mit langen Schritten wanderte er umher und diktierte Anweisungen.

»Beauftrage auch einige Männer damit, die Wand neu zu streichen«, sagte er.

Lupin Wonse wölbte eine Braue.

»Hältst du das für klug, Herr?«, fragte er.

»Ein Fries aus gespenstischen Schemen fordert Kommentare und Spekulationen heraus«, erwiderte Lord Vetinari mürrisch.

»Das gilt auch für frische Farbe in den Schatten«, stellte Wonse ruhig fest.

Der Patrizier zögerte kurz. »Guter Hinweis«, sagte er. »Lass die verdammte Mauer abreißen!«

Am Ende des Zimmers drehte er sich ruckartig und marschierte erneut los. Drachen!, dachte er. Als wenn es nicht schon genug wirklich wichtige Dinge gäbe, die meine Aufmerksamkeit erfordern.

»Glaubst du an Drachen?«

Wonse schüttelte den Kopf. »Sie sind unmöglich, Herr.«

»So heißt es jedenfalls«, murmelte Lord Vetinari. Eine Kehrtwendung an der anderen Wand.

»Soll ich mit zusätzlichen Ermittlungen beginnen?«, fragte Wonse.

»Ja. Gute Idee.«

»Und ich werde dafür sorgen, dass es die Wache nicht an der nötigen Diskretion mangeln lässt«, fügte Wonse hinzu.

Der Patrizier blieb stehen. »Die Wache? Die Wache? Mein lieber Junge, die Wache besteht aus unfähigen Narren unter dem Befehl eines Trunkenbolds. Ich habe Jahre gebraucht, um dieses Ziel zu erreichen. Um die Wache brauchen wir uns gewiss keine Sorgen zu machen.«

Er überlegte einige Sekunden. »Hast du jemals einen Drachen gesehen, Wonse? Einen großen, meine ich. Oh, sie sind natürlich unmöglich, wie du eben selbst gesagt hast.«

»Sie existieren nur in Legenden, Herr«, antwortete der Sekretär. »Reiner Aberglaube.«

»Hmm«, brummte der Patrizier. »Und Legenden sind natürlich, nun, legendär.«

»Genau, Herr.«

»Trotzdem …« Lord Vetinari zögerte erneut und musterte Wonse nachdenklich. »Na schön, kümmere dich darum. Ich möchte nicht, dass die Leute damit beginnen, über Drachen zu reden. Das schafft nur Unruhe. Schieb der Sache einen Riegel vor.«

Als der Patrizier allein war, trat er ans Fenster und blickte bedrückt über die beiden vom Fluss getrennten Hälften der Stadt. Es nieselte wieder.

Ankh-Morpork! Ein urbaner Ameisenhaufen aus hunderttausend Seelen. Und die Anzahl der mehr oder weniger menschlichen Bewohner war zehnmal so groß, wusste Lord Vetinari. Der frische Regen glänzte auf dem Panorama aus Türmen und Dächern, ohne etwas von der bitteren und bösen Welt zu ahnen, die er benetzte. Glücklicherer Regen fiel auf Hochlandschafe, flüsterte sanft über Wäldern oder platschte ein wenig inzestuös ins Meer. Doch der Regen, der über Ankh-Morpork niederging, geriet in Schwierigkeiten. In Ankh-Morpork stellte man schreckliche Dinge mit Wasser an. Dass man es ab und zu trank, war nur der Anfang.

Der Patrizier fand Gefallen an der Vorstellung, eine funktionierende Stadt zu beobachten. Es war keine schöne Stadt, und sie genoss auch keinen besonders guten Ruf. Gewisse Gerüche wiesen darauf hin, dass ein Kanalisationssystem fehlte, und in architektonischer Hinsicht schien Ankh-Morpork eher benachteiligt zu sein. Selbst die treuesten Bürger der Stadt mussten eingestehen, dass Ankh-Morpork (von oben betrachtet) folgenden Eindruck erweckte: Jemand schien versucht zu haben, mit Stein und Holz eine Wirkung zu erzielen, wie man sie vom Pflaster vor jenen Imbissstuben kennt, die vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet sind.

