Das Horn der Zeit (eBook)

Erzählungen
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
Heyne (Verlag)
978-3-641-11647-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Horn der Zeit -  Poul Anderson
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Nach dem Ende der Welt
Die Kith entwickelten sich einst aus den ersten Menschen, die das All erforschten, und ihre Raumschiffe waren die einzige Verbindung zwischen den Kolonien. Doch diese Zeiten sind vorbei, und die Kith fristen ein Dasein als Ausgestoßene. Als eines ihre Raumschiffe eine verlassene Kolonie entdeckt, findet der junge Jong Errifrans ein Geheimnis, das besser unentdeckt geblieben wäre ...

In sechs Stories aus den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren zeichnet Poul Anderson ganz verschiedene, aber immer eindringliche Bilder der näheren und fernen Zukunft.

Poul Anderson (1926-2001) begann schon während seines Physikstudiums in den Vierzigerjahren mit dem Schreiben von Science-Fiction-Stories, um sich das Studium zu finanzieren. 1952 erschien dann sein erster Roman, und bis zu seinem Tod im Jahr 2001 veröffentlichte er sowohl Fantasy- als auch Science-Fiction-Texte, hielt dabei jedoch immer die Trennung der Genres aufrecht. Er gehörte zu den produktivsten SF-Schriftstellern in den USA und wurde mehrfach ausgezeichnet; unter anderem gewann er sieben Mal den Hugo Award. Vor allem seine Geschichten und Romane um die Zeitpatrouille machten ihn auch international bekannt. Anderson starb am 31. Juli 2001 in Orinda, Kalifornien.

Attentäter unterwegs


 

… denn ich habe einen Mann erschlagen, mir zur Wunde, einen jungen Mann mir zur Beute …

Genesis, IV, 23

 

Es gab Hunderte seinesgleichen und mit seinem Gesicht. Weil ein Senator verfolgt wurde, stand ich an einer Ecke und wartete auf ihn.

Die Pistole im Ärmel irritierte und drückte mich ein wenig. Herrgott, das Ding hätte nach all den Jahren fast wie ein Körperteil für mich sein müssen, aber heute hatte ich meinen Melancholischen. Die Verteidigung zerrt immer mehr an den Nerven als die Verfolgung. In der Nähe befand sich ein Automat, und ich hätte mir Schnee oder auch eine Zigarette zur Beruhigung holen können; aber mit dem Rauchen will es nicht mehr so gehen. Ich erwischte vor ein paar Jahren bei einem Attentat in Marokko eine Nase voll Chlor, und das geflickte Lungengewebe, das ich jetzt habe, benimmt sich manchmal komisch. Auch meine philosophischen Tricks nützten nichts – weder die Meditationen über die Maximen Zens noch das Aufsagen elementarer Ableitungen und Integrale.

Ich war allein an meinem Posten. In einigen Städten, wo sie Privatautos in verkehrsdichten Zonen noch nicht verboten haben, wäre mein Auftrag nicht so leicht gewesen. Hier jedoch kamen nur Fußgänger und hin und wieder eine Pendelbahn in die Quere, die mir die Aussicht nach gegenüber verdeckten. Dort an der Kreuzung Grant und Jefferson stand Das Schwert Genannt Edle Perle. Ich tat, als wartete ich auf eine bestimmte Bahn. An der Wand hinter mir war ein öffentliches Minivideo und nach einer Weile fand ich, dass es nicht schaden könnte nachzusehen, ob schon etwas passiert war. Nicht dass ich es bereits jetzt erwartete. Die Maschine des Senators war noch in der Luft und wurde eskortiert. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Feind eine Bombe an Bord geschmuggelt hatte. Aber man wusste nie … Ich warf eine Münze in den Kasten und wählte eine Nachrichtensendung.

»… entwickelt sich unweigerlich zu größerer Grausamkeit hin. Wir betrachten beispielsweise die Ära zwischen dem Westfälischen Frieden und der Französischen Revolution als eine Epoche mit wenigen Konflikten. Aber die Erinnerung an Heidelberg und Poltawa soll genügen, um aufzuzeigen, wie leicht sie sich ausweiteten. Ähnlich entwickelte sich die relative Ritterlichkeit des nach-napoleonischen 19. Jahrhunderts zu den Schützengräbenschlachten des Ersten Weltkriegs, den Luftangriffen des Zweiten Weltkriegs und den Gräueltaten des atomaren Dritten Weltkriegs.«

