Das barmherzige Fallbeil (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
512 Seiten
Limes (Verlag)
978-3-641-17500-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das barmherzige Fallbeil -  Fred Vargas
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Adamsberg ist zurück, und seine Ermittlungen führen ihn in die blutige Zeit der Französischen Revolution und in die tödliche Kälte Islands ...
Innerhalb weniger Tage werden die Leichen einer Mathematiklehrerin und eines reichen Schlossherrn in Paris entdeckt, die vermeintlich Selbstmord begangen haben. Die brutale Szenerie alarmiert zwar die Polizei, doch es scheint keine Verbindung zu geben. Bis Jean-Baptiste Adamsberg auf unauffällige Zeichnungen an beiden Tatorten aufmerksam wird. Kurz darauf stellt sich heraus, dass die Lehrerin vor ihrem Tod dem labilen Sohn des zweiten Toten geschrieben hat. Der Brief führt Adamsberg auf die Spuren einer verhängnisvollen Reise nach Island, die zehn Jahre zuvor stattfand - und von der zwei Personen nicht zurückkamen. Sowie in die Untiefen einer Geheimgesellschaft, die sich Robespierre und der Terrorherrschaft während der Französischen Revolution verschrieben hat. Weitere Menschen sterben, und für Adamsberg beginnt ein Wettrennen gegen die Zeit und einen ebenso wandelbaren wie unbarmherzigen Mörder ...
»Fred Vargas' Krimis sind etwas Besonderes - eigenwillig, mit geradezu genialem Plot und viel französischem Esprit!« Bestsellerautorin Sophie Bonnet
»Lässig, klug, anarchisch und manchmal ziemlich abgedreht - die Krimis von Fred Vargas sind sehr französisch und zum Niederknien gut.« Bestsellerautor Cay Rademacher
»Fred Vargas erschafft nicht nur Figuren, sondern echte Charaktere. Sie kennt die Abgründe, die Sehnsüchte und die Geheimnisse der Menschen - und Commissaire Adamsberg ist für mich einer der spannendsten Ermittler in der zeitgenössischen Literatur.« Bestsellerautor Alexander Oetker
Wenn Ihnen die Krimis um Kommissar Adamsberg gefallen, lesen Sie auch die Evangelisten-Reihe unserer internationalen Bestseller-Autorin Fred Vargas!

Fred Vargas, geboren 1957, ist ausgebildete Archäologin und hat Geschichte studiert. Sie ist heute die bedeutendste französische Kriminalautorin mit internationalem Renommee. 2004 erhielt sie für »Fliehe weit und schnell« den Deutschen Krimipreis, 2012 den Europäischen Krimipreis für ihr Gesamtwerk und 2016 den Deutschen Krimipreis in der Kategorie International für »Das barmherzige Fallbeil«.

4

Danglard hatte sich auf den Rand der blauen Badewanne gesetzt, in der Alice Gauthier sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte. Er betrachtete den Rand des Waschtischs, auf den sie das Zeichen mit einem Kajalstift geschrieben hatte. Adamsberg, Bourlin und sein Brigadier warteten schweigend hinter ihm in dem kleinen Bad.

»Sagt doch was, bewegt euch, verdammt noch mal, ich bin nicht das Orakel von Delphi«, rief Danglard gereizt, weil er das Zeichen nicht auf Anhieb entschlüsselt hatte. »Brigadier, könnten Sie so freundlich sein und mir einen Kaffee machen, man hat mich aus dem Bett geholt.«

»Aus dem Bett oder aus einer Bar am frühen Morgen?«, murmelte der Brigadier halblaut, zu Bourlin gewandt.

»Ich habe ein feines Ohr«, sagte Danglard, wie er da in eleganter Pose auf dem Rand der Wanne saß, ohne den Blick von dem gezeichneten Motiv zu wenden. »Ich habe nicht um einen Kommentar gebeten, sondern um einen Kaffee, in aller Freundlichkeit.«

»Einen Kaffee«, bekräftigte Bourlin, indem er den Brigadier am Arm fasste, den seine große Hand mühelos umschloss.

Danglard zog ein krummgesessenes Notizbuch aus seiner Gesäßtasche und zeichnete das Symbol ab: ein großes H, dessen Querbalken jedoch schräg verlief. Und unter dem Balken verlief außerdem eine konkave Linie:

»Könnte es einen Zusammenhang mit ihren Initialen geben?«

»Sie hieß Alice Gauthier, mit Mädchennamen Vermond. Ihre beiden Vornamen allerdings sind Clarisse und Henriette. H wie Henriette.«

