Vor einem dunklen Hintergrund (eBook)

Roman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-16374-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vor einem dunklen Hintergrund -  Iain Banks
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Gnadenlose Jagd
Sharrow war einst Anführerin einer schlagkräftigen Kampftruppe in einem kleinen Handelskrieg. Sie lebt auf dem Planeten Golter im Exil, wo ein Glasstrand noch von älteren Kämpfen zeugt. An diesem Strand bemerkt sie, dass sie von den Huhsz verfolgt wird, einer fanatischen religiösen Gruppe, die ihren Tod fordert. Vorerst bleibt ihr allein die Flucht. Aber sie macht sich auf die Suche nach einer der legendären, verfemten apokalyptischen Waffen der Vergangenheit: einer Lazy Gun. Ihre abenteuerliche Reise, die sie durch das ganze Golter-System führt, wird zu einem Wettlauf mit den Fundamentalisten, die gnadenlos Jagd auf sie machen und bereit sind, die Apokalypse zu entfesseln.

Iain Banks wurde 1954 in Schottland geboren. Nach einem Englischstudium schlug er sich mit etlichen Gelegenheitsjobs durch, bis ihn sein 1984 veröffentlichter Roman Die Wespenfabrik als neue aufregende literarische Stimme bekannt machte. In den folgenden Jahren schrieb er zahllose weitere erfolgreiche Romane, darunter Bedenke Phlebas, Exzession und Der Algebraist. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der britischen Gegenwartsliteratur. Am 9. Juni 2013 starb Iain Banks im Alter von 59 Jahren.

PROLOG


 

Sie stützte das Kinn auf den Holzrahmen des Fensters. Das kalte Holz glänzte und hatte einen eigentümlichen Geruch. Sie kniete auf dem Sitz; er roch auch, aber anders. Der Sitz war breit und rot wie ein Sonnenaufgang und hatte kleine Knöpfe, die ihm tiefe Falten machten, so dass er wie jemandes Bauch aussah. Draußen war es düster, so dass in der Seilbahnkabine das Licht brannte. Auf den steilen Hängen unter der Seilbahn fuhren Leute Ski. Sie sah, wie im Fensterglas ihr eigenes Gesicht sie anguckte; sie schnitt sich selbst Fratzen.

Nach einem Weilchen beschlug sich das Glas vor ihrer Nase. Sie hob die Hand und wischte es sauber. Fremde in einer anderen Seilbahnkabine, die sich auf dem Weg nach unten befand, winkten ihr zu. Sie achtete nicht auf sie. Die Anhöhen und die weißen Bäume schienen langsam hin- und herzuzuckeln.

 

Sanft schaukelte die Seilbahn, während sie durch die Gebirgsluft wolkenwärts emporstieg. Die Bäume und Pisten an den Abhängen hatten dasselbe Weiß; frischer Schneefall und kalter Nebel, der über Nacht aus dem Tal heraufgeweht war, hatten die Zweige und Nadeln der Bäume in raue Schichten weißer Flocken gehüllt. Skifahrer sausten und fegten durch die Wehen des Neuschnees, schrieben auf dem üppig-jungfräulichen Blatt des Schnees einen Text blauweißer Zeilen.

Einen Moment lang musterte sie das Kind. Es kniete auf der mit Knöpfen garnierten Ledersitzbank und schaute hinaus. Das Mädchen trug einen fellbesetzten Skianzug in grellem Pink. An den Handgelenken baumelten Handschuhe in knalliger Malvenfarbe. Die kleinen Stiefel waren orange. Diese Kombination sah grässlich aus (vor allem musste sie hier in Frelle so wirken, Nord-Caltasps angeblich exklusivstem, auf alle Fälle jedoch snobistischstem Skiparadies), aber schädigte wahrscheinlich, wie sie annahm, das Gemüt des Kinds weniger als der Zank und die Schmollerei, zu denen es unweigerlich gekommen wäre, hätte sie ihrer Tochter nicht erlaubt, ihre Skikleidung selbst zusammenzustellen. Das Mädchen wischte mit trübsinniger Miene das Fenster.

Sie fragte sich nach dem Grund und drehte den Kopf, sah eine andere Seilbahnkabine, etwa zwanzig Meter entfernt, sie in Abwärtsrichtung passieren. Sie hob die Hand und strich dem Mädchen durchs schwarze Haar, ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Man hätte meinen können, es bemerkte gar nichts; es blickte nur unverwandt aus dem Fenster. Für ein so kleines Mädchen zog es ein sehr ernstes Gesicht.

