Die Kinder aus Theresienstadt (eBook)

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2015 | 1. Auflage
224 Seiten
Ravensburger Buchverlag
978-3-473-47621-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kinder aus Theresienstadt -  Kathy Kacer
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Wochenlang üben die 13-jährige Clara und ihre Freunde im Getto die Oper 'Brundibar' ein. So lässt sich der angsterfüllte, entbehrungsreiche Lageralltag besser überstehen. Eines Tages merken die Kinder allerdings, dass ihre Aufführung missbraucht werden soll: Die Lagerleitung will einer Delegation des Roten Kreuzes mit den 'glücklichen' Kindern eine heile Welt vorgaukeln. Da planen diese das üble Spiel zu durchkreuzen und hoffen, der Außenwelt ein Zeichen geben zu können. Vergebens.

Kathy Kacer hat einen Masterabschluss in Psychologie und war viele Jahre lang in der Kinderpsychologie tätig. Zudem arbeitete sie als Kinderanimateurin. Schon seit vielen Jahren schreibt Kathy Kacer Geschichten. Ihr erster veröffentlichter Roman war 'The Secret of Gabi's Dresser' - ein Buch, das auf den wahren Erlebnissen ihrer Mutter Gabi beruht und zur Zeit des Zweiten Weltkrieges spielt. Ihr zweites Buch über den Holocaust, 'Clara's War', erschien im Ravensburger Buchverlag unter dem deutschen Titel 'Die Kinder aus Theresienstadt'. Der Fokus ihrer Bücher liegt auf jüdischen Themen. Kathy Kacer ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie lebt sie in Toronto, Kanada.

Kathy Kacer hat einen Masterabschluss in Psychologie und war viele Jahre lang in der Kinderpsychologie tätig. Zudem arbeitete sie als Kinderanimateurin. Schon seit vielen Jahren schreibt Kathy Kacer Geschichten. Ihr erster veröffentlichter Roman war "The Secret of Gabi's Dresser" - ein Buch, das auf den wahren Erlebnissen ihrer Mutter Gabi beruht und zur Zeit des Zweiten Weltkrieges spielt. Ihr zweites Buch über den Holocaust, "Clara's War", erschien im Ravensburger Buchverlag unter dem deutschen Titel "Die Kinder aus Theresienstadt". Der Fokus ihrer Bücher liegt auf jüdischen Themen. Kathy Kacer ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie lebt sie in Toronto, Kanada.

1
Abschied von zu Hause

Clara packte ihren Bruder beim Arm und zerrte ihn hinter sich her. Der Weg aus der Stadtmitte nach Hause konnte sehr gefährlich sein, das wusste sie.

»Komm schon, Peter. Du musst schneller laufen.« Ständig musste Clara sich um ihren kleinen Bruder kümmern. Meistens machte es ihr auch nichts aus. Aber manchmal, wenn Peter herumtrödelte, so wie jetzt, hasste sie es aus ganzer Seele. Schlimm genug, dass ihre Eltern sie gezwungen hatten, Peter mitzunehmen, als sie die neuen Lebensmittelmarken holen ging. Die Schlangen vor dem Regierungsgebäude in Prags Hauptstraße waren elend lang, und man musste flink sein, um nach vorne zu gelangen. Es bestand immer die Gefahr, dass Soldaten oder irgendwelche Schlägertrupps auftauchten und anfingen Ärger zu machen. Denen kamen Juden, die sich um Lebensmittelmarken anstellten, gerade recht.

»Es ist besser, wenn ihr zu zweit geht«, hatte Papa gesagt. »Dann könnt ihr aufeinander aufpassen.« Clara wusste, was das bedeutete: Sie musste auf Peter aufpassen.

Zum hundertsten Mal griff sie in ihre Tasche, um sich zu vergewissern, dass die Essensmarken noch da waren. Sie holte eine der Karten heraus und sah sie an. Die Marken waren die Versorgungsader ihrer Familie und in diesen Tagen wertvoller als alles andere. Die Karte trug den Stempel des heutigen Tages: 12. März 1943. Die Lebensmittel, die man dafür bekam, würden etwa zwei Wochen reichen, dann würde Clara wieder losgehen und sich in die Schlange stellen müssen. Vielleicht konnte sie es beim nächsten Mal schaffen, sich aus dem Haus zu schleichen, ohne dass ihr Peter aufs Auge gedrückt wurde.

»Peter, wenn du nicht schneller machst, lasse ich dich hier stehen und dann finden dich die Nazis und stecken dich ins Gefängnis.« Wem versuchte sie da etwas vorzumachen? Um nichts in der Welt hätte Clara ihren elfjährigen Bruder in den Straßen von Prag allein zurückgelassen.

