Inversionen - (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-16376-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Inversionen - -  Iain Banks
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Alte Feinde
Auf einem fernen Planeten widerstehen die Bewohner seit Jahrhunderten den technischen Errungenschaften der Zivilisation und halten an ihrer uralten Gesellschaftsform fest. Es ist eine archaische, raue Welt, die jedoch zahlreichen 'Aussteigern' aus allen Teilen des Universums - vor allem aus der KULTUR - als Refugium dient. Solange sie sich ruhig verhalten, werden sie von den Einheimischen geduldet - doch wehe, sie mischen sich in die politischen Geschicke dieser Welt ein ...

Iain Banks wurde 1954 in Schottland geboren. Nach einem Englischstudium schlug er sich mit etlichen Gelegenheitsjobs durch, bis ihn sein 1984 veröffentlichter Roman Die Wespenfabrik als neue aufregende literarische Stimme bekannt machte. In den folgenden Jahren schrieb er zahllose weitere erfolgreiche Romane, darunter Bedenke Phlebas, Exzession und Der Algebraist. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der britischen Gegenwartsliteratur. Am 9. Juni 2013 starb Iain Banks im Alter von 59 Jahren.

1. Kapitel
Die Ärztin


 

Meister, es war am Abend des dritten Tages der südlichen Pflanzzeit, als der Gehilfe des Verhörleiters zur Ärztin kam und sie in eine verborgene Kammer holte, wo der Foltermeister wartete.

Ich saß im Wohnzimmer der Räume der Ärztin und war mit einem Stößel und einem Mörser beschäftigt, um einige Zutaten für eines der Medikamente der Ärztin zu zerreiben. Auf diese Arbeit konzentriert, brauchte ich einen Augenblick, um meine Sinne wieder voll und ganz zu sammeln, als ich das laute und aggressive Klopfen an der Tür hörte, und auf dem Weg zur Tür warf ich eine kleine Weihrauchschale um. Das war der Grund sowohl für die Verzögerung beim Öffnen der Tür als auch für irgendwelche Flüche, die Unoure, der Gehilfe des Verhörleiters, gehört haben mag. Diese Schimpfworte waren nicht an ihn gerichtet, ebensowenig wie ich verschlafen oder auch nur im entferntesten erschöpft war, wie meiner Vermutung nach mein guter Meister glauben mag, gleichgültig was dieser Unoure – ein wankelmütiger und unzuverlässiger Kerl, nach allem, was man über ihn hört – behaupten mag.

Die Ärztin war in ihrem Arbeitszimmer, wie meist um diese Zeit am Abend. Ich betrat die Werkstatt der Ärztin, wo ihre beiden großen Wandschränke stehen, in denen sie ihre Pulver, Pasten, Salben, Trünke und verschiedene Instrumente aufbewahrt, die zu ihrem Beruf gehören, wie auch zwei Tische mit einer Vielfalt von Brennern, Stövchen, Glaskolben und Fläschchen. Gelegentlich behandelt sie hier auch Patienten, dann wird der Raum zu ihrem Operationssaal. Während der unangenehm riechende Unoure im Wohnzimmer wartete, sich die Nase am schmierigen Ärmel abwischte und sich mit dem Blick eines Menschen umsah, der seine Auswahl an stehlenswerten Gegenständen traf, ging ich durch die Werkstatt und klopfte an die Tür zu ihrem Arbeitszimmer, das ihr auch als Schlafzimmer diente.

»Oelph?«, fragte die Ärztin.

»Ja, Herrin.«

»Tritt ein!«

Ich hörte das Klatschen, als ein schweres Buch zugeschlagen wurde, und lächelte vor mich hin.