Sie lächelte, erinnerte sich daran, wie sie gewesen war in dem Alter. Sie konnte sich darauf besinnen, fünf gewesen zu sein; manche Erinnerungen reichten zurück bis ins Alter von drei Jahren, aber blieben verschwommen und unvollständig; lediglich flüchtige Schlaglichter in der dunklen Landschaft einer vergessenen Vergangenheit.

Doch mit fünf ein bewusst denkender Mensch gewesen zu sein, daran entsann sie sich; erinnerte sich sogar an ihre Feier zum fünften Geburtstag und das Feuerwerk überm See.

Wie sehnlich sie es sich damals gewünscht hatte, älter zu sein: eine Erwachsene, die tanzen und spät ins Bett gehen durfte. Sie hatte es verabscheut, jung zu sein, es hatte sie angewidert, dass man ihr andauernd sagte, was sie tun sollte, und ihr war die Art und Weise verhasst gewesen, wie Erwachsene ihr alles vorschrieben. Und auch einige der blöden Redensarten, die sie von sich gaben, hatten sie enorm angeödet, zum Beispiel: »Jetzt ist die schönste Zeit deines Lebens.« Sie hatte einfach nicht glauben können, dass Erwachsene irgendeinen Schimmer davon hatten – außer sie verulkten sie –, wovon sie quasselten. Man musste erst Erwachsener sein, mitsamt all den Sorgen und Pflichten, die damit auftraten, bevor man die mühevolle Unwissenheit richtig einzuschätzen verstand, die Erwachsene als Unschuld bezeichneten, indem sie gleichzeitig – und dabei vergaßen sie meistens, wie sie sich einmal gefühlt hatten – das vielleicht fürsorglich gestaltete, aber allemal beschränkte Gefangenendasein der Kindheit Freiheit nannten.

Eine ganz alltägliche Tragödie, vermutete sie, allerdings wegen ihrer Verbreitetheit kein geringerer Anlass zum Kummer. So wie ein Vorzeichen, ein Vorgeschmack der Trauer, bedeutete sie für jeden, der sie durchlebte, eine authentische, ja einmalige Erfahrung, egal wie häufig sie in der Vergangenheit schon von anderen Menschen erlebt worden sein mochte.

Und wodurch vermied man so etwas? Sie hatte sich sehr angestrengt, um an ihrer Tochter nicht die gleichen Fehler zu begehen, die ihren Eltern, wie sie glaubte, bei ihr unterlaufen waren, doch manchmal dachte sie, wenn sie das Mädchen schalt: Genauso hat meine Mutter mit mir geredet.

Ihr Mann nahm einen anderen Standpunkt ein, aber schließlich war er auch in anderen Verhältnissen herangewachsen, und zudem hatte er mit der Kindererziehung kaum zu schaffen. Diese alten Familien … Sie stammte aus einer wohlhabenden, einflussreichen und in ihrem Machtwahn wohl ziemlich unerträglichen Familie, doch trotzdem hatte sie nie das Maß nahezu mutwilliger Exzentrizität an den Tag gelegt, deren sich im Laufe der Generationen die Verwandten Kryfs befleißigt hatten.

Sie schaute auf den Armbandmonitor und verminderte die Beheizung ihrer Stiefel, die ihre Beine inzwischen behaglich wärmten. Mittag. Wahrscheinlich stand Kryf gerade auf, läutete nach dem Frühstück und ließ sich vom Butler die Nachrichten vorlesen, während ein Lakai ihm eine Auswahl von Kleidungsstücken zeigte, damit er sich seine Nachmittagsgarderobe zusammensuchen konnte. Sie lächelte, als sie an Kryf dachte, und plötzlich fiel ihr auf, dass sie dabei Xellpher ansah, der auf der anderen Seite der Seilbahnkabine saß. Der Leibwächter – der einzige weitere Fahrgast in dieser Kabine – glich in seiner Stämmigkeit und wegen seines dunklen Typs einem altmodischen Ofen und lächelte gleichfalls ein wenig.

Sie lachte gedämpft auf und legte die Hand an den Mund.

»Madame?«, fragte Xellpher.

Sie schüttelte den Kopf. Hinter Xellpher ragte im Freien ein Felsrücken über die Bäume empor, ein Ausläufer des Gebirges, zuckerweiß vom Schnee, aber durchzogen von Streifen kahlen, schwarzen Gesteins, einem dunklen, fremden Leib inmitten der Laken und Kissen des Schnees ähnlich. Die Seilbahnkabine erreichte die Wolken und wurde von ihnen umhüllt.

