Perry Rhodan 2811: Bote der Atopen (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-2810-2 (ISBN)
1.
Julian Tifflor:
Khatarkonsystem
Die Tür von Julian Tifflors Kabine an Bord der GAUPELLAR GUZDRIN stand halb offen. Es waren nur wenige Schritte bis zur Zentrale. Auch Fenckenzer hatte seinen Raum – die Zentrale – nicht abgeschottet. Tifflor lag auf seiner Pneumoliege, die Arme im Nacken verschränkt, und hörte Fenckenzer dort singen.
Flottenadmiral Fenckenzer war erst vor wenigen Stunden, am Morgen des 27. April 1518 NGZ – von Blauncken zurückgekehrt. Auf der öden Schwerkraftwelt – 3,6 Gravos an den Polen, noch immer satte 2,4 am Äquator – existierte ein Handelsstützpunkt der Überschweren, Stolltanc.
Manchmal brauchte Fenckenzer diese Auszeit unter Artgenossen: seine jährliche Ration an Rauferei und den Austausch mit den weiblichen Bewohnern der Stadt, von deren Kunst, ihr Gewicht in den richtigen Momenten wirkungsvoll einzusetzen, er in indiskreten Augenblicken schwärmte.
Es musste ein in jeder Hinsicht erfolgreicher Ausflug nach Stolltanc gewesen sein. Der Überschwere sang aus voller Kehle. Sein Repertoire erstaunte Tifflor immer wieder. Es bestand aus mehandorischen Handelshymnen, allerlei kruden arkonidischen Heldenliedern und terranischen Hits.
Fenckenzer mochte die Treck-Choräle aus dem 24. Jahrhunderts alter Zeitrechnung, als die Auswandererflotten des Solaren Imperiums sich eigene Erkennungsmelodien hatten komponieren lassen.
»Herz aller Sonnen, Stern an Stern«, schmetterte Fenckenzer die Hymne des Zentralgalaktischen Siedlerkonvois. Dazu klopfte er sich gut hörbar den Takt mit den Händen auf den Bauch.
Er besang die Entscheidung von Raumkapitän Johnson, den Siedlerkonvoi durch die Dunkelwolke Devil's Dark Hand zu führen, womit der wackere Mann seinerzeit 80.000 Siedlern das Leben gerettet und sie in das System von Fragonards Stern geführt hatte.
Julian Tifflor kannte die wahre Geschichte, und er hätte einige andere Strophen zu singen gewusst, in denen Raumkapitän Johnson etwas weniger geglänzt, ja, einen Großteil seines Glanzes hätte abtreten müssen an seinen Ersten Offizier, Cennet Matthea.
Aber die Menschen des Solaren Imperiums hatten eben kernige Kerle mehr geschätzt als verantwortungsbewusste Raumfahrerinnen, die auch in hitzigen Situationen ihren kühlen Kopf behielten.
Tifflor hing seinen Gedanken noch ein wenig nach und bemerkte erst später, dass Flottenadmiral Fenckenzer zu singen aufgehört hatte.
»Bist du wach?«, hörte er den Überschweren raunen.
»Ich bin wach«, sagte Tifflor
»Komm doch bitte mal.«
Tifflor richtete sich auf und machte sich auf den kurzen Weg.
In der Zentrale der GAUPELLAR GUZDRIN leuchtete ein Doppelstern im Panoramaschirm: Khatarkon I und II. Die beiden weißblauen Sonnen lagen eingebettet im Sternendiadem von M 13. Ein grün blinkendes Symbol markierte die Position ihres Schiffes einige Lichtminuten oberhalb des zweiten Planeten, der denselben Namen trug wie seine Sonnen.
Khatarkon lag unter ihnen mit seinen smaragdgrünen Ozeanen. Das Bumerang-Schiff eines Tesqiren stieg hinter dem Nordpol des Planeten empor, eingekreist von sechs Robotraumern der EPPRIK-Klasse.
