Spät dran am Jüngsten Tag (eBook)

Bobby Dollar 3

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
611 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-10836-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Spät dran am Jüngsten Tag -  Tad Williams
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»Bobby Dollars Suche nach der Wahrheit hat im Himmel und in der Hölle zahllose Lügen und Betrügereien offengelegt, und so treibt die Handlung einer faszinierenden Auflösung entgegen.« The Guardian Der Engel und Anwalt der verlorenen Seelen ist aus den Tiefen der Hölle zurückgekehrt, seine Geliebte Caz befindet sich noch immer in den Fängen des Erzdämons Eligor. Und Bobby wird nun auch von seinen letzten Freunden im Himmel fallengelassen.

Tad Williams, geboren 1957 in Kalifornien, ist Bestseller-Autor und für seine epischen Fantasy- und Science-Fiction-Reihen, darunter Otherland, Shadowmarch, und Der letzte König von Osten Ard, bekannt. Seine Bücher, die Genres erschaffen und bisherige Genre-Grenzen gesprengt haben, wurden weltweit mehrere zehn Millionen Male verkauft.

Tad Williams, geboren 1957 in Kalifornien, ist Bestseller-Autor und für seine epischen Fantasy- und Science-Fiction-Reihen, darunter Otherland, Shadowmarch, und Der letzte König von Osten Ard, bekannt. Seine Bücher, die Genres erschaffen und bisherige Genre-Grenzen gesprengt haben, wurden weltweit mehrere zehn Millionen Male verkauft.

1

Nur ein Engel

Das aufgeschichtete Holz überragte die johlenden Zuschauer. Auf dem riesigen Scheiterhaufen lehnte die gefesselte Gestalt kraftlos an dem Pfahl wie etwas Lebloses, eine ausrangierte Schaufensterpuppe oder ein vergessenes Spielzeug. Sie trug die glänzende Rüstung eines Kriegers, aber die zierliche Figur erzählte etwas anderes. Es war eine Frau, die da verbrannt werden sollte. Es war die Heilige Johanna.

Sie hob den Kopf und schaute über den gedrängt vollen Marktplatz. Unsere Blicke trafen sich. Ich sah das weißgoldene Haar, die Augen, so rot wie Blut, und mein Herz gefror. Das war nicht die Jungfrau von Orleans, es war Caz – meine Caz, meine wunderschöne Dämonin, das Geschöpf, das meine Seele bezaubert und zugleich in Gefahr gebracht hatte.

Jemand hielt eine Fackel an den Holzhaufen. Zuerst entzündete sich das Reisig, Fäden von weißem Rauch schlängelten sich aufwärts und um ihre Füße. Binnen Sekunden kletterten Flammen den Scheiterhaufen hinauf und färbten den aufsteigenden Rauch mit Sonnenuntergangstönen. Caz zerrte an ihren Fesseln, immer verzweifelter, je höher die Flammen emporstiegen.

Ich konnte mich nicht rühren. Ich öffnete den Mund, um ihren Namen zu rufen, brachte aber keinen Laut heraus. Ich war starr, hilflos. In dem Moment, da sie mich am dringendsten brauchte, konnte ich nichts tun.

»Ich kann dich nicht erreichen!«, rief sie, während Rauchstränge sich an ihr emporwanden wie Schlangen. »Oh, Bobby! Ich kann dich nicht erreichen!« Dann wurden ihre Worte zu verzweifelten Schreien.

Flammen loderten auf, bis ich sie durch das Hitzeflimmern kaum noch erkennen konnte. Ihre sich windende Gestalt, der Rauch, die Häuser im Hintergrund, alles waberte wie unter Wasser. Dann, plötzlich, sah ich durch die quellende Wolke ein Geflatter in der Luft – geflügelte Wesen, die vom Himmel herabstießen.

Halleluja! Die Glocken der Stadt begannen zu läuten, das Lied der Erlösung anzustimmen. Halleluja! Die Geflügelten tauchten durch den Rauch herab – Engel, Engel, die kamen, um sie zu retten!