Das Arbeitszimmer der Ärztin war dunkel und roch nach der süßen Istra-Blüte, deren Blätter sie für gewöhnlich in hochhängenden Weihrauchwannen verbrannte. Ich ertastete mir den Weg durch die Düsternis. Natürlich kenne ich die Einrichtung des Arbeitszimmers der Ärztin wie meine Westentasche – besser als sie vielleicht annimmt, dank der weisen Voraussicht und umsichtigen Schlauheit meines Meisters –, doch die Ärztin war berüchtigt dafür, Stühle, Hocker und Regalleitern im Weg herumstehen zu lassen, und deshalb musste ich meinen Weg durch den Raum ertasten, bis zu der Stelle, wo eine kleine Kerze auf ihre Anwesenheit hindeutete; sie saß vor einem Fenster mit schweren Vorhängen an ihrem Schreibtisch. Sie saß aufrecht auf ihrem Stuhl, drückte den Rücken durch und rieb sich die Augen. Der handdicke, unterarmbreite und -hohe Klotz, der ihr Tagebuch war, lag vor ihr auf dem Schreibtisch. Das große Buch war zugeschlagen und verschlossen, doch selbst in dieser höhlenartigen Dunkelheit bemerkte ich, dass die kleine Kette an der Verschlussspange hin und her schaukelte. Ein Federhalter stand im Tintenfass, dessen Deckel offen war. Die Ärztin gähnte und zupfte die feine Kette, die den Schlüssel für das Tagebuch enthielt, an ihrem Hals zurecht.

Mein Meister kennt aus meinen vielen vorherigen Berichten meine Annahme, dass die Ärztin möglicherweise eine Niederschrift ihrer Erfahrungen hier in Haspide für das Volk in ihrer Heimat in Drezen verfasst.

Der Ärztin liegt offenbar viel daran, ihre Aufzeichnungen geheim zu halten. Manchmal jedoch vergisst sie, dass ich im Zimmer bin, im Allgemeinen dann, wenn sie mich mit der Aufgabe betraut hat, irgendeinen Hinweis in einem der Bücher ihrer mit den ausgefallensten Bänden bestückten Bibliothek herauszusuchen und ich mich dieser Arbeit eine Zeitlang schweigend gewidmet habe. Aufgrund des wenigen von ihrem Geschriebenen, auf das ich bei solchen Gelegenheiten einen Blick habe erhaschen können, kam ich zu dem Schluss, dass sie sich beim Schreiben in ihr Tagebuch nicht immer des Haspidianischen oder Imperialischen bedient – obwohl es Kapitel in beiden Sprachen gibt –, sondern manchmal ein Alphabet benutzt, das ich noch nie zuvor gesehen habe.

Soweit ich weiß, hat mein Meister erwogen, mit anderen aus Drezen stammenden Leuten Verbindung aufzunehmen, um herauszufinden, ob die Ärztin in solchen Fällen auf drezenisch schreibt oder nicht, und zu diesem Zweck versuche ich, meinem Gedächtnis soviel wie möglich von den wichtigen Tagebucheintragungen der Ärztin einzuprägen, wann immer ich kann. Bei dieser Gelegenheit gelang es mir jedoch nicht, einen Blick auf die Seiten zu werfen, an denen sie zweifellos gearbeitet hatte.

Es ist immer noch mein Wunsch, meinem Meister in dieser Hinsicht besser zu dienen, und ich möchte wieder einmal mit aller Hochachtung darauf hinweisen, dass eine vorübergehende Entwendung ihres Tagebuchs einem geschickten Schlosser erlauben würde, das Schloss zu öffnen, ohne es zu beschädigen, damit eine genaue Abschrift ihre Eintragungen angefertigt und die Angelegenheit auf diese Weise erledigt werden könnte. Das könnte leicht geschehen, während sich die Ärztin in irgendeinem anderen Teil des Palastes aufhält, oder vielleicht noch besser an irgendeinem anderen Ort in der Stadt, oder auch wenn sie eines ihrer häufigen Bäder nimmt, die sie lange auszudehnen pflegt (es war während eines ihrer Bäder, dass ich eines der Skalpelle der Ärztin – das inzwischen übergeben wurde – für meinen Meister aus ihrer Medizintasche besorgte). Ich möchte hinzufügen, dass ich darauf bedacht war, dieses sofort nach einem Besuch im Armenhospital zu tun, damit jemand dort verdächtigt würde. Doch ich verneige mich diesbezüglich natürlich vor dem überlegenen Urteil meines Meisters.

Die Ärztin betrachtete mich stirnrunzelnd. »Du zitterst ja«, sagte sie. Und das stimmte tatsächlich, denn das plötzliche Auftauchen des Gehilfen des Foltermeisters hatte mich aufgewühlt, was ich keineswegs leugnen möchte. Die Ärztin sah an mir vorbei zur Tür zum Operationssaal, die ich offen gelassen hatte, damit Unoure unsere Stimmen hören konnte und sich dadurch vielleicht von irgendeiner Untat, die er vielleicht im Schilde führte, abhalten lassen würde. »Wer ist das?«, fragte sie.

