Nebelmacher (eBook)

Roman
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2015 | 1. Auflage
512 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-15587-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nebelmacher -  Bernhard Trecksel
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Clach, genannt »Totenkaiser«, ist ein Nebelmacher. Diese meisterlichen Assassinen töten im Dienste der Göttin des Mordens nicht nur den Körper, sondern können auch die Seele vernichten. Clach hat gerade einen Auftrag abgeschlossen, da erfährt er Ungeheuerliches: Seine Tötungen waren gar nicht von der Göttin sanktioniert - und damit wider ihr Gesetz! Clach macht sich auf die Jagd. Irgendjemand wird für diese Täuschung bezahlen. Doch der Totenkaiser ist längst selbst der Gejagte ...

Bernhard Trecksel, geb. 1980 in Papenburg an der Ems, bezeichnet sich selbst als leidenschaftlichen Eskapisten und absoluten Geek. Die Kunst des Erzählens lernte und verbesserte er während unzähliger Stunden, die er mit Fantasy-Rollenspielen verbrachte. Seine Inspiration als Autor findet er in den alltäglichsten Dingen wie dem Lesen der Morgenzeitung, doch seine schriftstellerischen Idole sind die alten Meister wie H.P. Lovecraft, Robert E. Howard und J.R.R. Tolkien. In seiner Freizeit spielt er Videospiele, Brettspiele und (auch als Erwachsener immer noch) Rollenspiele oder liest Fantasy- und Horrorromane. Seit seinem Universitätsabschluss in Archäologie und Skandinavistik lebt er in Münster und arbeitet als Übersetzer, Rezensent und - seit seinem Debüt Nebelmacher - als Autor.

1. Clach

Die Herrin Pavosa Moreno war gerade einmal sechzehn Jahre alt, als sie starb. Bis zur Nacht ihres unrühm­lichen Abgangs, an deren unausweich­lichem Ende gleich zwei Lehren auf die Herrin warteten, war ihr Dasein stets nur von einem Prinzip geprägt gewesen: der unerschütter­lichen Gewissheit, Herrin all dessen zu sein, das im Schatten der Loggia ihres Vaters lebte. Ihre Launenhaftigkeit und ihre Grausamkeit – Teil des famosen Erbes, das sie dereinst von ihrem Vater übernehmen würde – waren in diesem Teil von Argas geradezu legendär geworden, hatten sich verselbstständigt und dazu geführt, dass keiner der Menschen aus dem Viertel, egal, welchen Standes, auf die Straße ging, wenn Pavosa in ihrer Sänfte unterwegs war. Nur allzu gern befahl sie ihren Untergebenen, Passanten mit Schlägen zu malträtieren, ob diese nun den Weg rechtzeitig freimachten oder nicht. Passierte sie mit ihrem von einer Armada von Sklaven gewuchteten Gefährt die Stände von Marktschreiern, so sahen sich diese umringt von bulligen Eunuchen und der Gewissheit, um eine Vielzahl von Pasteten, Küchlein und anderer Köstlichkeiten erleichtert zu werden. Natürlich zu einem lächerlich niedrigen Vorzugspreis, falls die Herrin Moreno überhaupt je bezahlte, was ganz und gar von ihren Launen abhing. Während dann wütende, oftmals misshandelte Bürger hinter ihren Marktständen zurückblieben, geschundene Gesichter befühlten und gelockerte Zähne betasteten, wurde die junge Diva, gebettet auf samtenen Kissen und umhüllt von Seidenvorhängen, über das Kopfsteinpflaster getragen und vergrößerte ihren nicht unbeträcht­lichen Leibesumfang mit den erbeuteten Naschereien.

Genau dieser Hang zu Backwerk und deftigen Happen war einer der Faktoren, die der Herrin Pavosa Moreno in dieser schwülwarmen Nacht zum Verhängnis werden sollten: Während ein Bagansa-Teppich aus edelstem Flor unter ihren teigigen Füßen nur so dahinflog und die gestrengen Gesichter ihrer Vorfahren auf den Ölschinken ihrer Dynastie vorbeirauschten, raste das verfettete Herz in Pavosas Brust und pumpte verkleisterten Sirup durch ihre Adern, die ein missliebiger Feuerteufel in Brand gesteckt zu haben schien. Ihre Lunge pfiff, Myriaden winziger Lichtpunkte tanzten vor ihren Augen ein Rondo, ragten in ihren Kopf hinein und rasten durch ihr fiebriges Gehirn. Die Welt war zu einem Tunnel geworden, dessen Ende – der rettende Ausgang – in unendlich weiter Ferne dieses Seitengangs der Loggia zu liegen schien. Sie hechelte wie ein Straßenköter mit Schwindsucht, pumpte Luft mit der Konsistenz von Rübensaft in ihre kreischende Lunge und mobilisierte sämt­liche Kraftreserven ihres jugend­lichen Körpers.

Sie senkte den Kopf und legte an Geschwindigkeit zu. Vor einigen Sekunden – die ihr vorkamen, als lägen sie Jahre zurück – hatte die Herrin Pavosa Moreno noch panisch um Hilfe geschrien, doch offenbar hatte niemand sie gehört. Keiner ihrer Diener kam ihr zu Hilfe. Sie war allein. Ein Schluchzer entrang sich ihrer Kehle, erklomm tapfer den Weg nach oben durch den rasenden Schmerz in ihrer Luftröhre. Wo sind nur alle? Wieso hilft mir keiner?

Die Tatsache, dass ihr niemand zu Hilfe kam, führte zur ersten Erkenntnis, die das Mädchen in dieser Nacht machen sollte: Sie war allein. Ganz allein. Nein, das stimmte so nicht ganz. Der Verfolger! Sie warf den Kopf herum, wobei einer ihrer Zöpfe ihr wie eine Bullenpeitsche ins Gesicht klatschte. Der Korridor war leer, Lüster an den getäfelten Wänden warfen unstete Schatten. Sie konnte es nicht fassen.

Sie wurde langsamer. Blieb stehen. Dann vernahm die Herrin Pavosa ein schnaubendes Lachen. Sie brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass es ihr eigenes war. Sie lehnte sich an die Täfelung, brach in der Mitte ein. Sie war vollkommen ausgepumpt. Vorhin hatte Pavosa nur einen kurzen Blick auf ihren Verfolger werfen können, aber der hatte genügt, um zu wissen, warum er gekommen war. Der Mann – sie glaubte zumindest, dass es sich um einen handelte – war ein gedungener Mörder. Ein Attentäter. Die Herrin Pavosa mochte jung sein, doch unbeschlagen in den Wegen ihres Standes war sie nicht. Es hatte bereits einmal einen Anschlag auf ihr Leben gegeben, nur hatten ihre Leute damals kurzen Prozess mit der Meuchlerin gemacht. Pavosa hatte selbst befohlen, dass man den Kopf der Täterin salzen und dann auf eine Lanze am höchsten Türmchen des Palastes stecken sollte. Sie war sich damals sehr erwachsen vorgekommen in ihrer Rolle als Herrin über Leben und Tod.

Doch nun, während das Blut durch ihre Ohren rauschte wie ein Orkan, ihr Herz flatterte und der Schweiß ihr in Sturzbächen über den Körper rann, musste die Herrin Pavosa Moreno erkennen, dass sie nur ein Kind war. Schniefend und von einer Vielzahl im Widerstreit liegender Emotionen überflutet, starrte das Mädchen auf seine nackten Füße, die Hände noch immer an die weiß lasierten Holzplatten und ihren Stuck gepresst. Sie verharrte auch noch in dieser Haltung, als der Schatten auf sie fiel. Er kam von rechts, aus der Richtung, in die sie bisher geflüchtet war. Ein weiteres Schluchzen stahl sich über ihre bebenden Lippen, begleitet von einer weiteren Erkenntnis.

»Ihr wart die ganze Zeit hier, nicht wahr? Ihr habt mich gar nicht verfolgt?«, fragte sie.

Keine Antwort. Stoff raschelte. Ein seidiges Wispern, das klang, als würden sich die Leiber schwarzer Schlangen am Grund einer Grube aneinanderreiben. Er riecht nur nach Leder, fuhr es ihr durch den Kopf. Absurd. Er hat gar keinen richtigen Geruch. So als wäre er gar nicht wirklich hier … Er wird ja auch bald wieder fort sein. Wenn er fertig ist.

Es raschelte erneut. Er trat an sie heran. Sie presste die Augen fest zu, spürte seine Präsenz aber dadurch umso stärker. Aber noch stärker als die Furcht war die Stimme ihres Vaters. Ihres verhassten Erzeugers, der sie für ihre Feigheit und Schwäche verurteilte. Sie öffnete die Augen aus blankem Trotz. Trotz war etwas, worauf sie sich verstand. Pavosa blickte auf und sah ihren Verfolger vor sich. Eine mit Asche geschwärzte Lederrüstung mit passenden Arm- und Beinschienen. Kleidung, dunkler als die Nacht, die Konturen der Figur zerstreut von ihren Tränen und einem samtgrünen langen Umhang, dessen Kapuze hochgeschlagen war. Kaum erkennbar darunter die pechschwarzen, kurz geschnittenen Haare. Mehrere Tücher oder Schals verhüllten die untere Partie des Gesichts, darüber sah sie scharf geschnittene Wangenknochen, die dem Antlitz etwas von einem Milan oder einem anderen, noch grausameren Greifvogel verliehen. Die Augen waren wasserblau, schienen wie ihre zu schwimmen. Über dem linken verlief eine Messernarbe, die auf der Stirn begann und irgendwo unter den Schals vor seiner Mund­partie verschwand. Ihre Blicke begegneten sich. Pavosa ergriff das Wort:

»Wird es weht …« Weiter kam sie nicht. Ein scharfer, kalter Schmerz drang schlagartig und unerwartet in ihre Welt ein und füllte sie aus, wurde zu einem Schatten, einem allumfassenden Kosmos, der alles überlagerte. Die zweite Erkenntnis dieser Nacht brach über das Mädchen herein: Ich sterbe. Götter, ich sterbe. Eine Sturzflut panischer Ängste und widerstrebender Gefühle zerfetzte jeden klaren Gedanken. Sie hörte sich selbst einen blubbernden Laut ausstoßen, der unter anderen Umständen vielleicht sogar komisch gewesen wäre. Ihr Mund war urplötzlich voll mit einer warmen Flüssigkeit. Beiläufig registrierte sie, dass sie sich damit vollsabberte. Sie sickerte ihr über das Kinn auf die Brust, wo der Dolch steckte, den der Attentäter mit Wucht durch ihr Brustbein gerammt hatte. Obwohl ihr Mund voller Blut war, fühlte er sich grässlich trocken an. Sie roch verbrannte Haare, obwohl sie kein Feuer sah. Sie räusperte sich, verspritzte dabei karmesinrote Perlen. Sie glitzerten wie makellose kleine Rubine auf der Täfelung, fingen das tanzende Kerzenlicht ein. Ein unerträglich hoher Summton wie von tausenden Wespen war plötzlich in ihren Ohren, schwoll zu einem Dröhnen an, während die Kälte eines ungebändigten Schneesturms durch ihre Brust tobte. Sie räusperte sich noch mal. Und noch einmal. Es half nichts, ihre nasse Kehle blieb trocken.

»Nicht lange«, sagte der Mörder, und seine raue Stimme begleitete die Herrin Pavosa Moreno in die Dunkelheit.

Clach sah zu, wie der kleine Körper mit einem eigentüm­lichen Quietschen an der Täfelung herabsackte, an der er Schlieren hinterließ. Die Finger des Mädchens griffen ins Leere, die Augen rollten in ihren Höhlen. Dann bekam sie seinen Umhang zu fassen, krallte sich daran fest, und ein letztes Blubbern entrang ihrer Kehle. Clach ließ sich auf ein Knie neben dem Körper nieder und entzog seinen Umhang dem Griff der Sterbenden. Er holte einen kleinen Behälter aus Weidenruten hervor, in dem ein Spatz mit Sehnen fixiert war. Die Flügel waren gebrochen, eine Leistung, die selbst einem Mann mit Clachs geschickten Händen alles abverlangt hatte. Sechs der winzigen Tiere hatte er bei den Versuchen vorher getötet. Sie waren extrem filigran. Er hatte einen Raben verlangt – aus Pragmatismus und auch aus Gründen der Tradition –, aber in ganz Argas weigerten sich die Vogelhändler, die gefiederten Todesboten zu verkaufen. An Nachtigallen, Spatzen und Kolibris herrschte indes kein Mangel.

Man musste nehmen, was man bekam. Hätte es ein Leitmotiv für das Leben des jungen Mannes gegeben, den wenige in der Penta Fomor unter dem Ehrennamen »Totenkaiser« kannten, dann hätte es wohl gelautet: Man muss nehmen, was man kriegt.

Clach setzte sich im Schneidersitz neben das Mädchen. Ihr plumper kleiner Körper gab nun nur...

Erscheint lt. Verlag 22.6.2015
Reihe/Serie Totenkaiser
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Assassine • Assassine, Inquisitor, Barbar, Peter V. Brett, Brent Weeks, Titan, deutsch, Tempelritter • Barbar • Brent Weeks • Deutsch • eBooks • Fantasy • High Fantasy • Inquisitor • Peter V. Brett • Tempelritter • Titan
ISBN-10 3-641-15587-8 / 3641155878
ISBN-13 978-3-641-15587-2 / 9783641155872
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