»Nein«, sagte Danglard und schüttelte seine weichen, vom Grau seiner Bartstoppeln verschatteten Wangen. Das ist kein H. Der Querstrich verläuft eindeutig schräg, er weist entschieden nach oben. Und es ist auch keine Unterschrift. Eine Unterschrift verändert sich mit der Zeit immer, sie absorbiert die Persönlichkeit des Schreibenden, sie neigt sich, verformt sich, schrumpft. Nichts, was mit der Geradlinigkeit dieses Buchstabens vereinbar wäre. Das ist die getreue, fast schülerhafte Reproduktion eines Zeichens, eines Siegels und wurde noch nicht sehr oft ausgeführt. Sie hat es vorher vielleicht ein, zwei, wenn’s hoch kommt, fünf Mal gezeichnet. Es ist die Arbeit eines eifrigen, gewissenhaften Schulkinds.«

Der Brigadier kam mit dem Kaffee zurück und drückte Danglard mit herausfordernder Miene den brühend heißen Plastikbecher in die Hand.

»Danke«, murmelte der Commandant, ohne sich etwas anmerken zu lassen. »Wenn sie sich umgebracht hat, dann weist sie damit auf diejenigen hin, die sie in den Selbstmord getrieben haben. Warum sollte sie in diesem Fall das Zeichen verschlüsseln? Aus Angst? Und für wen? Für ihr nahestehende Menschen? Sie fordert zur Nachforschung auf und verrät doch niemanden. Und wenn man sie umgebracht hat – und das ist Ihre Vermutung, nicht wahr, Bourlin? –, dann bezeichnet sie damit zweifellos ihre Angreifer. Aber noch einmal, warum tut sie das nicht in aller Offenheit?«

»Dann war es wohl doch Selbstmord«, brummte Bourlin resigniert.

»Darf ich?«, fragte Adamsberg, der an der Wand lehnte, und zog eine zerknautschte Zigarette aus seiner Jackentasche.

Das Signal für Kommissar Bourlin, der als Antwort ein gewaltiges Streichholz hervorholte und sich seinerseits eine anzündete. Beleidigt verließ der Brigadier das augenblicklich verqualmte, winzige Bad und wich zum Eingang zurück.

»Ihr Beruf?«, fragte Danglard.

»Mathematiklehrerin.«

»Was auch nichts hergibt. Es ist kein mathematisches und auch kein physikalisches Symbol. Weder ein Sternzeichen noch etwas Hieroglyphenähnliches. Weder von den Freimaurern noch von einer satanischen Sekte. Nichts von alledem.«

Verdrossen und in sich gekehrt grummelte er einen Augenblick vor sich hin.

»Es sei denn«, fuhr er fort, »es handelt sich um einen altnordischen Buchstaben, eine Rune, vielleicht sogar ein japanisches oder auch chinesisches Schriftzeichen. Da gibt es schon ähnliche H mit schräg verlaufendem Querstrich. Aber sie haben alle nicht diesen konkaven Bogen darunter. Da liegt der Hase im Pfeffer. So bleibt uns nur die Hypothese eines kyrillischen Buchstabens, wenn auch eines etwas missglückten.«

»Kyrillisch? Sie meinen das russische Alphabet?«, fragte Bourlin.

»Das russische, aber auch das bulgarische, serbische, mazedonische, ukrainische … ein weites Feld.«

Mit einem Blick beendete Adamsberg den gelehrten Diskurs über die kyrillische Schrift, zu dem der Commandant, wie er spürte, gerade ausholte. Und tatsächlich verzichtete Danglard mit Bedauern darauf, die Geschichte der Schüler des heiligen Kyrill zu erzählen, die das Alphabet geschaffen hatten.

»Es gibt im Kyrillischen einen Buchstaben Й, nicht zu verwechseln mit dem И«, erklärte er, indem er beide auf ein Blatt seines Notizbuchs schrieb. »Sie sehen, dieser Buchstabe hat ein konkaves Zeichen obendrauf, eine Art kleine Schale. Er spricht sich ungefähr oi oder ai aus, je nach dem vorausgehenden Buchstaben.«

Danglard bemerkte einen neuerlichen Blick von Adamsberg und brach seine Darlegung ab.

»Angenommen«, fuhr er fort, »in Anbetracht der Entfernung zwischen Badewanne und Waschtisch, den sie nur mit ausgestrecktem Arm erreichen konnte, wäre es der Frau schwergefallen, den Buchstaben korrekt zu schreiben, dann könnte ihr der Kringel möglicherweise von oben in die Mitte gerutscht sein. Doch wenn ich mich nicht irre, steht dieses Й nie am Wortanfang, sondern immer am Ende. Und ich habe noch nie von einer Abkürzung gehört, die ein Wortende benutzt. Prüfen Sie dennoch, ob sich auf ihrer Anruferliste oder in ihrem Adressbuch jemand findet, der das kyrillische Alphabet verwendet haben könnte.«

»Das wäre verlorene Zeit«, wandte Adamsberg sanft ein.