Doch dann konnte ich die Gestalten genauer erkennen. Vielleicht war es ja nur das verzerrende Hitzeflimmern, aber die vermeintlichen Retter sahen finster und schrecklich aus, mit blitzgrellen Augen und mit Flügeln, schwarz wie verkohltes Papier und an den Rändern glühend – als wäre das Feuer ihr natürliches Element.

Engel, fragte ich mich, oder Dämonen? Gekommen, um sie zu retten – oder um sie zu verschleppen und endloser Folterqual auszuliefern? Gelähmt und stumm konnte ich nur zuschauen, während die Glocken immer lauter wurden.

Halleluja.

HAA-lle-lu-ja!

HAA-lle-lu-ja!

Ich fuhr hoch, in meine Bettdecke verheddert. Das Zimmer um mich herum war dunkel bis auf ein klein wenig Straßenlaternenlicht, das durch die Ritze zwischen den billigen Vorhängen kroch. Keine Flammen, kein Rauch, aber mein Handy dudelte immer und immer wieder diese schrecklich witzige Melodie.

HAA–lle-lu-ja!

Mein Handy. Es war nur mein Handy.

Yeah, dachte ich, während mein Herz hämmerte und mein konfuses Denken sich allmählich sortierte. Leck mich, Händel – mitsamt deinem verfickten Ohrwurm. Und leck mich, du unbekannter Blödmann im Himmel, der du beschlossen hast, uns das als Klingelton zu verpassen.

Nachdem ich die Hälfte des Krempels von meinem Nachttisch gefegt hatte, fand ich das Handy und dann die Annahmetaste. Endlich verstummte das Lobgepreise.

»Was ist?« Mein Puls raste, als wäre ich gerade von einer Klippe ins Leere getreten. »Wehe, es ist nichts Dringendes, dann gibt es Tote.«

»Es hat schon einen gegeben.« Es war Alice aus dem Downtown-Büro – der hiesigen Verwaltungszweigstelle des Himmels. »Sie haben einen Klienten, Dollar.« Sie übermittelte mir die Details, als läse sie eine Einkaufsliste ab. »Auf geht’s, Cowboy. Und vielleicht wären Sie ja nicht so ein grantiges Ekel, wenn Sie sich nicht in den Schlaf saufen würden.«

Sie legte auf, bevor mir eine geistreiche Replik einfiel.

»Ich kann dich nicht erreichen!«, hatte Caz in meinem Traum gerufen. Und ich konnte sie auch nicht erreichen, weil uns mehr trennte als nur räumliche Entfernung. Eine von uns war in der Hölle. Und der andere fühlte sich, als wäre er dort.

Als ich so dalag und wartete, dass die erste schwarze Verzweiflungswelle des Tages verebbte, kam in der Nähe meines Kopfes ein kratzendes Geräusch aus der Wand. Es war mir schon beim Zubettgehen aufgefallen, und ich hatte es auf Ratten geschoben oder vielleicht auf einen Nachbarn, der etwas von der Wand abschabte. Diesmal hielt es eine ganze Weile an, ein monotones Kritz-Kratz-Kritz, das mir rasch auf die Nerven ging. Schließlich bummerte ich mit der Faust an die Wand, und es herrschte Ruhe.

Ich war nicht gerade begeistert von meiner neuen Bleibe im alles andere als noblen Tierra-Green-Apartmentkomplex, doch aufgrund der Tatsache, dass immer wieder Leute und Kreaturen, die mir an den Kragen wollten, herausfanden, wo ich wohnte, hatte ich in letzter Zeit nie lange irgendwo bleiben können. Und ich hasse Umziehen.

Nach dem Albtraum von meiner brennenden Liebsten und den Geräuschen in der Wand musste ich erst mal ein, zwei Minuten den Kopf in ein Waschbecken mit kaltem Wasser stecken, bevor ich meine Gedanken auf die Arbeit richten konnte.

