Flieg, so hoch du kannst (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015
256 Seiten
cbt (Verlag)
978-3-641-14000-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Flieg, so hoch du kannst - Barry Jonsberg
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Und dann kam Cassie ...
Als ob Holly nicht schon genug Probleme hätte ... Jetzt zieht auch noch Tante Fern mit ihrer Tochter Cassie bei ihnen ein. Cassie leidet an Zerebralparese, sie kann nicht sprechen und sitzt im Rollstuhl. Holly ist genervt. Doch nach und nach entdeckt Holly, dass hinter Cassies Behinderung ein wunderbarer, kluger und einfühlsamer Mensch steckt, der sie als einziger richtig zu verstehen scheint. Der Beginn einer außergewöhnlichen Freundschaft.

Barry Jonsberg ist einer der renommiertesten australischen Kinder- und Jugendbuchautoren. Er studierte Englisch und Psychologie und arbeitete als Lehrer, bevor er freiberuflicher Schriftsteller wurde. Seine Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Children's Peace Literature Award für »Das Blubbern von Glück«, und sind außer in Australien und Deutschland in den USA, England, Frankreich, Polen, China, Ungarn und Brasilien erschienen. Barry Jonsberg lebt mit seiner Frau, seinen Kindern und zwei Hunden in Darwin, Australien.

2

HOLLY

Holly war wie betäubt.

Zum Glück saß sie in der morgendlichen Schulversammlung, sonst wäre sie glatt umgekippt. Der Rektor, Mr Wilson, versuchte ohne den geringsten Erfolg, den Schülerhaufen zur Ordnung zu rufen, als Demi Larson die Gänge zwischen den Sitzreihen herunterschlenderte und vor Holly stehen blieb. Sie lächelte, beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte in ihr Ohr.

Die gesamte Schule verstummte und drehte sich zu ihr um. Demi flüsterte einige Augenblicke, klopfte Holly dann auf die Schulter und ging zurück zu Kari und Georgia, den anderen Auserwählten, die als »Die Demi-Clique« bekannt waren.

Mr Wilson nutzte die Stille, um mit seiner Ansprache an die versammelte Schülerschaft zu beginnen.

Doch es war Holly nicht möglich, sich zu konzentrieren.

Sie war wie betäubt.

Was sie jedoch nicht daran hinderte zu lächeln, und ihr Herz nicht, wie wild zu hämmern.

HOLLY

Ich heiße Holly Holley und wahrscheinlich hätte ich Amys Reaktion vorhersehen können.

»Eine Pyjamaparty bei Demi Larson?«, flüstert sie über Mr Wilsons Gebrabbel. Dann – ich schwöre, es ist wahr – unterdrückt sie ein Gähnen. Wie kann sie nur! »Ich an deiner Stelle würde ein gutes Buch mitnehmen.«

Manchmal glaube ich, Amy ist einfach nur neidisch. Sie klingt zwar nie so, das muss ich zugeben, aber wahrscheinlich ist es nur gespielt.

Ein Buch mitnehmen, ich bitte euch! Doch ich komme ins Grübeln. Was bringe ich mit? Was ist bei Pyjamapartys so angesagt? Bringt man etwas zu essen mit? Und wie sieht es mit Nachtwäsche aus? Mein Pyjama mit I-Aah, Winnie Puuh und Ferkel drauf geht ja wohl gar nicht. Vielleicht kann ich meinen Schönheitsoperations-Notfallfonds anzapfen und mir bei Kmart etwas Seidiges kaufen. Der Gedanke beschäftigt mich so, dass mir Amys geflüsterter Kommentar fast entgeht.

»Außerdem dachte ich, ihr bekommt am Samstag Besuch.«

»Oh Gott!«, heule ich.

Neunhundert Gesichter wenden sich mir zu.

»Ich bin kein Atheist, Holly Holley«, sagt der Rektor in die nachfolgende Stille hinein, »aber ich denke, das ist auch in deinen Augen eine Stunde Nachsitzen wert.«

HOLLY

Holly öffnete ihrer Mutter die Wagentür, als sie nach Hause kam.

»Hallo, Küken«, grüßte Ivy und zog eine Plastiktüte voll mysteriöser Kochzutaten aus der Versenkung. »Im Laden gab’s heute tolle Sachen. Ich denke, das Abendessen nachher wird eines meiner besten.«

»Ich kann’s kaum erwarten. Brauchst du Hilfe bei den Vorbereitungen?«

Ivy Holley stieg aus dem Wagen, runzelte die Stirn und betrachtete ihre Tochter genauer.

