Ein Geschenk der Kultur - (eBook)

Erzählungen

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-16449-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Geschenk der Kultur - -  Iain Banks
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Kultur ist nicht alles ...
Was passiert mit denen, die der KULTUR den Rücken zukehren? Worbik, ein ehemaliger KULTUR-Bewohner, entscheidet sich freiwillig für ein Leben in einer weit weniger fortschrittlichen Zivilisation und kommt dennoch nie ganz von der KULTUR los, wie die titelgebende Story dieses Sammelbandes zeigt.
Bereits 1977 fand die erste KULTUR-Mission zur Erde statt - und löste eine Debatte über die Menschheit aus. Ist die Erde nun ein Paradies, oder sollte diese 'unbestreitbar neurotische und nachweislich geisteskranke Spezies' auf dem Planeten lieber ausgelöscht werden?

Diese und weitere Geschichten, nicht alle davon im KULTUR-Universum angesiedelt, sind in diesem Sammelband erschienen.

Iain Banks wurde 1954 in Schottland geboren. Nach einem Englischstudium schlug er sich mit etlichen Gelegenheitsjobs durch, bis ihn sein 1984 veröffentlichter Roman Die Wespenfabrik als neue aufregende literarische Stimme bekannt machte. In den folgenden Jahren schrieb er zahllose weitere erfolgreiche Romane, darunter Bedenke Phlebas, Exzession und Der Algebraist. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der britischen Gegenwartsliteratur. Am 9. Juni 2013 starb Iain Banks im Alter von 59 Jahren.

Geld ist ein Zeichen von Armut. Das ist eine alte Kultur-Redewendung, an die ich mich hin und wieder erinnere, besonders wenn ich in Versuchung gerate, etwas zu tun, das ich, wie ich weiß, nicht tun sollte, und bei dem es um Geld geht (wobei geht es nicht darum?).

Ich betrachtete die Pistole, die klein und mit der Ausstrahlung von Präzision in Cruizells breiter, narbenübersäter Hand lag, und der erste Gedanke, der mir in den Sinn kam – nachdem ich gedacht hatte: wo, zum Teufel, haben sie eine von diesen Dingern aufgetrieben –, war: Geld ist ein Zeichen von Armut. Wie angemessen dieser Gedanke auch gewesen sein mochte, er war keine große Hilfe.

Ich stand vor einem Spielclub, in dem kein Kredit gewährt wurde, in der Unterstadt von Vreccis in den frühen Morgenstunden eines regnerischen Wochenendes und betrachtete eine hübsche, spielzeugartige Pistole, während zwei große Typen, denen ich eine Menge schuldete, von mir verlangten, dass ich etwas außerordentlich Gefährliches und schlimmer als Illegales tun sollte. Ich wog die Verlockungen eines Fluchtversuchs (sie würden mich erschießen), einer Weigerung (sie würden mich zusammenschlagen; vermutlich würde ich die nächsten Wochen damit zubringen, eine beträchtliche Krankenhausrechnung entstehen zu lassen) und der Erfüllung von Kaddus’ und Cruizells Forderung gegeneinander ab, wohl wissend, dass die wahrscheinlichste Folge – obwohl es auch eine Chance gab, dass ich nicht erwischt wurde und unverletzt und wieder zahlungsfähig aus der Sache hervorging – ein unappetitlicher und vermutlich langsamer Tod wäre, während ich den Sicherheitsbehörden bei ihren Ermittlungen dienlich wäre.

Kaddus und Cruizell boten mir einen Erlass meiner Gesamtschuld an und zusätzlich – nach Erledigung der Angelegenheit – eine ordentliche Summe obendrein, nur um zu zeigen, dass sie mir nicht mehr böse waren.

Ich vermutete, sie rechneten nicht damit, dass sie letzten Endes die gesamten Kosten für die Durchführung der Unternehmung bezahlen mussten.

Ich wusste also, was ich logischerweise zu tun hatte, nämlich ihnen zu sagen, sie sollten sich ihre aufgemotzten Designer-Pistolen sonstwohin schieben, und eine theoretisch schmerzhafte, aber wahrscheinlich nicht mein Ende bedeutende Abreibung hinzunehmen. Zum Teufel, den Schmerz konnte ich ausschalten (die Kultur im Hintergrund zu haben, brachte durchaus einige Vorteile mit sich), aber was war mit der Krankenhausrechnung?

Ich steckte ohnehin schon bis unter die Schädeldecke in Schulden.