Wenn Adamsberg sanft sprach, dann nicht, um Danglard nicht zu kränken. Von seltenen Gelegenheiten abgesehen, pflegte der Kommissar nie laut zu werden, und er nahm sich auch alle Zeit beim Reden, selbst auf die Gefahr hin, sein Gegenüber einzuschläfern mit seiner Moll-Stimme, die für manche Leute etwas Hypnotisierendes hatte, auf andere dagegen anziehend wirkte. Es war ein Unterschied, ob eine Vernehmung vom Kommissar selbst oder von einem seiner Beamten durchgeführt wurde. Adamsberg erreichte, dass die Leute entweder schläfrig wurden oder ihre Geständnisse plötzlich nur so aus ihnen heraussprudelten, so wie man widerspenstige Nägel mit einem Magneten herauszieht. Der Kommissar schenkte dem keine Beachtung, er gab sogar zu, dass er manchmal selbst dabei einschlief, ohne es zu bemerken.

»Wieso verlorene Zeit?«

»Doch, Danglard. Wir sollten vielmehr herauszufinden versuchen, ob die konkave Linie vor oder nach dem Schrägstrich gezeichnet wurde. Ebenso die beiden senkrechten Striche des H: Wurden sie vorher oder hinterher gezeichnet?«

»Was ändert das?«, fragte Bourlin.

»Und«, setzte Adamsberg seinen Gedanken fort, »ob der Schrägstrich von unten nach oben oder von oben nach unten gezogen wurde.«

»Stimmt«, räumte Danglard ein.

»Der Schrägstrich lässt an ein Durchkreuzen denken«, sagte Adamsberg weiter. »Wie wenn man etwas Geschriebenes streicht. Vorausgesetzt, man zieht den Strich eindeutig von unten nach oben. Wenn das Lächeln zuerst da war, heißt das, dass es anschließend gestrichen wurde.«

»Was für ein Lächeln?«

»Ich meine die konvexe Linie. Die die Form eines Lächelns hat.«

»Konkave Linie«, berichtigte Danglard.

»Wenn Sie wollen. Diese Linie erinnert, für sich betrachtet, an ein Lächeln.«

»Ein Lächeln, das einer hätte auslöschen wollen«, meinte Bourlin.

»So ähnlich. Und die beiden vertikalen Balken des H könnten das Lächeln einrahmen wie ein vereinfachtes Gesicht.«

»Sehr vereinfacht«, sagte Bourlin. »An den Haaren herbeigezogen.«

»Ziemlich an den Haaren herbeigezogen«, bestätigte Adamsberg. »Aber überprüfe es trotzdem. In welcher Reihenfolge, Danglard, schreibt man diesen Buchstaben im Kyrillischen?«

»Zuerst die beiden Senkrechten, dann den Schrägstrich, dann den Kringel obendrauf. So wie auch wir einen Akzent als Letztes draufsetzen.«

»Wenn also der Kringel vorher gemacht wurde, handelt es sich nicht um einen missglückten kyrillischen Buchstaben«, bemerkte Bourlin, »und wir brauchen unsere Zeit nicht damit zu verplempern, in ihrem Adressbuch nach einem Russen zu suchen.«

»Oder einem Mazedonier. Oder einem Serben«, ergänzte Danglard.

Bekümmert darüber, dass es ihm nicht gelungen war, das Zeichen zu entschlüsseln, folgte Danglard mit schlurfenden Schritten seinen Kollegen auf die Straße, während Bourlin per Telefon seine Befehle erteilte. Allerdings zog Danglard beim Gehen immer die Füße nach, wodurch sich seine Schuhsohlen in kürzester Zeit abnutzten. Und da der Commandant mangels irgendwelcher Attraktivität ganz und gar auf englische Eleganz setzte, hatte er ein Problem mit dem Nachschub für seine Londoner Schuhe. Darum wurde jeder, der über den Ärmelkanal reiste, gebeten, ihm von dort ein neues Paar mitzubringen.

Der Brigadier war beeindruckt von den Proben seines Wissens, die Danglard gegeben hatte, und lief jetzt folgsam an seiner Seite. Er hatte »ein wenig Patina angesetzt«, wie Bourlin gesagt hätte.

Auf der Place de la Convention trennten sich die vier Männer.

»Ich melde mich, sobald die Ergebnisse vorliegen«, sagte Bourlin. »Es wird nicht lange dauern. Vielen Dank für die Unterstützung, aber ich glaube, ich werde den Fall heute Abend...

Erscheint lt. Verlag 26.10.2015
Reihe/Serie Kommissar Adamsberg ermittelt
Übersetzer Waltraud Schwarze
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Temps Glaciaires
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Adamsberg • Buchgeschenk des Jahres • eBooks • Frankreich • Geheimnis • Island • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Revolution • Revolution, Island, Geheimnis • spiegel bestseller • Spiegelbestseller
ISBN-10 3-641-17500-3 / 3641175003
ISBN-13 978-3-641-17500-9 / 9783641175009
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