»Alles in Ordnung, Liebes? Du bist nicht krank oder so?«

»Mum, ich muss dich um einen Gefallen bitten.«

»Ah, das erklärt einiges. Aber lass mich erst mal ins Haus gehen, Küken. Ich bin den ganzen Tag herumgerannt und muss das Zeug in den Kühlschrank legen.«

Holly half. Sie packte alle möglichen ihr unbekannten Dinge aus und verstaute sie kommentarlos. Nach dem, was sie so sah, standen die Chancen, dass etwas Essbares dabei war, nicht besonders gut. Aber das war ja normal. Ivy setzte sich an den Küchentisch und streifte ihre Schuhe ab. Sie legte einen Fuß auf ihr Knie, massierte ihre Zehen und seufzte.

»Okay. Der Gefallen. Es muss was Größeres sein.«

»Stimmt. Woher weißt du das?«

»Du hast das Frühstücksgeschirr abgewaschen.«

Holly setzte sich ihrer Mutter gegenüber und legte die Hände auf den Tisch. Sie holte tief Luft.

»Mum, ich bin zu einer Pyjamaparty eingeladen.«

»Das ist doch super, Küken.«

»Morgen Abend.«

Ivy Holley hörte auf, ihren Fuß zu reiben.

»Aber da kommen doch Fern und Cassie. Morgen kannst du nicht gehen, Liebes. Verschieb’s um eine Woche.«

»Das geht nicht, Mum.«

»Was meinst du mit ›Das geht nicht‹? Es ist eine Pyjamaparty und kein einmaliges Konzert. Ruf einfach deine Freundin an und ändere den Termin.«

Holly stand auf und ging auf und ab. Ihre Mum verstand die Situation nicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie die Situation nie verstehen. Aber sie musste vernünftig sein, das war wichtig. Sie würde alles geduldig erklären müssen. Unter keinen Umständen durfte sie ihrer Mutter vorwerfen, dass sie es nicht verstand.

»Mum, du verstehst das nicht. Es geht um Demi Larson. Sie hat mich eingeladen.«

»Und?«

»Und diese Gelegenheit wird sich mir nie mehr bieten. Wenn man sehr, sehr viel Glück hat, bekommt man diese eine Chance. Wenn ich jetzt nicht gehe, werde ich nie mehr eingeladen. Nie mehr. Und mein ganzes Leben ist ruiniert.«

Mrs Holley hob eine Augenbraue, aber Holly fuhr rasch fort.

»Niemand schlägt eine Einladung von Demi Larson aus. Niemand.«

»Wer ist sie? Ein Mitglied des Königshauses?«

»Noch wichtiger.« Holly blieb stehen. Sie hatte nur ein Ass im Ärmel und es war besser, sie schaute ihrer Mutter in die Augen, wenn sie es ausspielte.

»Pass auf, ich werde morgen den ganzen Tag nur putzen und aufräumen. Ich sorge dafür, dass das Haus blitzblank ist. Wenn du willst, bleibe ich heute die ganze Nacht auf. Aber morgen Abend muss ich da hingehen, Mum. Bitte?«

»Ich verstehe das nicht, Holly.«

Holly biss die Zähne zusammen. Ihre Mutter nannte sie nur Holly, wenn sie sauer war. Es lief nicht gut.

»Wenn diese Demi nicht so flexibel ist, dass sie den Termin für eine Pyjamaparty verschieben kann, kann sie keine wirkliche Freundin sein.«

»Ist sie auch nicht. Noch nicht. Das ist es ja gerade. Und sie wird nie eine werden, wenn ich morgen nicht hingehe.«

Ivy rieb sich die Stirn.

»Schau«, sagte sie schließlich, »es geht nicht darum, dass du mir beim Putzen und Aufräumen hilfst. Das ist nicht das Allerwichtigste. Sie gehören zur Familie, Holly. Ich möchte, dass du da bist, wenn sie ankommen. Ist das zu viel verlangt?«

Holly traten Tränen in die Augen. Sie ballte die Fäuste.

»Ja. Das ist es.«

Eine Weile hörte man nichts außer dem leisen Ticken der Küchenuhr und dem gedämpften Tapp-tapp von Ivys Fuß auf dem Boden. Dann erhob sie sich.