Interessiert beugte ich mich näher an den kleinen Schirm. Ich brauchte nur ein Auge, um diese Bar zu beobachten. Das andere konnte sich mit dem Sprecher befassen. Er war ein Mann um die Vierzig mit scharfen, intelligenten Gesichtszügen. Mir gefiel sein Vortrag – lebhaft und ohne Sentimentalität. Aber ich konnte ihn nicht so recht einordnen, und so drückte ich auf den Informationsknopf. Der Mann verschwand einen Moment, während mir eine Schrifttafel verriet, dass es sich um eine Rede von Juan Morales, dem neuen Präsidenten der Kalifornischen Universität handelte. Das Thema lautete: »Betrachtungen zur Clausewitz-Analyse.«

Es war wohltuend, von einem Universitätspräsidenten einmal etwas anderes zu hören als lautes Trara über die Erziehung im Maschinen-Zeitalter. Ich erinnerte mich jetzt, dass Morales ein Historiker von Rang war und sich im bescheidenen Rahmen in der Libertinistischen Partei betätigte. Die Tatsache, dass die Unternehmer-Partei die letzte Wahl gewonnen hatte, schien ihn noch feiner geschliffen zu haben.

»Der Dritte Weltkrieg, kurz und ergebnislos, wie er verlief, machte uns schmerzhaft klar, dass Massenvernichtung lächerlich geworden ist«, fuhr er fort. »Der Krieg war traditionsgemäß ein Instrument der nationalen Politik, ein Mittel zur Durchsetzung von Forderungen bei anderen Staaten, wenn weniger drastische Maßnahmen versagt hatten. Aber eine Drohung, zu gegenseitigem Selbstmord aufzuhetzen, nützt nichts. Gleichzeitig bleibt die Gewalt die ultima ratio. Es ist sinnlos, zu predigen, dass man nicht töten darf, dass das Menschenleben ungeheuer wertvoll ist und so fort. Leider ist es eine harte, bedauerliche Tatsache, dass ein Menschenleben bisher immer noch eine verhältnismäßig billige Ware war. Von einem Mann, der seine Frau vor einem verrückten Mörder verteidigt, bis zu den verwickeltsten internationalen Problemen werden sich immer wieder Streitfälle ergeben, die unlösbar sind. Wenn diese Fälle so wichtig sind, dass man sie nicht beiseite schieben kann, werden Menschen zu kämpfen beginnen.

Die Aufgabe der heutigen Welt ist es demnach nicht, grandiose Gewaltverzichte zu erklären. Ich weiß, dass viele hervorragende Denker unser gegenwärtiges System des Mordens – nicht das Morden von ganzen Bevölkerungen, sondern das Morden der Anführer – als einen Schritt nach vorne betrachten. Gewiss ist es wirksamer und auch humaner als Krieg. Aber es führt nicht logisch zum nächsten Schritt – nämlich der Gewaltlosigkeit. Es hat lediglich die Mittel zur Erzwingung des nationalen Willens auf eine andere Ebene verschoben.

Unsere Aufgabe ist es, diesen Prozess zu verstehen. Das wird nicht leicht sein. Das Attentat hat sich langsam, beinahe unmerklich entwickelt – wie jede andere lebensfähige Institution. Wie der altmodische Krieg hat es seine eigene Reaktion auf die politischen Zwecke, für die es angewandt wird. Ebenso wie der Krieg hat es seine Entwicklungstendenzen. Früher einmal glaubten wir, dass wir den Krieg zu einem Duell zwischen Gentlemen eingeengt hätten. Wir erfuhren, dass wir uns getäuscht hatten. Bei unserem neuen System des Attentats darf uns nicht der gleiche selbstgefällige Fehler unterlaufen. Lasst uns …«

»Polieren, Mister?«

Ich sah hinunter in ein rundes Gesicht und schwarze Mandelaugen. Der Junge war vielleicht zehn Jahre alt, klein, flink und schlau in seiner Mandarin-Jacke, die heutzutage fast alle Jugendlichen im Chinatown trugen. (Eine Art Trotz, ein Appell: Seht her, wir sind auch Amerikaner, mit einem besonderen und stolzen Erbe; unsere Vorfahren verließen das alte Land, bevor sich Kung She erhob und die Menschen zu Maschinen machte.) Er trug einen Kasten unter dem Arm.

»Von welcher Zeitmaschine bist du abgesprungen?«, fragte ich ihn.

