Stücke 1 (eBook)

Ein Fest für Boris. Der Ignorant und der Wahnsinnige. Die Jagdgesellschaft. Die Macht der Gewohnheit

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
348 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-73574-9 (ISBN)

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Stücke 1 - Thomas Bernhard
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Der hier vorliegende erste Band enthält die zwischen 1970 und 1974 uraufgeführten Stücke, die fast schon den Rang von Klassikern besitzen.



<p>Thomas Bernhard, 1931 in Heerlen (Niederlande) geboren, starb im Februar 1989 in Gmunden (Ober&ouml;sterreich). Er z&auml;hlt zu den bedeutendsten &ouml;sterreichischen Schriftstellern und wurde unter anderem 1970 mit dem Georg-B&uuml;chner-Preis und 1972 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Der Suhrkamp Verlag publiziert eine Werkausgabe in 22 B&auml;nden.</p>

Thomas Bernhard, 1931 in Heerlen (Niederlande) geboren, starb im Februar 1989 in Gmunden (Oberösterreich). Er zählt zu den bedeutendsten österreichischen Schriftstellern und wurde unter anderem 1970 mit dem Georg-Büchner-Preis und 1972 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Der Suhrkamp Verlag publiziert eine Werkausgabe in 22 Bänden.

Erstes Vorspiel


Leerer Raum. Hohe Fenster und Türen

Die Gute rechts

Johanna tritt von links mit einem Tisch ein und stellt ihn neben die Gute

DIE GUTE

Es ist kalt

JOHANNA rückt den Tisch noch näher an die Gute heran und stellt sich selbst hinter sie

DIE GUTE

Es ist doch kalt

Bringen Sie mir die Decke

JOHANNA zögert

DIE GUTE herrscht sie an

Bringen Sie mir die Decke

Mich friert

weil ich schon eine Stunde da sitze

und mich nicht rühre

JOHANNA will gehen

DIE GUTE

Warten Sie

warten Sie

Haben Sie die Briefe aufgegeben

die Briefe den Brief an das Asyl

an den Bürgermeister

an den Polizeidirektor

erkennt, daß sie sie nicht aufgegeben hat

Also zerreißen Sie sie

werfen Sie sie weg

JOHANNA will weggehen

DIE GUTE

Nein bringen Sie sie her

JOHANNA

Alle

DIE GUTE

Alle

Heute sind es grüne

und morgen wieder weiße Kuverts

und so weiter

Sie lachen schon länger als drei Jahre darüber

Wenn Sie nur diese Krankheit aus mir herauslachen könnten

Bringen Sie mir doch die Briefe her

damit ich sie alle zerreißen kann

Alles ist jeden Tag tagtäglich

eine Wiederholung von Wiederholungen

Die ganze Nacht und den ganzen Vormittag

habe ich wieder Briefe geschrieben

Unwahrheiten

Unzulänglichkeiten

Lügen

Lügen von Lügen

Warum lüge ich

Alle diese Lügen sind Verfinsterungen

daß alles wahr ist und wirklich

schreiend

Warum verbieten Sie mir denn nicht

Briefe zu schreiben

Wenn ich nur plötzlich

ganz plötzlich

keine Adresse mehr wüßte

von den Adressen nichts wüßte

keine Adresse

Wenn mir plötzlich kein Name

kein einziger Name mehr einfiele

Wenn ich nichts mehr wüßte

was mit diesen Adressen und Namen zusammenhängt

Es tötet mich

es tötet mich Johanna

Aber jede Nacht schreibe ich diese Briefe

JOHANNA ab

DIE GUTE

Eine einzige Lüge

alles

schreit ihr nach

Daß Sie mich keine Briefe mehr schreiben lassen

Warum nehmen Sie mir denn nicht das Briefpapier weg

Nehmen Sie es mir doch weg

Wenn Sie sehen daß ich anfange

Briefe zu schreiben

daß das Wahnsinn ist

Unwahrheiten

Lügen

Ich befehle Ihnen mich keine Briefe mehr

schreiben zu lassen

zu sich

ich will einschlafen

und kann nicht einschlafen

und ich denke nach

wieder laut

Und dann befehle ich Ihnen

mir das Briefpapier zu bringen

und Sie bringen mir das Briefpapier

zu sich

ich muß etwas tun

wenn ich nichts tue

nichts

fürchterlich

JOHANNA mit den Briefen herein

DIE GUTE

Geben Sie her

versteckt die Briefe in der Tischlade

Später

später

Warum gibt es denn heute keine Zeitungen

JOHANNA

Sie streiken

DIE GUTE

Wer streikt

JOHANNA

Die Drucker

DIE GUTE

Die Drucker

JOHANNA

Alle streiken

DIE GUTE

Alle streiken

Auf einmal streiken alle

Alles streikt

Alles

JOHANNA

Überall wird gestreikt

DIE GUTE

Alles streikt

Dieser Streik wird sich auch auf uns auswirken

Wenn er lang dauert

Ist genug Gemüse im Haus

Obst

Fleisch

Wenn der Streik länger dauert

Alles deutet darauf hin

daß der Streik länger dauert

Keine Zeitungen

das ist fürchterlich

Die Inserate

Die Mordfälle

und das Wetter

Von den Büchern abgesehen

gibt es keine Abwechslung mehr für mich

Bringen Sie mir doch die Decke

JOHANNA ab

DIE GUTE sinniert

Lesen lesen

laut

Übrigens haben Sie mir gestern wieder

ein Theaterstück gegeben in dem ein Mann vorkommt

der keine Beine mehr hat

mit Vorliebe geben Sie mir in letzter Zeit eine Literatur

in der Verkrüppelte eine Rolle spielen

infam

aber ich verzeihe Ihnen

wir verzeihen uns

Sie sind ja nicht bös w i l l i g

Sie sind bös a r t i g

nicht bös w i l l i g

dieser kleine Unterschied auf der zweiten Silbe

macht Sie mir immer wieder erträglich

Verbieten Sie es mir jemals wieder einen einzigen Brief zu schreiben

Sie müssen es mir versprechen

JOHANNA mit einer Decke herein, deckt die Gute zu

DIE GUTE

Ich kann nicht einschlafen

und lese diese Romane

diese Theaterstücke

plötzlich laut

Machen Sie doch die Fenster auf

ich ersticke

JOHANNA öffnet die Fenster

DIE GUTE

Sie müssen es mir unmöglich machen

unmöglich

Wenn ich die Briefe nicht abschicke

macht es nichts

leise

Sie müssen es verhindern

es mir verwehren

Die Wahrheit ist daß kein Mensch von mir einen Brief will

niemand

nichts

weil ich immer auf einem einzigen Fleck sitze

Da da

fällt mir natürlich viel ein

mir fällt so viel ein daß ich Angst habe

meine Einfälle könnten tödlich sein

meine Einfälle

Niemand hat Zeit für Briefe

Für Einfälle

es ist wahr die Leute haben keine Einfälle

weil sie keine Zeit haben

für Einfälle

und sie haben keine Zeit

weil sie keine Einfälle haben

niemand lebt gern gespenstisch

Ich habe die längste Zeit

und ich habe gar keine Zeit

das ist mein Unglück

Mich langweilen meine Einfälle

Wenn ich auf einmal keine Einfälle mehr hätte

Meine Bewegungslosigkeit Johanna

Wenn ich sage zerreißen Sie meine Briefe

gehn Sie hinaus und lesen Sie sie

und erst wenn Sie sie gelesen haben

werfen Sie sie weg

Zerreißen Sie sie

Und wenn ich sage Sie dürfen sie

bevor Sie sie wegwerfen nicht lesen

lesen Sie sie

Ich habe meine Briefe immer zerrissen weggeworfen

in den ganzen zehn Jahren die mein Mann tot ist

habe ich alle Briefe immer wieder zerrissen

es ist wahr

ich habe nicht einen einzigen Brief abgeschickt

Geben Sie zu daß das wahr ist

Zerrissen

verbrannt

Es gibt gar keinen Grund mich so aufzuregen Johanna

Warum rege ich mich denn auf

auf einen Brief den man nicht abschickt

kann keine Antwort

Nein nein Johanna

Mit den Fragen die Antworten und so weiter

Johanna Sie bilden sich ein daß Sie alles über mich wissen

weil Sie drei Jahre in meinem Haus sind

weil Sie drei Jahre da sind

vorher haben Sie nicht existiert

Sie bilden sich alles ein

JOHANNA ab

DIE GUTE

Sie kennt alles

sie weiß alles

sie weiß was in meinen Schubladen ist

laut, ihr nach

Das wissen Sie natürlich

Sie haben recht

Sie sind drei Jahre in meinem Haus

JOHANNA kommt mit einer riesigen weißen Schachtel herein

DIE GUTE

Was ist denn das

JOHANNA

Die Handschuhe die Hüte

DIE GUTE

Die Handschuhe die Hüte

JOHANNA stellt die Schachtel auf den Tisch

DIE GUTE

Die Handschuhe die Hüte

probiert von jetzt an, bis der Vorhang fällt, ununterbrochen lange, mindestens bis zu ihren Ellenbogen reichende rote und grüne, gelbe, aber vor allem weiße und schwarze Handschuhe und große Frühjahrshüte in den gleichen Farben und Johanna ist ihr dabei behilflich

DIE GUTE

Haben Sie dem Handschuhhändler gesagt

daß ich mir nur ein einziges Paar aussuche

daß ich mich nicht sofort entscheide

E i...

Erscheint lt. Verlag 10.1.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Adolf-Grimme-Preis 1972 • Drama • Dramatiker • Franz Theodor Csokor-Preis 1972 • Georg-Büchner-Preis • Grillparzer-Preis 1972 • Grimme Preis • Österreich • Prix Medicis 1988 • Sammlung • Schriftsteller • ST 1524 • ST1524 • Stücke • suhrkamp taschenbuch 1524 • Theater • Thomas Bernhard • Werke
ISBN-10 3-518-73574-8 / 3518735748
ISBN-13 978-3-518-73574-9 / 9783518735749
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