WER DIE GERECHTIGKEIT GEBIERT IST MUTTER ALLEN FRIEDENS, las Tifflor den Namen des Schiffes.
Fenckenzer ruhte in seinem Kontursessel wie ein Monument. Der zweite Kontursessel – schmaler und mit einer höheren Rückenlehne versehen – stand leer.
Fenckenzers Schädel war kahl und wuchtig; bronzefarbene Altersflecken sprenkelten die Haut wie Inseln auf einer Schatzkarte.
»Und?«, fragte Tifflor. Er setzte sich in den freien Sessel. Im Sitzen überragte er den gedrungenen Flottenadmiral um mehr als einen Kopf.
»Du hast eine Einladung erhalten«, sagte der Überschwere.
»Matan Addaru Jabarim?«, riet Tifflor.
Fenckenzer verzog keine Miene
Tifflor streckte seine Arme aus, spreizte die Finger und betrachtete seine Haut. Der Kristallstaub hatte eine dünne Schicht gebildet, eine zweite Lage. Terranische Mediker hatten sie analysiert und versucht herauszufinden, in welcher Beziehung die hellblaue Kristallschicht zu seiner menschlichen Haut stand.
Tifflor hatte vergessen, zu welchem Ergebnis sie gekommen waren. Er vergaß viel, aber er vergaß es auf seine eigene Art. Da gab es Strömungen in seinem Gedächtnis, die nahmen mal diese, mal jene Erinnerung mit sich, ließen sie eintauchen in die Abgründe seines Geistes, setzten sie mal mit dieser, mal mit jener Erinnerung in Beziehung, ließen sie in einem neuen Licht erscheinen oder in einer neuen Dunkelheit.
Es hatte Zeiten gegeben, Tage, Monate, vielleicht Jahre, da hatte Tifflor mit geschlossenen Augen dagelegen und nichts getan, als in die Tiefe seines Gedächtnisses hinabzusteigen.
Es hatte Zeiten gegeben, da hätte er gerne seine Erinnerung mit anderen Menschen, mit irgendjemandem geteilt.
Aber sein Gedächtnis hatte sich zu einem Gefilde entfaltet, das die Grenzen des Menschenmaßes weit überstieg.
Manchmal kehrte er in die Menschenwelt zurück. Das war ihm keine Last. Er erinnerte sich an die uralte Sprache und sprach sie, als hätte er seitdem nicht Dutzende andere Sprachen gelernt und sie länger gesprochen, als lange Menschenleben dauern.
Dass seine Sätze voller Hintersinn waren, dass er unter der Hand von unerhörten Dingen sprach, dass jedes seiner Worte Geschichten erzählte und in jeder Silbe das Echo von zehn, hundert, tausend Gesprächen klang mit Wesen, so fremdartig, so fern alles Menschlichen, entging seinen Hörern.
Er beließ es dabei. Er wollte niemanden hineinlocken in den Irrgarten seines Geistes.
Er sah aus wie ein Mensch, wie ein Mensch mit blauer Kristallhaut. Man wusste, dass er alt war. Möglich, dass man ihn beneidete um seine Unsterblichkeit.
Als hätte die Zeit ihn unberührt gelassen. Dabei war er nur noch ein Schatten, der in die Menschenwelt fiel.
Wenn er unter Menschen war, trank er Wasser und aß. Er schlief, er atmete.
Anders war es, wenn er aus dem Schatten trat, wenn er überwiegend bei sich war und das Atmen vergaß und den Schlaf; wenn seine kristalline Haut ihn mit Sauerstoff versorgte und mit Licht und mit den Schwingungen des Geistes, die um ihn waren von überall her. Mit den Energien, die unablässig aus den höheren Räumen rieselten. Wenn er die Wärme aufnahm, die den ganzen Kosmos speiste und die ihn barg.
Oft, wenn er die Augen wieder aufgeschlagen hatte, war Fenckenzer da gewesen, hatte still und mit übereinandergeschlagenen Beinen vor seinem Bett gesessen und ihm eine Schale mit Milch und eine Schale mit Käsebrocken auf den Tischkubus gestellt – wie einer Maus.