»Was ist los, Wrobik?«, fragte Cruizell gedehnt, während er einen Schritt näher trat, in den Schutz des tropfenden Vordachs des Clubs. Ich stand mit dem Rücken gegen die warme Wand, den Geruch des nassen Straßenpflasters in der Nase und einen Geschmack von Metall im Mund; Kaddus’ und Cruizells Limousine stand mit laufendem Motor an der Bordsteinkante. Niemand kam auf der Straße am Ende der schmalen Gasse vorbei. Ein Patrouillenflieger der Polizei schwebte über uns hinweg, in großer Höhe und mit aufzuckenden Lampen, die durch den Regen und die angestrahlte Unterseite der Regenwolken über der Stadt blitzten. Kaddus blickte kurz nach oben, doch dann schenkte er der vorbeifliegenden Maschine keine Beachtung mehr. Cruizell schob die Pistole näher an mich heran. Ich versuchte, mich durch Schrumpfen von ihr zurückzuziehen.

»Nimm die Waffe, Wrobik«, sagte Kaddus müde. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen und starrte die Pistole an.

»Ich kann nicht«, sagte ich und vergrub die Hände in den Manteltaschen.

»Klar kannst du«, sagte Cruizell. Kaddus schüttelte den Kopf.

»Wrobik, mach die Sache nicht noch schwieriger für dich; nimm die Pistole. Berühr sie erst mal, um zu prüfen, ob wir mit unserer Äußerung recht haben. Nur zu, nimm sie!« Ich starrte gebannt die kleine Waffe an. »Nimm die Pistole, Wrobik. Denk nur daran, sie zu Boden zu richten, nicht auf uns; der Fahrer zielt mit einem Laser auf dich, und er könnte denken, du wolltest die Waffe gegen uns einsetzen … komm jetzt, nimm sie, berühr sie!«

Ich konnte mich nicht bewegen; ich konnte nicht denken. Ich stand nur da, wie hypnotisiert. Kaddus griff nach meinem rechten Handgelenk und zog meine Hand aus der Tasche. Cruizell hob mir die Pistole vor die Nase; Kaddus zwang meine Hand mit Gewalt an die Pistole. Meine Finger schlossen sich um den Griff von etwas Leblosem.

 

Die Waffe wurde lebendig; einige Lämpchen blinkten schwach, und der kleine Bildschirm über dem Griff leuchtete, an den Rändern flackernd. Cruizell ließ die Hand sinken und überließ die Pistole meinem Griff; Kaddus lächelte dünn.

»Siehst du, das war doch jetzt nicht schwer, oder?«, sagte Kaddus. Ich hielt die Pistole in der Hand und versuchte mir vorzustellen, dass ich sie gegen die beiden Männer einsetzte, aber ich wusste, dass ich es nicht konnte, ob der Fahrer mich nun als Zielscheibe im Visier hatte oder nicht.

»Kaddus«, sagte ich, »ich kann das nicht. Alles andere, ich bin zu allem anderen bereit, aber ich bin nun mal kein gewalttätiger Mensch; ich schaffe es nicht …«

»Du brauchst kein Fachmann zu sein, Wrobik«, sagte Kaddus ruhig. »Du brauchst nichts anderes zu sein, als … das, was immer du bist, zum Teufel. Du brauchst nur richtig zu zielen und dann zu ballern, wie du es bei deinem Freund auch machst.« Er grinste und zwinkerte Cruizell zu, der einige Zähne entblößte. Ich schüttelte den Kopf.

»Das ist verrückt, Kaddus. Nur weil das Ding auf mich anspricht …«

»Ja, ist das nicht komisch?« Kaddus wandte sich zu Cruizell um, sah ihm ins Gesicht und lächelte. »Ist das nicht komisch, dass unser Wrobik hier ein Fremdweltler ist? Und dabei sieht er genau aus wie wir!«

»Ein Fremdweltler und ein Schwuler«, brummte Cruizell missmutig und zog ein grimmiges Gesicht. »Scheiße.«

»Seht mal«, sagte ich und starrte die Pistole an, »dieses Ding … vielleicht funktioniert es gar nicht«, stammelte ich nicht sehr überzeugend. Kaddus lächelte.

»Es wird funktionieren. Ein Schiff ist ein großes Ziel. Du wirst es nicht verfehlen.« Er lächelte wieder.

»Aber ich dachte, sie hätten Schutzvorrichtungen gegen …«

»Mit Laser- und kinetischen Waffen können sie umgehen, Wrobik; das hier ist etwas anderes. Ich kenne die technischen Details nicht; ich weiß nur, dass unsere radikalen Freunde viel Geld dafür bezahlt haben. Das reicht mir.«

Unsere radikalen Freunde. Das klang komisch, wenn Kaddus es sagte. Wahrscheinlich meinte er den Leuchtenden Pfad. Leute, die seiner Meinung nach schon immer in geschäftlichen Dingen Versager waren, lediglich als Terroristen brauchbar. Ich hätte mir vorstellen können, dass er sie rein aus Prinzip an die Polizei verkaufen würde, auch wenn sie ihm eine Menge Geld anboten. Ging er allmählich dazu über, sich gegen Verluste abzusichern, für den Fall, dass er aufs falsche Pferd setzte, oder war er einfach unersättlich gierig? Es gibt hier ein Sprichwort: Verbrechen flüstert, Geld redet.

»Aber es befinden sich Leute auf dem Schiff, nicht nur …«

»Du wirst sie nicht zu Gesicht bekommen. Und überhaupt, es handelt sich um Gardisten, Marinemitglieder, Handlanger der Regierung, Geheimdienstagenten … Warum machst du dir um die Sorgen?« Kaddus klopfte mir auf die feuchte Schulter. »Du schaffst es!«

Ich wandte den Blick ab von seinen müden grauen Augen und senkte ihn auf die Pistole, die ruhig in meiner Faust lag und deren kleiner Bildschirm schwach leuchtete. Verraten von meiner eigenen Haut, meiner eigenen Berührung. Ich dachte wieder an die Krankenhausrechnung. Ich hätte am liebsten geweint, doch das schickte sich nicht bei diesen Männern hier, und was hätte ich sagen sollen? Ich war eine Frau, ich war die Kultur. Doch ich hatte diese Eigenschaften abgelegt, und jetzt bin ich ein Mann, und jetzt befinde ich mich in der Freien Stadt Vreccis, wo nichts frei ist.

»Nun gut«, sagte ich mit einem bitteren Geschmack im Mund. »Ich werde es tun.«

Cruizell sah enttäuscht aus. Kaddus nickte. »Gut. Das Schiff kommt am Neunttag; du weißt, wie es aussieht?« Ich nickte. »Dann wirst du keinerlei Probleme haben.« Kaddus lächelte dünn. »Man kann es fast von überall in der Stadt sehen.« Er brachte etwas Bargeld zum Vorschein und schob es mir in die Manteltasche. »Nimm dir ein Taxi. Die U-Bahn ist heutzutage zu unsicher.« Er tätschelte mir leicht die Wange; sein Hand roch nach einem teuren Parfüm. »He, Wrobik, mach ein fröhlicheres Gesicht, ja? Du wirst ein verdammtes Raumschiff zusammenschießen. Das ist doch eine tolle Erfahrung.« Kaddus lachte und sah zuerst mich und dann Cruizell an, der pflichtschuldigst ebenfalls lachte.

Sie gingen zurück zum Wagen; er brummte in die Nacht davon, die Reifen drehten auf der regennassen Straße quietschend durch. Ich blieb zurück und beobachtete, wie die Pfützen großer wurden, und die Waffe lastete in meiner Hand wie eine Schuld.

 

»Ich bin ein Leicht-Plasma-Projektor, Modell LPP 91, zweite Produktionsserie, gebaut in A/4882.4 in der Fabrikationsanlage Sechs im Spanshacht-Trouferre-Orbital, Orvolöus-Sternenhaufen. Seriennummer 3685706. Gehirnwert Punkt eins. AM-batteriebetrieben, Nennleistung: unendlich. Maximale Energie pro Einzelgeschoss: 3.1 x 810 Joules, Recyclingzeit 14 Sekunden. Höchste Feuerleistung: 260 U/Sek. Verwendung ausschließlich genofixen Individuen der Kultur vorbehalten, epidermale Genanalyse. Nur mit Handschuhen oder leichter Panzerung zu benutzen, Speicherung der Zugangs-›Modi‹ mittels Befehlsknöpfen. Unbefugter Gebrauch ist sowohl verboten als auch strafbar. Erforderlicher Fähigkeitsgrad 12-75 % C. Ausführliche...

Erscheint lt. Verlag 30.4.2015
Übersetzer Irene Bonhorst
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The State of the Art
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte dystopie fantasy • eBooks • Erzählungen • Iain Banks • Iain Banks, Kultur-Zyklus, Space Opera, Erzählungen, Novellen • Kultur-Zyklus • Novellen • Space Opera
ISBN-10 3-641-16449-4 / 3641164494
ISBN-13 978-3-641-16449-2 / 9783641164492
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