Peter schlurfte mit hängendem Kopf weiter und Clara starrte ihn frustriert an. Er war klein für sein Alter, dünn und knochig, und er hatte große grüne Augen, die oft unsicher, ja unglücklich dreinblickten. Peter war schon immer ein stilles Kind gewesen, ganz anders als Clara, der es mit ihren dreizehn Jahren nie an Worten fehlte. Claras Eltern staunten immer darüber, wie unterschiedlich ihre Kinder geraten waren. Clara war so neugierig und unbeschwert, Peter dagegen ganz in sich gekehrt und ernst. Auch äußerlich ähnelten sie sich kein bisschen, ganz so, als stammten sie aus zwei verschiedenen Familien. Während Peter blass und blond war, hatte Clara braune Locken, die zu ihren dunklen, lebhaften Augen passten. Und dann war da noch die Sache mit Peters Temperament. Immer wieder brauste er auf, wenn keiner damit rechnete, und beruhigte sich dann genauso schnell wieder. Peter war »kompliziert«. So wurde er von seiner Familie beschrieben.

»Wenn man ein bisschen was von dir und ein bisschen was von Peter zusammenwürfeln könnte, was meinst du, was wir für ein perfektes Kind hätten«, witzelte Papa manchmal.

Clara machte sich nichts daraus. Sie fand sich gut, so wie sie war, so offen und geradlinig. Sie hätte auf keinen Fall ernst und still sein wollen. Das überlasse ich gern Peter, dachte sie, umklammerte seinen Arm fester und zog ihn weiter durch die Straßen.

Hunderte, nein tausende Male war Clara den Weg in die Stadtmitte und zurück schon gegangen. Sie kannte jedes Gebäude. Da war zum Beispiel die öffentliche Schule an der Ecke. Mehr als drei Jahre war es nun her, dass es Clara und den anderen jüdischen Kindern in Prag verboten worden war, öffentliche Schulen zu besuchen – seit drei Jahren durfte sie schon nicht mehr mit ihren christlichen Freunden zusammen sein. Und sie fragte sich, wie lange sie wohl noch mit ihren jüdischen Freunden zusammen sein durfte, an der jüdischen Schule. Wahrscheinlich hatten ihre alten Freunde aus der öffentlichen Schule jetzt gerade Matheunterricht, oder vielleicht Geschichte, überlegte Clara. Aus einem Fenster im zweiten Stock drang ein Durcheinander von Tönen – das Streichorchester stimmte sich ein, um für eine Schulaufführung oder etwas Ähnliches zu proben. Auf dem Sportplatz drehte eine Gruppe von Schülern ihre Laufrunden.

Nach der Schule kam die Synagoge, die jetzt verlassen dalag, aber einst das blühende Zentrum des religiösen Lebens von Claras Familie gewesen war. Nun war die Tür verrammelt und auf die Außenmauer hatte jemand mit Großbuchstaben JUDEN RAUS gepinselt. Hinter der Synagoge lag der Park. Wie oft hatte Clara am Samstagvormittag den Gottesdienst geschwänzt, um mit ihren Freundinnen im Park zu spielen? Mitten in der Grünanlage wuchs eine unglaublich hohe Eiche, deren Stamm unten gespalten war. Jedes Jahr hatten Claras Eltern sie und Peter auf diesem Baum fotografiert. Sie sagten, dieser Platz schreie geradezu danach, dass man hier Fotos machte. Die Bilderfolge im Familienalbum hielt fest, wie die Kinder im Laufe der Jahre gewachsen waren und sich verändert hatten. Jetzt war Juden der Zutritt zum Park untersagt.

Selbst die Läden, die ihr früher so vertraut und verlockend vorgekommen waren, machten Clara nur traurig, wenn sie jetzt an ihnen vorbeiging. Frau Kleins Bäckerei, wo Clara und ihre Freunde früher mindestens einmal wöchentlich mit Puderzucker bestäubte Krapfen gekauft hatten, war schon seit langem geschlossen. Die Metzgerei von Herrn Kaufmann auch, in der alle jüdischen Familien ihr koscheres, den jüdischen Speisegeboten entsprechendes Fleisch gekauft hatten. Die Nazi-Gesetze, die es Juden verboten, Geschäfte jeglicher Art zu betreiben, hatten dazu geführt, dass die Läden dichtmachten. Aber was hätte es auch gebracht, ein Geschäft weiterzuführen, in dem kaum jemand einkaufen wollte? Die anderen Geschäfte – der Blumenladen, der Süßwarenladen, die Tuchhandlung – hatten noch geöffnet, aber die Schilder an ihrer Tür waren unmissverständlich: FÜR JUDEN KEIN ZUTRITT!