Der Käse hatte ein feines, würzig-säuerliches Aroma verströmt; die Milch hatte blau geschimmert und die Schale gewärmt, und Tifflor hatte gegessen und getrunken.
Er hatte die Milch und den Käse genossen und sich zugleich zurückgesehnt in die Welt hinter seinen Lidern, wo nichts zum ersten Mal geschah, wo alles vertraut war, wo er daheim war seit Äonen.
»Hast du seinen Anruf erwartet?«, fragte Fenckenzer.
Tifflor nickte.
»Der Richter scheint keinen Zweifel zu haben, dass du kommen wirst«, sagte der Überschwere. »Gibt es da eine Verabredung, von der ich nicht weiß?«
Julian Tifflor schüttelte den Kopf. »Als hätte ich Geheimnisse vor dir.«
»Ich hätte es mir denken können«, grummelte Fenckenzer. »Warum sonst halten wir uns in Thantur-Lok auf?«
Julian Tifflor reckte die Arme, gähnte herzhaft und kuschelte sich wohlig in den Kontursessel. »Es ist schön hier. Khatarkon, die stellare Zwillingsperle des Imperiums. Heimat der schneidigen Khatarkoniden, dieser genialen Robotiker, Garrabo-Spieler und Helden einer funktionierenden Finanzverwaltung. Seit wenigen Wochen stolzer Träger einer Ordischen Stele. Umworben von einem sprachgewaltigen Tesqiren und einem Tamaron, der den Fragmenten des Kristallimperiums Schutz und Zukunftsaussicht bietet. Wer möchte nicht hier weilen?«
»Ich«, sagte der Überschwere. »Dir ist klar, wohin der Atope uns eingeladen hat?«
»Ins Baagsystem natürlich.«
»Ins Arkonsystem«, korrigierte Flottenadmiral Fenckenzer.
Tifflor grinste lausbübisch. »Mein guter Fenckenzer – wir werden doch nicht sentimental auf unsere alten Tage? Imperien kommen, Imperien gehen. Namen gehen verschollen.«
»Ich sage dann mal unseren khatarkonidischen Freunden, dass wir uns auf den Weg machen müssen.«
»Sag ihnen vor allem, dass wir ihnen sehr für ihre Gastfreundschaft danken«, ergänzte Tifflor. Er stand auf und verließ die Zentrale, ließ das Schott aber offen.
Flottenadmiral Fenckenzer sang erneut los.
*
Kurz nach Beginn der Linearetappe betrat Julian Tifflor die tonnenförmige Schiffsweide über die gravomechanische Schleuse. Die künstliche Schwerkraft des Schiffes war weitgehend auf den Boden der Decks ausgerichtet. Der Riesenzylinder mit der Weide dagegen rotierte und ersetzte die Anziehungskraft durch Fliehkraft. Die Tiere lebten an den Innenwänden des Raums, der größer wirkte, als er war.
Rundum Süßgräser, üppig und grün, eine Weide voller Blumen und Kräuter; da und dort einige Nester von Hühnerhirse; einige vereinzelte Eichen, ein Buchenhain. Tifflor hörte Gänse schnattern. Eine der Kühe hob kurz den Kopf, als sich die Schleuse hinter Tifflor mit einem Kussgeräusch schloss.
Der Sonnenfaden trat knapp oberhalb der Schleuse aus der Wandung und spannte sich von dort durch den röhrenförmigen Raum. Er verströmte eine sommerliche Wärme.
Tifflor öffnete den Zeugschrank neben...
Erscheint lt. Verlag | 2.7.2015 |
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Reihe/Serie | Perry Rhodan-Erstauflage |
Verlagsort | Rastatt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Erstauflage • Perry Rhodan • Science Fiction |
ISBN-10 | 3-8453-2810-X / 384532810X |
ISBN-13 | 978-3-8453-2810-2 / 9783845328102 |
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