Anwaltsengel, ermahnte ich mich. Jemand braucht dich.

Der Klient war nicht weit weg, nur ein Stück den Bayshore Freeway entlang, doch als ich meine Wohnung verlassen hatte, musste ich erst mal zehn Minuten mein Auto suchen. Nicht, wie ich gleich klarstellen möchte, weil ich am Vorabend besoffen nach Hause gekommen wäre (wenn ich vielleicht auch einen winzigen Schwips gehabt haben mochte), sondern weil ich nach gewissen Erlebnissen mit einem mörderischen Halbzombie namens Smyler meine Karre jeden Abend woanders parkte.

Ich fühlte mich, als hätte ich nur etwa zehn Minuten geschlafen, aber es wurde schon langsam hell, was hieß, dass ich eine ganz ordentliche Menge Schlaf bekommen hatte: Ich war nach dem Nachhausekommen sofort weggeknackt. Wiederum nicht wegen Besoffenseins, obwohl ich zum Essen schon das eine oder andere Bier getrunken hatte. (Ich versuche in letzter Zeit weniger zu trinken und überhaupt ein bisschen verantwortungsvoller zu sein.) Nein, ich pennte zu merkwürdigen Zeiten ein und vergaß, wo mein Auto stand, weil ich so schlecht schlief. Und ich schlief schlecht, weil ich immer von der Hölle träumte. Ich hatte nämlich gerade ein gefühltes halbes Jahr dort verbracht, und es war haargenau so schlimm, wie man sich’s vorstellt. Nein, schlimmer. Das steckt man nicht so einfach weg. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nur hingegangen war, um die Dämonin, die ich liebte, Casimira, Gräfin von Coldhands, zu befreien, und dass ich versagt hatte. Übelst. Daher die permanenten Unzulänglichkeitsgefühle ihres Freundes Bobby und seine nahezu allnächtlichen Albträume.

Der von dieser Nacht war allerdings neu gewesen und schlimmer als die üblichen. Gewöhnlich träumte ich einfach nur von Marmora, der falschen Caz, mit der mich der Erzdämon Eligor reingelegt hatte wie den letzten Dilettanten. Dann durchlebte ich wieder, wie sich die Caz-Attrappe in meinen Armen in flüssiges Nichts verwandelte. Manchmal träumte ich auch von den schrecklichen Dingen, die ich Caz hatte widerfahren sehen, während ich von Eligor, ihrem Boss und Exlover, gefoltert wurde. Ich träumte davon, obwohl ich überzeugt war, dass ihr das meiste davon gar nicht wirklich widerfahren war. (Das musste ich einfach glauben.) Was also war an diesem Traum anders gewesen? Caz hatte mir mal erzählt, dass sie bei ihrer Hinrichtung an Jeanne d’Arc gedacht habe, also war es kein Wunder, dass mein Unterbewusstsein dieses Detail in das normale Albtraummuster einwob.

Aber etwas war diesmal anders gewesen, etwas Tieferes, das ich nicht zu fassen bekam – fast, als hätte sie wirklich mit mir zu kommunizieren versucht. Aber wie, warum und worüber? Ich hatte keine Ahnung.

Schließlich fand ich meinen eckigen alten Datsun in einer Seitengasse der Heller Street, die als Parkplatz erkoren zu haben ich mich nur sehr dunkel erinnerte. Es war Ende November, aber klar und trocken, also war der Verkehr selbst in...

Erscheint lt. Verlag 24.9.2015
Reihe/Serie Bobby Dollar
Übersetzer Cornelia Holfelder-von der Tann
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Bobby Dollar • Bobby-Dollar-Trilogie • Erzengel • Fantasy • Himmel • Hölle • Trilogie • Urban Fantasy
ISBN-10 3-608-10836-X / 360810836X
ISBN-13 978-3-608-10836-1 / 9783608108361
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