»Wer ist wer?«, fragte ich und beobachtete sie, wie sie den Deckel des Tintenfasses schloss.

»Ich habe jemanden husten hören.«

»Oh, das ist Unoure, der Gehilfe des Verhörleiters. Er ist gekommen, um Euch zu holen.«

»Wohin?«

»Zur Geheimen Kammer. Meister Nolieti hat nach Euch schicken lassen.«

Sie sah mich einen Augenblick lang schweigend an. »Der Foltermeister«, sagte sie ausdruckslos und nickte. »Stecke ich in Schwierigkeiten, Oelph?«, fragte sie und legte einen Arm über den dicken Lederdeckel ihres Tagebuchs, als ob sie danach trachtete, Schutz zu bieten oder zu suchen.

»O nein«, antwortete ich. »Ihr sollt Eure Tasche mitbringen. Und Medikamente.« Ich warf einen Blick zur Tür des Operationssaals, durch die das Licht aus dem Wohnzimmer fiel. Ein Husten ertönte aus dieser Richtung, ein Husten, das sich wie die Art Husten anhörte, die man von sich gibt, wenn man jemanden daran erinnern möchte, dass man voller Ungeduld wartet. »Ich nehme an, es ist dringend«, flüsterte ich.

»Hmm. Glaubst du, der Foltermeister Nolieti leidet unter einer Erkältung?«, fragte die Ärztin, während sie sich von ihrem Stuhl erhob und ihre lange Jacke anzog, die über der Rückenlehne gehangen hatte.

Ich half ihr in die schwarze Jacke. »Nein, Herrin, ich glaube, wahrscheinlich wird jemand einem Verhör unterzogen, der … ähm … dem nicht wohl ist.«

»Ich verstehe«, sagte sie, schlupfte mit den Füßen in die Stiefel und richtete sich wieder auf. Wieder einmal überwältigte mich die körperliche Ausstrahlung der Ärztin, wie so oft. Sie ist groß für eine Frau, wenn auch nicht übermäßig groß, und obwohl sie für eine Frau breite Schultern hat, habe ich Weiber auf dem Fischmarkt und an Fangnetzen gesehen, die kräftiger wirkten. Nein, das, was an ihr vor allem einzigartig erscheint, ist meiner Ansicht nach ihre Haltung, die Art, wie sie auftritt.

Mir waren schon mehrmals quälend verlockende Halbansichten von ihr vergönnt gewesen – nach einem ihrer vielen Bäder – in einem dünnen Hemd, von hinten vom Licht beschienen, in einem Wirbel gepuderter, parfümierter Luft von einem Zimmer ins andere schreitend, die Arme erhoben, um ein Handtuch um ihr langes, feuchtes rotes Haar zu schlingen, und ich habe sie bei großen höfischen Ereignissen beobachtet, bekleidet mit offiziellen Gewändern und so leicht und anmutig – und mit einem ebenso gezierten Gesichtsausdruck – wie eine der teuer ausgebildeten Debütantinnen der Saison tanzend, und ich bekenne freimütig, dass ich mich genau wie jeder andere Mann (jugendlich oder nicht) im körperlichen Sinn von einer Frau von ihrer Gesundheit und ihrem allgemein guten Aussehen angezogen fühlte. Dennoch ist etwas an ihrem Benehmen, das ich – und ich vermute, die meisten anderen Männer ebenfalls – abstoßend finde und vielleicht sogar ein wenig beängstigend. Vielleicht ist der Grund dafür eine gewisse unbescheidene Direktheit in ihrem Verhalten, und dazu kommt der Verdacht, dass sie, während sie sich mit untadeligen Lippenbekenntnissen zu jenen Tatsachen des Leben äußert, die die unbestrittene und offenkundige Überlegenheit des Mannes bestimmen, dies mit einer Art unangebrachtem Humor tut, der bei uns Männern das beunruhigende gegenteilige Gefühl hervorruft – dass sie uns nämlich auf...

Erscheint lt. Verlag 30.4.2015
Übersetzer Irene Bonhorst
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Inversions
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte dystopie fantasy • eBooks • Iain Banks • Kultur-Zyklus • Space Opera • Space Opera, Kultur-Zyklus, Iain Banks
ISBN-10 3-641-16376-5 / 3641163765
ISBN-13 978-3-641-16376-1 / 9783641163761
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