Ein grauer Pfeiler schien vor dem Fenster rasch vorüberzuwandern, das Laufwerk der Seilbahnkabine surrte und holperte für etwa eine Sekunde, dann setzte sie das lautlose, geschmeidig-schnurrende Hinaufschweben fort, und man hatte den Eindruck, als nickte sie vor sich hin, während der Zugseilantrieb sie an Reihen von Bäumen, die den Geistern eines großen, im Herabsteigen vom Berg begriffenen Heers glichen, nach oben zog.

 

Die Aussicht wurde ganz grau. Ein grauer Mast glitt vorbei, und die Fahrgastkabine wackelte. Die Aussicht blieb grau. Ein paar Bäume und die andere Seilbahngondel konnte sie sehen, aber mehr nicht. Verdrossen blickte sie sich um. Xellpher lächelte ihr zu. Sie lächelte nicht zurück. Hinter ihm stand ein Kliff, das aussah, als hätte jemand schwarze Löcher in den weißen Schnee gebissen.

Sie drehte sich dem Fenster zu, rieb an der Scheibe und hoffte, anschließend wieder besser sehen zu können. Aus dem Dunst in der Höhe erschien eine weitere Gondel, schwebte ihnen am benachbarten Zugseil abwärts entgegen.

Die Kabine bewegte sich langsamer.

 

Die Fahrgastgondel verlangsamte das Tempo und stoppte.

»Ach je«, sagte sie, hob den Blick an die lackierte Decke der Kabine.

Finsteren Gesichts schwang Xellpher vom Sitz hoch. Er spähte zu der Gondel hinüber, die ihnen von oben entgegengekommen war und auf beinahe gleicher Höhe ebenfalls angehalten hatte. Auch sie sah sich die andere Seilbahnkabine an. Sie hing unterm Zugseil und schaukelte leicht, genau wie diese Gondel. Anscheinend war sie leer. Xellpher wandte sich um und beobachtete das auf der anderen Seite, dreißig oder vierzig Meter entfernt, durch die Nebelschwaden sichtbare Kliff. Sie sah, wie er die Lider verkniff, und als ihre Augen seinem Blick in die Richtung der Felswand folgten, spürte sie eine erste, schwache Regung der Furcht.

Sie hatte den Eindruck – bildete es sich vielleicht nur ein –, dass sich zwischen den Bäumen auf dem Kamm des Felsrückens etwas bewegte. Xellpher schaute sich nach der Seilbahngondel um, die neben ihnen hing, und holte ein Multiskop aus der Skijacke. Aber er behielt, so wie sie, hauptsächlich das Kliff im Augenmerk. Es rührte sich tatsächlich etwas zwischen den Bäumen, und zwar ungefähr in gleicher Höhe mit den beiden Gondeln. Xellpher justierte die Kontrollen an der Seite des Multiskops.

 

Sie presste die Nase ans Fenster. Die Scheibe war sehr kalt. Mami hatte ihr einmal erzählt, eines Tages hätte ein unartiges kleines Mädchen die Nase an ein sehr kaltes Fenster gepresst und hätte sie nicht mehr wegziehen können; sie sei festgefroren. So ein dummes Mädchen. Die andere Gondel hatte zu schaukeln aufgehört. Sie war nicht leer, denn jetzt linsten Leute über den Unterrand des Fensters, hatten lange, dunkle Gegenstände in den Fäusten; dann duckten sie sich wieder, so dass sie sie nicht mehr sehen konnte.

 

Xellpher ging in die Hocke, steckte das Multiskop ein, fasste sie an beiden Händen und nötigte sie zu sich herab. »Ich bin sicher, dass kein Grund zur Beunruhigung besteht, Madame«, sagte er, betrachtete währenddessen das Kind, »aber es könnte empfehlenswert sein, wir setzen uns für eine Weile auf den Boden.«

Sie kauerte sich auf den verschlissenen Bretterboden der Seilbahngondel, hielt den Kopf unterhalb der...

Erscheint lt. Verlag 30.4.2015
Übersetzer Horst Pukallus
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Against a dark background
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Abenteuerroman • eBooks • Fanatismus • Iain Banks • Space Opera • Space Opera, Iain Banks, Fanatismus
ISBN-10 3-641-16374-9 / 3641163749
ISBN-13 978-3-641-16374-7 / 9783641163747
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