Aber trotzdem funktionierte die Stadt. In ihr brodelte die gleiche vitale Aktivität wie in einem kurz vor dem Ausbruch stehenden Vulkan. Doch es kam nie zur Eruption, und dafür, so fand der Patrizier, gab es nur einen Grund: Keine Interessengruppe in Ankh-Morpork war stark genug, um bis zum Kraterrand zu klettern. Kaufleute, Diebe, Assassinen, Zauberer – sie alle bemühten sich, das Rennen zu gewinnen, und niemand von ihnen begriff, dass überhaupt kein Rennen nötig war. Niemand von ihnen brachte den anderen genug Vertrauen entgegen, um zu fragen, wer die Rennstrecke abgesteckt hatte und wer die Startfahne in der Hand hielt.

Lord Vetinari verabscheute das Worte ›Diktator‹. Es beleidigte ihn. Er gab den Stadtbewohnern nie Befehle; glücklicherweise war das auch gar nicht nötig. Einen großen Teil seiner Zeit verbrachte er damit, die Dinge so zu gestalten, dass alles beim Alten blieb.

Natürlich existierten verschiedene Gruppen, die ihn stürzen wollten, doch daran gab es überhaupt nichts auszusetzen, denn es handelte sich um die üblichen Symptome einer gesunden und dynamischen Gesellschaft. In dieser Hinsicht konnte ihn niemand als unvernünftig bezeichnen. Immerhin hatte er die meisten entsprechenden Organisationen selbst gegründet. Es amüsierte den Patrizier, dass sie fast ihre ganze verschwörerische Kapazität nutzten, um sich gegenseitig zu bekämpfen.

Lord Vetinari hielt die menschliche Natur für ein wundervolles Phänomen. Sie bot viele Möglichkeiten – wenn man ihre schwachen Stellen kannte.

Die Sache mit dem Drachen ließ vages Unbehagen in ihm entstehen. Wenn es irgendein Geschöpf gab, das keine schwachen Stellen hatte, so hieß es Drache. Dieses Problem musste so schnell wie möglich gelöst werden.

Der Patrizier hielt nichts von unnötiger Grausamkeit.13 Er hielt auch nichts von sinnloser Rache. Aber er vertrat den unerschütterlich festen Standpunkt, dass Probleme gelöst werden mussten.

Seltsamerweise gingen Hauptmann Mumm ähnliche Gedanken durch den Kopf. Er konnte sich nicht mit der Vorstellung anfreunden, dass man Bürger der Stadt – selbst der Schatten – als keramisches Färbemittel verwendete.

Außerdem war es praktisch in Gegenwart der Wache geschehen. Als spiele die Wache überhaupt keine Rolle. Als sei die Wache völlig bedeutungslos. Das wurmte.

Und es wurmte noch viel mehr, weil es stimmte.

Ein nicht unerheblicher Teil von Mumms Ärger basierte auf der Tatsache, dass er seine Befehle missachtet hatte. Oh, sicher, die Spuren in der Gasse existierten jetzt nicht mehr. Aber in der untersten Schublade des alten Schreibtischs, verborgen unter mehreren leeren Flaschen, lag ein Gipsabdruck. Er glaubte, seinen Blick zu spüren, durch drei dicke Holzschichten.

Der Hauptmann wusste überhaupt nicht, was in ihn gefahren war. Und jetzt begab er sich noch weiter aufs sprichwörtliche Glatteis.

Mumm musterte seine, nun, Truppe – es fiel ihm kein besserer Ausdruck ein. Er hatte die beiden Senior-Wächter gebeten, in ziviler Kleidung zu kommen. Was bedeutete, dass Feldwebel Colon, der sein ganzes Leben in Uniform verbracht hatte, ziemlich verlegen wirkte. Er trug jetzt seinen Beerdigungsanzug. Nobby hingegen …

»Offenbar habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt, als ich von ›ziviler‹ Kleidung sprach«, sagte Mumm.

»Dieses Zeug trage ich immer in meiner Freizeit, Chef«, erwiderte Nobby eingeschnappt.

»Herr«, korrigierte Feldwebel Colon.

»Meine Stimme ist ebenfalls in Zivil«, brummte Nobby. »Initiative. Darum geht’s.«

Mumm ging langsam um den Korporal herum.

»Und deine zivile Kleidung veranlasst keine alten Frauen dazu, in Ohnmacht zu fallen?«, fragte er. »Kleine Kinder ergreifen nicht die Flucht, wenn sie dich in dieser Aufmachung sehen?«

Nobby verlagerte unsicher das Gewicht vom einen Bein aufs andere. Mit Ironie kannte er sich kaum aus.

»Nein, Herr, Chef«, antwortete er. »Es ist die neueste Mode.«

Das stimmte in gewisser Weise. Derzeit galten in Ankh Federhüte, Halskrausen, ausgeschnittene Wämser mit goldenem Plüsch, weite Hosen und Stiefel mit Ziersporen als letzter Schrei. Allerdings hatten die meisten modebewussten Bürger genug Körper, um die einzelnen Teile auszufüllen, während man von Korporal Nobbs nur sagen konnte, dass er irgendwo darin steckte.

Vielleicht ergab sich sogar ein Vorteil daraus. Niemand, der Nobby in dieser Ausstattung auf der Straße sah, hielt ihn für einen Wächter, der unverdächtig wirken wollte.

Hauptmann Mumm dachte plötzlich daran, dass er überhaupt nichts von dem Zivilisten namens Nobbs wusste. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, wo der Korporal wohnte. Schon seit vielen Jahren kannte er ihn, doch erst jetzt dämmerte ihm die Erkenntnis, dass Nobby in seinem geheimen Privatleben eine Art Geck war. Ein sehr kleiner Geck, ja, ein Geck, den man immer wieder mit einem schweren Gegenstand geschlagen hatte, aber trotzdem ein Geck. Noch ein Beweis dafür, dass man nie vor Überraschungen gefeit war.

Mumm konzentrierte sich wieder auf den bevorstehenden Einsatz.

Er sah Nobbs und Colon an. »Ich möchte, dass ihr euch heute Abend unauffällig – beziehungsweise auffällig, Korporal – unter die Leute mischt und versucht, etwas, äh, Ungewöhnliches aufzuspüren.«

»Was denn, zum Beispiel?«, fragte der Feldwebel.

Mumm zögerte. Er wusste es selbst nicht genau. »Ich meine, äh, sachdienliche Hinweise.«

»Oh.« Colon nickte klug. »Sachdienliche Hinweise. Völlig klar.«

Betretenes Schweigen folgte.

»Vielleicht ist jemandem etwas Seltsames aufgefallen«, sagte Hauptmann Mumm. »Unerklärliche Feuer. Oder Fußspuren. Ihr wisst schon«, fügte er verzweifelt hinzu. »Irgendwelche Dinge, die auf Drachen hindeuten.«

»Du meinst...

Erscheint lt. Verlag 8.6.2015
Reihe/Serie Terry Pratchetts Scheibenwelt
Übersetzer Andreas Brandhorst
Sprache deutsch
Original-Titel Guards! Guards!
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Angua • Ankh-Morpork • Buch • Bücher • discworld • Drache • Drachen • Einsteiger Scheibenwelt • Einstieg Scheibenwelt • Erster Band Nachtwache • Fantasy Bücher • Fantasy Klassiker • Feldwebel Colon • Geschenk für Pratchett Neuleser • Hauptmann Mumm • helle barden • Humor • Humorvolle Fantasy • Karotte • Lady Sybil Käsedick • lustig • Märchen • Mumm • Nachtwache • Nobby Nobbs • Patrizier • Pratchett • Scheibenwelt • Scheibenwelt Fans • Scheibenwelt romane • Stadtwache • Vetinari • Zwerg • Zwerge
ISBN-10 3-492-97227-6 / 3492972276
ISBN-13 978-3-492-97227-7 / 9783492972277
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