Die Besuche im Süßwarenladen vermisste Clara ganz besonders. Frau Shebek hatte den Kindern oft etwas zu naschen geschenkt, wenn sie auf dem Weg zur Schule hereinschauten. »Was Süßes für meine Süßen«, hatte sie immer gesagt. Jetzt sah sie Clara nicht einmal mehr an, wenn sie am Laden vorbeiging.

Für Claras Familie und alle anderen Juden in Prag hatte sich das Leben dramatisch verändert, seit die deutsche Wehrmacht die Stadt am 15. März 1939 besetzt hatte. Früher war es ein Spaß gewesen, durch die Straßen zu spazieren, und ein Abenteuer, wenn man in die Stadt ging. Aber Clara kam es vor, als sei das schon Ewigkeiten her. Im September 1938 war das Münchner Abkommen unterzeichnet worden, das den westlichen Teil der Tschechoslowakei Deutschland und der regierenden nationalsozialistischen Partei unter der Führung von Adolf Hitler zusprach. Trotz des Abkommens war in Europa 1939 Krieg ausgebrochen, als Deutschland Polen überfallen hatte, nordöstlich der Tschechoslowakei. Hitler war ein rücksichtsloser, grausamer Anführer; er hasste Juden und machte sie für alles Schlimme verantwortlich, was dem deutschen Volk je widerfahren war. Gleichgültig ob das Geschäft eines Deutschen schlecht lief, ob jemand arm oder arbeitslos war – an allem waren angeblich die Juden schuld. Seit dem Überfall auf Polen waren die Gesetze und Verordnungen, die für Juden in allen von den Nazis besetzten Gebieten galten, mit beinahe jedem Tag mehr geworden.

Claras Vater, ein angesehener Arzt, hatte seine Stelle am städtischen Krankenhaus etwa zur gleichen Zeit verloren, als es Clara verboten worden war, die öffentliche Schule zu besuchen. Zum Glück durfte Papa jetzt an einer jüdischen Klinik arbeiten.

Wie alle anderen musste Clara auch einen gelben Davidsstern auf den Kleidern tragen, damit sie als Jüdin zu erkennen war. Sobald man den Stern trug, hörten christliche Nachbarn wie Frau Novak auf, mit einem zu reden. Sie hatten Angst um ihre eigene Sicherheit. Erst letzte Woche hatte Clara miterlebt, wie Herr Novak einem alten jüdischen Mann zu Hilfe geeilt war, der von mehreren jungen Schlägern in die Mangel genommen wurde. Sofort war die Polizei eingeschritten und hatte sowohl Herrn Novak als auch den alten Mann verhaftet. In regelmäßigen Abständen wurden führende jüdische Persönlichkeiten festgenommen und weggebracht und niemand wusste wohin. Jüdische Haushalte wurden aufgefordert, ihre Wertsachen den Behörden auszuhändigen: Pelze, Schmuck, Stoffe, Silberwaren. Jedes Mal, wenn wieder ein solches Gesetz erlassen wurde, atmete Clara tief durch und sagte sich, das wird bestimmt das letzte sein. Ihre Eltern versuchten sie immer mit den Worten zu beruhigen, schlimmer könne es unmöglich kommen. Aber dann wurde es doch immer noch schlimmer, ein ums andere Mal.

»Nur noch eine Straße weiter, dann sind wir zu Hause«, sagte Clara und legte ihrem Bruder instinktiv einen Arm um die Schultern. Er schüttelte sie ab und stürmte voraus. Jetzt rennt er auf einmal, dachte Clara und hastete ihm nach. Sie eilten um die Ecke, lieferten sich ein Rennen – wer würde als Erster das Haus erreichen, in dem sie wohnten? Peter ist vielleicht klein, dachte Clara, aber wenn er will, kann er ziemlich schnell sein!

Peter stieß das schwere Eisentor auf und stürzte die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Clara jagte ihm hinterher.

Kaum hatte sie die Wohnung betreten, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Ihre Eltern standen schweigend im Wohnzimmer neben der Tür und starrten ohne ein Wort auf das Blatt Papier, das Papa in der Hand hielt.

»Was ist los, Papa?«, fragte Clara ängstlich....

Erscheint lt. Verlag 1.5.2015
Übersetzer Yvonne Hergane
Verlagsort Ravensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 2. Weltkrieg • Angst • Anne Frank • Buch • Bücher • Deportation • Drittes Reich • Geschenk • Geschenkidee • Ghetto • Hanas Koffer • Hitler • Holocaust • Juden • KZ • Lesen • Literatur • Materialien für Unterrichtsgestaltung • Nationalsotialimus • Nationalsozialismus • Oper Brundibar • Schullektüre • Theater • Überleben • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-473-47621-8 / 3473476218
ISBN-13 978-3-473-47621-3 / 9783473476213
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