Die vielen Leben des Harry August (eBook)

Roman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
496 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-1308-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die vielen Leben des Harry August -  Claire North
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MANCHMAL IST EIN LEBEN NICHT GENUG, UM DIE WELT ZU RETTEN! Harry August stirbt. Mal wieder. Es ist das elfte Mal, dass Harrys Leben ein Ende findet. Und er weiß genau, wie es weitergehen wird: Er wird erneut im Jahr 1919 geboren werden - mit all dem Wissen seiner vorherigen Leben. Harry hat akzeptiert, dass er in dieser Zeitschleife festhängt, auch wenn er nicht weiß, wieso. Doch dann steht plötzlich ein junges Mädchen an seinem Sterbebett und überbringt ihm eine erschütternde Botschaft: Der Untergang der Welt steht bevor! Und das auslösende Ereignis findet vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts statt. Harry, der bald wieder im Jahr 1919 sein wird, muss nun nicht weniger tun, als diese Zukunft zu verhindern ... 'Meisterhaft erzählt - ein bemerkenswertes Buch!' Booklist



Claire North, geboren 1986, ist das Pseudonym der britischen Autorin Catherine Webb, die bereits mit 14 Jahren entdeckt wurde. Seitdem hat sie diverse Romane geschrieben und wird unter anderem mit großen Erzählern wie Philip Pullman verglichen. Die vielen Leben des Harry August gewann den John W. Campbell Memorial Award als "Bester SF-Roman 2015".

Claire North, geboren 1986, ist das Pseudonym der britischen Autorin Catherine Webb, die bereits mit 14 Jahren entdeckt wurde. Seitdem hat sie diverse Romane geschrieben und wird unter anderem mit großen Erzählern wie Philip Pullman verglichen. Die vielen Leben des Harry August gewann den John W. Campbell Memorial Award als "Bester SF-Roman 2015".

Kapitel 4


Es gibt diesen magischen Augenblick, wenn das Moor zum Leben erwacht. Ich wünschte, du könntest ihn sehen, aber irgendwie, auf jedem unserer gemeinsamen Streifzüge durch die Natur, haben wir diese wenigen kostbaren Stunden der Offenbarung verpasst. Stattdessen war der Himmel schiefergrau wie der Stein unter unseren Füßen, oder Dürre verwandelte die Gegend in eine staubbraune Dornensteppe, und einmal schneite es so heftig, dass die Küchentür sich nicht mehr öffnen ließ, und ich musste aus dem Fenster klettern, um uns einen Pfad in die Freiheit zu schaufeln. Bei einer Wanderung, 1949, regnete es, wenn ich mich recht erinnere, fünf Tage lang ununterbrochen. Du hast das Moor nie in diesen wenigen, kurzen Stunden nach dem Regen gesehen, wenn alles purpurn und gelb ist und nach schwarzer, fruchtbarer Erde riecht.

Schon ganz zu Beginn unserer Freundschaft hast du trotz meiner im Lauf vieler Leben erworbenen Attitüden und Manierismen vermutet, dass ich aus dem Norden Englands stamme, und natürlich war diese Vermutung vollkommen richtig. Wegen meines Ziehvaters, Patrick August, werde ich mir dieser Tatsache immer bewusst sein. Er war der einzige Gärtner auf dem Gelände von Hulne Hall, und das sein ganzes Leben lang, so wie vor ihm sein Vater und dessen Vater, bis zurück in das Jahr 1834, als die neureichen Hulnes das Land kauften, um dort ihr Ideal vom Leben der oberen Zehntausend zu verwirklichen. Sie pflanzten Bäume, legten im Moor Wege an, errichteten pseudohistorische Türmchen und Torbogen ohne Sinn und Zweck, die, als ich geboren wurde, seit Langem schon moosbewachsenem Verfall anheimgegeben waren. Dem struppigen Buschland rings um das Anwesen, mit seinen aus erdigem Fleisch ragenden Steinzähnen, schenkten sie keine Beachtung. Zu Zeiten früherer, mit mehr Unternehmungsgeist ausgestatteter Generationen der Familie weideten dort Schafe, aber die wirtschaftlichen Bedingungen des 20. Jahrhunderts hatten dem Vermögen der Hulnes nahezu den Garaus gemacht, und jetzt war das Land, obwohl noch in ihrem Besitz, sich selbst überlassen und wild – der perfekte Tummelplatz für einen Knaben, um dort herumzustromern, während die Eltern ihrer Arbeit nachgingen.

Eigenartigerweise fand ich, als ich meine Kindheit zum zweiten Mal durchlebte, meine Abenteuerlust stark gemindert. Höhlen und Klippen, die ich in meinem ersten Leben erforscht und erklettert hatte, erschienen meinem gesetzteren, älteren Verstand plötzlich gefährlich. Man könnte sagen, ich trug meinen kindlichen Körper wie eine alte Frau den knappen Bikini, den eine liebe, jedoch nicht mehr ganz zurechnungsfähige Freundin ihr geschenkt hat.

Nachdem der Versuch, meinem wiederholten Leben durch Selbstmord ein Ende zu setzen, gescheitert war, beschloss ich nach meiner zweiten Wiedergeburt, mich auf die nach aller Voraussicht schwierige und langwierige Suche nach Antworten zu machen. Nach meinem Dafürhalten ist es eine kleine Gnade, dass die Erinnerungen uns nicht auf einmal überfallen, sondern erst nach und nach im Lauf unserer Kindheit aus dem Dunkel steigen. So nahte die Erkenntnis, dass ich mich in meiner vorigen Existenz in den Tod gestürzt hatte, wie ein langsam stärker werdender, kalter Hauch, und das letztliche Begreifen verursachte keinen Schock, sondern ich nahm es philosophisch – als einen Versuch, der fehlgeschlagen war.

Mein erstes Leben, wenn auch ohne Plan und sonderlichen Ehrgeiz gelebt, war einigermaßen glücklich gewesen, falls Unwissenheit Unschuld ist und Alleinsein ein empfehlenswertes Mittel, um Schmerz zu vermeiden. Doch mein neues Leben, mit dem Wissen um all das, was gewesen war, konnte nicht mehr einfach in den Tag hineingelebt werden. Nicht nur, weil die Zukunft bereits zwei Mal Vergangenheit für mich war und darum bekannt, sondern dazu kam ein geschärfter Blick auf die Wahrheiten um mich herum; Wahrheiten, von denen ich als Kind in meinem ersten Leben nicht geahnt hatte, dass es Lügen sein könnten. Jetzt wieder ein Knabe, dem aber wenigstens vorübergehend alle geistigen Fähigkeiten des erwachsenen Mannes zu Gebote standen, wusste ich das zu deuten, was man viel zu oft ungeniert in Anwesenheit von Kindern ausspricht, in der Annahme, sie verstünden es nicht. Ich glaube, dass mein Ziehvater und meine Ziehmutter mich mit der Zeit in ihr Herz schlossen – sie viel früher als er –, aber für Patrick August war ich niemals Fleisch von seinem Fleisch, bis meine Ziehmutter starb.

Tatsächlich existiert eine medizinische Studie zu diesem Phänomen, doch stirbt meine Ziehmutter nie genau an demselben Tag in jedem ihrer Leben. Die Todesursache – wenn nicht äußere, gewaltsame Ereignisse wie Unfälle der Krankheit zuvorkommen – ist immer dieselbe: Um meinen sechsten Geburtstag herum fängt sie an zu husten, und ein Jahr später spuckt sie Blut. Meine Eltern können sich nicht leisten, medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen, aber meine Tante Alexandra ermöglicht es schließlich, dass meine Mutter nach Newcastle ins Krankenhaus geht, um dort die Diagnose Lungenkrebs zu erhalten. (Nach meiner Vermutung handelt es sich um ein kleinzelliges Bronchialkarzinom hauptsächlich des linken Lungenflügels; heutzutage behandelbar, damals jedoch existierte in der medizinischen Forschung nicht einmal die Vision einer solchen Therapie.) Tabak und Laudanum werden verordnet, und bald darauf, 1927, kommt das Ende. Nach ihrem Tod verfällt mein Vater in ein andauerndes Schweigen und wandert durch die Hügel, bleibt manchmal viele Tage verschwunden. Ich komme gut allein zurecht, und mittlerweile, in Kenntnis der Ereignisse, horte ich Vorräte, damit ich während seiner langen Abwesenheiten keine Not leiden muss. Nach Hause zurückgekehrt, bleibt er stumm und unnahbar, und wenn er meine kindlichen Annäherungsversuche nicht barsch zurückweist, dann hauptsächlich deshalb, weil er mich überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt.

In meinem ersten Leben konnte ich seinen Kummer nicht begreifen, erst recht nicht in der Art, wie er sich äußerte, denn ich selbst trauerte mit der blinden Sprachlosigkeit eines Kindes, das Trost brauchte, ihn aber beim Vater nicht fand. In meinem zweiten Leben starb meine Mutter während meiner Zeit in St. Margots, und in das eigene Elend versunken drang ihr Tod nicht in mein Bewusstsein, doch in meiner nächsten Reinkarnation sah ich ihn aus weiter Ferne auf mich zukommen wie ein auf die Schienen gefesselter Mann den Zug, der ihn überrollen wird, und die Erwartung des Ereignisses war fast schlimmer als das Ereignis selbst. Ich wusste, was bevorstand, und als der Moment kam, war es eine Erleichterung, ein Ende der Angst und folglich weniger verstörend.

In diesem dritten Leben wurde das Siechtum meiner Mutter zum Mittelpunkt all meines Denkens und Handelns. Es zu verhindern oder wenigstens zu erleichtern war meine vornehmste Sorge. Ich wusste mir meine eigene Situation nicht zu erklären – außer vielleicht damit, dass ich unwissentlich den Zorn irgendeiner alttestamentarischen Gottheit auf mich gezogen hatte. Daher glaubte ich aufrichtig, durch barmherzige Werke oder indem ich mich nach Kräften bemühte, die entscheidenden Ereignisse in meinem Leben zu beeinflussen, könnte es mir gelingen, diesen Kreislauf von Tod-Geburt-Tod, in dem ich scheinbar gefangen war, zu durchbrechen. Ich war mir keiner Missetaten bewusst, die der Sühne bedurften, und auch sonst gab es in meinem Leben keine größeren Verfehlungen, die ich gutmachen konnte, deshalb erwählte ich Harriets Wohlergehen zu meiner ersten und offensichtlichen Mission und widmete mich dieser Aufgabe mit aller Kraft meines fünfjährigen (nach anderer Rechnung siebenundneunzigjährigen) Verstandes.

Diese hingebungsvolle Ausübung der Kindespflicht wird nicht dadurch geschmälert, dass sie mir auch den Vorwand lieferte, mich vor dem ungeliebten Schulbesuch zu drücken, und mein Vater war zu geistesabwesend, um zu bemerken, was ich tat. Statt das Abc auf die Tafel zu malen, verrichtete ich Handreichungen in und um das Haus und erfuhr, was ich nie gewusst hatte: wie meine Mutter lebte, wenn mein Vater nicht da war. Ich denke, man könnte es als Möglichkeit sehen, als Erwachsener die Frau kennenzulernen, die ich als Kind nur kurze Zeit gekannt hatte. In dieser Eigenschaft kam mir zum ersten Mal der Verdacht, dass ich nicht meines Vaters Sohn war.

Die gesamte Hulne-Familie erschien zur Beerdigung meiner Ziehmutter, als sie in diesem meinem dritten Leben gestorben war. Ich stand neben meinem Vater, ein Knabe von sieben Jahren in einem geliehenen schwarzen Anzug, der Clemens Hulne gehörte, meinem drei Jahre älteren Vetter, der in meinem vorherigen Leben Spaß daran gehabt hatte, mich zu piesacken, wenn ihm ab und zu einfiel, dass es mich gab.

Constance Hulne, schwer auf einen Stock mit einem Knauf in Form eines Elefantenkopfes gestützt, sagte ein paar Worte über Harriets Pflichtbewusstsein, Tüchtigkeit und die Familie, die sie zurückließ. Alexandra ermahnte mich, tapfer zu sein; Victoria beugte sich nieder und kniff mir in die Wange. Ich widerstand dem kindischen Drang, in die schwarz behandschuhten Finger zu beißen, die sich an meinem Gesicht vergriffen hatten. Rory Hulne sagte nichts, starrte mich nur an. Das hatte er auch getan, als ich zum ersten Mal hier stand, in geliehenem Anzug, am Grab meiner Mutter, aber ich, überwältigt von einer Trauer, die keinen Ausdruck finden konnte, hatte die Intensität dieses Blicks nicht verstanden.

Jetzt schaute ich ihm in die Augen und sah mein Spiegelbild, sah das, was ich einmal sein würde.

Du kennst mich nur als erwachsenen Mann, deshalb will ich dir hier meine äußere Erscheinung in Kindheit und Jugendjahren beschreiben.

Bei meinem Eintritt in diese Welt sind meine Haare nahezu...

Erscheint lt. Verlag 12.11.2015
Übersetzer Eva Bauche-Eppers
Sprache deutsch
Original-Titel First Fifteen Lives of Harry August
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-7325-1308-4 / 3732513084
ISBN-13 978-3-7325-1308-6 / 9783732513086
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