»Das lohnt sich nicht bei einem Schuhputzer«, grinste er. »Ich poliere Ihre Schuhe mit der Hand wie in den Neunzigern. In den Fröhlichen Neunzigern natürlich, nicht in den Hässlichen.« Und als ich zögerte: »Ich würde Sie auch in meiner Straßenbahn mitnehmen, aber ich muss mir erst das Geld dafür zusammensparen. Einmal polieren, und Sie tragen dazu bei, dass San Francisco wieder malerisch wird.«

Ich lachte. »Nur zu, Kollege. Aber möglicherweise muss ich rasch verschwinden, deshalb bezahle ich im Voraus.«

Er schätzte mich mit geübtem Blick ein. »Fünf Dollar.«

Soviel kostete auch ein Glas Whisky. Nicht zu teuer für die einmalige Gelegenheit, noch eine Zeitlang hier herumlungern zu können. Außerdem mag ich Kinder. Früher hatte ich einmal gehofft, selber ein paar zu kriegen. Die meisten Leute im Büro für Nationale Sicherheit (gute alte angelsächsische Heuchelei!) schaffen es; sie haben regelmäßige Arbeitsstunden wie normale Büroangestellte. Aber Außendienstleute – oder die Männer, die die Dreckarbeit machen, falls Sie schöne Umschreibungen nicht mögen – sollten nicht heiraten. Ich versuchte es, hätte es aber lieber lassen sollen. Ein paar Jahre später, als die Erinnerung nicht mehr so wehtat, erkannte ich, wie recht sie gehabt hatte.

Ich warf dem Jungen eine Münze zu. Er fing sie in der Luft auf und packte seine Sachen aus. Morales redete immer noch. Der Kleine warf einen Blick auf den Schirm. »Worüber regt er sich denn so auf, Mister? Über das Attentat, mit dem man rechnet?«

»Über das ganze System.« Ich schaltete hastig das Programm aus, da ich nicht wollte, dass die Rede irgendwie auf meine eigentliche Aufgabe hier kam.

Aber der Kleine war schlau. Er schmierte Wichse auf einen Schuh und sagte: »Ehrlich, ich kapiere das nicht. Wie lange bekämpfen wir diese doofen Chinesen jetzt? Sieben Monate? Und nichts ist passiert. Ich möchte wetten, dass sie in einer Weile die ganze Schau abblasen und wieder mit den Verhandlungen beginnen. Das ergibt keinen Sinn. Warum tun sie nicht zuerst etwas?«

»Vielleicht einigen sich die beiden Länder auf einen Waffenstillstand«, sagte ich vorsichtig. »Aber das machen sie nicht aus Menschenfreundlichkeit. Früher wurden eine Menge Kriege abgeblasen, wenn keine Seite den Durchbruch schaffte. Glaubst du, es ist leicht, den Präsidenten oder den Parteivorsitzenden Kao-Tsung in die Pfanne zu hauen?«

»Wahrscheinlich nicht. Aber Dan Steelman, der Geheimagent im Fernsehen …«

»Ja«, seufzte ich. »Der!«

Wenn ich einer dieser Fernsehhelden mit Granitkinn und Mikrogehirn gewesen wäre, die man, umgeben von schönen Assistentinnen, als Agenten des Sicherheitsbüros vorstellte, dann hätte alles ganz anders ausgesehen. Die Vereinigten Staaten Amerikas und die Großgemeinschaft Chinas befanden sich in einem formell erklärten Zustand der Attentate, nicht wahr? Unsere Leute erschossen ihre Anführer und umgekehrt, klar?

Ganz besonders sollte heute Abend Senator Greenstein bei einer öffentlichen Kundgebung in San Francisco eine Rede halten und die etwas reservierte öffentliche Meinung zur fester Haltung der Regierung in der Kambodscha-Frage auflockern. Das schaffte er sicher. Er war nicht nur Fraktionsvorsitzender der Unternehmer-Partei, sondern ein brillanter Redner und vielbewunderter Mann, der unsere Außenpolitik mit Elan vorantrieb. Die Chinesen würden sich jederzeit glücklich schätzen,...

Erscheint lt. Verlag 31.3.2015
Übersetzer Birgit Reß-Bohusch
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Horn of Time
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte eBooks • Erzählungen • Future History • Poul Anderson • Poul Anderson, Zeitpatrouille, Future History, Erzählungen • Zeitpatrouille
ISBN-10 3-641-11647-3 / 3641116473
ISBN-13 978-3-641-11647-7 / 9783641116477
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