»Gut. Geh zu deiner Pyjamaparty. Ich geh duschen.«

»Ich werde mich beim Putzen wirklich anstrengen, Mum.«

»Vergiss es. Ich will deine Hilfe nicht, Holly.«

»Mum! Das ist doch doof.«

Ivy blieb unter der Küchentür stehen und drehte sich um.

»Ja«, gab sie zu, und Holly konnte sich nicht erinnern, dass ihre Stimme jemals so traurig geklungen hatte. »Wahrscheinlich hast du recht. Aber so will ich es nun mal.«

Damit ging sie hinaus.

Holly weinte. Sie weinte aus Verzweiflung und weil ihr Leben ruiniert war.

FERN

Fern Marshall blinzelte. Die Straße vor ihr war eine kerzengerade Linie, die die Welt in zwei Hälften teilte. Es war leicht nachzuvollziehen, weshalb Leute während einer solchen Fahrt am Steuer einschliefen. Man konnte stundenlang fahren, ohne die Lenkradeinstellung merklich verändern zu müssen. Nach einer Weile hatte sie das Gefühl, als sei gar nicht sie es, die sich bewegte, sondern dass die Landschaft am Wagenfenster vorbeizog. Wenn sie blinzelte, sah sie die Welt wieder etwas klarer. Für eine Weile wenigstens.

Über das Autoradio lief eine CD aus John Marsdens Morgen war Krieg-Reihe. Cassie liebte die Reihe und konnte die Bücher wieder und wieder hören. Sie hörte sie tatsächlich wieder und wieder, doch Fern erreichten die Worte, die den Wagen erfüllten, gar nicht.

Tat sie das Richtige? Das Richtige für Cass? Ihre eigenen Bedürfnisse waren zweitrangig. Sie nahm Cass alles, was sie kannte, alles, was bisher stabil und verlässlich war – ihr Zuhause, ihre Schule, ihre Jugendhelfer, die sie liebte und denen sie vertraute. Und ihren Vater natürlich. Und wofür? Ein Instinkt, dass es Cassie nach einem Umzug besser ginge? Dieser Instinkt wog nicht viel. Vor allem gemessen an dem, was verloren gehen konnte. Aber es fühlte sich richtig an und sie musste darauf vertrauen.

Im Radio führte Ellie gerade ihre Liebsten hinunter in die Hölle.

Fern hoffte, dass sie nicht dasselbe tat.

HOLLY

»Mum, sag mir, dass das nicht dein Ernst ist!«

»Ich weiß, Küken, ich weiß. Aber das Problem lässt sich nicht anders lösen.« Ivy wedelte hilflos mit den Armen. Der Schwamm in ihrer Hand verteilte schmutzige Wassertröpfchen auf Hollys Gesicht. »Das Gästezimmer ist einfach keine Option für Fern und Cassie. Überleg doch mal. Man müsste mit ihrem Rollstuhl den Flur hinunterfahren, dann in einem Neunzig-Grad-Winkel rechts um die Ecke biegen und gleich danach wieder links ins Gästezimmer. Es ist kein Platz zum Manövrieren, Küken.«

»Aber es ist mein Zimmer, Mum. Meines. Alle meine Sachen sind da drin. Es ist ein Teil von mir.«

Ivy nahm ihre Tochter in den Arm. Holly löste sich aus der Umarmung. Dass das Wasser aus dem Schwamm über ihren Rücken lief, merkte sie kaum.

»Ich weiß. Aber wenn wir das Gästezimmer erst hergerichtet haben, ist es wunderschön. Wir räumen natürlich deine ganzen Sachen um. Und es ist ja nicht für immer.«

»Das Gästezimmer ist winzig.«

Ivy verzog den Mund.

»Ich würde es nicht winzig nennen. Kompakt...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2015
Übersetzer Ursula Höfker
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Cassie
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte ab 12 • Australien • Behinderung • Coming of Age • Diversity • eBooks • Erwachsenwerden • Familie • Freundschaft • Jugendbuch • Jugendbücher • Krankheit • Rollstuhl • Teenager • Young Adult • Zerebralparese • Zerebralparese, Familie, Freundschaft, Behinderung, Australien, Teenager, Coming of Age, Erwachsenwerden, Rollstuhl, Krankheit
ISBN-10 3-641-14000-5 / 3641140005
ISBN-13 978-3-641-14000-7 / 9783641140007
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich